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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: 4 K 3876/01
Rechtsgebiete: EStG, BGB, EG, UmwStG


Vorschriften:

EStG § 50c
UmwStG § 13 Abs. 4
EG Art. 43
EG Art. 56 Abs. 1
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung eines Sperrbetrages nach § 50 c Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Ermittlung des Übernahmegewinns im Rahmen einer Verschmelzung.

Die Klägerin wurde am 20.11.1995 als "X-Ltd. und Co.", einer der deutschen Offenen Handelsgesellschaft entsprechenden Gesellschaftsform, errichtet. Nach Änderung der Firma in "X-Bank" am 30.01.1997 änderte sie mit Handelsregistereintrag vom 15.09.1998 ihre Firma in "X-Bank " und mit Handelsregistereintrag vom 27.10.1999 schließlich in die heutige Firma. Gesellschafter waren neben der X-Ltd. die X-Verwaltungs GmbH sowie Y, der im Mai 1998 von Z als persönlich haftender Gesellschafter abgelöst wurde. Die X-Ltd. leistete als einzige eine Kapitaleinlage von 130.000,-- DM und ist zu 100% am Gewinn und Verlust beteiligt. Gegenstand des Unternehmens war zunächst die Verwaltung von Beteiligungen und sonstigem Vermögen. Seit 1996 betreibt die Klägerin Bankgeschäfte.

Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 19.12.1995 erwarb die Klägerin von der A-GmbH (Amsterdam) alle Geschäftsanteile an der ehemaligen B-Holding (Deutschland) GmbH (nachfolgend B oder ggf. Tochtergesellschaft genannt).

Die B war zu diesem Zeitpunkt alleinige Gesellschafterin der ehemaligen X-Bank (Deutschland) GmbH (nachfolgend X oder ggf. Enkelgesellschaft genannt), deren Anteile sie von der nicht körperschaftsteueranrechnungsberechtigten B-AG, Schweiz (B-AG) am 31.12.1993 erworben hatte. Dieser Erwerb führte bei den Anteilen zu einem Sperrbetrag i.S.v. § 50c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Höhe des Sperrbetrages berechnete der Beklagte (das Finanzamt) - von der Klägerin unbeanstandet - wie folgt:

 Anschaffungskosten (insbesondere Kaufpreis) der B für die Anteile79.850.000,-- DM
./. Nennwert der Anteile30.000.000,-- DM
./. vorhandene Rücklagen5.723.573,-- DM
Sperrbetrag44.126.427,-- DM.

Mit Verschmelzungsverträgen vom 29.08.1996 wurde zunächst die X auf die B und anschließend die B auf die Klägerin verschmolzen. Steuerlicher Umwandlungsstichtag war in beiden Fällen der 31.12.1995. Die Vermögensübertragung erfolgte mittels Gesamtrechtsnachfolge im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme. Die handelsrechtlich wirksame Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister wurde in 1997 vorgenommen.

Vor Abschluss der Verschmelzungsverträge hatte die B mit Antrag vom 24.01.1995, auf dessen Inhalt (Bl. 11 ff. des roten Hefters "B...") Bezug genommen wird, beim damals für sie zuständigen Finanzamt FA 1 die Erteilung einer verbindlichen Auskunft hinsichtlich der steuerlichen Auswirkungen der geplanten gesellschaftlichen Reorganisationsmaßnahmen, insbesondere der Auswirkungen der Verschmelzung auf den Sperrbetrag beantragt. Nach mehreren Gesprächen und geführtem Schriftwechsel teilte das Finanzamt mit Schreiben vom 30.05.1996 (Bl. 24 des roten Hefters) mit, dass der vorgetragene Sachverhalt nicht Gegenstand einer verbindlichen Auskunft sein könne. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Sache sei man aber bereit, im Rahmen eines Arbeitsgesprächs über die verschiedenen Aspekte unverbindlich zu reden. Die Zuständigkeiten anderer Finanzämter blieben davon unberührt. Nachdem weitere Sachverhaltsermittlungen vorgenommen worden waren, teilte das Finanzamt mit Schreiben der zuständigen Sachgebietsleiterin vom 21.08.1996 (Bl. 50 des roten Hefters) mit, dass für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach eingehender Prüfung des Antrags kein Raum verbleibe, da die im Antrag aufgeworfenen Rechtsfragen durch den Gesetzeswortlaut eindeutig i.S. der von der B vertretenen Rechtsauffassung beantwortet worden seien und somit die künftige steuerliche Behandlung des Sachverhalts nicht rechtlich zweifelhaft sei. Weiterhin teilte das Finanzamt in dem Schreiben mit, dass die formellen Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 24.06.1987 (BStBl. I 1987, S. 474) nicht erfüllt seien und dem Antrag somit nicht entsprochen werden könne.

Im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurde das Übernahmeergebnis aus der doppelten Verschmelzung steuerlich im Jahre 1995 erfasst. Abweichend von der Feststellungserklärung 1995 der Klägerin, in der diese einen Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 206.312,-- DM auswies, ermittelte das Finanzamt unter Ansatz eines Sperrbetrages gem. § 50c Abs. 4 EStG von 44.126.427,- DM zunächst Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 15.870.545,-- DM. Wegen des Ansatzes des Sperrbetrages und des daraus resultierenden Übernahmegewinns entfiel mangels Aufdeckung der stillen Reserven die von der Klägerin vorgenommene Aufstockung der Buchwerte in Höhe von zunächst 28.049.570,-- DM und damit die Abschreibungen aus den Ergänzungsbilanzen für 1996 und 1997.

Gegen die am 24.08.1998 zur Post gegebenen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1995-1996 und die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1996 sowie die am 06.08.1999 zur Post gegebenen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte 1997 und die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1997 legte die Klägerin Einspruch ein. Sie wandte sich gegen die Fortführung und Hinzurechnung des Sperrbetrages bei der Ermittlung des aufgrund der doppelten Verschmelzung berechneten Übernahmeergebnisses gemäß § 4 Abs. 5 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG). In diesem Zusammenhang begehrt sie die Berücksichtigung der aus der vorgenommenen Buchwertaufstockung in der Ergänzungsbilanz resultierenden Abschreibungen in Höhe von 1.858.792,-- DM in 1996 bzw. 1.811.449,-- DM in 1997. Am 06.08.1999 wurden aus anderen Gründen geänderte Gewinnfeststellungsbescheide 1995 und 1996 sowie ein geänderter Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1996 erlassen, die gem. § 365 Abs. 3 AO an die Stelle der angefochtenen Bescheide traten. In dem Gewinnfeststellungsbescheid 1995 ermittelte das Finanzamt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 16.806.024,-- DM und korrigierte die Aufstockung der Buchwerte um 27.114.091,-- DM. Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 22.08.2001 zurück. Zur Begründung führte er unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 25.03.1998 (BStBl I 1998, 268) aus, dass ein Sperrbetrag auch im Falle der Verschmelzung nach § 50 c Abs. 8 EStG fortgeführt werde. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege nicht vor, da eine verbindliche Auskunft mit Schreiben vom 21.08.1996 unmissverständlich abgelehnt worden sei. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen (Bl. 69ff. des Sonderbandes für Rechtsbehelfe).

Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, der vorgenommenen Sperrbetragshinzurechnung fehle die gesetzliche Grundlage. Eine Verlagerung des ursprünglich auf den Anteilen der X lastenden Sperrbetrags auf die Anteile an B könne weder aus der Vorschrift des § 50 c Abs. 7 EStG noch aus der des § 50 c Abs. 8 EStG oder der des § 13 Abs. 4 UmwStG hergeleitet werden.

§ 50 c Abs. 7 EStG sei schon deshalb nicht einschlägig, weil die Verschmelzung der X auf die B keine Gewinnausschüttung der X auf die B darstelle. Die Norm verbiete nach der Gesetzesbegründung ausschließlich die steuerliche Anerkennung einer ausschüttungsbedingten Gewinnminderung beim sog. Doppelholdingmodell. Der Gesetzeswortlaut erfordere eine Gewinnausschüttung der Zielgesellschaft an die Tochtergesellschaft, die diese an die Muttergesellschaft weiterleite. Die Vermögensübergang durch Verschmelzung stelle gerade keine Gewinnausschüttung dar. Gewinnausschüttungen i.S.v. § 50c Abs. 1 EStG seien nämlich nur offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen sowie organschaftliche Gewinnabführungen. Bei der Verschmelzung weise schon § 12 Abs. 5 UmwStG darauf hin, dass keine Gewinnausschüttung, sondern eine Hinzurechnung des verwendbaren Eigenkapitals vorliege. Soweit § 10 UmwStG für den Fall der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft eine solche Ausschüttungsfiktion enthalte, fehle eine vergleichbare Vorschrift für den Fall der Verschmelzung zwischen zwei Kapitalgesellschaften. Vielmehr schreibe § 38 Körperschaftsteuergesetz (KStG) a.F. für solche Fälle ausdrücklich eine Zusammenrechnung der verwendbaren Eigenkapitalanteile der beteiligten Kapitalgesellschaften vor, was per se eine Gewinnausschüttung ausschließe.

Weiterhin sei gerade der zweistufige Gewinntransfer im Sinne des § 50 c Abs. 1 EStG (Gewinnausschüttung oder organschaftliche Gewinnabführung) entscheidendes Tatbestandsmerkmal des § 50 c Abs. 7 EStG. Eine anrechnungsberechtigte Muttergesellschaft müsse sich die mit einem Sperrbetrag belasteten Anteile über eine anrechnungsberechtigte Tochtergesellschaft von einem nicht anrechnungsberechtigten Veräußerer "erwerben lassen". Da zum Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an der X durch die B die Klägerin noch gar nicht bestanden habe, habe sie auch nicht die Anteile an der X von der B "erwerben lassen" können. Eine Weiterausschüttung von Dividenden seitens der B an die Klägerin könne somit nicht erfolgt sein.

§ 50 c Abs. 8 EStG greife nicht ein. Er erfordere, dass der Rechtsnachfolger die mit dem Sperrbetrag belasteten Anteile "erworben" habe. An einem solchen Erwerb fehle es jedoch bei einer Verschmelzung, da die Anteile an der X infolge der Verschmelzung auf die B untergegangen seien. Hinsichtlich der Anteile sei daher weder eine Einzel- noch eine Gesamtrechtsnachfolge als tatbestandliche Voraussetzung des § 50 c Abs. 8 EStG eingetreten.

Ferner sei der Sperrbetrag auch nicht nach § 13 Abs. 4 UmwStG übergegangen. Dazu sei die Gewährung neuer Anteile an der B, die an die Stelle der Anteile an der X treten, erforderlich gewesen wäre. Dies sei indes bei den im Streitfall in Frage stehenden Aufwärtsverschmelzungen nicht erfolgt, da die B Alleingesellschafterin der auf sie verschmolzenen X gewesen sei und im Zuge der streitgegenständlichen Verschmelzung keine neuen Anteile an die Anteilseigner der B gewährt worden seien, die an die Stelle der bisherigen Anteile an der übertragenden X hätten treten können. Erst mit der Änderung des § 13 Abs. 4 UmwStG im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 habe der Gesetzgeber eine Grundlage für die Verlagerung des Sperrbetrages nach § 50 c EStG bei Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf ihre Muttergesellschaft geschaffen.

Eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften komme nicht in Betracht. Sie stelle eine unzulässige steuerverschärfende Analogie zuungunsten des Steuerpflichtigen dar. Ein gesetzgeberischer Plan, dass der Sperrbetrag generell bei Verschmelzungen übergehen solle, habe weder bestanden noch sei ein solcher Plan für einen Steuerpflichtigen erkennbar gewesen. Vielmehr ergebe sich aus dem Wortlaut der Norm, dass der Übergang des Sperrbetrags an die Anteile als Objekt und nicht an einen Subjektwechsel - wie in der Neufassung der Norm - geknüpft werden sollte. Demzufolge sei der ursprünglich vorhandene Sperrbetrag in den Anteilen an der X bereits bei der Verschmelzung der X auf die B untergegangen.

Ein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO liege nicht vor. Die Anwendung der Vorschrift scheitere bereits dem Grunde nach, da § 50c EStG nach der gefestigten BFH-Rechtsprechung eine Spezialvorschrift zur Vermeidung von Missbräuchen darstelle, neben der die allgemeine abgabenrechtliche Missbrauchsvorschrift nicht anwendbar sei. Im Übrigen sei auch der Missbrauchstatbestand nicht gegeben, da es bereits an einer zusammenhängenden Missbrauchskonstruktion durch Zwischenschaltung der B fehle, denn diese habe zum Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an der X noch nicht bestanden.

Unabhängig von der kontrovers diskutierten Rechtsfrage zum Übergang des Sperrbetrages sei der Beklagte bereits aufgrund des Schreibens vom 21.08.1996 nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an die Rechtsauffassung der Klägerin gebunden. In diesem Schreiben habe der Beklagte klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass an der im Antrag der Klägerin auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vorgetragenen Rechtsauffassung über die Behandlung des Sperrbetrages kein Zweifel bestehe. Zwar habe der Beklagte in seinem Schreiben eine verbindliche Auskunft abgelehnt. Durch die Begründung, dass deren Erteilung wegen der eindeutigen Rechtslage nicht erforderlich sei, sei jedoch ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen worden, an den der Beklagte nach Treu und Glauben gebunden sei.

Soweit der Beklagte gleichwohl abweichend von der in dem Schreiben vom 21.08.1996 vertretenen Rechtsansicht bei der Ermittlung des Gewinns den Sperrbetrag berücksichtigt habe, sei dies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben als unzulässiges widersprüchliches Verhalten zu qualifizieren (venire contra factum proprium). Zwar habe er keine verbindliche Auskunft erteilt; vom maßgeblichen Empfängerhorizont seien seine Ausführungen jedoch nur so zu verstehen gewesen, dass er zumindest verbindlich zum Ausdruck habe bringen wollen, seiner zukünftigen steuerlichen Beurteilung jedenfalls nicht die eindeutige Gegenauffassung zugrunde zu legen. Denn diese Gegenauffassung habe der Beklagte als eindeutig unrichtig qualifiziert, weil er sie nicht einmal als geeignet angesehen habe, Zweifel an der im Antrag von der Klägerin vertretenen Auffassung vom Untergang des Sperrbetrags aufkommen zu lassen. Vor diesem Hintergrund hätte der Beklagte, sofern er lediglich eine schlichte Meinungsäußerung beabsichtigt habe, in seinem Schreiben einen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis aufnehmen müssen. Da ein solcher Hinweis gefehlt habe, sei ein Vertauenstatbestand geschaffen worden, der ursächlich für die vorgenommenen gesellschaftlichen Umstrukturierungsmaßnahen gewesen sei, die ohne die eindeutige Äußerung des Beklagten nicht vorgenommen worden wären.

Weiterhin liege ein Verstoß gegen Treu und Glauben auch insoweit vor, als der Beklagte seine vermeintliche Rechtsposition, wonach die Mitteilung keiner Bindungswirkung unterliegen solle, unredlich erworben habe (exceptio doli specialis). Durch die eindeutige Äußerung hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung, habe für die Klägerin kein Anlass bestanden, den Antrag auf verbindliche Auskunft weiter zu verfolgen. Dabei sei dieser Antrag unter Berücksichtigung der Auskunft des Beklagten im Schreiben vom 21.08.1996 zum damaligen Zeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Sinne der Rechtsauffassung der Klägerin entschieden worden.

Unzuständigkeit der damaligen Sachgebietsleiterin stehe der Bindungswirkung der Auskunft nicht entgegen, da der Antrag auf verbindliche Auskunft seinerzeit für die Tochtergesellschaft gestellt worden sei, für die die Zuständigkeit vorgelegen habe. Selbst wenn die unterzeichnende Sachgebietsleiterin intern nicht berechtigt gewesen sei, eine entsprechende Auskunft zu erteilen, sei dies unbeachtlich. Durch die Herausgabe des Schriftstücks habe der Beklagte deren tatsächliche Befugnis hingenommen und müsse sich demzufolge, vergleichbar der zivilrechtlichen Duldungsvollmacht, deren Handlung zurechnen lassen.

Weiterhin weist die Klägerin darauf hin, dass - sofern das Gericht gleichwohl zu einer direkten oder analogen Anwendung des § 50c EStG gelange - eine Vorlage an den EuGH geprüft werden müsse. Es bestünden erhebliche Zweifel im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 50c EStG mit den EU-Grundfreiheiten. Dabei scheide ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages nicht schon deshalb aus, weil die nicht anrechnungsberechtigte Gesellschaft, die die Geschäftsanteile veräußert hat, ihren Sitz in der Schweiz gehabt habe. Denn insbesondere die durch Art. 56 EG-Vertrag (EGV) geschützte Kapitalverkehrsfreiheit wirke auch im Verhältnis zu Drittstaaten.

Die Klägerin beantragt,

1. die geänderten Feststellungsbescheide 1995 bis 1997 sowie den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1996 und den 31.12.1997 jeweils vom 06.08.1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24.08.2001 dahingehend abzuändern, dass für 1995 keine Hinzurechnung eines Sperrbetrages im Sinne des § 50 c EStG in Höhe von 44.126.427,-- DM vorgenommen wird und ergänzungsbilanzielle Verluste aus der Auflösung des zum 31.12.1995 ohne Sperrbetragshinzurechnung bestehenden Mehrvermögens von 27.114.091,-- DM für 1996 in Höhe von 1.158.752,-- DM und für 1997 in Höhe von 1.811.449,-- DM abgezogen werden,

2. hilfsweise die Revision zuzulassen,

3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Ergänzend führt er u.a. aus, dass die Verschmelzungen zum selben Zeitpunkt, in derselben logischen Sekunde stattgefunden hätten. Demzufolge habe die Klägerin für eine logische Sekunde den Anteil an der X gehalten, sodass § 4 Abs. 5 UmwStG unmittelbar eingreife und zu einem Übergang des Sperrbetrages führe.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten zur Steuernummer vorgelegen, sie waren Gegenstand des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

I. Das Finanzamt hat im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb zur Errechnung des Übernahmegewinns der Klägerin zutreffend den aus dem Erwerb der X durch die B resultierenden Sperrbetrag im Sinne des § 50 c Abs. 4 EStG hinzugerechnet. Die so ermittelten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 16.806.024,-- DM sind nicht herabzusetzen.

1) Übernahmegewinn bzw. -verlust ist nach § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG i.d.F. der Streitjahre (nachfolgend UmwStG) der Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind und dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft. Das Übernahmeergebnis erhöht sich nach § 4 Abs. 5 UmwStG um (die nach § 10 Abs. 1 UmwStG anzurechnende Körperschaftssteuer und um) einen Sperrbetrag im Sinne des § 50 c EStG, soweit die Anteile an der übertragenden Körperschaft am steuerlichen Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft gehören.

a. Die Berücksichtigung eines Sperrbetrages gem. § 4 Abs. 5 UmwStG bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses setzt daher im Streitfall voraus, dass die am Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörenden Anteile an der B mit einem Sperrbetrag belastet waren. Dies ist der Fall.

Zu Recht ist unstreitig, dass auf den sich seinerzeit im Betriebsvermögen der B befindlichen Anteilen der X ein Sperrbetrag lastete. Sperrbetrag ist nach § 50c Abs. 4 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Nennbetrag des Anteils, im Streitfall also der Betrag, den die B beim Erwerb der Anteile an der X über den Nennbetrag hinaus entrichtet hatte zuzüglich Anschaffungskosten. Dieser Sperrbetrag (§ 50 c Abs. 4 EStG) war durch den Erwerb der Anteile an der X durch die körperschaftsteueranrechnungsberechtigte B von der nicht anrechnungsberechtigten B-AG gemäß § 50 c Abs. 1 EStG entstanden. Das Finanzamt hat ihn auf 44.126.427,-- DM berechnet, indem es die Differenz (=49.850 DM) zwischen Anschaffungskosten (79.850.000 DM) und Nennwert (30.000.000 DM) zu Gunsten der Klägerin um "vorhandene Rücklagen" (723.573 DM) gekürzt hat. Ob diese Kürzung zu Recht erfolgt ist, kann dahingestellt bleiben, weil die Klägerin im Klageverfahren nicht schlechter gestellt werden darf (sog. Verbot der Verböserung).

b. Durch Verschmelzung der X auf die B ist der Sperrbetrag entweder unter direkter oder analoger Anwendung des § 13 Abs. 4 UmwStG auf die Anteile der Klägerin an der B übergegangen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift (in der für den Streitfall maßgebenden Fassung) ist § 50c EStG in den Fällen der Absätze 1 und 3 des § 13 UmwStG, d.h. grundsätzlich in den Fällen der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, "auch auf die Anteile anzuwenden, die an die Stelle der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft treten." Dieser Wortlaut erfasst jedenfalls neben Verschmelzungen fremder Gesellschaften auch Verschmelzungen von Muttergesellschaften auf Tochtergesellschaften (Abwärtsverschmelzungen) und zwischen Schwestergesellschaften (Seitwärtsverschmelzungen). Die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft erhalten nämlich an Stelle ihrer bisherigen Anteile neue Anteile an der übernehmenden Gesellschaft.

(1) Eine Anwendung des § 13 Abs. 4 UmwStG auf die Verschmelzung einer Tochtergesellschaft (hier: X) auf ihre Muttergesellschaft (hier: B) wird in der Literatur weitgehend abgelehnt (vgl. Weber, GmbH-Rundschau - GmbHR - 1996, 338, 339; Prinz/von Lishaut, Finanzrundschau -FR- 1998, 1105, 1119, Zimmermann/Rech, GmbHR 1997, 721, 724). Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Gesetzeswortlaut nur Fälle erfasse, in denen der Anteilseigner im Zuge der Verschmelzung neue Anteile erhalten habe, die "an die Stelle" der alten treten. Bei der Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf ihre Muttergesellschaft gingen dagegen - was zutrifft - die alten Anteile ersatzlos unter (vgl. das Kapitalerhöhungsverbot in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes - UmwG -)

Gegen diese Auffassung wird eingewandt, dass bei der Aufwärtsverschmelzung die Anteile an der Tochtergesellschaft zwar entfallen, diese Anteile aber durch die Übernahme des gesamten Betriebsvermögens ersetzt würden. Dieses umfasse inhaltlich die Beteiligung und trete unmittelbar an die Stelle der Anteile, so dass auch dieser Fall vom Wortsinn her unter die Norm gefasst werden könne. Da es sich bei dem Sperrbetrag um eine Rechnungsgröße handele, die außerbilanziell hinzugerechnet werde und die Teilwertabschreibung eine Verringerung des Wertes des übernommenen Betriebsvermögens ausgleiche, gehe der Sperrbetrag nicht mit den Anteilen unter, sondern setze sich als Ausgleichsposten für das verringerte Betriebsvermögen in den Anteilen der Muttergesellschaft fort. Auch gebiete der Regelungszweck des § 13 Abs. 4 UmwStG die Erfassung des Fälle der Aufwärtsverschmelzung, denn wenn die Verschmelzung der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft und die Verschmelzung zwischen Schwestergesellschaften von der Norm erfasst werde, müsse dies erst Recht für den Grundfall der Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft gelten (vgl. Dötsch, Umwandlungssteuerrecht, 4. Auflage, Rn. 500).

(2) Ob im Rahmen des § 13 Abs. 4 UmwStG das übernommene Betriebsvermögen unter Heranziehung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise den Gesellschaftsanteilen gleichgesetzt werden kann (s. oben), kann im Streitfall indes dahinstehen. Wenn eine direkte Anwendung des § 13 Abs. 4 UmwStG für Aufwärtsverschmelzungen aufgrund des Gesetzeswortlautes ausscheiden sollte, ist § 13 Abs. 4 UmwStG analog anzuwenden; denn sonst bestünde eine Lücke bei der Umsetzung des erkennbaren Gesetzesplanes des Normgebers, die durch Analogie zu schließen ist. Ziel der Vorschrift des § 13 UmwStG ist es einerseits, den Inhabern von Rechten an der übertragenden Körperschaft eine steuerneutrale Verschmelzung zu ermöglichen, andererseits, die Besteuerung der in den Anteilen an der übertragenden Körperschaft liegenden stillen Reserven zu gewährleisten (vgl. Bärwaldt in Haritz/Benkert, Kommentar zum UmwStG, § 13 UmwStG Rn. 2). Abs. 4 der Norm will dabei sicherstellen, dass in den Fällen der Abs. 1-3 auch die Rechtsfolgen des § 50 c EStG Anwendung finden (Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, § 16 UmwStG Rn.14). Die Abfassung der Norm ist dem Gesetzgeber aber insoweit misslungen, als der Wortlaut, der an den Übergang von Anteilen anknüpft, zwar eindeutig die Fälle der Verschmelzungen von Schwestergesellschaften und der Verschmelzungen von Muttergesellschaften auf Tochtergesellschaften erfasst, jedoch nicht oder jedenfalls nicht eindeutig den vorliegenden Grundfall der Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft. Da für die Differenzierung zwischen diesen Fällen kein sachlicher Grund erkennbar ist, lässt sich schließen, dass es dem Gesetzgeber seinerzeit nicht vollständig gelungen ist, sein teleologisches Konzept umzusetzen. Dafür, dass der gesetzgeberische Plan darin bestand, durch die Norm bei Verschmelzungen generell einen Übergang des Sperrbetrages auf die Anteile der übernehmenden Körperschaft zu bewirken, spricht auch die Neufassung des § 13 Abs. 4 UmwStG, die zweifelsfrei auch die Aufwärtsverschmelzung mit umfasst. Dabei wird in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich hervorgehoben, dass mit der Neufassung lediglich eine Klarstellung der unvollständigen Gesetzesregelung erreicht werden sollte (Begründung zum Gesetzentwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2001, BT-Drs. 14/23 vom 20.10.1998, zu Artikel 7, Seite 288). Ausgehend von der auch aus der für den Streitfall maßgebenden Gesetzesfassung erkennbaren gesetzlichen Intension und dem Regelungskonzept des Gesetzgebers liegt daher - sofern § 13 Abs. 4 UmwStG nicht direkt eingreift - eine unbewusste Regelungslücke vor, die entsprechend dem teleologischen Konzept des Gesetzgebers durch Analogie zu schließen ist.

(a) Das Analogieverbot im Steuerrecht steht der analogen Anwendung des § 13 Abs. 4 UmwStG nicht entgegen. Dieses Analogieverbot greift regelmäßig nur ein, wenn eine Vorschrift den Anspruch des Gesetzgebers erkennen lässt, durch eine rechtspolitische Entscheidung den Umfang der Besteuerung abschließend regeln zu wollen, so dass es insoweit an einer Regelungslücke fehlt (BFH-Urteil vom 27.11.1985 I R 42/85, BStBl II 1986, 272). Anders ist dies bei ungewollten Unvollständigkeiten des Gesetzes. Liegt eine erkennbare Absicht des Gesetzgebers vor, ein teleologisches Konzept zu verwirklichen und bringen die bloßen Gesetzesworte dieses Konzept - wie im Streitfall - nur lückenhaft zum Ausdruck, obliegt es den Gerichten, im Rahmen der Rechtsanwendung den unvollständigen Gesetzestext zu einem stimmigen Konzept zu vervollkommnen (BFH-Urteil vom 20.10.1983, IV R 175/79, BStBl II 1984, 221, 224). Mit der Lückenausfüllung wird dem Gesetzgeber nicht der Vorrang streitig gemacht; das Gericht handelt insoweit lediglich nachbessernd im Sinne der Vorstellung des Gesetzgebers. Dies ist geboten, wenn sich der Inhalt des Rechts nicht allein aus dem Gesetzestext ableiten lässt. Die Normen sind dabei in ihren Beziehungen und Abhängigkeiten als Ganzes unter Beachtung des Gesetzeszweckes zu sehen (Tipke, Steuerrecht, 17. Aufl., S. 112). Ein Lückenfüllungs- und Analogieverbot, wie z.B. im Strafrecht besteht im Steuer- und Verwaltungsrecht nicht und wird auch durch das Gebot der Rechtssicherheit nicht ausgeschlossen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.03.1985 1 BvR 571/81, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BverfGE - 69, 188, 203; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24.07.1957, 1 BvL 23/52, BVerfGE 7, 89, 95). Unbewusste Lücken des Gesetzgebers lassen sich daher durch Analogie ausfüllen, die darin besteht, dass das Prinzip, das dem Gesetz oder einzelnen Rechtsvorschriften zugrunde liegt, über das mögliche Wortverständnis des Gesetzes hinaus in der vom Gesetzeswortlaut eingeschlagenen Richtung angewendet wird (Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 2. Aufl., Band 1, S. 178). Entscheidender Angriffspunkt für den Vertrauensschutz ist nämlich nicht der Wortsinn, der regelmäßig schon mehrere Auslegungsmöglichkeiten zulässt, sondern der im Gesetz zum Ausdruck gekommene Sinnzusammenhang - der gesetzgeberische Plan (BFH, BStBl II 1984, 224).

(b) Soweit die Klägerin vorträgt, der gesetzgeberische Plan habe darin bestanden, dass der Sperrbetrag am Objekt der Anteile anknüpfe und nicht generell bei einem Subjektwechsel übergehe, besteht für diese Interpretation abgesehen vom missglückten Wortlaut der Norm, der gerade eine analoge Anwendung gebietet, kein Anhaltspunkt. Weder aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift noch aus den Gesetzesmotiven ergibt sich, dass der Grundfall der Aufwärtsverschmelzung der Tochter- auf die Muttergesellschaft durch die Norm ausgeschlossen werden sollte. Damit war für einen sachkundigen Steuerpflichtigen auch erkennbar, dass das teleologische Konzept des Gesetzgebers auf eine Erfassung aller Fälle der Verschmelzung abzielte.

c. Ob, wie in der Literatur vertreten wird, für die vorliegende Fallgestaltung auch § 50c Abs. 8 EStG, der eine sinngemäße Anwendung der Abs. 1-7 beim Erwerb von "Anteilen" durch den Rechtsnachfolger vorsieht, eine Übertragung des Sperrbetrages auf die übernehmende Muttergesellschaft im Falle der Verschmelzung bewirken kann (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuerkommentar, 19. Aufl., § 50 c Rn. 62, 55; derselbe in BB 1999, 289, 293), bedarf keiner Entscheidung. Ebenso wenig bedarf einer Entscheidung, ob - ähnlich wie bei § 13 Abs. 4 UmwStG (s. oben) - zumindest eine analoge Anwendung vorzunehmen ist. Nachdem der Sperrbetrag jedenfalls über eine analoge Anwendung des § 13 Abs. 4 UmwStG auf die Anteile der Klägerin an der B übergegangen war, erfoX über § 4 Abs. 5 UmwStG eine Berücksichtigung dieses Sperrbetrages bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses im Rahmen der Verschmelzung der B auf die Klägerin. Die dazu im Rahmen der Steuerveranlagung durchgeführte Berechnung der Einkünfte durch den Beklagten enthält keinen Fehler zu Lasten der Klägerin.

2) Der Umsetzung der materiellen Rechtslage durch Berücksichtigung des Sperrbetrages bei der Errechnung des Übernahmegewinns steht auch der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen. Es liegt weder eine verbindliche Zusage vor, noch hat sich der Beklagte durch sein Verhalten nach Treu und Glauben anderweitig dahingehend gebunden, im Ergebnis der Rechtsansicht der Klägerin Geltung zu verschaffen.

a. Mit Bescheid vom 21.8.1996 hat die Bearbeiterin des Finanzamts die Erteilung einer verbindlichen Zusage ausdrücklich abgelehnt und damit hinreichend deutlich gemacht, dass keine Bindung an die Auskunft über die steuerliche Behandlung des Sachverhalts beabsichtigt war. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, das Finanzamt habe durch die unzutreffende Begründung gleichwohl einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der aufgrund des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) eine Anwendung der ausdrücklich als falsch bezeichneten Rechtsansicht verbiete, ist dem nicht zu folgen. Zwar ist nach der Rechtsprechung anerkannt, dass im Steuerrecht ein bestimmtes Verhaltens der Finanzbehörde z.B. eine Auskunft, nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben eine Bindungswirkung hervorrufen kann, auch wenn die Voraussetzungen einer verbindlichen Zusage nicht vorliegen (BFH-Urteil vom 4.8.1961 VI 269/60 S, BStBl II 1964, 562). Das kann jedoch dann nicht gelten, wenn hinsichtlich der steuerlichen Behandlung eine verbindliche Auskunft ausdrücklich abgelehnt worden ist. Ansonsten würde die ausdrückliche Ablehnung der verbindlichen Zusage in ihr Gegenteil verkehrt. Auch angesichts der Vorgespräche und des im Vorfeld geführten Schriftverkehrs konnte die Klägerin hier nicht auf eine Bindungswirkung der erteilten Auskunft vertrauen. Bereits in dem Schreiben des Finanzamts vom 30.05.1996 ist ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass über die gestellten Fragen angesichts eines erwarteten BMF-Schreibens nur im Rahmen eines unverbindlichen Arbeitsgespräches gesprochen werden könne.

b. Eine Bindungswirkung nach Treu und Glauben ist auch nicht deshalb eingetreten, weil - wie die Klägerin meint - der Beklagte die Rechtsposition, wonach die Mitteilung keiner Bindungswirkung unterliegen solle, unredlich erworben habe, indem die verbindliche Auskunft pflichtwidrig abgelehnt worden sei. (exceptio doli specialis). Es hätte der Klägerin bzw. der B oblegen, in einem Rechtsbehelfsverfahren zu klären, ob die Ablehnung der verbindlichen Auskunft pflichtwidrig war. Wenn die Klägerin trotz Kenntnis der Unverbindlichkeit der Auskunft darauf vertraut, dass sich das Finanzamt zukünftig hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung bindet, ist dieses Vertrauen nicht schutzwürdig. Zwar mag es zeitlich schwierig gewesen sein, rechtzeitig eine verbindliche Klärung im Rechtsbehelfsverfahren herbeizuführen. Es ist jedoch nicht Sache des Finanzamts, der Klägerin bzw. der B als deren Rechtsvorgängerin das steuerrechtliche Risiko von gesellschaftlichen Umstrukturierungsmaßnahmen abzunehmen.

Eine Bindung des Beklagten hinsichtlich der steuerlichen Behandlung des streitigen Sachverhalts nach den Grundsätzen von Treu und Glauben liegt daher nicht vor.

3. Soweit die Klägerin Zweifel an der Vereinbarkeit des § 50c EStG mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages formuliert, erfordern diese im Streitfall keine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung (Art. 234 EGV). Zwar kann - nicht muss - das Instanzgericht dem EuGH eine Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorlegen, soweit die Auslegung von EU-Recht zweifelhaft ist (vgl. Wortlaut des Art. 234 Abs. 1 EGV). Regelmäßig - und so auch im Streitfall - ist es aber prozessökonomischer, dass das Instanzgericht durchentscheidet und eine mögliche Vorlage dem letztinstanzlichen Gericht (vgl. Art. 234 Abs. 2 EGV) überlässt. Denn es ist nicht prozessökonomisch eine europarechtliche Problematik zu klären, bevor feststeht, dass es auch nach Ansicht des Revisionsgerichts darauf ankommt.

Im Streitfall liegt nach Auffassung des Gerichts kein Verstoß gegen EU-Recht vor.

Die Niederlassungsfreiheit i.S.v. Art. 52 i.V.m. Art. 58 EGV (jetzt: Art. 43 i.V.m. Art. 48 EGV) ist nicht tangiert. Nach Art. 52 (jetzt 43) Abs. 1 EGV ist die Beschränkung der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats grundsätzlich verboten. Eine solche verbotene Beschränkung kann auch in steuerlichen Vorschriften wie z.B. § 50c EStG und § 13 Abs. 4 UmwStG bestehen. Diese Vorschriften benachteiligen zwar (u.a.) die Klägerin bzw. deren inländische Rechtsvorgängerinnen (u.a.) durch die belastenden steuerrechtlichen Folgen des Sperrbetrags. Im Streitfall geht es aber gar nicht - was Art 52 (jetzt 43) EGV seinem Wortlaut nach voraussetzt - um eine Beschränkung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats bei der Niederlassung auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats. Beschränkt wird allenfalls die Niederlassung von Schweizern, also Staatsangehörigen eines Nichtmitgliedstaats, in der Bundesrepublik und umgekehrt die Niederlassung von Deutschen in der Schweiz.

Wenn und soweit die Vorschrift des § 50c EStG auch eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit der frühren schweizer Anteilseignerin (die B-AG, Zürich) mit sich gebracht haben sollte, gilt Vorstehendes. Im Übrigen gilt die Niederlassungsfreiheit ohnehin nicht für Staatsangehörige von Nichtmitgliedstaaten (vgl. Geiger, Kommentar zum EG-Vertrag, 2. Aufl., Art. 5 EGV Rz. 11).

Auch liegt kein verbotener Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit i.S.v. Art. 73b (jetzt 56) EGV vor. Im Rahmen der Bestimmungen des einschlägigen Kapitels des EGV sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern, also auch der Schweiz, verboten. Es mag sein, dass die Vorschriften des § 50c EStG und § 13 Abs. 4 UmwStG Übertragungen von solchen GmbH-Geschäftsanteilen, die von schweizer Staatsbürgern gehalten werden, auf inländische Anteilseigner steuerlich erschweren und darin an sich eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit liegt. Die Beschränkung ist jedenfalls durch die Vorschrift des Art. 73d (jetzt 58) EGV gerechtfertigt. Danach berührt Art. 73b (jetzt 56) EGV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die - allerdings europarechtskonform auszulegenden - Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Dadurch soll der fehlenden Harmonisierung der direkten Steuern und der bestehenden wesentlichen Steuerunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten Rechnung getragen werden.

Eine solche zulässige Differenzierung nach dem Wohnort liegt hier vor, da die unterschiedliche steuerliche Behandlung durch Bildung eines Sperrbetrags an der Nichtanrechnungsberechtigung des veräußernden Anteilseigners, damit an dessen beschränkter Steuerpflicht und letztlich am ausländischen "Wohnort" des Anteilseigners anknüpft (vgl. §§ 51, 50 Abs. 1 Nr. 2 KStG, § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG, § 1 Abs. 4 EStG bzw. § 2 Nr. 1 KStG).

(2) Art 73d Abs. 3 EGV (Art 58 Abs. 3 EGV), der wiederum die Einschränkung der Grundfreiheit des Kapitalverkehrs durch Art 73d Abs. 1a EGV einschränkt, greift nicht ein. Die Norm bestimmt, dass die differenzierenden Maßnahmen weder zu einer willkürlichen Diskriminierung noch zu einer verschleierten Beschränkung des freien Kapitalverkehrs führen dürfen.

Eine willkürliche Diskriminierung liegt vor, wenn die Diskriminierung nicht durch anerkennenswerte sachliche Erfordernisse begründet ist, wenn sie also nicht auf objektiven Kriterien beruht. Dabei kommt es nicht auf die Diskriminierungsabsicht, sondern auf das tatsächliche Bestehen einer Diskriminierung an (Kiemel in Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl., Art 73d EGV Rn 35).

Der EuGH vertritt hinsichtlich der zulässigen Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit zumindest bei innergemeinschaftlichen Sachverhalten eine sehr restriktive Linie. Ob er bei der Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten den gleichen engen Prüfungsmaßstab anlegen wird, der für Beschränkungen des Kapitalverkehrs innerhalb des Gemeinschaftsgebiets gilt, ist noch nicht abschließend geklärt. Dies dürfte im Ergebnis jedoch zu verneinen sein. So haben sowohl der Generalanwalt Gellwed in der Rechtssache Ospelt (SA vom 10.4.2003, C-452/01) als auch die Generalanwältin Kokott in der Rs. Manninen (SA vom 18.3.2004, C-319/02) zu erkennen gegeben, dass ihres Erachtens die unmittelbar wirkende Freiheit des Kapitalverkehrs innerhalb der EG und nach außen nicht gleichermaßen wirkt.

Im Streitfall kann diese Frage jedoch dahinstehen, da hier bereits nach der Rechtsprechung des EuGH - innergemeinschaftliche Sachverhalte betreffend - eine zulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt.

Nach den Ausführungen des EuGH ist eine diskriminierende steuerrechtliche Norm jedenfalls dann als mit den Vertragsbestimmung der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar anzusehen, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, insbesondere die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, gerechtfertigt sind. Dabei darf die unterschiedliche Behandlung nicht über das hinausgehen, was zum Erreichen des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zieles erforderlich ist (EuGH, Urteil vom 7.9.2004 - C-319/02).

Eine willkürliche Diskriminierung scheidet danach aus, wenn sich die unterschiedliche Behandlung auf unterschiedliche Sachverhalte bezieht. So hat der EuGH im Urteil Schumacker (EuGH, Urteil vom 14.2.1995, C-279/93 Slg. 1995, I-225) anerkannt, dass eine unterschiedliche Behandlung je nachdem, ob der Steuerpflichtige seinen Wohnort im Inland oder in einem anderen Mitgliedsstaat hat, keine verbotene Diskriminierung darstellt, soweit Gebietsansässige und Gebietsfremde sich nicht in vergleichbaren Situationen befinden.

Im Streitfall liegen unterschiedliche Sachverhalte vor, die für die Bildung eines Sperrbetrags nach § 50c Abs. 4 EStG zwischen dem Kauf von Anteilen von einer nichtanrechnungsberechtigten - regelmäßig beschränkt steuerpflichtigen - Gesellschaft und dem Kauf von einer anrechnungsberechtigten - regelmäßig unbeschränkt steuerpflichtigen - Gesellschaft differenzieren.

Durch die Regelung des § 50c EStG soll verhindert werden, dass das in § 51 KStG und § 50 Abs. 5 Satz 2 EStG verankerte Verbot der Anrechnung von Körperschaftssteuer für nicht unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner umgangen (BT-Drs. 8/3648, S. 22ff.) und so die vom Gesetzgeber gewollte Einmalbesteuerung der im Inland erwirtschafteten Gewinne der Körperschaft vermieden wird (Dötsch/Eversberg/Just/Witt, Körperschaftssteuerkommentar, § 50c EStG Rn. 2). Ohne die Regelung könnte der Erwerber der Anteile in der Kapitalgesellschaft vorhandene Rücklagen ohne Steuerbelastung an sich ausschütten lassen. Der durch die Gewinnausschüttung erzielten Einnahme stünde ggf. in gleicher Höhe eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung gegenüber. Die Steuerbemessungsgrundlage würde sich nicht erhöhen, sodass der Erwerber auf diese Weise den auf die Gewinnausschüttung entfallenden Anrechnungsanspruch ohne eigene Steuerbelastung realisieren könnte. Er wäre daher i.d.R. bereit, dem nichtanrechnungsberechtigten Veräußerer der Anteile die anrechenbare Körperschaftssteuer im Kaufpreis zu vergüten. Dadurch würde das für den Veräußerer geltende Anrechnungsverbot im wirtschaftlichen Ergebnis umgangen. Dies soll durch die Versagung ausschüttungsbedingter Gewinnminderungen auf der Ebene des Erwerbers vermieden werden (Weber-Grellet in Schmidt, EStG-Kommentar, 16. Aufl., § 50c EStG Rn. 1).

Die Sicherung der Einmalbesteuerung von Gewinnen inländischer Gesellschaften im obigen Sinn ist ein sachgerechtes Kriterium, das eine Differenzierung in § 50c EStG nach dem "Wohnsitz" der Gesellschaft rechtfertigt. Sie ist integraler Bestandteil der Regelungen des Anrechnungsverfahrens bei der Körperschaftssteuer, das als einer der wesentlichen Diskriminierungstatbestände bei der Einführung des Art. 73d EGV angesehen wurde (Kiemel, aaO. Art. 73d EGV Rn. 11).

Demzufolge ist, selbst wenn ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vorliegen sollte, dieser im Streitfall zumindest gerechtfertigt.

4. Die Belastung des Anteilseigners mit einem Sperrbetrag nach § 50c EStG beim Erwerb von Anteilen von einer nicht anrechnungsberechtigten schweizer Gesellschaft stellt auch keinen Verstoß gegen das Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Schweiz dar.

Zwar bestimmt Art 25 Abs. 3 DBA Schweiz, dass Unternehmen eines Vertragsstaates, deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder mehreren Personen gehört, im erstgenannten Staat keiner Besteuerung unterworfen werden dürfen, die anders oder belastender ist als die Besteuerung, denen andere ähnliche Unternehmen des erstgenannten Staates unterworfen sind. Zu vergleichen ist dabei die endgültige Steuerzahllast. Vorausgesetzt ist allerdings die Gleichheit der Verhältnisse (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Art. 25 Schweiz Rz. 44). Hieran mangelt es, wenn der Anteilseigner der Gesellschaft (= des Unternehmens) nicht unbeschränkt einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist. Das Anrechnungsverfahren verknüpft nämlich die Besteuerung der ausschüttenden Körperschaft und ihres Anteilseigners zu einer systematischen Einheit. Durch sie soll erreicht werden, dass der ausgeschüttete Gewinn bei einer Gesamtschau der Gesellschafts- und der Gesellschafterebene letztlich so mit Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer belastet wird, als hätte der Gesellschafter den Gewinn selbst erzielt. So erfolgt die Besteuerung eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners, der die Beteiligung im Privatvermögen oder als Einzelunternehmer im Betriebsvermögen hält, ggf. mit einem Steuersatz, der weit über den 25% liegt, mit denen die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer eines beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners nach § 50 Abs. 5 Satz 1, § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG abgegolten sind. Unter diesem Blickwinkel ist die Nichtanrechnung der bei der Körperschaft angefallenen Körperschaftsteuer (Ausschüttungsbelastung) beim beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner ein gewisser Ausgleich für dessen im Prinzip niedrige Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer.

II.) Durch die Hinzurechnung des Sperrbetrages nach § 50 c EStG erübrigt sich die Aufstockung der stillen Reserven für 1995 in Höhe von 28.049.570,-- DM mit der Folge, dass die Abschreibungen aus der Ergänzungsbilanz für 1996 und 1997 entfallen.

Die Klage ist daher abzuweisen.

III.) Die Kostenentscheidung ergibt sich § 135 Abs. 1 FGO.

IV.) Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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