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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 07.11.2006
Aktenzeichen: 6 K 3787/05
Rechtsgebiete: UStG, UStDV


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 1b
UStG § 4 Nr. 6a
UStDV § 17a Abs. 2 Nr. 4
UStDV § 17c Abs. 2 Nr. 2
1. Das Finanzamt ist nicht befugt, zusätzlich zu den vom Verordnungsgeber in § 17a Abs. 2 UStDV aufgeführten Belegen vom Unternehmer weitere Belege zu verlangen, bei deren Fehlen es mit der Begründung, der Belegnachweis sei nicht geführt worden und es fehle daher an einer materiellen Voraussetzung der Steuerfreiheit, die Steuerbefreiung ohne Weiteres versagen durfte; insbesondere kommt es bei der Abholung des Liefergegenstandes durch einen Beauftragten nicht auf das Vorliegen einer belegmäßig dokumentierten Abholungsvollmacht an.

2. Zu den Merkmalen von Lieferungen, die i.S.d. § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV "in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen" Art und Weise erfolgen.


Finanzgericht Hessen

6 K 3787/05

Umsatzsteuer 2000, 2001 und 2003

In dem Rechtsstreit

hat Vorsitzender Richter am Hessischen Finanzgericht als Einzelrichter

mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 7. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine GmbH, die einen Handel mit Kraftfahrzeugen aller Art betreibt, begehrt die Änderung der nach Außenprüfungen ergangenen Umsatzsteuer - Änderungsbescheide 2000, 2001 und 2003.

Die Außenprüfungen und diesen folgend der Beklagte (das Finanzamt -FA) versagten der Klägerin in 10 Fällen (9 Beförderungen und eine Versendung) die geltend gemachte Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 6 a UStG) von Gebrauchtfahrzeugen mit der Begründung, sie habe die Belegnachweise (§ 17 a UStDV) nicht ordnungsgemäß geführt. (Außerdem wurde der Klägerin der anhand einer Rechnung einer Frau A geltend gemachte Vorsteuerabzug nicht gewährt). Bei den Beförderungsfällen bemängelte die Betriebsprüfung, dass gültige Empfangsbestätigungen (§ 17 a Abs. 2 Nr. 3 UStDV) und Versicherungen über die Beförderung der Gebrauchtwagen in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 17 a Abs. 2 Nr. 4 UStDV) der von den Abnehmern der Gebrauchtwagen beauftragten Abholer nicht vorlägen. Aus den vorgelegten Belegen könne keine Verbindung zwischen den beauftragten Abholern und den Abnehmern hergestellt werden. Es fehle an gültigen Vollmachten der beauftragten Abnehmer, Handelsregisterauszügen der Abnehmerfirmen und Passkopien der Geschäftsführer der Abnehmerfirmen. Bei dem Versendungsfall beanstandete die Betriebsprüfung, die mangelnde Übereinstimmung der Empfängerangaben zwischen Rechnung und Versandbeleg.

Die gegen die Umsatzsteuer-Änderungsbescheide 2000 und 2001 vom 6.12.2004 erhobenen Einsprüche vom 10.12.2004 und der gegen den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2003 vom 10.12.2004 erhobene Einspruch vom 15.12.2004 wurden mit Verfügung vom 29.10.2005 als unbegründet zurückgewiesen.

Der an das erkennende Gericht gerichtete Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide (6 V 459/05) hatte im Hinblick auf drei im Jahr 2000 ausgeführte innergemeinschaftliche Lieferungen nach Spanien und den geltend gemachten Vorsteuerabzug keinen Erfolg. Im Übrigen war der Antrag erfolgreich.

Mit der Klage hält die Klägerin an ihrem Änderungsbegehren nur noch in eingeschränktem Umfang fest. Sie beanstandet nicht mehr die Aberkennung der Steuerfreiheit im Falle der Lieferung an die Fa. B im Jahr 2000 und die Versagung des Vorsteuerabzugs an Hand der Rechnung "A".

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe der Betriebsprüfung in allen noch streitigen Fällen ordnungsgemäße Belege vorgelegt. In allen Beförderungsfällen habe sie Lieferscheine vorgelegt, auf denen die von den Abnehmern der Fahrzeuge beauftragten Abholer die Versicherung unterzeichnet hätten, das betreffende Fahrzeug in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern zu wollen.

Auf Grund ihrer technischen Ausstattung sei es nicht möglich gewesen, bessere Kopien von den Ausweisen der Abholer anzufertigen. Dass die Unterschriften nicht leserlich seien, könne ihr nicht angelastet werden; was an Aufzeichnungen notwendig und zumutbar gewesen sei, sei daher erfüllt worden. Das FA erfinde immer neue, unverhältnismäßige Regeln zum Nachteil der Händler. Die Klägerin könne nur solche Aufzeichnungen vornehmen, die rechtlich und tatsächlich möglich seien; sie besitze keine polizeilichen Befugnisse und müsse darauf vertrauen, dass die vorgelegten Unterlagen in Ordnung seien, soweit diese nicht erkennbar falsch seien. Nicht erfüllbare Sorgfaltsanforderungen an den liefernden Unternehmer ließen die Vertrauensschutzregelungen leer laufen.

Wie die Einlassungen des FA erkennen ließen, hätten die Aufzeichnungen der Klägerin genügt, um die Geschäftspartner feststellen zu können. Für das Verfahren sei ohne Bedeutung, dass teilweise Geschäftspartner später ihr Geschäft geschlossen haben oder weggezogen sind. In keinem Fall habe es sich tatsächlich um einen "Missing Trader" gehandelt. Alle Unternehmen hätten im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse bestanden und seien vom Bundesamt für Finanzen bestätigt worden. Deshalb bestehe in allen Fällen Vertrauensschutz nach § 6 a UStG.

Auch die Buchnachweise (§ 17 c UStDV) habe sie ordnungsgemäß geführt.

§ 17 c Abs. 2 Nr. 2 UStDV, der bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, die in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Weise erfolgen, anordnet, dass der Name und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers aufgezeichnet werden soll, sei in den Streitfällen nicht einschlägig, weil die betreffenden Umsätze in der für Großhandelsumsätze gebräuchlichen Weise ausgeführt worden seien.

Die streitbefangenen Kraftfahrzeuge seien ausschließlich im Internet angeboten worden. Im Unterschied zu Verkäufen im Einzelhandel erfolgten Verkäufe an andere Händler ohne Besichtigungen und Probefahrten, ohne schriftliche Bestellungen und Kaufverträge. Weder im Umsatzsteuergesetz noch in anderen Gesetzen sei geregelt, was unter Einzelhandel oder Großhandel zu verstehen sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30.11.2005 den

Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2000 vom 6.12.2004 um 9.486,76 Euro, den

Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2001 vom 6.12.2004 um 21.985,55 Euro und

den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2003 um 3.923,90 Euro herabzusetzen,

die Kosten des Verfahrens dem FA aufzuerlegen

und im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hält an seinem Standpunkt fest, dass es in den Streitfällen mangels gültiger Vollmachten für die Abholer am ordnungsgemäßen Belegnachweis und zudem wegen der fehlenden Aufzeichnung von Namen und Adressen der Abholer der Fahrzeuge in der Buchführung auch am ordnungsgemäßen Buchnachweis fehle.

Ob es sich bei dem Abholer des Fahrzeugs und Unterzeichner der Verbringungsversicherung tatsächlich um den "Beauftragten" i.S.d. § 17 a Abs. 2 UStDV des in der Rechnung als Abnehmer bezeichneten Unternehmers handelt, lasse sich, wie es § 17 a Abs. 1 Satz 2 UStDV vorschreibt, nur dann anhand von Belegen "eindeutig und leicht" nachprüfen, wenn eine gültige Vollmacht die Verbindung zwischen Abholer und Abnehmer des Fahrzeugs belege. Auch der Buchnachweis sei nicht ordnungsgemäß geführt worden. Schon der Umstand, dass ausweislich der vorliegenden Rechnungen der Verkauf der Fahrzeuge "wie gesehen und Probe gefahren" erfolgt sei, deute auf eine für den Einzelhandel übliche Art und Weise der Lieferung i. S. d § 17 c Abs. 2 Nr. 2 UStDV hin.

Zwar handele es sich bei dieser Norm um eine so genannte Sollvorschrift, die den Beweis bei gleichem Beweiswert auch aus anderen Belegen oder Aufzeichnungen der Gesamtheit der Buchführung zulasse. In den Streitfällen seien Name und Anschrift der Abholer aber weder in den Belegen noch anderweitigen Buchungen festgehalten worden. Da in den Streitfällen weder die Belegnachweise noch die Buchnachweise ordnungsgemäß geführt worden seien, stelle sich die von der Klägerin aufgeworfene Frage des Vertrauensschutzes nach § 6 a Abs. 4 UStG gar nicht erst. Die vom Bundesamt für Finanzen vorgelegten Unterlagen betreffend die Firmen C, D, E sowie F sein zur Abrundung des Gesamtbildes vorgelegt worden.

Der Rechtsstreit ist durch Beschluss vom 23.6.2006 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat der Klägerin in allen Streitfällen die geltend gemachte Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen zu Recht versagt.

§ 4 Nr. 1 lit. b UStG befreit die innergemeinschaftlichen Lieferungen von der Umsatzsteuer, ohne dass die beim Erwerb des Liefergegenstandes angefallene Umsatzsteuer vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, § 15 Abs. 3 Nr. 1 lit. a UStG.

Innergemeinschaftlichen Lieferungen sind nach § 6 a Abs. 1 UStG u.a. anzunehmen, wenn der Liefergegenstand vom Unternehmer oder seinem Abnehmer in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist, wenn der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat, und wenn der Erwerb des Liefergegenstands beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt.

- Die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen dient der Verwirklichung des sog. Bestimmungslandsprinzips, nach dem bei grenzüberschreitenden Warenlieferungen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets die Ware vollständig von der Umsatzsteuer des Lieferstaates entlastet und bei der Weitergabe durch den Abnehmer an den Endverbraucher mit der Umsatzsteuer des Abnehmerstaates belastet wird.

Diese Regelungen sind infolge des Fortfalls der Grenzkontrollen bekanntlich sehr missbrauchsanfällig; Scheinrechnungen an Unternehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet werden z.B. dazu verwendet, steuerpflichtige Inlandslieferungen oder steuerpflichtige Lieferungen an private Endverbraucher im übrigen Gemeinschaftsgebiet belegmäßig abzudecken und der Umsatzsteuerbesteuerung zu entziehen. Zur Vermeidung derartigen Steuerbetrugs bestimmt § 6 a Abs. 3 UStG, dass der Unternehmer zur Erlangung der Steuerbefreiung die Voraussetzungen innergemeinschaftlicher Lieferungen nachzuweisen hat, und zwar nach Maßgabe der vom Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrats dazu erlassenen Rechtsverordnungen (§§ 17 a - 17 c UStDV). Danach hat der Unternehmer den Nachweis der Beförderung oder der Versendung des Liefergegenstandes in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch bestimmte Belege (§ 17 a UStDV) und die Voraussetzungen der Steuerbefreiung insgesamt einschließlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer buchmäßig (§ 17 c UStDV) eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. § 17 c Absätze 2 und 3 UStDV bestimmen im Einzelnen, welche Aufzeichnungen der Unternehmer zum buchmäßigen Nachweis vornehmen soll. Der eindeutig und leicht nachprüfbare Beleg und Buchnachweis ist materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerbefreiung (BFH-Urteil vom 2.4.1997 V B 159/96, BFH/NV 1997, 629 ff.).

Beim belegmäßigen Nachweis der Verbringung des Liefergegenstandes in das übrige Gemeinschaftsgebiet unterscheidet § 17 a UStDV danach, wie die Auslieferung des Gegenstandes im Einzelfall durchgeführt wird. Es wird unterschieden zwischen der Beförderung des Gegenstandes durch den Unternehmer oder dessen Abnehmer, der Beförderung des Gegenstandes durch den Unternehmer oder dessen Abnehmer im "gemeinschaftlichen Versandverfahren" und der Versendung des Gegenstandes durch den Unternehmer oder dessen Abnehmer.

Die Fälle der Beförderung und die der Versendung unterscheiden sich dadurch von einander, dass im Falle der Beförderung der Transport des Liefergegenstandes in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch den Unternehmer oder dessen Abnehmer selbst (oder einem unselbständigen Beauftragten) durchgeführt wird, während im Falle des Versendens der Unternehmer oder der Abnehmer den Transport des Liefergegenstandes in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen selbständigen beauftragten Dritten vornehmen lassen. Im "gemeinschaftlichen Versandverfahren" werden Waren unter zollamtlicher Überwachung befördert.

Unter Berücksichtigung dieser Entscheidungsmaßstäbe hat das FA die Steuerfreiheit in allen Streitfällen zu Recht nicht anerkannt.

Im Falle der am 23.11.2000 an die Fa. G., Spanien, (einem Versendungsfall), ausgestellten Rechnung fehlt, worauf bereits im Aussetzungsverfahren hingewiesen worden ist, der nach § 17 a Abs. 1 UStDV erforderliche Beleg, aus dem sich "eindeutig und leicht nachprüfbar" ergibt, dass das in der Rechnung angegebene Fahrzeug in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet oder befördert wurde. Zwar geben Rechnung und CMR-Frachtbrief eine spanische Empfängeradresse an, doch wird hierdurch die Versendung nach Spanien nicht belegt, weil dem Frachtbrief die in Feld 24 vorgesehene Abnehmerbestätigung fehlt. Wie das Finanzgericht Bremen durch Beschluss vom 1.12.2004 (2 V 64/05, EFG 2005, 646) zutreffend entschieden hat, ist ein derartiges Dokument lediglich zum Nachweis der Abholung des Ausfuhrgegenstandes durch einen Frachtführer geeignet. Die Beförderung zum Empfänger im Drittland kann auf diese Weise nicht nachgewiesen werden. Da die Klägerin auch kein anderes Dokument vorgelegt hat, das eine Bestätigung des Empfangs des versendeten Fahrzeugs durch den Abnehmer zum Ausdruck bringt, ist die geltend gemachte Steuerfreiheit zu Recht nicht anerkannt worden. Das Vorbringen der Klägerin, dass die Rechnung durch Überweisung bezahlt worden sei, rechtfertigt keine andere Einschätzung, weil der Überweisungsbeleg nur den Zahlungsweg, nicht aber den Transportweg der Ware belegt. (Hiervon abgesehen unterscheiden sich die Rechnung und der Frachtbrief auch in der Angabe des Namens des Abnehmers bei ansonsten gleicher Anschrift.) Bei den übrigen vom FA beanstandeten Fällen handelt es sich um Beförderungsfälle, bei denen die Fahrzeugtransporte durch unselbständige Beauftragte der Abnehmer durchgeführt wurden. In diesen Fällen geht das FA davon aus, dass im Hinblick darauf die erforderlichen Belegnachweise fehlen, dass von den Beauftragten der Fahrzeugabnehmer keine ordnungsgemäßen Versicherungen i.S.d. § 17 a Abs. 2 Nr. 4 UStDV darüber abgegeben worden seien, dass die Beförderung der Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet durchgeführt werde.

Im Falle des durch die Rechnung vom 10.7.2000 gegenüber der C abgerechneten Fahrzeugsverkaufs fehlt unstreitig die Versicherung nach § 17 a Abs. 2 Nr. 4 UStDV gänzlich. Die Steuerfreiheit dieses Umsatzes ist daher zu Recht nicht anerkannt worden.

Bei den restlichen Abholungsfällen durch unselbständige Beauftragte der Fahrzeugkäufer hat die Klägerin unstreitig an die Rechnungsadressaten gerichtete Lieferscheine vorgelegt, auf denen die maschinenschriftlich angebrachte Versicherung, dass das Fahrzeug an die Rechnungsadresse oder in das Land des Rechnungsadressaten überführt werde, handschriftlich abgezeichnet worden ist.

Darüber hinaus konnte sie in allen diesen Fällen Ablichtungen der Pässe der Abholer und in den Fällen der Fa. H, Malmö, sowie der Fa. I, Stockholm, schwedische Registerauszüge vorlegen. - In diesen Fällen beanstandet das FA nicht den Wortlaut oder den Inhalt der Erklärungen, sondern es ist der Ansicht, dass der Belegnachweis nach § 17 a Abs. 2 Nr. 4 UStDV über den Wortlaut der Vorschrift hinaus zusätzliche Belege (gültige Vollmachten der beauftragten Abnehmer für die Abholer, Handelsregisterauszüge der Abnehmerfirmen und Passkopien der Geschäftsführer der Abnehmerfirmen und der Abholer) erfordere, aus denen sich die Beauftragung der Abholer durch die Rechnungsempfänger ergibt.

Die Vorschriften über den Beleg- und Buchnachweis nach § 17 a ff. UStDV weichen beweisrechtlich von den allgemeinen Regeln des Besteuerungsverfahrens ab, wonach die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen und unter Berücksichtigung aller für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu ermitteln hat, § 88 AO. Mithin bestehen im Besteuerungsverfahren im Allgemeinen für den Steuerpflichtigen weder eine Darlegungslast (materielle Beweislast) noch formalisierte Beweisregeln. Demgegenüber erlegt § 6 a Abs. 3 UStG dem Unternehmer, der sich auf die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen beruft, die materielle Beweislast für die Voraussetzungen der Steuerfreiheit auf, und die §§ 17 a ff. UStDV schränken zudem die Beweismittel auf bestimmte Belege und bestimmte Buchungen ein.

Die Belege, die der Unternehmer im Einzelnen zum Nachweis dafür vorzulegen hat, dass der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert hat, zählt § 17 a Abs. 2 UStDV abschließend auf. Das Gericht hält an der bereits im Aussetzungsverfahren geäußerten Ansicht fest, das das FA nicht befugt ist, wegen des Fehlens weiterer von ihm als erforderlich angesehener, aber in § 17 a Abs. 2 UStDV nicht aufgeführter Belege die Steuerbefreiung kurzer Hand mit der Begründung zu versagen, der Belegnachweis sei nicht ordnungsgemäß geführt worden. Hat der Unternehmer die in § 17 a Abs. 2 UStDV bezeichneten Belege vorgelegt, so hat er den Belegnachweis geführt. Hat er auch die erforderlichen Buchungen vorgenommen und stellt sich heraus, dass die Belege und Buchungen auf unrichtigen Angaben des Abnehmers der Lieferungen beruhen, m. a. W. wenn der Unternehmer über das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vom Abnehmer getäuscht worden ist, so ist die Lieferung nach § 6 a Abs. 4 UStG gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Aus den Vorschriften für die Gewährung der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen folgt für die anzuwendenden Beweisregeln, dass auch in diesem Bereich keine unbeschränkte materielle Beweislast des Unternehmers gilt, sondern dass sich diese auf die von den § 17 a -17 c UStDV im Einzelnen geregelten Anforderungen an den Buch- und Belegnachweis beschränkt. Ist der Beleg- und Buchnachweis regelgerecht geführt worden und tauchen dessen ungeachtet Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers auf, so ist diesen Zweifeln und, wenn sie sich bestätigen, der Frage nach der Beachtung der gebotenen Sorgfalt durch den Unternehmer nach den allgemeinen Regeln des steuerlichen Verfahrensrechts (§§ 88 AO ff.) nachzugehen, d.h. unter Berücksichtigung der Amtsermittlungspflicht der Behörde und der Mitwirkungspflicht des Unternehmers. In diesem Bereich gelten weder formalisierte noch materielle Beweisregeln. Im Falle der Unerweislichkeit der in diesem Bereich festzu- 12 - stellenden Tatsachen gelten wie im Steuerrecht allgemein die Regeln der formellen Beweislast.

Das Gericht stimmt der Klägerin darin zu, dass das FA nicht berechtigt ist, zusätzlich zu den vom Verordnungsgeber in § 17 a Abs. 2 UStDV aufgeführten Belegen vom Unternehmer weitere Belege zu verlangen, bei deren Fehlen es mit der Begründung, der Belegnachweis sei nicht geführt worden und es fehle daher an einer materiellen Voraussetzung der Steuerfreiheit, die Steuerbefreiung ohne Weiteres versagen dürfte. Andere als die in § 17 a UStDV aufgeführten Umstände sind daher nicht belegmäßig nachzuweisen. Insbesondere kommt es bei einer Abholung durch einen Beauftragten, anders als das FA meint, nicht auf das Vorliegen einer belegmäßig dokumentierten Abholvollmacht an (Wäger, Umsatzsteuerbescheid 2004, 2006 ff.). Eine andere Problematik als die des Belegnachweis nach § 17 a Abs. 2 Nr. 4 UStDV stellt sich dagegen bei der Frage, wie der Unternehmer im Falle von unrichtigen Angaben des Abnehmers (§ 6 a Abs. 4 UstG) nachweisen soll, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auch in Bezug auf einen Beauftragten beachtet hat.

Es ist aber die Frage, ob die im Streitfall vorgelegten "Versicherungen" der Beauftragten als ordnungsgemäße Belege i.S.d. § 17 a Abs. 2 Nr. 4 UStDV angesehen werden können. Dies ist fraglich, weil die Lieferscheine nur die maschinenschriftlich vorgegeben Versicherungen und die (meist unleserlichen) Unterschriften der Abholer enthalten. Die mangelnde Leserlichkeit der Unterschriften nimmt den Erklärungen nicht von vornherein den (erforderlichen) Charakter der Schriftlichkeit, weil für die Annahme gültiger Unterschriften (eigenhändiger Unterzeichnung mit dem Familiennamen) nur ein Schriftbild individueller Art, nicht aber dessen Leserlichkeit erforderlich ist. Die Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der "Versicherungen" rühren in den Streitfällen daher, dass sie neben den Unterschriften der Abholer nicht auch deren Namen und Anschriften aufweisen. Infolge ihrer Beweisfunktion gehört es zu den Bestandteilen von - 13 - Urkunden, dass diese nicht nur eine schriftliche Gedankenerklärung, sondern auch eine bestimmte Person als Aussteller erkennen lassen. Berücksichtigt man dabei, dass die Belege i.S.d. § 17 a Abs. 2 UStDV nicht nur eindeutig, sondern auch leicht nachprüfbar sein müssen, so stellt sich die Frage, ob nur dann ordnungsgemäße Versicherungen i.S.d. § 17 a Abs. 2 Nr. 4 UStDV anzunehmen sind, wenn die Urkunden auch den Namen und die Anschrift dessen enthalten, der mit seiner Unterschrift die Verantwortung für die Richtigkeit der Gedankenerklärung übernommen hat. Namen und Adressen könnten in Zweifelsfällen der Steuerverwaltung z.B. die Nachprüfung ermöglichen, ob nicht ein Anderer unter Verwendung eines fremden Namens die Erklärung abgegeben hat. In den Streitfällen enthalten die vorgelegten "Versicherungen" selbst nicht die Namen und Adressen der beauftragten Abholer, aber in allen diesen Fällen sind Passablichtungen vorgelegt worden, aus denen teilweise Namen und Wohnorte der Betreffenden im Zeitpunkt der Passausstellungen ersichtlich sind; in keinem Falle ergibt sich indessen aus diesen Ablichtungen die (im Zeitpunkt der Abholung) vollständige Adresse mit Straßenangabe und Hausnummer, die ohne weitere Ermittlungen eine Kontaktaufnahme mit der angegeben Person ermöglichen würde.

Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Versicherung nach § 17 a Abs. 2 Nr. 4 UStDV außer der Unterschrift auch die Angabe von Namen und vollständiger Adresse des Abholers erfordert. Der Klägerin ist nämlich wegen des Fehlens dieser Angaben in ihrem Buchführungs- und Belegwesen die Steuerfreiheit der Umsätze nach § 17 c Abs. 2 Nr. 2 UStDV zu versagen. Nach dieser Vorschrift soll der Unternehmer den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers aufzeichnen bei Lieferungen, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgen. Das Gericht geht davon aus, dass bei den noch in Frage stehenden Beförderungsfällen die Lieferungen in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt sind. Da unstreitig die Namen und die (vollständigen) Anschriften der Abholer weder - 14 - durch Aufzeichnungen in der Buchführung der Klägerin noch in den dazugehörigen Belegen festgehalten worden sind, sind die Abnehmerversicherungen (§§ 17 a Abs. 2 Nr. 4 UStDV) nicht ohne weitere Ermittlungen durch Rückfragen an die angeblichen Abholer auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbar.

Weder das UStG noch die UStDV enthalten nähere Bestimmungen über die Begriffe "Einzelhandel" oder die "für den Einzelhandel gebräuchliche Art und Weise" von Lieferungen. Nach allgemeinem Verständnis werden Lieferungen im Einzelhandel im Rahmen von gewerbsmäßigen Verkäufen von Unternehmern an private Endverbraucher ausgeführt, während im Gegensatz dazu Großhändler (als gewerbliche Zwischenhändler) an Einzelhändler zum gewerblichen Wiederverkauf liefern.

In den Streitfällen geht es nach den vorliegenden Belegen nicht um Verkäufe an private Endverbraucher, sondern um Lieferungen an Autohändler im übrigen Gemeinschaftsgebiet. Damit scheiden Einzelhandelsumsätze aus. Gleichwohl ist § 17 c Abs. 2 Nr. 2 UStDV einschlägig, weil diese Lieferungen in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgten.

Typischer Weise richten sich die Verkaufsangebote von Großhändlern exklusiv an Wiederverkäufer unter Berücksichtigung einer Handelsspanne, die dem Wiederverkäufer gegenüber dem Endpreis der Handelsware verbleibt. Die Handelsspanne ist in der Regel auch durch die größere Stückzahl der Handelswaren gerechtfertigt, die der Einzelhändler dem Lieferanten im Vergleich zum einzelnen Endverbraucher abnimmt. Der Großhändler wendet sich daher exklusiv an einen Kundenkreis von gewerblichen Einzelhändlern und bietet diesem die Waren zu Preisen an, die unter dem Endverkaufspreisen liegen und die gegenüber der Öffentlichkeit, namentlich gegenüber den potenziellen Endverbrauchern nicht aufgedeckt werden, während sich der Einzelhändler typischer Weise an - 15 - einen Kundenkreis von privaten Endverbrauchern, die Allgemeinheit, wendet und dabei seinen Endverkaufspreis gegenüber diesem Kundenkreis offen legt.

Die Klägerin hat in den Streitfällen die Gebrauchtwagen weder einem exklusiven Käuferkreis von Kraftfahrzeughändlern noch unter Berücksichtigung einer Handelsspanne gegenüber dem Endverbraucherpreis angeboten. Vielmehr hat sie die Fahrzeuge über das Internet der Allgemeinheit zu Endverbraucherpreisen angeboten. Durch dieses Angebot konnten Nachfrager aller Art entweder über eine Recherche, in der nach Fahrzeugen über die Marke, das Baujahr, die Erstzulassung, den Kilometerstand, den Preis usw. gesucht wird, oder über eine "Händlerabfrage", durch die man gezielt nach Kfz-Gebrauchtwagenhändlern differenziert nach Regionen, Marken usw. suchen kann, mit der Klägerin entweder über deren Internetportal oder in deren Geschäftslokal in Kaufverhandlungen treten. Bei diesen Marktofferten stehen selbstverständlich die Verkaufsangebote der Klägerin nicht nur privaten Endverbrauchern, sondern auch gewerblichen Wiederverkäufern offen. Der Absatzweg ist aber dessen ungeachtet für Einzelhandelsumsätze typisch; der für Großhandelsumsätze typische Marktauftritt fehlt dagegen völlig. Im Streitfall spricht zudem für Lieferungen in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise dass es sich bei allen Geschäften um den Absatz einzelner Liefergegenstände und nicht, wie für den Großhandel bezeichnend, um den Zwischenhandel mit größeren Stückzahlen an Handelswaren handelt, die zudem nicht, wie unter Geschäftsleuten üblich, bargeldlos, sondern gegen Barzahlung abgewickelt wurden.

Dieses Ergebnis entspricht auch dem offenbaren Zweck, den der Verordnungsgeber mit der Regelung des § 17 c Abs. 2 Nr. 2 UStDV verfolgt. Die eingangs erwähnte Betrugsanfälligkeit der Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen wird erfahrungsgemäß in vielen Fällen durch die Vortäuschung von Lieferbeziehungen zu vorgeschobenen Leistungsempfängern im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgenützt. Diese vorgeschobenen Firmen (in der Regel - 16 - Kapitalgesellschaften) dienen nur kurzfristig angelegten Betrugsmanövern und sind daher von vornherein auf nur kurzfristigen Bestand angelegt. Werden die Steuerbehörden auf sie aufmerksam, so sind sie und ihre Verantwortlichen in der Regel nicht mehr greifbar. Das Operationsfeld dieser Firmen ist eher daher der nach der Art und Weise des Einzelhandels angelegte Markt, auf dem auch Einzelhändler einkaufen können, als die Großhandelsmärkte, die wesenstypisch auf längerfristige Handelsbeziehungen und regelrechte "Absatzkanäle" ausgerichtet sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen wird die Revision zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.



Ende der Entscheidung

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