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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 12.01.2007
Aktenzeichen: 6 K 3314/03
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 6 K 152/03 6 K 3314/03

In dem Rechtsstreit

wegen Umsatzsteuer-Voranmeldungen März und April 2002 Umsatzsteuer-Vorauszahlung für die Monate März, Mai und Juni 2002

hat Richter am Hessischen Finanzgericht als Einzelrichter nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 12. Januar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kosten der Verfahren trägt der Kläger.

Tatbestand:

I. 1. Der Kläger war Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der A GmbH und infolge der Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen an die GmbH deren Organträger.

Am 02.05.2002 wurde nach § 21 II InsO durch das Amtsgericht die vorläufige sogenannte "schwache" Vermögensverwaltung für die A GmbH angeordnet, um bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage zu verhindern. Dazu wurde im Beschluss des Amtsgerichts bestimmt:

"Gemäß § 21 Abs.2 Ziff.2 InsO wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Antragstellerin. Er hat die Aufgabe, durch Überwachung dessen Vermögen zu sichern und zu erhalten. Das Recht zur Arbeitgeberbefugnis verbleibt bei der Antragstellerin."

Am 1.7.2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, der GmbH die Verfügungsbefugnis entzogen und dem Insolvenzverwalter übertragen. Streitig ist, ob die Organschaft schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Krise Anfang Februar 2002 oder mit Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung am 2.5.2002 beendet worden ist. Im Verlauf der Rechtsstreitigkeiten gegen die Vorauszahlungsbescheide Februar bis Juni 2002 sind 3 Klageverfahren (sowie 4 Eilverfahren wegen Aussetzung der Vollziehung bzw. wegen einstweiliger Anordnung) anhängig geworden. Am 2.11.2006 hat das FA einen Umsatzsteuerjahresbescheid 2002 erlassen.

2. Im Einzelnen liegt den drei zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Klageverfahren folgender Sachverhalt zugrunde:

a) Für den Monat Februar 2002 gab der Kläger am 15.4.2002 als Organträger vertreten durch die B Steuerberatungs GmbH eine Voranmeldung in Höhe von 58.274 € ab, der das FA am 7.5.2002 zustimmte. Hiergegen wurde am 6.8.2002 (verspätet) Einspruch eingelegt.

b) Für den Monat März 2002 gab am 12.7.2002 die C Steuerberatungsgesellschaft im Auftrag des vorläufigen Insolvenzverwalters für die GmbH eine Voranmeldung über 77.734,88 € ab. Nachdem das FA am 17.7.2002 Pfändungsmaßnahmen gegenüber dem Kläger durchgeführt hatte, legte der Kläger am 6.8.2002 Einspruch "gegen alle Bescheide" ein, wobei es sich hierbei laut Schreiben vom 30.8.2002 um die Voranmeldungen Februar und März handeln soll. Nach diesem Einspruchsschreiben vom 6.8.2002 setzte das FA am 12.8.2002 gegenüber dem Kläger die Vorauszahlung für März 2002 unter Korrektur eines Rechenfehlers auf 72. 294,74 € fest. Zur Begründung des Einspruchs wurde ausgeführt, die Organschaft sei Anfang 2002 mit Beginn der wirtschaftlichen Krise beendet gewesen. Der Kläger habe das Pachtverhältnis nicht mehr kündigen können, weil es sich um ein eigenkapitalersetzendes Darlehen gehandelt habe.

c) Im Anschluss an weitere Voranmeldungen, die im Auftrag des Insolvenzverwalters für die GmbH eingereicht wurden, für April 2002 (über 56.722,74 € vom 9.8.2002, Bl.33), für Mai 2002 (58.911 € vom 6.9.2002, Bl.45c) sowie für Juni 2002 (31.831 €) erließ das FA einen Vorauszahlungsbescheid gegen den Kläger für April 2002 am 12.9.2002), in dem es eine Sondervorauszahlung bei der Festsetzung der Umsatzsteuer berücksichtigte (Festsetzung auf - 23.895,38 € ). Für die Voranmeldungen der GmbH für Mai und Juni 2002 ergingen zunächst keine Bescheide gegenüber dem Kläger.

d) Am 18.10.2002 erhob der Kläger die Klage mit dem Aktenzeichen 6 K 3641/02, in der er die Feststellung der Nichtigkeit der Vorauszahlungsbescheide Februar, März und April 2002 begehrte sowie hilfsweise die Aufhebung dieser Bescheide. Auf einen klageabweisenden Gerichtsbescheid, in dem ausgeführt wurde, dass die Bescheide nicht nichtig seien, die Anfechtung des Vorauszahlungsbescheides für Februar wegen verspäteten Einspruchs unbegründet und die Klage mangels abgeschlossenen Einspruchsverfahren unzulässig sei, beantragte der Kläger mündliche Verhandlung. Er bat, die Klage wegen der fehlenden Einspruchsentscheidung "als Sprungklage" zu behandeln.

e) Nach Erhebung dieser Anfechtungsklage reichte der Kläger persönlich am 22.10.2002 beim FA geänderte USt Voranmeldungen für Februar, März und April 2002 ein, in denen die Umsatzsteuer in Höhe von jeweils 504,96 € wegen Vermietungsumsätzen des Organträgers angegeben wurde. Zur Begründung führte er aus, dass nach Ansicht seines Bevollmächtigten die Organschaft bereits ab Februar 2002 beendet worden sei. Diese Anträge lehnte das FA ab, weil die Eingliederung des Organs in das Unternehmen des Organträgers nicht mit der wirtschaftlichen Krise, sondern erst mit dem Verlust der Verfügungsbefugnis ende. Gegen die Ablehnung des Änderungsantrages legte der Kläger Einsprüche ein, die mit Einspruchsentscheidung vom 11.12.2002 als unbegründet zurückgewiesen wurden. Hiergegen hat der Kläger die Klage mit dem Aktenzeichen 6 K 1527/03 erhoben, mit der er beantragt hat, die "Ablehnung der Änderungsanträge wegen der Vorauszahlungsbescheide Februar bis April 2002 aufzuheben (gemeint ist als Verpflichtungsklage: das FA zur Änderung der Vorauszahlungsbescheide 2-4/2002 zu verpflichten). Diese Klage wurde inzwischen hinsichtlich des bestandskräftigen Monats Februar 2002 zurück genommen.

f) Mit Änderungsantrag vom 4.12.2002 beantragte der Kläger außerdem die Änderung der als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geltenden Steueranmeldungen der GmbH für Mai und Juni 2002, was das FA am 12.12.2002 unter Verweis auf die Einspruchsentscheidung wegen Ablehnung der Änderung für Februar bis April ablehnte, wogegen der Kläger wiederum Einspruch einlegte.

g) Nachdem sich im gerichtlichen Aussetzungsverfahren gegen Vollstreckungsmaßnahmen herausgestellt hatte, dass die C Steuerberatungsgesellschaft, die die Voranmeldungen 3-6 / 2002 für die GmbH eingereicht hatte, nicht vom Kläger, sondern vom vorläufigen Insolvenzverwalter beauftragt worden war und deshalb die Voranmeldungen Mai und Juni 2002 nicht als Steuerfestsetzung gegenüber dem Kläger, sondern nur gegenüber der GmbH wirkten (hinsichtlich März und April waren jedoch noch Festsetzungen des FA gegenüber dem Kläger erfolgt), "stornierte" das FA am 10.7.2003 die Voranmeldungen 3,5,6 / 2002 und erließ Vorauszahlungsbescheide gegenüber dem Kläger, in dem es die Verpachtungsumsätze des Klägers und die Umsätze der GmbH zusammenfasste (März 2002: 78.239,70 €, Mai 2002: 58.911,29 €; Juni 2002: 31.831,43 €). Das FA war der Auffassung, dass sich durch die Stornierung der für die GmbH wirkenden Steueranmeldungen und Neufestsetzungen gegenüber dem Kläger das Einspruchsverfahren des Klägers wegen der Änderungsablehnung für Mai und Juni 2002 erledigt habe.

h) Gegen die geänderten Vorauszahlungsbescheide für 3,5,6 / 2002 vom 10.7.2003 legte der Kläger Einsprüche ein, die das FA mit Einspruchsentscheidung vom 29.7.2003 als unbegründet zurückwies. Hiergegen erhob der Kläger wiederum Klage (6 K 3314/03) mit dem Begehren, die Vorauszahlungsbescheide März, Mai und Juni 2002 aufzuheben.

i) Am 31.10.2005 hat schließlich der Insolvenzverwalter für die GmbH eine USt Jahreserklärung 2002 für den Zeitraum Januar bis Juni 2002 abgegeben, in dem die Umsatzsteuer mit 477.929,27 € erklärt wurde. Daraufhin erließ das FA am 2.11.2006 einen entsprechenden Jahresbescheid, in dem es die erklärten Umsätze, Vorsteuern sowie einer Vorsteuerkorrektur übernahm und die erklärte Umsatzsteuer wegen Organschaft gegenüber dem Kläger als Organträger festsetze.

3. Der Kläger begründet die Klage wie folgt: Die Organschaft sei bereits mit dem "Beginn der Krise" Anfang Februar 2002 beendet worden, weil der Organträger aus strafrechtlichen (§ 283 StGB) sowie handelsrechtlichen ("Grundsätze des eigenkapitalersetzenden Darlehens") Gründen gehindert sei, seinen Willen in der GmbH durchzusetzen. Freie Vermögensdispositionen seien diesem ab dem Beginn der Krise untersagt. Hilfsweise sei von einer Organschaftsbeendigung ab Mai 2002 mit der Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters auszugehen. Zahlungen von und an die GmbH seien nur noch vom Insolvenzverwalter durchgeführt worden. Dieser habe alle Personalfragen selbst entschieden und die Geschäfte geführt. Er habe dem Kläger mitgeteilt, dieser könne "nach Hause gehen". In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte Beweisantrag gestellt durch Vernehmung des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt Z sowie seine Beauftragten Y dafür, dass der Kläger ab Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters keine Möglichkeit mehr zur Geschäftsführung gehabt hätte. Außerdem hat er in der mündlichen Verhandlung Vertagung beantragt, weil er die Höhe des Umsatzsteuerjahresbescheid noch nicht hinreichend geprüft habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß in allen drei Verfahren,

den Umsatzsteuerjahresbescheid 2002 aufzuheben sowie die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klagen zurückzuweisen.

Die Organschaft sei erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.7.2002 beendet worden. Im Zeitraum zwischen der Insolvenzeröffnung und der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters habe der Verwalter keine vom Kläger abweichende Willensbildung vornehmen können. Die wirtschaftliche Eingliederung basiere im Wesentlichen auf der Vermietung des Betriebsgrundstücks, die fortbestanden habe. Das Amtsgericht habe dem Kläger die Verfügungsbefugnis nicht entzogen, sondern nur eine sog. "schwache" Insolvenzverwaltung verfügt.

Entscheidungsgründe:

I. Die gegen die Vorauszahlungsbescheide erhobenen Klagen, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, sind trotz Ergehen des Umsatzsteuerjahresbescheides 2002 zulässig (§ 68 FGO). Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass es sich bei der Klage auf Änderung der Vorauszahlungsbescheide März 2002 vom 12.8.2002 und April 2002 vom 12.9.2002 um eine Verpflichtungsklage und bei der Klage gegen die Vorauszahlungsbescheide März, Mai und Juni 2002 vom 10.7.2003 um eine Anfechtungsklage handelt (vgl. BFH Urteil vom 27.4.2004 X R 28/02, BFH/NV 2004, 1287), denn sie sind auf dasselbe Ziel gerichtet. Hinsichtlich des Vorauszahlungszeitraums März 2002, der Gegenstand beider erhobenen Klagen ist, richtete sich die zunächst erhobene Klage gegen den Vorauszahlungsbescheid vom 12.8.2002, der durch den Bescheid vom 10.7.2003 ersetzt worden ist, der nochmals durch den Jahresbescheid 2002 abgelöst wurde.

II. Die Klagen sind aber unbegründet, denn das FA hat die Umsätze der GmbH bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (1.7.2002) zu Recht dem Kläger als Organträger zugerechnet.

1. Eine juristische Person (GmbH) übt ihre gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig aus, solange sie nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftliche und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (§ 2 Absatz 2 Nr.2 UStG). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass diese Voraussetzung aufgrund der Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen durch den Kläger an die GmbH und dessen Eigenschaft als Geschäftsführer und Alleingesellschafter ursprünglich gegeben waren und spätestens mit dem Wegfall der Verfügungsbefugnis bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.7.2002 entfallen sind. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers war dies nicht zu einem früheren Zeitpunkt mit Beginn der Krise (Anfang Februar 2002) oder mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters (2.5.2002) der Fall.

a) Entgegen der Rechtsansicht des Bevollmächtigten (vgl. dieser in Roth / Germer, NWB Fach 7 S. 6539) wird eine Organschaft nicht durch den "Beginn der Krise" beendet, weil der Kläger strafrechtlich nach § 283 StGB oder nach Vorschriften des GmbHG an der weiteren Beherrschung des Organs gehindert sein soll. § 283 StGB regelt die Strafbarkeit des betrügerischen Bankrotts und erfasst namentlich das Beiseiteschaffen von Vermögensbestandteilen bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit, nicht jedoch die ordnungsgemäße Wirtschaftstätigkeit des Geschäftsführers in der Krise. Die Beherrschung des Organs durch den Organträger scheitert nicht daran, dass es ihm nach § 283 StGB verboten ist, Vermögen zu verschleudern. Wäre der Kläger -wie vorgetragen- aus handelsrechtlichen Grundsätzen an der Kündigung des Pachtvertrages ab dem Beginn der Krise gehindert, würde sich hieraus nicht die Auflösung, sondern im Gegenteil die Verfestigung des Bandes zwischen Organträger und Organ ergeben. Die Organschaft wird somit nicht durch eine Krise oder die Überschuldung der Organgesellschaft beendet (BFH Beschluss vom 27.9.1991 V B 78/91, BFH/NV 1992, 346).

b) Die Organschaft wurde auch nicht durch die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters durch Beschluss des Amtsgerichts vom 2.5.2002 beendet. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn dem Insolvenzverwalter seither eine vom Willen des Organträgers (Klägers) abweichende Willensbildung rechtlich möglich gewesen wäre, denn dann wäre ab diesem Zeitpunkt die organisatorische Eingliederung nicht mehr gegeben. Dies wird nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 1.4.2004 V R 24/03, BStBl II 2004, 905; vom 18.5.1995 V R 46/94, BFH/NV 1996, 84; Beschluss vom 3.3.2006 V B 15/05, BFH/NV 2006, 1366; zustimmend Birkenfeld, USt Handbuch, § 37 Rz. 88; Bringewat / Waza, Insolvenz und Steuern, Rn. 883; Jacob, UStG, Rn. 154; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz S.226; Klenk in Sölch / Ringleb, UStG, § 2 Tz. 136; Meyer in Offerhaus/ Söhn/ Lange, § 2 Tz.97; a.A. Onusseit, Zeitschrift für Insolvenzrecht -ZInso- 2004, 1182; Hölzle, DStR 2006, 1210), jedoch nur dann angenommen, wenn das Amtsgericht gegenüber dem Organträger ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 II Nr.2 Alt.1 InsO erlassen hat (sog. "starke" vorläufige Insolvenzverwaltung), denn hier ist es Aufgabe des Insolvenzverwalters, den Geschäftsbetrieb zu übernehmen und fortzuführen (Graf-Schlicker, InsO, § 22 Tz.6). Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn lediglich ein Zustimmungsvorbehalt nach § 21 II Nr.2 Alt.2 InsO ausgesprochen wurde (sog. "schwache" vorläufige Insolvenzverwaltung). Wird kein allgemeines Verfügungsverbot durch das Insolvenzgericht verfügt, endet die Organschaft nur dann, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter auf Grund der ihm im Einzelfall übertragenen Rechte und Pflichten einen vom Willen des Organträgers abweichenden Willen durchsetzen kann.

Vorliegend hat das Insolvenzgericht nach Ziffer 2 des Beschlusses des Amtsgerichts vom 2.5.2002 lediglich angeordnet, dass zum Zwecke der Erhaltung und Sicherung des Vermögens Verfügungen des Gemeinschuldners nur mit Zustimmung des Verwalters wirksam sind. Ergänzend wurde bestimmt, dass der vorläufige Verwalter n i c h t zum allgemeinen Vertreter der Gesellschaft bestimmt werde und auch die Arbeitgeberbefugnisse bei der Gesellschaft verblieben. Danach handelt es sich lediglich um einen sog. "schwachen" Insolvenzverwalter, dessen Bestellung die Organschaft nicht unterbricht. Da es für die Frage der Beherrschung des Organs durch den Organträger auf die Rechtsstellung des Organträgers ankommt, die sich aus dem Beschluss des Amtsgerichts über die Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters ergibt, ist unerheblich, ob im Einzelfall der Organträger seine Rechte nicht oder nicht hinreichend wahrgenommen und dem Insolvenzverwalter die Geschicke des Unternehmens überlassen hat oder ob umgekehrt der Insolvenzverwalter unter Überschreitung seiner Kompetenzen den Organträger an der fortbestehenden Befugnis zur Geschäftsführung mehr oder weniger gehindert hat. Auch aus Gründen der gerade im Steuerrecht dringend erforderlichen Praktikabilität der Rechtsanwendung ist der Rechtsprechung des BFH der Vorzug zu geben, die die Frage der Beendigung der Organschaft allein nach der Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters bestimmt. Das BVerfG hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber befugt ist, aus Gründen der Praktikabilität der Steuerrechtsanwendung einen steuererheblichen Vorgang in seinem typischen Lebensvorgang zu erfassen und auf eine immer weiter differenzierende und individualisierende Gesetzgebung zu verzichten (vgl. BVerfG Beschluss vom 10.4.1997 2 BvL 77/92, BStBl II 1997, 518). Es sind daher auch die Gerichte befugt, im Rahmen der Gesetzesauslegung Gesichtspunkte der Praktikabilität der Steuerrechtsanwendung zu berücksichtigen. Das Gericht folgt daher der Rechtsprechung des BFH, wonach es für die Beendigung der Organschaft allein auf die dem vorläufigen Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht verliehenen Rechtsstellung ankommt und nicht auf die tatsächliche Handhabung. Da somit vom Fortbestand der Organschaft bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.7.2002 auszugehen ist, war die Klage abzuweisen.

2. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Vertagungsantrag war nicht zu entsprechen, weil zur Prüfung der Höhe des am 2.11.2006 ergangenen Jahresbescheides bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hinreichend Zeit bestand (§ 227 Absatz 1 Nr. 2 ZPO).

3. Die Revision war nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, weil nach Ansicht des Gerichts keine Bedürfnis nach einer erneuten Entscheidung des BFH zur der Rechtsfrage, inwieweit die Organschaft bei Anordnung eines "schwachen" Insolvenzverwalters beendet wird, besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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