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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Gerichtsbescheid verkündet am 28.05.2008
Aktenzeichen: 4 K 1226/08
Rechtsgebiete: KStG, UmwStG


Vorschriften:

KStG § 34 Abs. 1
KStG § 36 Abs. 1
KStG § 37 Abs. 1
KStG § 37 Abs. 2
KStG § 40
UmwStG § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hessen

4 K 1226/08

Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Senat des Hessischen Finanzgerichts ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid am 28. Mai 2008 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Hessischen Finanzgericht ... des Richters am Hessischen Finanzgericht ... der Richterin am Hessischen Finanzgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid für 2002 vom ....2005 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom ...2004 dahin geändert dass

1. die Körperschaftsteuer auf ... EUR,

2. der Solidaritätszuschlag auf ... EUR herabgesetzt werden.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin das zum 1. Januar 2002 festgestellte Körperschaftsteuerguthaben der im Streitjahr (2002) auf die Klägerin verschmolzenen X GmbH für eine Körperschaftsteuerminderung nutzen kann.

Die Klägerin, eine GmbH, wurde 1999 - als zunächst wirtschaftlich inaktive sog. Vorratsgesellschaft - gegründet und am 6. Juni 2001 ins Handelsregister eingetragen.

Die damals wirtschaftlich aktive X GmbH nahm im Juni 2002 eine offene Gewinnausschüttung in Höhe von ... EUR durch Auszahlung an ihre Gesellschafter vor. Zum 1. Januar 2002 hat der Beklagte (das Finanzamt) durch bestandskräftigen Bescheid vom ... April 2008 ein Körperschaftsteuerguthaben der X GmbH in Höhe von ... EUR nach § 37 Abs. 2 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (KStG) festgestellt. Auf den Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen (Bl. 82 ff der Gerichtsakte, Anlage zum Schriftsatz des Finanzamtes vom April 2008).

Durch notariellen Vertrag vom ... August 2002 wurde die X GmbH auf die Klägerin verschmolzen. Dabei übertrug die X GmbH gem. §§ 2 bis 35, 46 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG) ihr Vermögen als Ganzes zu Buchwerten auf die Klägerin. Die übertragende und die übernehmende Gesellschaft waren sich darüber einig, dass der Vermögensübergang im Innenverhältnis mit Wirkung von Beginn des 2. Januar 2002 (Verschmelzungsstichtag) erfolgte. Von diesem Zeitpunkt an sollten alle Handlungen und Geschäfte der übertragenden Gesellschaft als für Rechnung der übernehmenden Gesellschaft getätigt gelten. Die Gesellschafter der aufgelösten übertragenden Gesellschaft erhielten je einen neuen, ab dem 2. Januar 2002 gewinnberechtigten Geschäftsanteil an der übernehmenden Gesellschaft. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Verschmelzungsvertrags wird auf dessen Inhalt verwiesen (Bl. 50 ff. des Sonderbands für Verträge).

Die X GmbH stellte zum 1. Januar 2002 nach § 17 Abs. 2 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) eine Schlussbilanz auf. Die Verschmelzung wurde am 12. 11. 2002 im Handelsregister des Sitzes der Klägerin eingetragen.

Durch Bescheid vom ...2.2003 stellte das Finanzamt die Endbestände der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (Körperschaftsteuerguthaben) der Klägerin gem. § 36 Abs. 7 KStG gesondert auf 0 DM fest. Unter Hinweis hierauf verwehrte das Finanzamt der Klägerin bei der Körperschaftsteuerfestsetzung für 2002 eine Körperschaftsteuerminderung und setzte durch nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellten Bescheid vom ...9.2003 die Körperschaftsteuer auf ... EUR sowie den Solidaritätszuschlag auf ... EUR fest.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom ...1.2004) hat die Klägerin Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat das Finanzamt am ...4.2005 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten, den Streitpunkt nicht berührenden Bescheid erlassen und die Körperschaftsteuer auf ... EUR sowie den Solidaritätszuschlag auf ... EUR heraufgesetzt.

Auf den übrigen Inhalt der o.a. Bescheide und der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen (Bl. 1 der Feststellungsakte, Bl. 6, 14 und 38 der Gerichtsakte).

Mit der Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: In § 4 Abs. 1 des UmwG habe der Gesetzgeber die Verschmelzung von Unternehmen als rechtsgeschäftlichen Akt der Gesamtrechtsnachfolge konstruiert. Dementsprechend sei auch das der X GmbH zustehende Körperschaftsteuerguthaben auf sie, die Klägerin, übergegangen. Ihr Anspruch auf die Gewährung der Körperschaftsteuerminderung werde auch dadurch unterstrichen, dass die X GmbH zum Zeitpunkt ihrer Gewinnausschüttung zivilrechtlich noch bestanden habe und die Verschmelzung gem. § 19 UmwG erst mit der Eintragung im Handelsregister am 12.11.2002 wirksam geworden sei. Die Ausschüttung sei aus den Gewinnen vorgenommen worden, die die X GmbH bis zum 31.12.2001 erzielt habe. Durch die steuerliche Rückwirkung seien die der Körperschaftsteuer unterworfenen Gewinne und damit auch ein entsprechendes Körperschaftsteuerguthaben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf sie, die Klägerin, übergegangen. Deshalb sei ihr als Gesamtrechtsnachfolgerin die Körperschaftsteuerminderung aufgrund der Gewinnausschüttung in vollem Umfang zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid für 2002 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom ...4.2005 dahin abzuändern, dass die Körperschaftsteuer um ... EUR niedriger auf ... EUR und der Solidaritätszuschlag auf ... EUR herabgesetzt werden.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es macht im Wesentlichen geltend: Da das Körperschaftsteuerguthaben der Klägerin zum 31.12.2001 auf 0 EUR ermittelt worden sei, habe sich bei einer Ausschüttung auch keine Körperschaftsteuerminderung ergeben können. Das Körperschaftsteuerguthaben der übertragenden Gesellschaft habe der Klägerin im Jahr 2002 für Ausschüttungen noch nicht zur Verfügung gestanden.

Nach § 37 Abs. 2 KStG erfolge die Minderung für alle auf einem ordnungsgemäßen Gewinnverwendungsbeschluss beruhenden Gewinnausschüttungen in dem Jahr, in dem die Ausschüttung erfolge, d.h. abfließe. Die Inanspruchnahme einer Körperschaftsteuerminderung setze voraus, dass die übernehmende Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt über ausreichendes Guthaben verfüge. Werde in Umwandlungsfällen eine Ausschüttung nach dem Übertragungsstichtag beschlossen, so sei sie so zu behandeln, als hätte die Übernehmerin sie bewirkt (Tz. 2.29 des Umwandlungssteuerrecht- Erlasses vom 25.3.1998 i.d.F. vom 21. 8. 2001 - UmwSt-Erlass). Das entsprechende Guthaben bei der Übernehmerin müsse sich aus der Ermittlung bzw. gesonderten Feststellung nach § 37 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 KStG auf den Schluss des der Gewinnausschüttung vorangegangenen Wirtschaftsjahres ergeben (Dötsch/Eversberg/Witt, Kommentar zum KStG, § 37 KStG Rz. 6a).

Für Umwandlungsfälle sei die Zurechnung von Körperschaftsteuerguthaben (und unbelasteten Teilbeträgen) nach § 38 KStG in § 40 As. 1 KStG geregelt. Die Vorschrift äußere sich allerdings nicht dazu, zu welchem Zeitpunkt bei der Übernehmerin Körperschaftsteuerguthaben (und Teilbeträge des EK 02) der an der Verschmelzung beteiligen Körperschaften zusammengefasst werden sollten. Wohl aufgrund eines redaktionellen Versehens habe es der Gesetzgeber unterlassen, eine dem § 38 KStG a.F. entsprechende Regelung über den Zeitpunkt der Zusammenfassung in das Gesetz aufzunehmen.

Zur Schließung diese Regelungslücke sei auf die bislang praktizierte Regelung des § 38 KStG a.F. zurückzugreifen, da beide Regelungen nach Sinn und Zweck vergleichbar seien. Beide Vorschriften sollten verhindern, dass bei Umwandlungen "Minderungspotentiale" verloren gingen. Auch die Literatur spreche sich einhellig für eine Anwendung des § 38 KStG a.F. aus (z.B.: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und KStG, § 40 KStG Rz. 15; Dötsch/Eversberg/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, § 40 KStG Rz. 8; Ernst & Young, Kommentar zum KStG, § 40 Rz. 37). Auf eine entsprechende Regelung hätten sich auch die Länderfinanzverwaltungen geeinigt (s. Rundverfügung der OFD Frankfurt a.M. vom 6.1.2004 S 1978 A - 35 - St II 1.02, UmwStG Karte 25, Tz. 35).

Nach diesen Grundsätzen finde eine Zurechnung des Körperschaftsteuerguthabens der übertragenden Gesellschaft bei der übernehmenden Klägerin erst zum 31.12.2002 statt.

Mithin stehe das streitige Körperschaftsteuerguthaben erst für Gewinnausschüttungen ab dem Wirtschaftsjahr 2003 zur Verfügung.

Im Umwandlungssteuerrecht sei zwischen dem handelsrechtlichen und dem steuerrechtlichen Übertragungsstichtag zu unterscheiden. Im Gegensatz zum steuerrechtlichen Stichtag sei der handelsrechtliche frei wählbar. Handelsrechtlicher Übertragungsstichtag sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG der Zeitpunkt, von dem an die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten (Verschmelzungsstichtag). Der übertragende Rechtsträger habe auf den Schluss des Tages, der dem (handelsrechtlichen) Übertragungsstichtag vorausgehe, eine Schlussbilanz aufzustellen (§ 17 UmwG). Dieser Tag werde als steuerlicher Übertragungsstichtag bezeichnet (Tz. 02.03 UmwSt-Erlass). Der steuerliche Übertragungsstichtag falle damit in das Jahr 2002, so dass die Zusammenfassung der Körperschaftsteuerguthaben erst auf den 31.12.2002 erfolge.

Auf Gesamtrechtsnachfolge könne sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht berufen. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG trete Gesamtrechtsnachfolge bei einer Verschmelzung erst ab dem Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung im Handelsregister ein. Erst mit Eintragung erlösche die übertragende Körperschaft (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG), die zwischen steuerrechtlichem Übertragungsstichtag und Eintragung im Handelsregister zivilrechtlich noch bestanden habe.

Bei der Regelung des § 2 Abs. 1 UmwStG, wonach das Vermögen der übertragenden Körperschaft mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags auf die Übernehmerin übergehe und die übertragende Körperschaft nicht mehr bestehe, so dass die Steuerpflicht der übertragenden Gesellschaft mit Ablauf des steuerlichen Stichtags erlösche, handele es sich um eine rein steuerliche Rückwirkungsfiktion, die allein praktische Gründe habe (Tz. 02.06 UmwSt-Erlass). Sie diene ausschließlich dazu festzulegen, bei welcher Körperschaft Geschäftsvorfälle der zivilrechtlich noch existenten übertragenden Gesellschaft bei der Ermittlung des Einkommens und Vermögens zu berücksichtigen seien.

§ 2 Abs. 1 UmwStG könne der Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung einer Körperschaftsteuerminderung aus dem Guthaben der übertragenden Gesellschaft vermitteln.

Selbst wenn die Rückwirkungsfiktion auch in diesem Bereich greifen würde, bestünde in Form des § 40 KStG für Umwandlungsfälle eine spezielle vorrangige Vorschrift über die Zurechnung von Guthaben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Dem Gericht haben vorgelegen:

1 Bd. Körperschaftsteuerakten,

1 Bd. Feststellungsakten,

1 Bilanzheft,

1 Sonderband Verträge.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die Klägerin kann das Körperschaftsteuerguthaben der auf sie verschmolzenen X GmbH (bereits) im Streitjahr für eine Körperschaftsteuerminderung nutzen.

Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG mindert sich die Körperschaftsteuer um den in § 37 Abs. 2 Satz 1 KStG umschriebenen Betrag. und zwar in dem Veranlagungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die Gewinnausschüttung erfolgt. Ausgangspunkt des in § 37 Abs. 2 Satz 1 KStG umschriebenen Betrags ist das Körperschaftsteuerguthaben i.S.v. § 37 Abs. 1 KStG. Nach der den Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren regelnden Vorschrift des § 37 Abs. 1 KStG wird auf den Schluss des Wirtschaftsjahres, das dem in § 36 Abs. 1 KStG genannten Wirtschaftsjahr folgt, ein Körperschaftsteuerguthaben ermittelt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 KStG).

Entspricht - wie im Streitfall - das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr, ist das Körperschaftsteuerguthaben mithin erstmals zum 31. 12. 2001 zu ermitteln (§ 36 Abs. 1 KStG, § 34 Abs. 1 i.d.F. des Art. 3 des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000, Bundesgesetzblatt - BGBl. - I, 2003, 1433; siehe z.B.: Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 19. Dezember 2007 I R 52/07, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2008, 890; Blümich/Danelsing, EStG, KStG und GewStG, Kommentar, § 37 KStG Rz. 9). Das Körperschaftsteuerguthaben beträgt 1/6 des Endbestands des unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens mit einer Körperschaftsteuer von 40 v.H. belasteten Teilbetrags (§ 36 Abs. 1 Satz 2 KStG). Nach der Gesetzeslage des Streitjahrs (§ 36 Abs. 1 Satz 2 KStG) mindert sich dieses Körperschaftsteuerguthaben um jeweils 1/6 der offenen Gewinnausschüttungen, die in den folgenden Wirtschaftsjahren erfolgen, also erstmals im Streitjahr. Wie oben ausgeführt, ist das zugleich der Betrag, um den sich die Körperschaftsteuer mindert.

Das Finanzamt hat für die auf die Klägerin (= übernehmende Gesellschaft) verschmolzene X GmbH (= übertragende Gesellschaft) auf den 1. Januar 2002 ein Körperschaftsteuerguthaben in Höhe von ... EUR gesondert festgestellt. Dieses Guthaben ist im Streitjahr nach § 40 KStG auf die Klägerin übergegangen. § 40 KStG bestimmt, dass dann, wenn - wie im Streitfall - das Vermögen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft (hier: der X GmbH) durch Verschmelzung nach § 2 UmwG auf eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft (hier: die Klägerin) übergeht, das Körperschaftsteuerguthaben des § 37 KStG dem entsprechenden Betrag (hier: 0 EUR) der übernehmenden Körperschaft hinzuzurechnen ist.

Zu welchem Zeitpunkt innerhalb des Streitjahres die Hinzurechnung zu erfolgen hat, ist dem Wortlaut des § 40 KStG allerdings nicht zu entnehmen. Diese Rechtsfrage mag deshalb von entscheidender Bedeutung sein, weil evtl. nur dann, wenn das Körperschaftsteuerguthaben zeitlich unmittelbar - also nicht erst nach einer sog. Interimszeit zum Schluss des Wirtschaftsjahres der übernehmenden Körperschaft - auf die übernehmende Körperschaft übergeht, Wortlaut und Systematik des § 37 KStG im Streitfall eine Körperschaftsteuerminderung bereits im Ausschüttungsjahr zulassen (vgl. die Formulierung in § 37 Abs. 2 Satz 1 KStG: "... Gewinnausschüttungen, die in den folgenden Wirtschaftsjahren erfolgen ...", also nach Feststellung bzw. Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens, das zur Körperschaftsteuerminderung "verwendet" wird). Ob eine sog. Interimszeit einer Minderung der - erst zum Schluss des Veranlagungszeitraums und damit erst nach der betreffenden Ausschüttung - entstehenden Körperschaftsteuer (§ 30 Nr. 1 KStG) zwingend entgegenstünde, bedarf keiner Entscheidung.

Aus § 2 UmwStG folgt nämlich, dass die Hinzurechnung bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag zu erfolgen hat, es mithin keine Interimszeit gibt, das Guthaben vielmehr ohne zeitliche Verzögerung bei der übernehmenden Körperschaft zur Verfügung steht.

Nach § 2 UmwStG sind das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft sowie der Übernehmerin so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des Stichtags der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag) ganz oder teilweise auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Zum Vermögen der übertragenden Körperschaft (hier: der X GmbH) gehörte auch deren Körperschaftsteuerguthaben, das im Wege einer offenen Ausschüttung durch eine Körperschaftsteuerminderung quasi "zu Geld gemacht" werden konnte. Da auch das Einkommen so zu ermitteln ist, als wäre das Vermögen mit Ablauf des steuerlichen Überragungsstichtags auf die Klägerin als übernehmende Gesellschaft übergegangen, sind auch alle Geschäftsvorfälle, die nach Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags noch von der übertragenden Gesellschaft getätigt wurden, der Klägerin zuzurechnen. Das muss folgerichtig auch für die offene Gewinnausschüttung gelten. Nicht anders sieht das die Finanzverwaltung. So heißt es in Tz. 02.29 des sog. UmwSt-Erlasses, Ausschüttungen der zivilrechtlich noch bestehenden übertragenden Körperschaft im Rückwirkungszeitraum seien steuerrechtlich nach der Rückwirkungsfiktion des § 2 Abs. 1 UmwStG so zu behandeln, als hätte der übernehmende Rechtsträger sie vorgenommen.

Das Finanzamt kann demgegenüber nicht geltend machen, handelsrechtlich sei - was rechtlich zutrifft - die Verschmelzung und damit der Vermögensübergang erst mit der Eintragung im Handelsregister des Sitzes der übernehmenden Gesellschaft wirksam geworden (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG); die in § 2 UmwStG angeordnete Rückwirkung sei eine rein steuerrechtliche Fiktion aus allein praktischen Gründen. Zum einen handelt es sich bei der Streitfrage, nämlich ob die Klägerin das Körperschaftsteuerguthaben der X GmbH bereits im Streitjahr nutzen kann, gerade um eine steuerrechtliche Rechtsfrage. In diesem Rahmen sind steuerrechtliche Fiktionen vorbehaltlich spezieller abweichender steuerrechtlicher Vorschriften folgerichtig umzusetzen. Zum anderen gelten auch handelsrechtlich ab dem - im Streitfall auf den 2. Januar 2002 vereinbarten - Verschmelzungsstichtag die Handlungen der übertragenden Gesellschaft als für Rechnung des übernehmenden Gesellschaft vorgenommen (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG).

Im Handelsrecht gibt es also eine mit dem Steuerrecht deckungsgleiche Rückwirkungsfiktion.

Es gibt auch keine spezielle steuerrechtliche Vorschrift, nach der das Körperschaftsteuerguthaben nicht bereits im Streitjahr bei der Klägerin zu einer Körperschaftsteuerminderung führen könnte. Insbesondere gibt es keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Annahme, das Körperschaftsteuerguthaben sei abweichend von der o.a. steuerrechtlichen Rückwirkungsfiktion erst zum Schluss des Ausschüttungsjahres hinzuzurechnen.

Zwar heißt es in § 37 Abs. 2 Sätze 3 und 4 KStG, das (nach Abzug einer Körperschaftsteuerminderung) verbleibende Körperschaftsteuerguthaben sei "auf den Schluss des jeweiligen Wirtschaftsjahrs", also auf den Schluss des Ausschüttungs- Wirtschaftsjahres, fortzuschreiben und gesondert festzustellen. Diese Regelung bezieht sich aber im Kontext mit § 37 Abs. 1 KStG auf den Regelfall, dass sich ein auf den Schluss des Vorjahres desselben Rechtsträgers ermitteltes bzw. festgestelltes Körperschaftsteuerguthaben durch eine Ausschüttung vermindert (tendenziell wohl BFH-Beschluss v. 5.4.2005 I B 221/04, BStBl II 2005, 526). Hinzurechnungen durch Verschmelzungen liegen außerhalb eines solchen Regelungsbereichs. Hieran vermag auch die Verweisung in § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG auf die entsprechende Anwendung des § 27 Abs. 2 KStG nichts zu ändern, auch wenn es dort in Satz 1 heißt, der "unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge" des Wirtschaftsjahrs ermittelte Bestand (des steuerlichen Einlagekontos) werde gesondert festgestellt. Das könnte bei entsprechender Anwendung bedeuten, dass auch alle Zugänge an Körperschaftsteuerguthaben formell erst am Schluss des Zugangsjahres zu berücksichtigen sind. Die gesetzliche Anordnung, eine formelle Vorschrift - und um eine solche handelt es sich bei § 27 Abs. 2 KStG - entsprechend anzuwenden beeinflusst indes i.d.R nicht die materielle Rechtslage, wenngleich sie ausnahmsweise Rückschlüsse auf das materielle Recht zulässt.

Von der Zugangsregelung § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG auf die Behandlung von Körperschaftsteuerguthaben-Hinzurechnungen i.S.v. § 40 Abs. 1 KStG zu schließen, verbietet sich jedoch wegen des prinzipiellen Unterschieds zwischen Eigenkapital- Zugängen i.S.v. § 27 KStG und Körperschaftsteuerguthaben-Zugängen i.S.v. § 40 KStG. Erstere vollziehen sich jedenfalls grundsätzlich ex nunc, ihre Rückwirkung unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtrechtnachfolge wird nicht fingiert.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts besteht auch keine Veranlassung, wegen einer vermeintlichen Regelungslücke auf die Praxis zu § 38 KStG a.F. (d.h. i.d.F. vor dem Übergang zum Halbeinkünfteverfahren durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 a.a.O). zurückzugreifen, wonach im Rahmen des damaligen Anrechnungsverfahrens die Eigenkapitalanteile der übertragenden und der aufnehmenden Körperschaft erst zum Ende desjenigen Wirtschaftsjahrs berücksichtigt wurden, in das der steuerliche Übertragungsstichtag fiel (dazu z.B.: Streck, KStG, Kommentar, 5. Auflage 1997, § 38 KStG Rz. 5 unter Hinweis auf Abschn. 93 Abs. 2 der KSt-Richtlinien 1990, BStBl I 1991, Sondernr.1). Das Finanzamt kann sich für seine Auffassung zwar auf zahlreiche Stimmen im Schrifttum berufen (z.B.: Blümich/Danelsing, Kommentar zum EStG, KStG und GewStG, § 40 Rz. 6; Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, Kommentar, § 40 KStG Rz. 8; Gosch/Bauschatz, KStG Kommentar, § 40 Rz. 30; Ernst & Young/Antweiler, KStG, Kommentar, § 40 Rz. 37). Wie aber aus obigen Ausführungen hervorgeht, besteht gar keine Regelungslücke. Vielmehr ergibt sich die Lösung aus der Gesetzesfassung des Streitjahres, ohne dass es auf außer Kraft getretenes Recht ankommt. Die Unmaßgeblichkeit des außer Kraft getretenen Recht gilt um so mehr als diesem mit dem Anrechnungsverfahren ein grundlegend anderes Körperschaftsteuersystem als dem im Streitjahr geltenden Halbeinkünfteverfahren zugrunde liegt. Beim Anrechnungsverfahren spielten die an der tariflichen Körperschaftsteuerbelastung ausgerichtete Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals und die damit ggf. einhergehenden Körperschaftsteuerguthaben eine zentrale Rolle (vgl. den aufgehobenen Vierten Teil des KStG a.F.). Deshalb mag es damals zweckmäßig gewesen sein und der Vereinfachung gedient haben, auch solche Änderungen in der Zusammensetzung des verwendbaren Eigenkapitals, die infolge Verschmelzungen eingetreten sind, formell vollumfänglich in die alljährlich vorgeschriebenen Feststellungen der Eigenkapitalgliederungen (§ 30 KStG a.F.) einzubinden, und zwar in die Feststellungen am Schluss des jeweils betroffenen Wirtschaftsjahres. Jedenfalls seit dem Wegfall dieser alljährlichen Eigenkapitalgliederungen können Gründe der Zweckmäßigkeit insoweit keine Rolle mehr spielen. Es ist nicht ersichtlich, was aus praktischer Sicht damit gewonnen sein soll, dass das auf den steuerlichen Übertragungsstichtag festgestellte Körperschaftsteuerguthaben der übertragenden Gesellschaft nicht bereits im Ausschüttungsjahr für eine Körperschaftsteuerminderung der aufnehmenden Gesellschaft genutzt werden kann.

Der Senat sieht sich mit seiner Entscheidung im Prinzip im Einklang mit anderen Urteilen der Finanzgerichtsbarkeit, die die Nutzung von Körperschaftsteuerguthaben ebenfalls nicht bei jeder Fallgestaltung von einer bescheidmäßigen Feststellung dieses Guthabens zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres desjenigen Steuerpflichtigen, der die Körperschaftsteuerminderung geltend macht, abhängig machen. In diesem Sinn haben z.B. der BFH, das Finanzgericht Münster und das erkennende Gericht für den Fall entschieden, dass die Ausschüttung einer Tochtergesellschaft im selben Wirtschaftsjahr an die Gesellschafter ausgeschüttet wird (Urteil des BFH vom 28. November 2007 I R 42/07, BFH/NV, 2008, 445;Urteil des Finanzgerichts Münster vom 16.3.2007 9 K 6468/03 K,F, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2007, 1192; Revisionsverfahren: BFH I R 35/07; Urteil des erkennenden Gerichts vom 18.12.2006 4 K 3845-3846/03, Steuerlicher Eildienst -StEd- 2007, 611; Revisionsverfahren: BFH I R 20/07).

Nach alledem ist der Klage stattzugeben. Die Körperschaftsteuer (Tarifbelastung: ... EUR) ermäßigt sich demzufolge nach 37 Abs. 2 Satz 2 KStG um 1/6 der streitigen Gewinnausschüttung (Gewinnausschüttung: ... EUR), mithin um ... EUR auf ... EUR. Der Solidaritätszuschlag ermäßigt sich entsprechend auf ... EUR (5,5% der Körperschaftsteuer; § 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Solidaritätszuschlagsgesetz).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung, die über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).



Ende der Entscheidung

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