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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 21.04.2005
Aktenzeichen: 3 K 5387/00
Rechtsgebiete: BewG


Vorschriften:

BewG § 68 Abs. 1 Nr. 1
BewG § 99 Abs. 1 Nr. 1
BewG § 95 Abs. 1 Nr. 1
BewG § 99 Abs. 2 Nr. 1
BewG § 26
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten wird gestritten um die Frage, ob ein Grundstück, das einerseits im Alleineigentum des einen Ehegatten steht, aber andererseits zu mehr als der Hälfte seines Werts den Zwecken des von dem anderen Ehegatten unterhaltenen Gewerbebetriebs dient, bewertungsrechtlich als Betriebsgrundstück einzuordnen und als solches dem Betriebsvermögen des anderen Ehegatten zuzurechnen ist. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit notariellem Vertrag vom 04.01.1994 erwarb die Klägerin das damals noch unbebaute Grundstück Flur , Flurstück ..., Gemarkung...mit einer Fläche von XXX m2. Daraufhin nahm der Beklagte (das Finanzamt) eine Zurechnungsfortschreibung an die Klägerin auf den 01.01.1994 vor; die Feststellungen zum Einheitswert (1.700 DM), zur Grundstücksart (unbebautes Grundstück) sowie zur Vermögensart (Grundvermögen) ließ es unverändert (Einheitswertbescheid vom 07.06.1994).

Die Klägerin verpachtete das Grundstück in der Folgezeit an ihren Ehemann. In Ausübung dieses Nutzungsrechts ließ der Ehemann der Klägerin auf dem Grundstück für Zwecke seines Gewerbebetriebs eine Lagerhalle und ein Werkstattgebäude errichten. Daraufhin gab die Klägerin auf den 01.01.1998 eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts ab. Darin teilte sie u. a. mit, das Grundstück diene zu mehr als der Hälfte einem Gewerbebetrieb.

Aufgrund der Erklärung der Klägerin hob das Finanzamt die bisherige Einheitswertfeststellung für das Grundstück mit Wirkung zum 01.01.1999 auf (Bescheid vom 02.12.1999). Im Anschluss daran führte es auf denselben Stichtag eine "Nachfeststellung" durch, und zwar mit folgenden Ergebnissen: Einheitswert: 9.800 DM, Grundstücksart: Geschäftsgrundstück, Vermögensart: Betriebsvermögen, Zurechnung als Betriebsgrundstück beim Betrieb der Klägerin (Bescheid vom 30.03.2000).

Gegen den letztgenannten Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein mit dem Begehren, das Grundstück dem Grundvermögen zuzuordnen. Darauf änderte das Finanzamt die bisherigen Feststellungen insoweit, als es das Grundstück nunmehr dem Betrieb des Ehemannes zurechnete (Bescheid vom 06.10.2000).

Demgegenüber hielt die Klägerin an ihrer Auffassung fest, das Grundstück sei dem Grundvermögen zuzuordnen und daher nicht als Betriebsgrundstück zu behandeln. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es - sinngemäß - aus: Das Grundstück gehöre zum Betriebsvermögen des (vom Ehemann der Klägerin unterhaltenen) Gewerbebetriebs, weil es zu mehr als der Hälfte seines Werts diesem Betrieb diene. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das Grundstück im Alleineigentum der Klägerin stehe. Denn nach Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. 23 Abs. 2 und Abschn. 36 Abs. 2 der Vermögensteuerrichtlinien, VStR) sowie der Kommentarliteratur (Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, 16. Aufl., § 95 Anm. 23/2) seien Grundstücke des Ehegatten des Betriebsinhabers, die dem Gewerbebetrieb zu mehr als der Hälfte ihres Werts dienten, in die wirtschaftliche Einheit des Gewerbebetriebs einzubeziehen und daher der Vermögensart "Betriebsvermögen" zuzurechnen (Einspruchsentscheidung vom 03.11.2000).

Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor: Nach § 99 des Bewertungsgesetztes (BewG) sei ein Grundstück nur dann als Betriebsgrundstück einzuordnen, wenn es zum einen zu mehr als der Hälfte seines Werts dem betreffenden Gewerbebetrieb diene und zum anderen im Eigentum des Betriebsinhabers stehe. Daher komme eine Einstufung als Betriebsvermögen nicht in Betracht, wenn das Grundstück weder im Alleineigentum noch im Miteigentum des Betriebsinhabers stehe. Daran ändere auch die Vorschrift des § 26 BewG nichts. Hiernach werde die Zurechnung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit beim Grundbesitz im Sinne des § 99 BewG nur für den Fall nicht ausgeschlossen, dass die Wirtschaftsgüter zum Teil dem einen, zum Teil dem anderen Ehegatten gehörten. In dem hier vorliegenden Zusammenhang könne die Ausnahmeregelung des § 26 BewG nur dann Wirkung entfalten, wenn beide Ehegatten als Miteigentümer an dem Grundstück beteiligt seien. Nur dann würde die Regel des § 99 Abs. 2 Satz 3 BewG verdrängt, wonach bei einer Beteiligung weiterer Personen das Grundstück im Ganzen nicht als Betriebsgrundstück gelte. Eine derartige Konstellation sei im Streitfall jedoch nicht gegeben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Einspruchsentscheidung vom 03.11.2000 aufzuheben und den Einheitswertbescheid vom 06.10.2000 (Nachfeststellung auf den 01.01.1999) in der Weise zu ändern, dass die Vermögensart "Grundvermögen" festgestellt wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es sinngemäß auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren.

Die den Streitfall betreffenden Akten des Finanzamts waren Gegenstand des Verfahrens.

Gründe

I.

Der Senat war nicht gehindert, den Antrag der Klägerin ihrem Rechtsschutzinteresse entsprechend in der Weise auszulegen, dass der Bescheid vom 06.10.2000 nicht mit all seinen Einzelfeststellungen aufgehoben, sondern in der Weise geändert werden soll, dass bei der Vermögensart die Feststellung "Betriebsvermögen" und die damit verbundene Zurechnung als Betriebsgrundstück zum Gewerbebetrieb des Ehemanns der Klägerin ersetzt wird durch die Feststellung "Grundvermögen". Ebenso wenig war eine Auslegung dahingehend geboten, dass neben dem vorgenannten Bescheid auch die Bescheide vom 02.12.1999 und vom 30.03.2000 aufgehoben werden sollen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Klageanträge im Zweifel so zu interpretieren, dass das Ergebnis, insbesondere unter Berücksichtigung des Akteninhalts, dem Willen eines verständigen Klägers entspricht. Dabei ist das als gewollt anzunehmen, was nach Maßgabe der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Klägers entspricht (vgl. die Nachweise bei Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 65 FGO Tz. 2, 24).

Für das Auslegungsergebnis sprechen zunächst die Regeln des gerichtlichen Verfahrensrechts. So wäre nach § 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das Gericht befugt, den angefochtenen Einheitswertbescheid in Bezug auf die Feststellung der Grundstücksart zu ändern. Denn es geht hier um einen Verwaltungsakt der eine auf einen Geldbetrag bezogene Feststellung im Sinne der genannten Vorschrift trifft. Zu den Verwaltungsakten der vorgenannten Art gehören alle Feststellungsbescheide im Sinne der §§ 179 ff. der Abgabenordnung (AO), mithin auch Einheitswertbescheide (vgl. Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 100 FGO Rz. 60).

Die einschränkende Auslegung des Klageantrags ist im Wesentlichen geboten durch die allgemeinen Grundsätze zur Anfechtung von Feststellungsbescheiden. So enthält der ein bebautes Grundstück betreffende Einheitswertbescheid eine Reihe von verschiedenen Einzelfeststellungen. Jede dieser Feststellungen ist Gegenstand eines eigenständigen Verwaltungsakts und kann insofern selbständig angefochten oder selbständig bestandskräftig werden. Auch bei einer Fortschreibung können die jeweiligen Einzelfeststellungen ein gesondertes Schicksal haben (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13.11.1981 III R 116/78, Bundessteuerblatt Teil II - BStBl II - 1983, 88, und vom 10.12.1986 II R 88/85, BStBl II 1987, 292). Im Streitfall geht es der Klägerin allein um die Entscheidung des Finanzamts, das Grundstück als Betriebsvermögen einzuordnen und dem Betriebsvermögen des Ehemannes zuzurechnen.

Der Klageantrag ist auch nicht deshalb auf die Bescheide vom 30.03.2000 und vom 06.10.2000 in ihrer jeweiligen Gesamtheit und außerdem nicht auf den Bescheid vom 02.12.1999 zu beziehen, weil das Finanzamt beim Erlass dieser Bescheide die Verfahrensregeln des Bewertungsgesetzes fehlerhaft angewandt hat und weil in sofern eine Aufhebung der Bescheide möglich wäre.

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der früheren Einheitswertfeststellung einerseits (Bescheid vom 02.12.1999) und eine Nachfeststellung andererseits (Bescheide vom 30.03.2000 und vom 06.10.2000) lagen nämlich nicht vor. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BewG wird der Einheitswert regelmäßig dann aufgehoben, wenn dem Finanzamt bekannt wird, dass die wirtschaftliche Einheit wegfällt. Und nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BewG wird für eine (der Einheitsbewertung unterliegende) wirtschaftliche Einheit der Einheitswert in der Regel nachträglich festgestellt, wenn nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt die wirtschaftliche Einheit neu entsteht. Hat sich bei einem Grundstück nur die Vermögensart geändert, ist - anders als vom Finanzamt angenommen - der Bestand des Grundstücks als wirtschaftliche Einheit nicht berührt. Nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung (Veränderung der Vermögensart vom Grundvermögen zum Betriebsvermögen) hätte das Finanzamt eine Artfortschreibung durchführen müssen. Nach § 22 Abs. 2 BewG wird über die Art der wirtschaftlichen Einheit eine neue Feststellung getroffen (Artfortschreibung), wenn sie von der zuletzt getroffenen Feststellung abweicht und für die Besteuerung von Bedeutung ist. Hiernach ist nicht eine Nachfeststellung, sondern eine Artfortschreibung durchzuführen, wenn sich - wie hier vom Finanzamt angenommen - die Vermögensart nur insofern ändert, als aus einem bisher zum Grundvermögen gehörenden Grundstück ein Betriebsgrundstück wird und umgekehrt (Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz/Vermögensteuergesetz, § 23 BewG Anm. 20.).

Gleichwohl erscheint es nicht geboten, der Erklärung des Klägers den Willen zugrunde zu legen, das Gericht solle auch die dem Finanzamt unterlaufenen Verfahrensfehler beseitigen. Zum einen lässt sich - wie bereits dargelegt - dem Klägervorbringen nichts für einen derartigen Willen entnehmen. Zum anderen wäre es weder nach Maßgabe des Verfahrensrechts vernünftig noch nach der Interessenlage der Klägerin erforderlich, die genannten Bescheide aufzuheben. Allein dadurch, dass das Finanzamt fälschlicherweise eine Artfortschreibung durch eine Nachfeststellung (in Verbindung mit einer vorangegangenen Aufhebung) ersetzt hat, sind die rechtlichen Interessen der Klägerin erkennbar nicht berührt worden. Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, die Klägerin wolle mit ihrem Antrag unnötige Förmelei betreiben. Ihr wäre auch mit einer bloßen Aufhebung der Bescheide nicht geholfen. Denn das Rechtsschutzziel (Zuordnung des Grundstücks zum Grundvermögen) wäre nur dann zu erreichen, wenn der Antrag zusätzlich im Sinne einer Verpflichtungsklage (auf Durchführung einer Artfortschreibung) ausgelegt würde.

II.

Die Klage ist (entsprechend dem vorstehend beschriebenen Antragsinhalt) begründet.

Das Finanzamt hat das streitige Grundstück zu Unrecht dem Betriebsvermögen zugeordnet und damit auch zu Unrecht dem Gewerbebetrieb des Ehemanns der Klägerin zugerechnet. Richtigerweise ist als Grundstücksart "Grundvermögen" festzustellen.

1. Entgegen der Auffassung des Finanzamts sind alle Grundvoraussetzungen erfüllt, um das Grundstück dem Grundvermögen zuzuordnen.

Nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG gehören zum Grundvermögen der Grund und Boden sowie bestimmte andere Grundstücksbestandteile, soweit es sich nicht - vom Fall des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens abgesehen - um Betriebsgrundstücke im Sinne des § 99 BewG handelt.

Betriebsgrundstück in dem vorgenannten Sinne ist nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG der zu einem Gewerbebetrieb gehörige Grundbesitz, soweit er, losgelöst von seiner Zugehörigkeit zu dem Gewerbebetrieb, zum Grundvermögen gehören würde. Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BewG umfasst das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebes im Sinne des § 15 Abs. 1 und 2 EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören.

Vom Finanzamt wird nicht geltend gemacht, das Grundstück sei nach ertragsteuerlichen Grundsätzen dem Betriebsvermögen zuzurechnen. Der Senat sieht nach Aktenlage auch keinen Anlass, diesbezüglich irgendwelche Untersuchungen anzustellen.

2. Etwas anderes ergibt sich - entgegen dem Vorbringen des Finanzamts - nicht aus der Sonderregelung des § 99 Abs. 2 Satz 1 BewG.

Nach dieser Vorschrift gilt ein Grundstück, das, losgelöst von dem Gewerbebetrieb, zum Grundvermögen gehören würde, in vollem Umfang als Teil des Gewerbebetriebs und als Betriebsgrundstück, wenn es zu mehr als der Hälfte seines Werts dem Gewerbebetrieb dient.

Diese gesetzliche Fiktion greift im Grundsatz nur ein, wenn der Betriebsinhaber (als Einzelperson bzw. als Personenmehrheit) gleichzeitig (wirtschaftlicher) Alleineigentümer des Grundstücks ist. Das ergibt sich zum einen aus der Grundregel des § 2 Abs. 2 BewG und zum anderen aus der ergänzenden Regelung in § 99 Abs. 2 Satz 3 BewG. Nach § 2 Abs. 2 BewG kommen mehrere Wirtschaftsgüter als wirtschaftliche Einheit (vgl. § 2 Abs. 1 BewG) nur insoweit in Betracht, als sie demselben Eigentümer gehören. Nach § 99 Abs. 2 Satz 3 BewG gilt ein Grundstück, an dem neben dem Betriebsinhaber noch andere Personen beteiligt sind, auch hinsichtlich des Anteils des Betriebsinhabers nicht als Betriebsgrundstück (zu den Besonderheiten bei Beteiligung mehrerer Personen an dem Gewerbebetrieb: vgl. Rössler, Bewertungsgesetz, § 99 Rdnr. 14; Gürsching/Stenger, a. a. O., § 99 BewG Anm. 59 ff.).

Die vorgenannten Grundregeln erfahren allerdings in Bezug auf Ehegatten durch die weitere Sonderregelung des § 26 BewG im Rahmen der Einheitsbewertung eine gewisse Einschränkung. So ist nach dieser Vorschrift die Zurechnung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit (§ 2 BewG) beim Grundbesitz im Sinne der §§ 33 bis 94, 99 und 125 bis 133 BewG nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Wirtschaftsgüter zum Teil dem einen, zum Teil dem anderen Ehegatten gehören.

Bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ist der Sinn der Sonderregelung des § 26 BewG in seiner heutigen Fassung ohne weiteres erkennbar. So soll in Fällen, bei denen die Ehegatten keine Mitunternehmerschaft bilden, eine Gesamtbewertung des Betriebs im Sinne des § 36 BewG sichergestellt werden. Denn ein solcher Betrieb besteht naturgemäß aus einer Fülle einzelner Wirtschaftsgüter, die - wie allgemein bekannt - zum Teil dem einen Ehegatten, zum Teil dem anderen Ehegatten gehören können (vgl. Rössler, a. a. O., § 26 Rdnr. 6).

Bei Betriebsgrundstücken (§ 99 BewG) lässt sich der Regelungszweck des § 26 BewG nicht so leicht feststellen. Ein denkbarer Anwendungsfall wäre etwa folgender Sachverhalt: Der Ehemann ist Inhaber eines Gewerbebetriebs. Die betrieblichen Gebäude und Einrichtungen befinden sich auf einem Grundstück, das zur einen Hälfte dem Ehemann und zur anderen Hälfte der Ehefrau gehört. In diesem Falle erscheint es sinnvoll, das Grundstück unter den Voraussetzungen des § 99 Abs. 2 Satz 1 BewG einheitlich als Betriebsgrundstück zu bewerten. Auch dürften hier die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 26 BewG gegeben sein: Die beiden Eigentumsanteile der Ehegatten stellen Wirtschaftsgüter dar, die nach den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BewG grundsätzlich als Grundstück eine wirtschaftliche Einheit bilden können. Die genannten Wirtschaftsgüter gehören des Weiteren zum Teil dem einen, zum Teil dem anderen Ehegatten. Nach der Grundregel des § 2 Abs. 2 BewG wäre es nicht zulässig, die beiden Eigentumsanteile zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen. § 26 BewG stellt insofern eine Durchbrechung der vorgenannten Grundregel dar und ermöglicht damit für das Gesamtgrundstück eine einheitliche Bewertung (vgl. zum systematischen Zusammenhang zwischen § 2 Abs. 1 und 2 BewG einerseits und § 26 BewG andererseits: BFH-Urteile vom 29.10.1973 III R 40/73 BStBl II 1974, 79, und vom 19.06.1996 II R 86/93 BFH/NV 1997, 14).

Die vorstehenden Überlegungen passen nach Auffassung des Senats überhaupt nicht zu dem hier zu beurteilenden Sachverhalt: Die Klägerin ist Alleineigentümerin des streitigen Grundstücks. In Bezug auf das gesetzliche Merkmal "Grundbesitz im Sinne des § 99" liegt daher keine Mehrheit von Wirtschaftsgütern vor. Insofern besteht auch nicht das Problem, dass eine einheitliche Bewertung durch die Grundregel des § 2 Abs. 2 BewG ausgeschlossen wäre. Die diesbezügliche Ausnahmeregelung des § 26 BewG ergibt daher keinen Sinn.

3. Die vom Finanzamt vertretene Auffassung ist in Bezug auf die verschiedenen hier einschlägigen Vorschriften weder mit dem Wortlaut noch mit dem systematischen Zusammenhang noch mit dem Regelungszweck zu vereinbaren.

Wäre die Auffassung des Finanzamts richtig, dann müsste in § 26 BewG neben dem "Grundbesitz" ausdrücklich auch das "Betriebsvermögen" genannt sein. Dann könnten, unabhängig von der eigentumsmäßigen Zuordnung bei den Ehegatten, die verschieden Wirtschaftsgüter zu der wirtschaftlichen Einheit "Betriebsvermögen" zusammengefasst werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem klarstellenden Hinweis in § 95 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, wonach die Regelung in § 99 BewG über die bewertungsrechtliche Erfassung und Zuordnung von Betriebsgrundstücken unberührt bleibt. Hätte der Gesetzgeber die Absicht gehabt, unter den Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 Satz 1 BewG in das Betriebsvermögen des einen Ehegatten auch die Grundstücke einzubeziehen, die im Alleineigentum des anderen Ehegatten stehen, dann hätte er den klarstellenden Hinweis auch auf § 26 BewG beziehen müssen.

Für den Senat ist im Übrigen nicht zu erkennen, zu welchem Zweck ein Grundstück, das allein dem Nichtunternehmer-Ehegatten gehört, abweichend von den Grundregeln des Ertragssteuerrechts zum Betriebsvermögen des Unternehmer-Ehegatten hinzugezogen werden soll. Entstehungsgeschichte und Bedeutung des § 95 BewG in seiner derzeitigen Fassung sprechen vielmehr für das Gegenteil: § 95 BewG ist durch das Steueränderungsgesetz 1992 neu gefasst worden. Es sollten ab 1993 grundsätzlich nur noch die Steuerbilanzwerte sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach in die Vermögensaufstellung (zur Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens) übernommen werden. Damit wollte der Gesetzgeber einem Bedürfnis nach Vereinfachung des Verfahrens entsprechen (vgl. Gürsching/Stenger, a. a. O., § 95 BewG ab 1993 Rdnr. 2 ff.).

4. Die frühere Rechtsprechung des BFH steht der Auffassung des Senats nicht entgegen.

Der BFH hat zwar in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Grundstücke und sonstige Wirtschaftsgüter, die im Alleineigentum eines Ehegatten stehen und gleichzeitig dem Gewerbebetrieb des anderen Ehegatten zu mehr als der Hälfte ihres Werts dienen, in den Einheitswert des Betriebsvermögens des anderen Ehegatten einzubeziehen sind (vgl. Urteile vom 30.04.1971 III R 9/70, BStBl II 1971, 669, und in BStBl II 1974, 79). In seinem grundlegenden Urteil vom 24.10.1958 III 153/58 S (BStBl III 1959, 2) hat er zu der Vorgängervorschrift des § 26 BewG (§ 24 Ziff. 1 BewG a. F.) ausgeführt: Der Grundgedanke der Regelung bestehe darin, dass bei einer wirtschaftlichen Einheit, an der nur Ehegatten beteiligt seien, die privatrechtlichen Beziehungen des einzelnen Ehegatten zu den verschiedenen Teilen dieser wirtschaftlichen Einheit außer Betracht bleiben sollten. Es werde deshalb, wenn die Voraussetzungen für die Zusammenrechnung des Vermögens von Ehegatten gegeben seien (§ 119 Abs. 1 BewG a. F.), bei der Einheitsbewertung die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit ohne Rücksicht darauf getroffen, wer von den beiden Ehegatten Eigentümer der einzelnen wirtschaftlich zusammengehörenden Wirtschaftsgüter sei.

Die vorstehenden Erwägungen, mit denen der BFH den Regelungszweck des § 26 BewG in der bis 1992 geltenden Fassung (bzw. der Vorgängervorschrift) erläutert hat, treffen auf § 26 BewG in der für den streitigen Stichtag (01.01.1999) geltenden Fassung jedoch nicht mehr zu. Seit 1991 hat sich der Gesetzeswortlaut mehrfach geändert. Dabei hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift im Laufe der Zeit immer weiter eingeschränkt. So galt § 26 BewG ursprünglich für Wirtschaftsgüter aller Art (bis 28.02.1992), später für Grundbesitz, Mineralgewinnungsrechte und sonstiges Vermögen (bis 12.11.1992), dann für Grundbesitz und sonstiges Vermögen (bis 27.12.1996), schließlich nur noch für Grundbesitz, wobei die letzte Gesetzesfassung (gültig ab 01.11.1997) in Bezug auf Betriebsgrundstücke (§ 99 BewG) eine klarstellende Ergänzung enthält. Es kommt noch hinzu, dass - wegen des Wegfalls der Vermögensteuer - die Zusammenrechnung des Ehegattenvermögens nach § 119 Abs. 1 BewG a. F. entfallen und der Wortlaut des § 26 BewG entsprechend angepasst worden ist.

5. Soweit sich aus der neuesten Rechtsprechung des BFH etwas anderes ergeben sollte, könnte der Senat dem nicht folgen.

In seinem Urteil vom 14.05.2004 II R 50/01 (BStBl II 2004, 818) hat der BFH u. a. ausgeführt: Bei einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, der von Ehegatten in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geführt werde, ergebe sich die Zusammenrechnung von Wirtschaftsgütern, die teils dem Ehemann, teils der Ehefrau gehörten, aus § 34 Abs. 6 i. V. m. § 26 BewG. Nach § 26 BewG könnten "zudem" beim Grundbesitz im Sinne der §§ 33 bis 94, 99 und 125 bis 133 BewG Wirtschaftsgüter einem Ehegatten auch dann zugerechnet werden, wenn diese dem anderen Ehegatten gehörten.

Die den § 26 BewG betreffenden Ausführungen des BFH erscheinen dem Senat, soweit sie sich auf den Fall des Betriebsgrundstücks (§ 99 BewG) beziehen, als nicht ganz zweifelsfrei: Zum einen geben sie eine Gesetzesfassung wieder, die zum maßgebenden Stichtag (01.01.1993) noch nicht gültig war. Zum anderen erscheinen sie als entbehrlich, weil das Urteil von anderen Gründen getragen wird. Erstens war zum damaligen Stichtag das Ehegattenvermögen nach § 119 Abs. 1 BewG a. F. noch zusammenzurechnen. Und zweitens nimmt § 34 Abs. 6 BewG bei einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, der von einer GbR unterhalten wird, eine eindeutige Zuordnungsbestimmung für die den Beteiligten gehörenden Wirtschaftsgüter vor.

6. Aufgrund der vorstehend dargelegten Erwägungen hält der Senat sowohl die von der Finanzverwaltung (Abschn. 23 Abs. 2 Satz 3, Abschn. 36 Abs. 2 VStR 1995) als auch die von der Kommentarliteratur (s. Rössler, a. a. O., § 26 Rdnr. 8; Gürsching/Stenger, a. a. O., § 99 Anm. 48) vertretene Auffassung, für nicht zutreffend.

So heißt es in Abschn. 36 Abs 2 VStR 1995, Grundstücke des Betriebsinhabers, die dem Gewerbebetrieb zu mehr als der Hälfte ihres Werts dienten, seien Betriebsgrundstücke; § 26 BewG sei insoweit anwendbar. Es ist jedoch nicht zu erkennen, ob und inwieweit die Finanzverwaltung sich mit den oben dargelegten Gesetzesänderungen auseinander gesetzt hat. Gleiches hat für die genannte Kommentarliteratur zu gelten. Dort wird nämlich keine Begründung dafür geliefert, warum (nach geltendem Recht) das dem Nichtunternehmer-Ehegatten allein gehörende Grundstück zum Betriebsvermögen des Unternehmer-Ehegatten hinzugezogen werden soll.

Die vorstehend dargelegte Auffassung ist bisher nur durch vereinzelte Stimmen im Schrifttum bestätigt worden. So wird in verschiedenen Veröffentlichungen zum bewertungsrechtlichen Teil des Steueränderungsgesetzes 1992 herausgestellt, dass - anders als nach altem Recht - Grundstücke, die dem Nichtunternehmer-Ehegatten allein gehören, nicht mehr in das Betriebsvermögen des anderen Ehegatten hineingezogen werden können (s. Rödder, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1992, 965; Oldenburg/Wilke, DStR 1993, 868).

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

8. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Wie dargelegt, wird die streitige Rechtsfrage in unterschiedlicher Weise beantwortet. Eine Klärung durch den BFH erscheint daher als erforderlich.

Ende der Entscheidung

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