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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: 6 K 1378/06
Rechtsgebiete: UStG, EStG, Richtlinie 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 14 S. 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hessen

6 K 1378/06

Umsatzsteuer 2003

In dem Rechtsstreit

hat Richter am Hessischen Finanzgericht ... als Einzelrichter

nach mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 16. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Praxisgemeinschaft von Frauenärzten.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr erklärte sie nur steuerfreie Umsätze.

Nach Durchführung einer die Vorjahre betreffende Betriebsprüfung forderte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die Klägerin auf, eine berichtigte Umsatzsteuererklärung einzureichen, in der die durch Einsetzen von Spiralen zur Empfängnisverhütung erzielten Umsätze der Umsatzsteuer unterworfen würden.

Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, erließ das FA am 06.11.2005 den streitbefangenen Umsatzsteuerbescheid, mit dem es die Umsatzsteuer 2003 auf 1.672,44 EUR festsetzte. Hierbei berücksichtigte das FA unter Anlehnung an die für die Vorjahre getroffenen Feststellungen im Schätzungswege steuerpflichtige Bruttoumsätze von 30.000,--EUR und Vorsteuern aus dem Ankauf der Spiralen in Höhe von 2.465,48 EUR.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Einspruch eingelegt, mit dem sie geltend gemacht hat, auch das Einsetzen der Spiralen unterfalle der in § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes normierten Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen.

Das FA wies den Einspruch mit Entscheidung vom 03.04.2006 als unbegründet zurück. Wegen des weiteren Inhalts der Einspruchsentscheidung wird auf Bl. 27 ff. der Umsatzsteuerakte Bezug genommen.

Mit Klageschrift vom 08.05.2006 erhoben die Prozessbevollmächtigten Klage gegen die Einspruchsentscheidung wegen Umsatzsteuer 2003.

Nachdem die Prozessbevollmächtigten trotz mehrfacher Aufforderung ihrer Ankündigung, den Gegenstand des Klagebegehren zu bezeichnen, die ladungsfähige Anschrift der Klägerin mitzuteilen und die Klage zu begründen, nicht nachgekommen waren, setzte ihnen der Berichterstatter hiefür mit Verfügungen vom 09.08.2006 Ausschlussfristen bis zum Ablauf des 07.09.2006.

Nach erfolglosem Ablauf dieser Fristen übertrug der Senat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28.09.2006 dem Einzelrichter zur Entscheidung.

Die Steuerakten gingen bei Gericht am 07.11.2006 ein.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist trotz erfolglosen Ablaufs der Ausschlussfristen zulässig.

Da das Gericht durch die zwischenzeitlich erfolgte Übersendung der Steuerakten durch das FA in die Lage versetzt worden ist, der Einspruchsentscheidung das Klagebegehren und die ladungsfähige Anschrift der Klägerin zu entnehmen, bleibt die insoweit zweifellos vorliegende und grundsätzlich nicht zu tolerierende Verletzung der Mitwirkungspflichten der Klägerin durch deren Prozessbevollmächtigte im Streitfall ohne Auswirkung. Denn im Rahmen der Auslegung kann der Gegenstand des Klagebegehrens und auch die Adresse der Klägerin unter Rückgriff auf die Steuerakten festgestellt werden (BFH-Beschluss vom 17.11.2003 XI B 213/01, BFH/NV 2004, 514 m.w.N.). Da die in der Klageschrift bezeichnete - dieser aber nicht beigefügte -Einspruchsentscheidung ausschließlich die Frage der Steuerpflicht der durch Einsetzen von Spiralen zur Empfängnisverhütung erzielten Umsätze zum Inhalt hat, geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin eine gerichtliche Entscheidung über diese Streitfrage begehrt.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

a) Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind unter anderem die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei.

b) § 4 Nr. 14 UStG ist richtlinienkonform auszulegen (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH--vom 19. Dezember 2002 V R 28/00, BFHE 201, 330, BStBl II 2003, 532; vom 1. April 2004 V R 54/98, BFH/NV 2004, 1199). Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer "die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffen- den Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden".

Der durch Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG gezogene gemeinschaftsrechtliche Rahmen und die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der be- zeichneten Vorschrift durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sind deshalb bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung von § 4 Nr. 14 UStG zu beachten.

c) Eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG setzt voraus, dass es sich um ärztliche oder arztähnliche Leistungen handeln muss und diese von Personen erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise besitzen ( EuGH-Urteile vom 10. September 2002 Rs. C-141/00, Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, Slg. 2002, I6833, Umsatzsteuer-Rundschau --UR--2002, 513 Rdnr. 26 ff.; vom 6. November 2003 Rs. C-45/01, Christoph-Dornier-Stiftung, Rdnr. 50, UR 2003, 585 ).

aa) Dabei setzt der Begriff der ärztlichen oder arztähnlichen Leistung weiter voraus, dass es sich um medizinische Eingriffe handelt, die zu keinem anderen Zweck als dem der Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden (BFH-Urteil vom 12.08.2004 V R 27/02, BFH/NV 2005, 583 unter Hinweis auf EuGH-Urteile in Rdnr. 48, UR 2003, 585 ; vom 20. November 2003 Rs. C-212/01, Margarete Unterpertinger, UR 2004, 70, Rdnr. 39 und Rs. C-307/01, Peter d'Ambrumenil, UR 2004, 75 Rdnr. 57).

bb) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Beim Einsetzen von Spiralen zur Empfängnisverhütung handelt es sich zwar um medizinische Eingriffe, jedoch werden diese nicht zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung oder Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen.

Vielmehr dienen sie allein der Vorbeugung vor ungewollten Schwangerschaften, die zweifelsfrei weder eine Krankheit noch eine Gesundheitsstörung darstellen.

cc) Der Umstand, dass - wie die Klägerin im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat - von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht entschieden worden ist, dass Eingriffe zur Empfängnisverhütung bzw. Geburtenregelung nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG fallen, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Denn die gebotene restriktive richtliniekonforme Auslegung von Steuerbefreiungsvorschriften (vgl. insoweit BFH-Urteil vom 15.07.2004 V R 27/03, BStBl II 2004, 862) steht der Steuerbefreiung einer ärztlichen Tätigkeit, die nicht zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung oder Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen wird, entgegen. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der Arzt eine nicht medizinisch indizierte Schönheitsoperation oder nicht medizinisch indizierte Maßnahmen zur Geburtenregelung durchführt.

3. Die Klage war deshalb mit der sich aus § 135 Abs. 1 FGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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