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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 30.08.2005
Aktenzeichen: 4 K 2557/99
Rechtsgebiete: EStG, AO, FGO


Vorschriften:

EStG § 50c
EStG § 20 Abs. 1
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1
AO § 42
FGO § 40 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der X-GmbH. Die X-GmbH wurde mit notariellem Vertrag vom 21. März 1988 durch Umwandlung des Einzelunternehmens A, Börsenmakler, mit Wirkung zu 1. Januar 1988 errichtet und zunächst als A Börsenmakler GmbH (A-GmbH) am 26. Mai 1988 im Handelsregister bei dem Amtsgericht M eingetragen. Laut Eintragung im Handelsregister vom 24. Oktober 1994 wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 11. Oktober 1994 die Firma in "X-GmbH" geändert. Gegenstand des Unternehmens war der Handel mit Wertpapieren für eigene Rechnung und die Tätigkeit als Börsenmakler. Alleiniger Gesellschafter war mit einer Beteiligung i.H.v. 1 Mio. DM Herr A.

Nach den (im Rahmen einer Außenprüfung) getroffenen Feststellungen des Finanzamtes hatte die A-GmbH im Jahre 1988 in zeitlicher Nähe vor dem jeweiligen Dividendenstichtag in sechs Fällen dividendenberechtigte Aktien von einem inländischen Kreditinstitut erworben und dann Aktien desselben Unternehmens ex Dividende an dem jeweiligen Ex-Tag in einem Fall an dasselbe inländische Kreditinstitut und in den übrigen Fällen an ein anderes inländisches Kreditinstitut zurückveräußert (die in der Anlage 1 des Teilprüfungsberichts vom 22. Oktober 1994 aufgeführten Geschäfte Nr. 1, 4, 5, 16, 18 und 37). Außerdem hatte sie nach den Feststellungen des Prüfers vor dem jeweiligen Dividendenstichtag in größerem Umfang dividendenberechtigte sog. Altaktien gekauft und - mit Ausnahme des Geschäfts Nr. 14 - am gleichen Tag nicht dividendenberechtigte sog. junge Aktien oder neue Aktien bzw. neueste Aktien zurückveräußert (alle übrigen in der Anlage 1 des Teilprüfungsberichts vom 22. Juli 1994 genannten Geschäfte, nachfolgend: "Geschäfte Alt gegen Jung"). In 35 Fällen verkaufte sie die jungen Aktien an den jeweiligen Verkäufer der Altaktien, in den übrigen Fällen (Nr. 8, 27, 42, 43, 49 - diese Geschäfts-Nr. umfasst zwei Geschäfte - und 60) an andere inländische Kreditinstitute. In allen insgesamt 48 Aktiengeschäften waren die jeweils gehandelten Stückzahlen (bis zu 180.000 Aktien pro Geschäft) bei An- und Verkauf dieselben. In allen Fällen ergaben sich für die A-GmbH bei Gegenüberstellung der jeweiligen Geschäfte Vermögensminderungen, gleichzeitig fielen Courtagen an (hinsichtlich der jeweiligen Termine, zu denen die Aktien gehandelt wurden, der ggf. gesondert vereinbarten Wertstellungen, der Anzahl und der Art der gehandelten Aktien, der Geschäftspartner, der Höhe der Veräußerungsverluste und der erzielten Courtagen wird auf die Angaben zu den einzelnen Geschäften in Anlage 1 des Teilprüfungsberichts 1988 vom 22. Juli 1988 verwiesen) . Auf entsprechende Auskunftsersuchen des Prüfers teilten die jeweiligen Vertragspartner hinsichtlich der aufgegriffenen Aktiengeschäfte mit, sie seien von im Ausland ansässigen Kunden (Banken und sonstige Kunden) mit der Durchführung dieser Geschäfte beauftragt worden (zu den zahlreichen Auskunftsersuchen und dazu ergangenen Auskünften der Vertragspartner vgl. die in dem Band I des Fallhefts enthaltenen Unterlagen, markiert als "Auskunftsersuchen Antworten Banken"). Die ausländischen Kunden wurden nur in einem Fall namentlich bezeichnet.

Die A-GmbH berücksichtigte in ihren Jahresabschlüssen neben den erlittenen Veräußerungsverlusten und erzielten Courtagen die jeweilige Bruttodividende der im Eigenbestand gehaltenen Aktien einschließlich Körperschaftsteuer-Guthaben und Kapitalertragsteuer (insgesamt 38.767.842,80 DM), wobei die Erfolgswirksamkeit der Körperschaftsteuer-Anrechnungsguthaben auf deren Aktivierung als sonstiger Vermögensgegenstand in der (Handels- und) Steuerbilanz unter der Bezeichnung "Steuergutschrift 88" beruhte. Mit diesem Aktivposten wurde zugleich auch der vermögensmindernd wirkende Abfluss der Kapitalertragsteuer kompensiert. Mit ihren - bei dem Finanzamt am 14. Februar 1989 eingegangenen - Steuererklärungen für das Jahr 1988 beantragte die A-GmbH unter Vorlage entsprechender Steuerbescheinigungen ihrer Hausbanken eine Anrechnung der Körperschaftsteuer-(KSt) Guthaben i.H.v. 13.956.423,-- DM und der einbehaltenen Kapitalertragsteuer (KapESt) i.H.v. 6.203.422,-- DM (wegen der Einzelheiten wird auf die Blätter 5 und 9 ff. des Akten-Sonderbandes I verwiesen).

Das Finanzamt führte zunächst eine erklärungsgemäße Körperschaftsteuerveranlagung durch und erließ am 15. März 1989 einen entsprechenden unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1988 sowie einen erklärungsgemäßen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen "gemäß § 47 KStG". Unter Berücksichtigung einer festgesetzten KSt in Höhe von 2.416.930,-- DM sowie der nach der Erklärung der A-GmbH anzurechnenden KapESt und KSt wurde der A-GmbH ein Guthaben in Höhe von 17.742.915,-- DM erstattet.

Am 29. November 1993 begann das Finanzamt mit einer Außenprüfung, die sich laut Prüfungsanordnung auf die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1992 erstreckte (Während dieser Außenprüfung, am 31. März 1994, stellte die A-GmbH ihren aktiven Geschäftsbetrieb ein. Die Außenprüfung dauerte mit Unterbrechungen bis zum 7. Juli 1997). Am 22. Juli 1994 erging auf der Grundlage dieser Außenprüfung ein Teilprüfungsbericht für den Veranlagungszeitraum 1988. Darin vertrat der Prüfer die Ansicht, dass den von der A-GmbH erklärten Dividendenerträgen Aktiengeschäfte zugrundelägen, die in 48 Fällen als "Dividendenstripping" zu qualifizieren seien. Diese Geschäfte hätten zum Ziel gehabt, das Anrechnungsverbot für Steuerausländer und die Regelung des § 50c Einkommensteuergesetz (EStG) zu umgehen. Diese Geschäfte seien als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. des § 42 Abgabenordnung (AO) zu würdigen und außerdem sei davon auszugehen, dass die A-GmbH im wirtschaftlichen Sinne der §§ 39 AO und 20 Abs. 2 EStG mit dem Aktienerwerb nicht Anteilseigner des jeweiligen Unternehmens geworden sei. Bei ihr seien deshalb sowohl der Aktienerwerb als auch der Veräußerungsvorgang und der jeweilige Dividendenzufluss als solcher zu negieren. Die Anrechnung des den Dividenden anhaftenden Steuerguthabens einschließlich der anrechenbaren Kapitalertragsteuer sei zu versagen.

Im Rahmen seiner Ermittlungen unterzog der Prüfer die in der Zeit zwischen dem 30. Mai 1988 und dem 7. Juni 1988 getätigten und von ihm als "Tauschgeschäfte" bezeichneten Geschäfte, in denen Lieferverpflichtungen über insgesamt 669.421 neue Aktien der Y-AG eingegangen worden waren, einer besonderen Überprüfung . Er wies darauf hin, dass laut Auskunft der Zulassungsstelle der M Wertpapierbörse zu diesem Zeitpunkt insgesamt nur 21.680 Stück Aktien dieser Gattung überhaupt zumindest theoretisch verfügbar gewesen wären. Insoweit kam es auch zu Gesprächen mit Vertretern der Y-AG am 23. Dezember 1994 und 25. Januar 1995 darüber, inwieweit junge Aktien über Optionsscheine hätten erlangt werden können (wegen der Einzelheiten wird auf die in dem zweiten Band des Fallhefts abgehefteten Aktenvermerke Bezug genommen).

Das Finanzamt schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ am 10. Oktober 1994 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1988 sowie einen geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31. 12. 1988 . Gegen den auf der Grundlage des § 164 Abs. 2 Satz 1 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid, der ein niedrigeres zu versteuerndes Einkommen und eine niedrigere festgesetzte Körperschaftsteuer als der Erstbescheid auswies, legte die A-GmbH Einspruch ein. Sie beantragte auch die Aussetzung der Vollziehung, um die durch die Abrechnungsverfügung vom 19. Oktober 1994 geltend gemachte Rückforderung der aufgrund des ursprünglichen Bescheides erstatteten Körperschaftsteuer zu verhindern. Mit Bescheid vom 28. November 1994 wurde dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nur in Höhe eines Teilbetrages i.H.v. 1.239.048,-- DM unter der aufschiebenden Bedingung entsprochen, dass eine Sicherheit durch Abtretung des Gewerbesteuererstattungsanspruchs für 1988 in gleicher Höhe geleistet werde, stattgegeben. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Verfügung des Finanzamts vom 28. November 1994 (Bl. 137 ff. des Akten-Sonderbandes I und Bl. 34 ff. der FGA verwiesen). Zu dieser Abtretung kam es nicht mehr. Vielmehr beantragte die X-GmbH (in die die A-GmbH zwischenzeitlich umbenannt worden war) am 9. November 1994 die Eröffnung des Konkursverfahrens. Daraufhin beschloss das Amtsgericht M am 1. Dezember 1994 die Eröffnung des Konkursverfahrens und bestellte den Kläger zum Konkursverwalter. Das Finanzamt meldete die sich aufgrund des geänderten Körperschaftsteuerbescheides 1988 vom 10. Oktober 1994 ergebenden Ansprüche i.H.v. 15.537.133,90 DM (als einziger Gläubiger) zur Konkurstabelle an. Der Kläger hat diese Forderung bestritten (Das Finanzamt meldete darüber hinaus später weitere, sich aus dem Teilprüfungsbericht für die Jahre 1989 bis 1992 ergebende, Steuerrückforderungen in Höhe von ca. 56,5 Mio. DM zur Konkurstabelle an).

Durch Schreiben vom 14. November 1995 nahm der Kläger das gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1988 anhängige Rechtsbehelfsverfahren auf.

Nachdem in der Folgezeit weder eine Einspruchsentscheidung noch ein Feststellungsbescheid hinsichtlich der angemeldeten Forderungen ergangen waren, erhob der Kläger mit Schreiben vom 15. Juni 1999 Untätigkeitsklage. Zur Begründung der Untätigkeitsklage verweist er zunächst auf den Ablauf der außergerichtlichen Verfahren sowie den außergerichtlichen Schriftsatzwechsel und ist der Ansicht, dass die Untätigkeitsklage gemäß § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig sei, weil das Finanzamt den eingelegten Einspruch in angemessener Frist sachlich nicht entschieden habe. Es lägen auch keine zureichenden Gründe vor, die einer Entscheidung entgegenstünden. Insbesondere bestehe in tatsächlicher Hinsicht kein Ermittlungsbedarf mehr, nachdem nunmehr auch für die restlichen Veranlagungszeiträume des Prüfungszeitraums die Prüfungsberichte fertig gestellt worden seien und nachdem bereits am 18. Juli 1996 nochmals an Amtsstelle ein Austausch der Standpunkte stattgefunden habe. Es gehe einzig und allein nur noch darum, aus den Prüfungsfeststellungen die rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.

Soweit das Finanzamt in den aufgegriffenen Geschäften einen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO sehe, entbehre diese Auffassung jeder rechtlichen Grundlage. Bei dem Ankauf der Aktien "cum Dividende" und der Veräußerung dieser Aktien "ex Dividende" handele es sich um zwei von einander völlig unabhängige Geschäfte. Es sei daher unzweifelhaft, dass die A-GmbH durch diese Transaktion sowohl rechtliche als auch wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien geworden sei. Damit stünden ihr die Dividenden- und Körperschaftsteuerguthaben zu. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes seien daher auch die aus diesen Geschäften erlittenen Veräußerungsverluste und die vereinnahmten Courtagen im Rahmen der Gewinnermittlung zu berücksichtigen. Die Anwendung des § 50c Abs. 1 EStG werde durch § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG ausgeschlossen. In sämtlichen von dem beklagten Finanzamt beanstandeten Fällen sei der Erwerb der Anteile über ein Kreditinstitut erfolgt, welches den Kaufauftrag über die Börse ausgeführt habe. Für eine Anwendung des § 42 AO sei über den Regelungsgehalt des § 50c EStG hinaus ebenfalls kein Raum, denn § 50c EStG stelle eine sondergesetzliche Konkretisierung des allgemeinen abgabenrechtlichen Missbrauchstatbestandes dar. Es handle sich dabei um eine lex specialis, neben der dem allgemeinen Missbrauchstatbestand in § 42 AO keine eigenständige Bedeutung mehr zukomme.

Entgegen der Auffassung des Finanzamtes habe die A-GmbH auch bei dem Tausch "alter" gegen "junger" Aktien rechtliches und wirtschaftliches Eigentum an den Aktien erworben. Das Finanzamt stütze seine Rechtsauffassung allein darauf, dass zeitgleich oder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ankauf der so genannten alten Aktien so genannte junge Aktien rückveräußert worden seien. Das Finanzamt verkenne dabei, dass eine abweichende Beurteilung eines wirtschaftlichen Eigentums von zivilrechtlichen Eigentum nur in Bezug auf das gleiche identische Wirtschaftsgut in Betracht komme. Bei den hier zu beurteilenden Geschäften werde jedoch mit zwei unterschiedlichen Wirtschaftsgütern gehandelt: einerseits mit den alten Aktien mit Dividendenberechtigung und andererseits mit den jungen Aktien ohne Dividendenberechtigung. Beide Aktien hätten auch jeweils unterschiedliche Wertpapierkennnummern. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Verkauf junger Aktien durch die A-GmbH im Rahmen eines Tauschgeschäfts im Zusammenhang mit dem Ankauf der alten Aktien geschehen sei oder ob es sich um einen von dem Aktienankauf unabhängigen Aktienverkauf handele. Tatsache sei, dass sich die A-GmbH schuldrechtlich zum Verkauf der jungen Aktien verpflichtet habe und diese Verpflichtungen habe die A-GmbH auch tatsächlich erfüllt.

Der Kläger verweist darüber hinaus auf die Ausführungen des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97 (Bundessteuerblatt -BStBl II 2000, 527) und schließt sich diesen Ausführungen in vollem Umfang an. Der BFH habe über einen identischen Sachverhalt zu entscheiden gehabt.

Es dürfte - so die Prozessbevollmächtigte auf Befragen in der mündlichen Verhandlung - richtig sein, dass die A-GmbH jedenfalls in den meisten Fällen die veräußerten jungen oder neuen Aktien nicht in ihrem Depot gehabt habe. Vielmehr dürfte es so gewesen sein, dass die angekauften Altaktien ex Dividende an den Veräußerer der Altaktien zurückgegangen seien. Aus eigener Kenntnis könne er - der Kläger - hierzu jedoch nichts sagen.

Der Kläger beantragt,

den Körperschaftsteueränderungsbescheid 1988 vom 10. Oktober 1994 mit der Maßgabe aufzuheben, dass der ursprüngliche Bescheid vom 15. März 1989 wieder auflebt.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt vertritt die Ansicht, die Klage sei unbegründet, weil ausgehend von den konkreten vorliegenden Fallgestaltungen entgegen den Ausführungen des BFH-Urteils vom 15. Dezember 1999 I R 29/97 (BStBl II 2000, 527) Kursverluste, die beim Ankauf von Aktien cum Dividende und späteren (Rück-) Verkauf von Aktien ex Dividende entstünden, steuerlich nicht berücksichtigt werden könnten. § 50c Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung finde Anwendung und die Schutzwirkung des § 50c Abs. 8 EStG greife nicht.

Bei den Geschäften Nr. 1, 4, 5, 16, 18 und 37 der Anlage 1 zum Teilbetriebsprüfungsbericht 1988 könne nicht ausgeschlossen werden, dass die A-GmbH wirtschaftliches Eigentum i.S. des § 39 AO an den zum Dividendenbezug berechtigten Aktien erlangt habe. Im bisherigen Verfahren habe die Finanzverwaltung nicht nachweisen können, dass es zum Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung zum Erwerb der Aktien durch die A-GmbH bereits bindende Absprachen über eine Rückübertragung zu von vornherein festliegenden Konditionen gegeben habe. Es seien jedoch die Tatbestände des § 50c Abs. 1 bis 7 EStG anwendbar, mit der Folge, dass die Gewinnminderung aus diesen Geschäften mit steuerlicher Wirkung nicht berücksichtigt werden könne. Darüber hinaus sei § 42 AO anwendbar. An einem durch die Börsenklausel des § 50c Abs. 8 EStG geschützten Aktiengeschäft müssten mindestens drei Personen beteiligt sein, die A-GmbH habe dagegen an der Börse im eigenen Namen und für eigene Rechnung gekauft (wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz des Finanzamtes vom 2. April 2001 S. 9 ff., Bl. 92 ff. der Finanzgerichtsakte verwiesen).

Bei den übrigen Geschäften ("Alt gegen Jung") sei die A-GmbH entgegen der Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 15. Dezember 1999 nicht wirtschaftliche Eigentümerin der dividendenberechtigten Aktien geworden. Die Wertpapiere seien ihr im Zeitpunkt des Beschlusses der Gewinnausschüttung weder nach § 39 Abs. 1 AO noch nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen gewesen. Im Streitfall seien aufgrund der zweitägigen Erfüllungsfrist (gemäß § 15 Abs. 1 und 2 der Bedingungen für Geschäfte an den deutschen Wertpapierbörsen) sowohl die Anweisung des Verkäufers zur Umstellung als auch die Umstellung selbst in den Wertpapierdepots der Handelskontrahenten bzw. deren Depotbanken und bei dem M Kassenverein AG im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses noch nicht erfolgt bzw. hätten vertraglich noch nicht angestanden. Gleiches gelte für die Übertragung der den Wertpapieren gegenüberstehenden Geldleistungen. Die A-GmbH habe daher keinen Besitz (und keinen Besitzmittlungsanspruch nach § 929 Satz 2 BGB) an den zur Anrechnung führenden Wertpapieren erhalten. Ein Rechtsverhältnis in Form eines Besitzkonstituts habe sie bislang nicht vorgetragen, die allgemeinen Bedingungen im Wertpapierhandel gäben hierzu keine rechtlichen Anhaltspunkte.

Die zeitgleiche Rückübertragung junger Aktien, die den kaufvertraglichen Dividendenabschlag fixiere und dem Verkäufer seinen auf die Dividende gerichteten Kursgewinn in fester Höhe garantiert habe, sei im Gegensatz zur Aussage des BFH nach dem Willen der Beteiligten nicht auf ein anderes Wirtschaftgut gerichtet gewesen. Beide Übertragungsansprüche seien vertraglich auf einen Zeitpunkt nach der Coupontrennung terminiert gewesen, auf einen Zeitpunkt in dem es also weder Dividendenberechtigte noch junge Aktien gegeben habe. Sowohl der schuldrechtliche Anspruch auf Wertpapierübertragung cum Dividende als auch die Verpflichtung zur Lieferung junger Aktien hätten sich damit tatsächlich nur auf Wertpapiere ex Dividende gerichtet. Beide Ansprüche hätten sich zeitlich, rechtlich und wirtschaftlich gleich gegenüber gestanden und hätten dementsprechend rechtlich auch durch gegenseitige Aufrechnung erfüllt werden können. Dies werde auch besonders deutlich am Beispiel der Lieferverpflichtung der A-GmbH über 669.421 Stück "neue" Aktien der Y-AG, was dem 30-fachen des emitierten Gesamtvolumens entsprochen habe (unter Hinweis auf Teilziffer 12d) des Teilbetriebsprüfungsberichts für das Jahr 1988).

Die zeitgleiche Kombination von Übertragungsanspruch auf Aktien "ex Dividende" und Rückübertragungsanspruch "ex Dividende" zuzüglich einer Dividendenkompensation reduziere die Gesamtposition der A-GmbH auf den Erwerb der Rechte eines (durch den Verkäufer) eingelösten Dividendenscheins. Wirkliche Kursrisiken oder Pfändungszugriffsmöglichkeiten auf das Stammrecht hätten bei der A-GmbH zu keinem Zeitpunkt bestanden. Aber selbst bei isolierender Betrachtung beider gegenläufiger Wertpapiertransaktionen müsse man im maßgeblichen Zeitpunkt von jeweils schwebenden Geschäften sprechen, da beide Wertpapiergeschäfte von den Parteien noch nicht erfüllt gewesen seien. Jedes über einen Bilanzstichtag abgeschlossene Geschäft sei grundsätzlich nicht bilanzierungsfähig und damit die Aktien auch nicht aktivierungsfähig.

Darüber hinaus stehe das Urteil des BFH vom 15. Dezember 1999 I R 29/97 (BStBl II 2000, 527) im Widerspruch zu den Grundzügen des BFH-Urteils vom 14. Dezember 1999 (BStBl II 2000, 341), das den umgekehrten Fall (Rückbehalt des Gewinnbezugsrechts) für die Zeit vor Einfügung des § 20 Abs. 2a EStG entschieden habe. Nach diesem Urteil seien "im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber einer Beteiligung (hier eines Anteils) die Kapitalerträge demjenigen steuerlich zuzurechnen, dem sie nach § 101 BGB" zuzuordnen seien oder..."nach dem allgemeinen Grundsatz, dass Einkünfte demjenigen persönlich zuzurechnen sind, der den Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt, anzusetzen. Einkünfte aus Kapitalvermögen erziele demnach, wer für eigene Rechnung und Gefahr einem anderen Kapital zur Nutzung überlasse oder bürgerlich-rechtlicher Nachfolger des ursprünglichen Kapitalüberlassers sei, soweit ihm die Einkünfte aus Kapitalvermögen zivilrechtlich gehörten. Die A-GmbH habe im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses weder Fruchtziehungsrechte nach § 101 BGB erlangt noch Vermögen zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen eingesetzt. Aus diesem Grunde sei hier auch ein dem typischen gewerblichen Dividendenbezug gegenüberstehender Refinanzierungsaufwand nicht entstanden. Indem beide Handelsparteien in der schuldrechtlichen Vereinbarung die Erfüllung beider Wertpapiergeschäfte zeitgleich auf einen Zeitpunkt nach dem Hauptversammlungstag und somit nach der Coupontrennung festgelegt hätten, stünde auch eine Kaufpreisentrichtung im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses noch nicht an; das Vermögen der A-GmbH sei insoweit nach den allgemeinen Grundsätzen über die kaufmännische Bindung von zukünftig einzusetzendem Vermögen noch nicht zinsinduziert oder anderweitig gebunden.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Dem Gericht haben zwei Bände Steuerakten, zwei Heftrücken mit dem Teilprüfungsbericht für das Jahr 1988 und das Fallheft des Betriebprüfers (bestehend aus zwei Aktenordnern) und ein Teil des Skontros für das Jahr 1989 vorgelegen.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Die Klage ist zulässig, obwohl sie ohne Abschluss des außergerichtlichen Verfahrens erhoben worden ist und obwohl der Kläger (auch) eine höhere Festsetzung der Körperschaftsteuer begehrt.

a) Es kann dahinstehen, ob bei Klageerhebung die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Untätigkeitsklage i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO im Zeitpunkt der Klageerhebung gegeben waren, da die Zulässigkeitsvoraussetzungen mittlerweile erfüllt sind und die Klage insoweit - so mittlerweile auch das Finanzamt - in die Zulässigkeit jedenfalls hineingewachsen ist.

Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO ist eine Klage abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Eine entsprechende Klage kann jedoch nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen der besonderen Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist.

Im vorliegenden Falle betrug der Zeitraum zwischen Einlegung des Einspruchs (durch Schreiben des damaligen Bevollmächtigten der A-GmbH vom 18. Oktober 1994, Eingang bei dem Finanzamt: 19. Oktober 1994) bis zu Klageerhebung (16. Juni 1999) ca. fünf Jahre und vier Monate, so dass die Frist des § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO bei Weitem überschritten war. Jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung waren auch die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO erfüllt, da der Sachverhalt umfassend im Rahmen der Außenprüfung (die auch hinsichtlich der Jahre 1989 bis 1992 am 7. Juli 1997 abgeschlossen wurde) ermittelt worden ist, die rechtlichen Fragen durch eine höchstrichterliche Entscheidung des I. Senats des BFH vom 15. Dezember 1999 I R 29/97 (BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527) entschieden worden waren und darüber hinaus für das Nichtergehen einer Einspruchsentscheidung (insbesondere nach einer Anfrage des Klägers vom 15. Februar 1999) kein Grund (mehr) mitgeteilt worden ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO auch bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung erfüllt waren, weil diese Voraussetzungen jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegen müssen und eine bei Klageerhebung unzulässige Klage "in die Zulässigkeit hineinwachsen" kann (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. September 1990 VI R 98, 100/89, BFHE 162, 414, BStBl II 1991, 363 m.w.N.).

b) Das mit der Klage verfolgte Rechtsschutzbegehren des Klägers ist zum einen die steuerliche Anerkennung der bei den Anteilskäufen und -verkäufen erlittenen Verluste, zum anderen die Einbeziehung der - diese Verluste übersteigenden - Bruttodividenden (= einschließlich KSt-Gutschrift) als Einnahmen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), letztlich aber nur mit dem - eigentlichen - Ziel der Anrechung der entsprechenden Körperschaft- und Kapitalertragsteuerbeträge. Mit diesem Ziel wäre die Klage grundsätzlich unzulässig, denn nach § 40 Abs. 2 FGO kann ein Verwaltungsakt nur angefochten werden, wenn der Steuerpflichtige geltend macht, durch ihn in seinen Rechten verletzt zu sein. Das ist regelmäßig nicht der Fall wenn er behauptet, dass die Steuer zu niedrig festgesetzt sei (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527).

Das erforderliche Rechtsschutzinteresse ist gleichwohl gegeben, weil es dem Kläger (auch) um die anderweitige (fingierte) Feststellung des Einkommens geht. Der Körperschaftsteuerbescheid ist gemäß § 47 Abs. 2 KStG in dem dort bestimmten Umfang Grundlagenbescheid für den Bescheid über die Feststellung der nach § 30 KStG ermittelten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG. Wie sich aus einem Vergleich des ursprünglichen (erklärungsgemäßen) Bescheides über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1988 mit dem, der Ansicht des Prüfers folgenden, geänderten Bescheid vom 10. Oktober 1994 und aus dem am 14. Juli 2005 bei Gericht eingegangenen undatierten Schriftsatz des Finanzamtes ergibt, wirkt sich der angegriffene Körperschaftsteuerbescheid hinsichtlich der Höhe der Einkommen und der Tarifbelastungen auf das zum Schluss des Streitjahres festzustellende verwendbare Eigenkapital aus.

2. Die Klage ist begründet, weil die im Rahmen der von dem Finanzamt beanstandeten Aktiengeschäften gehandelten Aktien und die damit verbundenen Dividendenansprüche auf der Grundlage der Rechtsprechung des I. Senats des BFH zu dem Problemkreis "Dividendenstripping" am jeweiligen Ausschüttungstermin der A-GmbH zuzurechnen waren und weil sich auf der Grundlage dieser Rechtsprechung weder aus § 50c Abs. 1 EStG noch aus § 42 AO abweichende Rechtsfolgen ergeben (vgl. zur rechtlichen Problematik BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527 und BFH-Beschluss vom 27. August 2003 I B 186/02, in Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2003, 1581; dem folgend Hessisches FG, Urteil vom 17. Januar 2001 1 K 2287/00, EFG 2001, 898, Nichtzulassungsbeschw. als unbegründet zurückgewiesen durch BFH-Beschluss vom 30. Juli 2002 III B 50/01, BFH/NV 2003, 55; FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. September 2001 I 83/98, EFG 2002, 91, mittlerweile nach Rücknahme der Rev. I R 97/01 rechtskräftig; FG Düsseldorf, Urteil vom 4. März 2002 17 K 3669/98 F,EFG 2002, 693, die Rev XI R 7/04 wurde zugelassen durch BFH-Beschluss vom 14. Januar 2004 XI B 137/02, BFH/NV 2004, 638; FG Düsseldorf, Urteil vom 4. März 2002 17 K 3418/98 F, 17 K 3420/98 F, 17 K 9829/98, DStRE 2002, 826, Rev. X R 51/04, X R 52/04 und XI R 8/04 und FG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2002 6 K 3666/98 K, F,EFG 2003, 20, Nichtzulassungsbeschw. als unbegründet zurückgewiesen durch BFH-Beschluss vom 27. August 2003 I B 186/02, BFH/NV 2003, 1581; von weiterem Klärungsbedarf geht hingegen der BFH-Beschluss vom 14. Januar 2004 XI B 137/02, BFH/NV 2004, 638 aus; vgl. darüber hinaus auch das Nichtanwendungsschreiben des BMF vom 6. Oktober 2000,BStBl I 2000, 1392).

a) Die im Rahmen der beanstandeten Geschäfte "Alt gegen Jung" (die in der Anlage 1 zu dem Teilprüfungsbericht vom 22. Juli 1994 bezeichneten Geschäfte mit Ausnahme der Geschäfte 1,4,5,16,18 und 37) gehandelten Altaktien waren nach den gesetzlichen Vorgaben des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO und unter Zugrundelegung der o.a. Rechtsprechung des I. Senats des BFH an den jeweiligen Dividendenstichtagen der A-GmbH zuzurechnen und sie vereinnahmte auch die damit verbundenen Dividendenausschüttungen und Körperschaftsteuer-Guthaben im Rahmen ihrer Einkünfte aus Gewerbebetrieb (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 3 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 und 2 KStG). Überdies mindern die Verluste, die die A-GmbH in den Streitjahren dadurch erlitt, dass sie alte Aktien cum Dividendenbezugsrechte zum (höheren) Kurswert gekauft, jedoch junge Aktien ohne Dividendenbezugsberechtigung zum (entsprechend niedrigeren) Kurswert verkauft hat, ihre Gewinne, während vereinnahmte Courtagen diese erhöhen.

Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO sind Wirtschaftsgüter unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums demjenigen zuzurechnen, der über sie die tatsächliche Herrschaft in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall und nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Bei Aktien erlangt der Erwerber wirtschaftliches Eigentum im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt, von dem ab er nach dem Willen der Vertragspartner über die Wertpapiere verfügen kann. Das ist in der Regel der Fall, sobald Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten, insbesondere die mit Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und -chancen, auf den Erwerber übergegangen sind (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527 und auch BFH-Beschluss vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433BStBl II 1982, 272 zu Wertpapierpensionsgeschäften).

Nach dem gesamten Akteninhalt, den umfangreichen Feststellungen der Außenprüfung hinsichtlich der einzelnen Geschäfte und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung geht der Senat von aus, dass diesen Anforderungen im Streitfall bei sämtlichen von dem Finanzamt aufgegriffenen Einzelgeschäften "Alt gegen Jung" hinsichtlich der Altaktien für die A-GmbH gegeben waren. Dies geschah, da keine besonderen Vereinbarungen feststellbar sind, bzw. keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass insoweit von den Börsenusancen abweichende Vereinbarungen getroffen worden sind, entweder dadurch, dass der A-GmbH ein entsprechender Besitzmittlungsanspruch (§ 929 Satz 2 BGB) zu der girosammelverwahrenden Stelle (in den Streitjahren: M Kassenverein AG) eingeräumt wurde, oder dadurch, dass ein Besitzkonstitut (§ 930 BGB) vereinbart worden ist (vgl. Kümpel in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage 1997, § 13 Rz. 68, 76 ff.; Claussen, Bank- und Börsenrecht, 2. Auflage 2000 Rz. 256ff. und Sorgenfrei FR 2001, 291). Zumindest ist aber nach den einschlägigen Börsenusancen und den üblichen Abläufen im Aktienhandel davon auszugehen, dass die mit den Anteilen verbundenen Gewinnansprüche regelmäßig der A-GmbH nicht mehr erzogen werden konnten (vgl. §§ 25, 29 der Bedingungen für Geschäfte an den deutschen Wertpapierbörsen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen -WM- 1984, 76 ff.). Dementsprechend haben die Beteiligten im Streitfall die jeweiligen Vertragsabschlüsse auch vollzogen und ihr Verhalten hiernach ausgerichtet. Dies ist nach der Rechtsprechung des BFH ausreichend (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527).

Dass die entsprechenden Umbuchungen ggf. aufgrund der zweitätigen Erfüllungsfrist bei dem Börsenhandel (§ 15 Abs. 1 und 2 der Bedingungen für Geschäfte an den Wertpapierbörsen) erst zwei Tage nach dem Vertragsschluss (und nach dem Tag des Ausschüttungsbeschlusses) vorgenommen worden sind, tritt gegenüber den vorhandenen schuldrechtlichen Vereinbarungen zurück und beeinflusst den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums entgegen der Auffassung des Finanzamtes nicht. Ebenso wenig scheitert der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums daran, dass die A-GmbH infolge der zweitägigen (bzw. teils längeren, vor dem Tag des Ausschüttungsbeschlusses liegenden) Erfüllungsfrist zum Teil nicht die Möglichkeit hatte, an den Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften teilzunehmen, deren Papiere von ihr angekauft worden waren. Der BFH weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es für die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt und dass der Übergang des "wirtschaftlichen Eigentums" auch dann anzunehmen sein kann, wenn nicht sämtliche Umstände für die Annahme eines derartigen Übergangs in vollem Umfang gegeben sind (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97 BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527 m.w.N. und Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 4. März 2002 17 K 3669/98F, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 693, Rev. XI 7/04 zugelassen durch BFH-Beschluss vom 14. Januar 2004 XI B 137/02, BFH/NV 2004, 638; a.A. Krause, WM 1999, 1101, 1103ff. und Rau/Sahl, BB 2000, 1112).

Nach der Rechtsprechung des BFH ist weitere Voraussetzung, dass der Besitz (oder die vergleichbare letztlich unentziehbare Position) in Erwartung des Eigentumserwerbs eingeräumt wird. Hiervon kann - so weiter der BFH - ausgegangen werden, wenn die Vertragsbeteiligten - wie auch im vorliegenden Streitfall geschehen - entsprechende schuldrechtliche Verpflichtungen eingegangen sind. Dabei hat der BFH es unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zur Vereinbarung von Rückkaufsoptionen (Urteil vom 10. Juni 1988 III R 18/85, BFH/NV 1989, 348 und vom 25. August 1993 XI R 6/93, BFHE 172, 91, BStBl II 1994, 23) zwar für grundsätzlich möglich gehalten, dass derjenige Erwerber eines Objekts, der sich zugleich mit dem Kauf auf eine Rückverkaufsverpflichtung eingelassen hat, als Eigentümer auf Dauer von der Einwirkung auf das angebotene Objekt ausgeschlossen bleibt, mithin der Verkäufer und zugleich Rückkaufsberechtigte wirtschaftlicher Eigentümer des Objekts bleibt. Die Besonderheit in den Fällen "Alt gegen Jung" hat der BFH indes darin gesehen, dass sich die Rückkaufsverpflichtungen auf a n d e r e Aktien, nämlich sog. junge bezogen hätten, die nicht mit den hingegebenen Altaktien identisch seien. Zu diesem Ergebnis ist er ohne Rücksicht darauf gekommen, dass die jeweiligen jungen Aktien - wie im Streitfall - nach dem Dividendenabschlag dieselben Rechte verbrieften wie die Altaktien und dementsprechend dann auch deren Wertpapierkenn-Nr. erhielten. Unter diesen Umständen konnten an der Börse nicht vorhandene junge bzw. neue Aktien schuldrechtlich verkauft werden, um nach dem Dividendenabschlag Altaktien ex Dividende zu liefern. So erklärt sich die Tatsache, dass um den jeweiligen Ausschüttungstag herum die Zahl der gehandelten jungen Aktien die Zahl der real existierenden um ein Vielfaches übertraf (siehe Unfried, DStR 2000, 993, 995, insbes, Fußn. 37 m.w.N.; vgl. auch BFH-Beschluss vom 14. Januar 2004 XI B 137/02, BFH/NV 2004, 638 ).

Dementsprechend hat auch der Kläger auf Befragen erklärt, es dürfte richtig sein, dass die A-GmbH jedenfalls in den meisten Fällen die jungen bzw. neuen Aktien nicht im Depot hatte, sondern mit den angekauften Altaktien ex Dividende erfüllte. Die Nichtverfügbarkeit entsprechender junger bzw. neuer Aktien war i.d.R. geradezu Bestandteil des Geschäftsmodells: Der die Altaktien in den Eigenbestand erwerbende Makler hatte die zu liefernden jungen bzw. neuen Aktien nicht, deckte sich anschließend auch nicht damit ein, sondern erfüllte seine Leistungspflicht plangemäß mit den vom Erwerber der jungen bzw. neuen Aktien angekauften Altaktien ex Dividende. Die jungen bzw. neuen Aktien wurden "gefixt" (so der dem Senat aus einem anderen Verfahren bekannte Börsenmakler-Jargon).

Gleichwohl hat der I. Senat des BFH die vom erkennenden Senat in seinem Urteil vom 2. Dezember 1996 4 K 3180/94 (EFG 1997, 825) in einem vergleichbaren Fall vertretene Auffassung, der Veräußerer der Altaktien sei deren wirtschaftlicher Eigentümer geblieben, im Revisionsverfahren verworfen (BFH-Urteil vom 15. 12. 1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527). Für den vorliegenden Fall verbietet sich deshalb auf der Grundlage der BFH-Rechtsprechung eine abweichende rechtliche Beurteilung. Wie das FG Düsseldorf in seinem Urteil vom 4. März 2002 17 K 3669/98 F (EFG 2002, 603) ausgesprochen hat, kommt dem BFH als oberstes Gericht in Steuersachen der Bundesrepublik Deutschland die Funktion zu, Rechtsfragen letztinstanzlich zu entscheiden und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung innerhalb des Finanzrechtswegs zu wahren. Unter diesen Umständen braucht der Senat auch nicht der Frage nachzugehen, ob die A-GmbH ausnahmsweise konkret in der Lage gewesen wäre, eine ausreichende Zahl junger Aktien mittels Optionen zu beschaffen - was insbesondere hinsichtlich der eingegangenen Verkaufsverpflichtungen über "junge" Y-Aktien in einem Gesamtumfang von 669.421 Stück (Geschäfte Nr. 23, 24, 25/26, 27, 28, 29/30, 31, 33- zwei Geschäfte - und 36) nach den Ermittlungen des Prüfers mehr als zweifelhaft ist, zumal auch nichts dafür ersichtlich ist, dass eine solche Beschaffung tatsächlich erfolgt ist.

Soweit der XI. Senat des BFH in seinem Beschluss vom 14. Januar 2004 XI R 137/02 (BFH/NV 2004,638) in diesem Zusammenhang für klärungsbedürftig hält, in welcher Weise sich die für Pensionsgeschäften geltenden Grundsätze auf die Beurteilung des gleichzeitigen Verkaufs und Rückkaufs von Aktien in den Fällen auswirken, in denen der Veräußerer der "jungen Aktien" den Käufern kein zivilrechtliches Eigentum an diesen "jungen Aktien" hätte verschaffen können (weil es diese in der dafür notwendigen Anzahl im Zeitraum der vorgesehnen Geschäftsabwicklung niemals gab), muss davon ausgegangen werden, dass der

I. Senat - wie sein Hinweis auf den ausschließlich Pensionsgeschäfte betreffenden Beschluss des Großen Senats vom 29. November 1992 GrS 1/81 (BStBl II 1983, 272) zeigt, auch die Grundsätze über die steuerliche Behandlung (echter) Pensionsgeschäfte in seine Entscheidungsfindung einbezogen hat (BFH-Urteil vom 15. 12. 1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527, zu B II 1 b aa). Auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung, dass die verkauften jungen Aktien andere Wertpapiere seien als die angekauften Altaktien, hatte der I. Senat konsequenter Weise insbes. keine Veranlassung, sich ausdrücklich damit auseinander zu setzen, ob die Geschäfte "Alt gegen Jung" begrifflich echte Pensionsgeschäfte (jetzt definiert in § 340b Abs. 1 HGB) oder vergleichbare Geschäfte sind, ob gleichartige girosammelverwahrte Wertpapiere überhaupt Gegenstand echter Wertpapiergeschäfte sein können (bejahend die wohl h.L.: vgl. z.B.: Adler/Düring/Schmalz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 246 HGB Rz. 345, m.w.N.; Häuselmann, Bilanzsteuerliche Aspekte des Wertpapierhandels der Kreditinstitute, 7. Aufl. 2003, S. 61) und ob § 340b Abs. 4 HGB, wonach die übertragenen Vermögensgegenstände (steuerrechtlich: Wirtschaftsgüter) in der Bilanz des Pensionsgebers und nicht des Pensionsnehmers auszuweisen sind, bereits im Streitjahr (1988) als ungeschriebener handelsrechtlicher Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG galt (bejahend im Verfahren BFH GrS 1/81 der BMF unter Hinweis auf Art. 10 des damaligen Bankbilanzrichtlinie-Vorschlags, s. Abschn. IV. 3. der Beschlussgründe; verneinend z.B. Häuselmann/Wiesenhart, DB 90 1990, 2129, 2130, m.w.N.;- § 340b HGB wurde erst durch das Bankbilanzrichtlinie-Gesetz vom 30. November 1990 - Bundesgesetzblatt I 1990, 2570 - eingefügt und ist nach Art. 30 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum HGB erstmals auf nach dem 31. Dezember 1992 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden).

Nach der Rechtsprechung des I. Senats des BFH ist es auch irrelevant, ob und inwieweit die Ankäufe alter Aktien nicht nur taggleich sondern auch zeitgleich mit dem Verkauf sog. junger Aktien vereinbart worden sind. Denn nach dieser Rechtsprechung ändern auch "die zugleich getroffenen Vereinbarungen über Verpflichtungen zur (Rück-)Veräußerung sog. junger Aktien" nichts daran, dass hinsichtlich der (dividendenberechtigten) Altaktien durch die getroffenen schuldrechtlichen Verpflichtungen der Besitz in Erwartung des Eigentumserwerbs eingeräumt und das wirtschaftliche Eigentum übertragen wird. Die Rückverkaufsverpflichtungen beziehen sich danach auf "a n d e r e sog. junge Aktien ..., die mit den Altaktien nicht identisch waren". "Eine Gesamtbetrachtung," wie sie das FG (in seinem erstinstanzlichen Urteil vom 2. Dezember 1996 4 K 3180/94, EFG 1997, 825) angestellt hat, widerspricht - so der BFH - "dem klaren Gesetzeswortlaut des § 39 AO 1977" (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 15.12.1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527 - 530 unter B II 1 b bb - ). Dementsprechend konnte eine aufwändige Beweisaufnahme durch Vernehmungen der beteiligten Wertpapierhändler der Banken darüber, ob und inwieweit die Ankäufe alter Aktien nicht nur taggleich sondern auch zeitgleich mit dem Verkauf sog. junger Aktien vereinbart worden sind, unterbleiben (anders der erkennende Senat in seinem dem Revisionsverfahren I R 29/97 vorangehenden Urteil 4 K 3180/94).

b) Im rechtlichen Ergebnis nicht anders wie bei den Geschäften "Alt gegen Jung" verhält es sich hinsichtlich der weiteren von der A-GmbH getätigten Wertpapiergeschäfte Nr. 1, 4, 5, 16, 18 und 37 (der Anlage 1 zum Teilbetriebsprüfungsbericht für das Jahr 1988). Hier kaufte die A-GmbH die jeweilige Stammrechte cum Dividende und verkaufte gleiche oder gleichwertige Anteile ex Dividende durch zwei voneinander unabhängige (seperate) Geschäfte. Der "Hin- und Rückkauf" wurde im vorliegenden Fall jeweils an verschiedenen Tagen und mit Ausnahme des Geschäfts Nr. 37 mit verschiedenen (inländischen) Geschäftspartnern vereinbart. Dass die A-GmbH durch diese Transaktion sowohl rechtliche als auch wirtschaftliche Eigentümerin der erworbenen Anteile wurde, steht - so die Rechtsprechung des BFH - außer Frage. Der A-GmbH sind deshalb die Dividenden und Körperschaftsteuerguthaben ebenso zuzurechnen, wie erlittene Veräußerungsverluste und vereinnahmte Courtagen bei ihr zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527). Bei der hier vorliegenden Fallkonstellation "An- und Verkauf an verschiedenen Tagen" (und zum überwiegenden Teil sogar mit unterschiedlichen Vertragspartnern) sind bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des I. Senats des BFH keine sog. echten (den An- und Verkauf verknüpfenden) Wertpapierpensionsgeschäfte gegeben (vgl. die Ausführungen in dem BFH-Beschluss vom 27. August 2003 I B 186/02, BFH/NV 2003, 1581 hinsichtlich der sog. Geschäfte "Alt gegen Alt").

Es bedarf keiner Ermittlungen des Gerichts dahin, ob und in welchem Umfang die A-GmbH nach dem Vorbild des Geschäftsmodells "Alt gegen Jung" ihre Verpflichtung zur Lieferung von Aktien ex Dividende mit letztlich vom selben Geschäftspartner cum Dividende erworbenen Aktien erfüllte. Desgleichen ist nicht in die Richtung zu ermitteln, ob abweichend vom schriftlich Fixierten die An- und Verkäufe zeitgleich erfolgt sind, mag ein solcher Verdacht angesichts des Geschäftszwecks und der bei getrennten An- und Verkäufen bestehenden Kursrisiken nahe liegen. Ist indes bei entsprechenden Fällen "Alt gegen Jung" wirtschaftliches Eigentum des ankaufenden Börsenmaklers anzunehmen, so muss das konsequenter Weise auch bei Fällen "Alt gegen Alt" gelten. Im Übrigen ist es bereits der Finanzverwaltung nicht gelungen, zeitgleiche Vereinbarungen "Alt gegen Alt" zu ermitteln.

c) § 50c Abs. 1 EStG findet keine Anwendung, weil nach Rechtsprechung des BFH für die hier zu beurteilenden Fallgestaltungen die sog. Börsenklausel in § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG der Vorschrift eingereift.

Nach der Auslegung des § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG durch den I. Senat des BFH, erfasst diese Norm unterschiedslos den Erwerb über die Börse und unterstellt ebenso unterschiedslos die Börsenüblichkeit der Geschäfte. Die Vorschrift sieht - letztlich wohl auch aus Gründen der einfachen Gesetzeshandhabbarkeit - von Ausnahmen und Einschränkungen ab. Die Kenntnis der Börsenusancen, also auch der Möglichkeit, Individualvereinbarungen über die Börse treffen zu können, hat den Gesetzgeber nicht an dieser Regelung gehindert. Umgehungsstrategien über die Börse wurden wegen der - unterstellten - Anonymität des Börsenhandels, der Absprachen zwischen Vertragsparteien nur im außerbörslichen Bereich erlaubt, vielmehr für nicht wirkungsvoll erachtet. Aktientransaktionen über die Börse schließen in dieser Auslegung die Anwendung von § 50c Abs. 1 bis 7 EStG deshalb nach Maßgabe des § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG generell aus, unabhängig von der Motivation der Beteiligten, von etwaigen Individualabsprachen und im Grundsatz auch unabhängig davon, von wem die Initiative zum Ankauf oder Verkauf der in Rede stehenden Wertpapiere ausgeht. Ebenso wenig würde es nach dieser Rechtsprechung des BFH - so versteht sie jedenfalls insoweit der erkennende Senat - schaden, wenn ein beauftragtes Institut seinerzeit - wie im Streitfall die A-GmbH als börsenzugelassene Börsenmaklerin - über ihren eigenen Börsenhändler zugleich als Erwerber der Anteile auftreten würde (vgl. zu Ganzen BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527 m.w.N., insbes. auch B II 3 a bb Abs. 3 der Gründe).

Soweit das Finanzamt einwendet, die Börsenklausel des § 50 Abs. 8 Satz 2 EStG greife ihrem Wortlaut nach nicht ein, weil der Erwerber der Altaktien bzw. Aktien cum Dividende (= die A-GmbH) diese Anteile nicht über ein Kreditinstitut erworben habe, das den K a u f a u f t r a g (des Erwerbers!) über die Börse ausgeführt habe, entspricht das im Kern der Argumentation des erkennenden Senats im Urteil 4 K 3180/94. Dort ist sinngemäß ausgeführt, dem Wortlaut nach regele § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG nur eine bestimmte Fallkonstellation, nämlich dass der Erwerber (hier: der Altaktien bzw. Aktien cum Dividende) einen Kaufauftrag an ein Kreditinstitut gibt, das seinerseits den Kaufauftrag an der Börse ausführt. Diese Auffassung kann indes nicht aufrechterhalten werden, da der BFH sie im Revisionsurteil I R 29/97 (BStBl II 2000, 527) verworfen hat. Der BFH hat es unter extensiver Auslegung des Gesetzeswortlauts genügen lassen, dass der Erwerb über die Börse abgewickelt wurde.

d) § 42 AO ist nach der Rechtsprechung des BFH in Fällen der vorliegenden Art unanwendbar, weil der allgemeinen abgabenrechtlichen Missbrauchsnorm des § 42 AO neben dem und im Anwendungsbereich von § 50c EStG keine eigenständige Bedeutung mehr zukommt (zweifelnd: Weber-Grellet, Finanzrundschau - FR - 2000, 1098). Es ist - so der BFH - ausgeschlossen, das mit § 50c EStG gewollte Gesetzesziel gleichermaßen mit Hilfe des § 42 AO zu erreichen. Insbesondere kann mittels dieser Vorschrift kein - in § 50c EStG nicht vorgesehener - Ausschluss der Zurechnung von Dividendenbezügen und von Körperschaftsteuerguthaben beim Anrechnungsberechtigten Steuerpflichtigen verwirklicht werden. Die gesetzgeberische Rechtsfolgenentscheidung in § 50c EStG ist vielmehr auch im Anwendungsbereich des § 42 AO zu respektieren. Der Umstand, dass § 50c EStG wegen der Börsenklausel in Abs. 8 Satz 2 im Ergebnis unanwendbar bleibt, ändert an der Vorrangigkeit nichts. Auch der Schutzcharakter dieser Klausel ist abschließend (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527).

Der durch StÄndG 2001 (BGBl. I 2001, 3749) neu eingefügte § 42 Satz 2 AO (der bisherige Gesetzestext wurde als Abs. 1 gefasst) ist für das Streitjahr nicht anwendbar, da er nach Art. 39 StÄndG 2001 am Tag nach der Verkündung (dem 23. Dezember 2001) in Kraft tritt (vgl. dazu auch FG Düsseldorf, Urteil vom 4. März 2002, 17 K 3669/98 F,EFG 2002, 693 mit Anm. von Herlinghaus, die Rev XI R 7/04 wurde zwar durch BFH-Beschluss vom 14. Januar 2004 XI B 137/02, BFH/NV 2004, 638 zugelassen, die Anwendbarkeit des § 42 AO wird in den Beschlussgründen jedoch nicht erwähnt).

e) Da der Klage bereits aus den oben genannten Gründen stattzugeben war, bestand für den Senat keine Veranlassung mehr sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob der Ausschluss beschränkt Steuerpflichtiger von dem Anrechnungsverfahren a.F. durch §§ 50 und 51 KStG in Verbindung mit den Auswirkungen auf die Gewinnermittlung eines inländischen Aktienerwerbs (§ 50c Abs. 1 EStG) mit EU-Recht zu vereinbaren war. Insoweit stünde insbesondere die Frage im Vordergrund, inwieweit diese gesetzlichen Regelungen zu einer nach Art. 56 Abs. 1 EU-Vertrag verbotenen Beschränkung der Freiheit des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern führen.

3. Die Kosten des Verfahrens waren auf der Grundlage des § 135 Abs. 1 FGO dem Finanzamt aufzuerlegen.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung.

5. Die Revision war auf der Grundlage des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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