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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Beschluss verkündet am 23.01.2007
Aktenzeichen: 7 K 4445/03
Rechtsgebiete: ZK


Vorschriften:

ZK Art. 239
Ablehnung des Erlasses der Einfuhrabgaben gemäß Art. 239 ZK.
Finanzgericht Hessen

7 K 4445/03

In dem Rechtsstreit

...

hat Vorsitzende Richterin am Hessischen Finanzgericht als Einzelrichterin

nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 23. Januar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein in den Niederlanden ansässiges Speditionsunternehmen.

Am 30.3.2000 beantragte die Klägerin als Hauptverpflichtete beim Zollamt in A mit den Versandscheinen Nr. die Eröffnung von externen gemeinschaftlichen Versandverfahren für zwei Sendungen mit Kunstwerken. Als Versender ist dabei in beiden Versandscheinen das Museum I in A angegeben. Empfänger ist jeweils die Firma Y-GmbH in B, die über eine Zulassung als "zugelassener Empfänger" verfügte. Die Kunstwerke standen nach Angaben der Klägerin im Eigentum des tschechischen Staates. Die Beförderung selbst wurde von der Firma Z. mit eigenem Lkw durchgeführt. Der Lkw der Firma Z kam am Abend des 31. März 2000, einem Freitag, in C an. Er fuhr unmittelbar zum Museum II in C. Dem damaligen Geschäftsführer der Y-GmbH, Herrn L, war nach seinen Angaben im Schreiben vom 18. Januar 2007 bekannt, dass der Lkw an diesem Abend ankommen sollte, und er hatte auch bereits entsprechende Unterlagen über die Sendung erhalten.

Im Verlauf des Freitags war eine Zollbehörde über die geplante Warenankunft nicht unterrichtet worden. Die beiden Versandscheine wurden am darauf folgenden Montag, dem 3. April 2000, dem Zollamt C-1 zur Erledigung vorgelegt.

Aus der der Y 1 - GmbH erteilten Zulassung der Gestellung außerhalb des Amtsplatzes der Bestimmungszollstelle nach Zollgutversand (zugelassener Empfänger) vom 31. Mai 1999 ist unter Ziffer 3 als Übergabe- und Gestellungsort der Firmensitz der zugelassenen Empfängerin in B genannt. Die von den beiden Versandscheinen begleitete Ware wurde weder beim zuständigen Zollamt noch an dem für die zugelassene Empfängerin bestimmten Gestellungsort verbracht.

Die zugelassene Empfängerin teilte mit Schreiben vom 25. April 2000 dem damals zuständigen Hauptzollamt C mit, zwei Exponate, die auf der Liste für C stehen würden, seien nicht in die entsprechenden Kisten verpackt worden, sondern vielmehr der Sendung zugeordnet worden, die unmittelbar nach Prag zurückgegangen sei. Die nunmehr im Museum II befindlichen Exponate würden erst ab dem 2. Mai durch die Vertreter der leihgebenden Institutionen im Museum ausgepackt werden. Weder ihr -der zugelassenen Empfängerin -noch dem Museum sei es bis dahin gestattet, die Exponate auszupacken.

Die damals zuständige Verwaltungsbehörde erließ schließlich unter dem 16. März 2001 gegenüber der Klägerin einen Steuerbescheid, mit dem insgesamt 136.908,52 DM Einfuhrabgaben festgesetzt und angefordert wurden. Eine Entrichtung dieses Betrages ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht erfolgt. Der zunächst gegen diesen Abgabenbescheid eingelegte Einspruch wurde seitens der Klägerin zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2002 beantragte die Klägerin den Erlass der Einfuhrabgaben gemäß Artikel 239 Zollkodex. Als Begründung wird dazu geltend gemacht, die Klägerin habe sich in der Annahme befunden, dass sie mit der nachträglichen Gestellung der Waren bei der Zollbehörde ihren Pflichten entsprochen hätte. Sie sei in diesem Punkt einem Irrtum unterlegen. Die Ware sei bis zur Behebung des abwicklungstechnischen Fehlers nicht verändert worden. Die wertvollen Kunstgegenstände seien irrtümlicherweise nicht an der vorgesehenen Stelle gestellt worden. Eine endgültige Belastung der Klägerin mit Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer sei in diesem Fall äußerst unbillig.

Das nunmehr zuständig gewordene Hauptzollamt D lehnte diesen Antrag mit Verfügung vom 6. Mai 2003 ab. Die Voraussetzungen des Artikels 239 Zollkodex wurden als nicht vorliegend angesehen, weil die Klägerin als Hauptverpflichtete die ihr gemäß den Bestimmungen über die Durchführung des Versandverfahrens obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt gehabt habe. Die Vorschriften seien nicht als schwierig anzusehen, ein bloßer Arbeitsfehler liege nicht vor und die Klägerin sei als Speditionsunternehmen, das regelmäßig Versandverfahren durchführe, als erfahrener Zollbeteiligter anzusehen.

Das gegen diesen Bescheid gerichtete Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Mit dem vorliegenden Klageverfahren verfolgt die Klägerin ihr Ziel, eine Aufhebung der ablehnenden Entscheidungen und zugleich die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zur Neubescheidung des Antrages zu erreichen, weiter. In der Klagebegründung macht die Klägerin geltend, der eigentliche Bildertransport sei von der Firma Y 2 -GmbH organisiert gewesen. Für das erforderliche Versandverfahren habe sich die Klägerin als Hauptverpflichtete in dem Versandpapier eingetragen. Empfänger der Gemälde sei die Firma Y 1 - GmbH gewesen. Diese hätte die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um besondere Gemälde handeln würde, die einer speziellen Lagerung bedürften. Die Sendung aus A sei unplanmäßig verspätet am Bestimmungsort in C eingetroffen und dazu noch außerhalb der Öffnungszeiten des Zollamtes. Eine Abfertigung wäre erst in der nächsten Woche am Montag möglich gewesen. Weil die Kunstgegenstände empfindlich seien und deswegen leicht hätten beschädigt werden können, habe das Museum II der Klägerin angeboten, die für sie bestimmten Gemälde gleich in ihrem klimatisierten Sicherheitsdepot zu lagern. Dieses Angebot habe die Klägerin nach vorheriger Rücksprache mit der Y-GmbH angenommen. Diese sei auch über die direkte Anlieferung beim Museum II informiert worden. Die Firma Y 2 -GmbH sei zugelassene Empfängerin und habe die T-Dokumente innerhalb der 7-Tagesfrist, nämlich am 4. April 2000, beim Hauptzollamt C-1 eingereicht.

Die besondere Art der hier transportierten Waren und des vertraglichen Abwicklungsverhältnisses zwischen den Beteiligten stelle eine außergewöhnliche, nicht verallgemeinerbare Situation dar. Kunstgegenstände bedürften einer besonderen, sorgfältigeren Behandlung als andere Handelswaren, weshalb nicht jede Spedition zu einem solchen Transport in der Lage sei. Die Klägerin habe sich mithin als betroffene Wirtschaftsbeteiligte im Vergleich zu anderen die gleiche Tätigkeit ausübenden Wirtschaftsteilnehmern in einer außergewöhnlichen Situation befunden.

Es komme hinzu, dass sich die Klägerin in einer Zwangslage befunden gehabt habe. Denn das Bestimmungszollamt sei bei Ankunft des Lkws in C bereits geschlossen gewesen, so dass die Klägerin dort nicht die erforderliche zollamtliche Behandlung vornehmen konnte. Ein Stehenlassen der Sendung bis zur Öffnung des Zollamtes sei aber auch nicht möglich gewesen, da die Klägerin als Spediteurin für die Bilder Sorgfaltspflichten gegenüber ihrem Auftraggeber gehabt habe. Demzufolge habe sich die Klägerin in einem Dilemma befunden. Denn entweder hätte sie gegen die einzuhaltenden Zollvorschriften verstoßen oder aber gegen die Sorgfaltspflichten gegenüber der Auftraggeberin aus dem abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag. Die in dieser Situation von ihr getroffene Entscheidung könne nicht zum Vorwurf der offensichtlichen Fahrlässigkeit führen. Die Klägerin habe ihre Auftraggeberin, die Firma Y 2 -GmbH über die Einlagerung beim Endempfänger, nämlich im Museum II, informiert und die Auftraggeberin habe in ihrer Eigenschaft als zugelassene Empfängerin die vorübergehende Einlagerung in diesem Museum genehmigt. Sie habe sich als zugelassene Empfängerin dadurch diese Lagerstätte zu eigen gemacht. Ein offensichtlich fahrlässiges Handeln seitens der Klägerin liege dann nicht vor, wenn sie der Weisung des zugelassenen Empfängers Folge leiste.

In der mündlichen Verhandlung machte nunmehr die steuerberatend vertretene Klägerin geltend, sofern die als Empfängerin der Kunstgegenstände angegebene Firma Y-GmbH bei der Inempfangnahme der Waren bzw. der vorzunehmenden Gestellung einen Verstoß gegen die zollrechtlichen Bestimmungen begangen habe, müsse sich die Klägerin dies nicht in jedem Fall zurechnen lassen.

Die Klägerin ist vielmehr der Auffassung, sie habe alles erforderliche getan, um eine ordnungsgemäße Gestellung sicherzustellen. Es läge zudem nur ein formaler Verstoß vor, der sich auf den gesamten Ablauf des Verfahrens nicht wesentlich ausgewirkt hätte. Auch die Tatsache, dass sie bei der Verladung der Kunstgegenstände nicht anwesend gewesen sei, könne nicht als grobe Fahrlässigkeit betrachtet werden. Schließlich sei die Verladung bei dem Museum I in A vorgenommen worden, so dass eine Überprüfung durch eine Spedition nicht unbedingt erforderlich und sachgerecht erscheinen würde. Es fehle zudem an der Kausalität zwischen diesem Verhalten und der nicht ordnungsgemäßen Gestellung in Deutschland. Im Übrigen sei, wie sich aus dem in der Sitzung überreichten Schreiben des früheren Geschäftsführers der Y-GmbH, Herrn L, vom 18. Januar 2007 ergebe, zweifelhaft, ob bei der Gestellung überhaupt ein Fehler vorgekommen sei. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

die Ablehnungsentscheidung der Verwaltungsbehörde vom 6. Mai 2003 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11. November 2003 aufzuheben und die Verwaltungsbehörde zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut über den Antrag auf Erlass gemäß Artikel 239 Zollkodex vom 8.2.2002 zu entscheiden.

Weiter wird beantragt,

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Verwaltungsbehörde ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für einen Erlass der Einfuhrabgaben nach Artikel 239 Zollkodex i.V.m. Artikel 905 ZKDVO nicht vorliegen, weil die Klägerin als erfahrene Zollbeteiligte offensichtlich fahrlässig gehandelt und ihre Verpflichtungen aus dem Versandverfahren nicht erfüllt habe. Es sei bereits zweifelhaft, ob ein besonderer Umstand vorliege, denn es sei weder ungewöhnlich, dass Waren mit hohem Wert -auch nachts -transportiert würden, noch sei es ungewöhnlich, dass Zollstellen nachts geschlossen hätten. Gerade wenn -wie im vorliegenden Fall -keine üblichen Handelswaren, sondern Kunstgegenstände transportiert würden, müsse man erwarten können, dass die Klägerin entsprechend Vorsorge treffe, um sowohl die Einhaltung der zollrechtlichen Bestimmungen als auch der Sicherheitsbestimmungen des Auftraggebers zu gewährleisten. Die Tatsache der Wiederausfuhr der Waren stelle für sich allein genommen noch keinen besonderen Umstand dar. Letztlich könne aber dahingestellt bleiben, ob ein besonderer Umstand vorliege, denn die Klägerin habe jedenfalls offensichtlich fahrlässig gehandelt.

Die Klägerin sei als Speditionsunternehmen, das regelmäßig Versandverfahren durchführe, eine erfahrene Zollbeteiligte und müsse höhere Sorgfaltspflichten gegen sich gelten lassen als unerfahrene Beteiligte. Deswegen habe sie gewusst oder hätte jedenfalls wissen müssen, dass sie die im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren beförderten Waren nur bei einer Zollstelle oder einem zugelassenen Empfänger gestellen durfte. Stattdessen habe sie aber die Waren direkt beim Warenempfänger, dem Museum II, angeliefert. Dass dies aus durchaus nachvollziehbaren Gründen erfolgt sei, sei zollrechtlich ohne Bedeutung. Gerade als Hauptverpflichtete sei sie gegenüber der Zollbehörde für den ordnungsgemäßen Ablauf der Vorgänge im Rahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens verantwortlich. Diesen hier obliegenden Verpflichtungen aus Artikel 96 Abs. 1 und Artikel 97 Zollkodex, Artikel 356 Abs. 1 und Artikel 406 Abs. 2 ZKDVO a.F. habe sie nicht entsprochen.

Schließlich gehöre die Frage, ob sich die Verfehlung auf das Verfahren ausgewirkt habe, in dem Bereich der steuerlichen Würdigung hinsichtlich der Einfuhrzollentstehung gemäß Artikel 204 Zollkodex und einer evtl. Heilungsmöglichkeit nach Artikel 859 ZKDVO. Im Bereich einer Entscheidung gemäß Artikel 239 Zollkodex seien diese Überlegungen ohne Belang. Die für einen Hauptverpflichteten geltenden Vorschriften seien auch nicht als schwierig anzusehen. Es liege nicht ein bloßer Arbeitsfehler vor. Die Entscheidung, die Waren direkt beim Museum II anzuliefern, sei bewusst getroffen worden. Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss des Senates vom 30. November 2004 auf den Einzelrichter übertragen. Es lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vier Hefte Verwaltungsunterlagen vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Es liegen weder besondere Umstände vor, noch kann das Verhalten der Klägerin als nicht offensichtlich fahrlässig bewertet werden.

Artikel 239 Zollkodex stellt wie die Vorgängervorschrift des Artikel 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1430/79 nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften eine Vorschrift dar, die eine auf Billigkeitserwägungen beruhende Generalklausel ist, die andere als die praktisch am häufigsten vorkommenden Fälle, für die bei Erlass der Verordnung eine besondere Regelung geschaffen werden konnte, erfassen soll (vgl. die hierzu in den Schlussanträgen des Generalanwalts unter Rdnr. 40 genannte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Bereich der Rechtssache C-222/01). Anwendung soll diese Bestimmung dann finden, wenn die Umstände, die die Beziehung zwischen dem Wirtschaftsteilnehmer und der Verwaltung bestimmen, sich so darstellen, dass es unbillig wäre, diesem Wirtschaftsteilnehmer einen Nachteil aufzuerlegen, den er normalerweise nicht erlitten hätte.

Die Klägerin hat weder im Verwaltungsvorverfahren noch im gerichtlichen Verfahren derartige Umstände dargelegt. Denn zwischen ihr als der betroffenen Wirtschaftsteilnehmerin und der Verwaltungsbehörde bestanden gerade überhaupt keine Beziehungen. Die Klägerin hat sich -wie sie es selbst formuliert hat -als Hauptverpflichtete in den Versandscheinen eintragen lassen. Sie hat zwar gewusst, dass sie als Hauptverpflichtete dafür verantwortlich ist, für eine ordnungsgemäße Wiedergestellung der Waren Sorge zu tragen. Dann hat sie sich aber wissentlich gegen die zollrechtlichen Verpflichtungen und für ihre zielrechtlichen Vertragsbindungen entschieden. Diese von ihr als Konfliktsituation empfundene Lage am Abend des 31. März 2000 hat sie unmissverständlich dahingehend entschieden, dass sie die ihr aufgrund öffentlich rechtlicher Bestimmungen obliegenden Pflichten negiert hat. Es gab zwar zwischen ihr und der von ihr als Auftraggeberin bezeichneten Warenempfängerin Rücksprachen bzgl. des Anlieferungsortes für die Gemälde, und der Warenempfängerin standen auch nach dem Bekunden ihres damaligen Geschäftsführers Unterlagen über die Sendung zur Verfügung. Die Klägerin hat es aber nicht für erforderlich gehalten, sich auch mit der zuständigen Zollbehörde in Verbindung zu setzen. Die Klägerin bewertet sich selbst als eine im Transport von Kunstgegenständen erfahrene Wirtschaftsteilnehmerin. Dann war ihr auch bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Versandverfahrens klar, dass für diese kostbaren Gemälde die Durchführung der zollrechtlichen Abfertigung besonders sorgfältig geplant werden musste. Insoweit ergibt sich allerdings aus dem Sachverhalt auch, dass die Klägerin nach ihrem eigenen Bekunden weder auf den Transport selbst noch auf die Gestellung Einfluss nehmen konnte. Denn die Klägerin hat gerade nicht den Transport selbst durchgeführt oder selbst den Frachtführer ausgewählt.

Dies war ihr vielmehr vorgegeben, weil die Gemälde durch einen tschechischen Lkw transportiert werden mussten. Die Klägerin hat sich auch nicht darum gekümmert, als die doch immerhin sehr wertvolle Fracht auf den Lkw verladen wurde, ob die in den Versandscheinen aufgeführten Kunstgegenstände auch vollständig zur Versendung kamen. Obwohl ihr als erfahrener Wirtschaftsteilnehmerin bewusst sein musste, dass sie im Zweifelsfall für die Abgaben einzustehen hat, die auf die im Versandschein genannten Waren zu erheben sein könnten, hat sie sich von der Richtigkeit der Eintragungen bzgl. der Warenbezeichnung und der Übereinstimmung zwischen Papieren und Ladung auch nicht ansatzweise überzeugt.

Worin bei dieser Sachlage die Umstände zu sehen sein sollen, die die Beziehung zwischen Verwaltung und Wirtschaftsteilnehmer bestimmen und von den in vergleichbaren Fällen vorliegenden Umständen abweichen, ist nicht erkennbar. Die Verwaltungsbehörde hatte im Verlauf des gesamten Versandverfahrens mit der Klägerin zu keinem Zeitpunkt irgend einen Kontakt.

Die Klägerin muss sich auch vorhalten lassen, offensichtlich fahrlässig gehandelt zu haben. Zwar kann ihr, wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache C-222/01 (Urteil vom 29. April 2004, British American Tobacco) verdeutlicht hat, ein etwaiges schuldhaftes Verhalten des Warenempfängers nicht zugerechnet werden. Ob also das Verhalten der Y-GmbH bzw. ihres Geschäftsführers Herrn L den zollrechtlichen Vorgaben des dieser Firma bewilligten Zollverfahrens des zugelassenen Empfängers entsprach oder nicht, ist für die hiesige Betrachtung ohne Bedeutung. Daraus ergibt sich zugleich, dass es auch nicht darauf ankommt, welche Absprachen zwischen der Y-GmbH und dem Zollamt für eventuelle Gestellungen außerhalb des Amtsplatzes bzw. des Übergabeortes für den zugelassenen Empfänger und die Benachrichtigung des Zollamtes hierzu getroffen worden waren. Von derartigen Absprachen hat die Klägerin erkennbar nichts gewusst. Sie konnte derartige Absprachen mithin auch nicht in ihre Überlegungen einbeziehen. Die Klägerin ist vielmehr, wie sie selbst in ihrer Klagebegründung eingehend dargelegt hat, davon ausgegangen, dass die Verbringung des Versandgutes an einen anderen als den nach dem Gesetz oder der Zulassung vorgesehenen Ort allein durch die Genehmigung des zugelassenen Empfängers möglich wäre. Abgesehen davon, dass dies mit den zollrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen ist, ist der Vortrag der Klägerin insoweit auch unschlüssig. Denn wenn diese Auffassung wirklich ihrer Überzeugung entsprochen hätte, hätte sie sich gerade nicht in dem von ihr beschriebenen Dilemma befunden.

In der bereits zitierten Entscheidung des Gerichtshofes hat dieser unter Rdnr. 71 als Prüfungsmaßstab für das Gemeinschaftsgericht vorgegeben, dass bei der Frage des Vorliegens der offensichtlichen Fahrlässigkeit die Berufserfahrung des Hauptverpflichteten sowie das Ausmaß an Sorgfalt, mit der er die Personen ausgewählt hat, denen er die Beförderung der Ware übertragen hat, mit zu berücksichtigen sind.

Bzgl. der Berufserfahrung gehört die Klägerin sicherlich zu den erfahrenen Wirtschaftsteilnehmern, was ja auch ihrer eigenen Einschätzung entspricht. Bzgl. der ihr als Hauptverpflichteter obliegenden zollrechtlichen Verpflichtungen hat sie allerdings keinerlei eigene Entscheidungen getroffen. Denn sie hat sich selbst als Auftragnehmerin der Warenempfängerin verstanden und auf deren Weisung gehandelt. Sie hatte keinerlei Einfluss darauf, wer als Warenführer eingesetzt wurde. Eine Auswahlmöglichkeit stand ihr dabei gar nicht zu Gebote. Bei dieser Sachlage kommt die von der Klägerin selbst gewählte Formulierung, sie habe sich als Hauptverpflichtete einsetzen lassen, ihrem sich insoweit als Fehlverständnis ihrer rechtlichen Stellung herausstellenden Aufgabe als Hauptverpflichtete nahe. Die Klägerin muss sich daher vorhalten lassen, dass sie die ihr obliegenden Pflichten als Hauptverpflichtete im Versandverfahren vollständig negiert hat. Auch wenn ein solches Verhalten nicht in betrügerischer Absicht geschah, so ist es doch offensichtlich fahrlässig, weil damit die gebotene und der Klägerin mögliche Sorgfalt in einem besonders groben Ausmaß verletzt worden ist. Ein solches Verhalten lässt sich auch nicht mit einem formalen Verstoß auf eine Stufe stellen.

Die während der mündlichen Verhandlung angedachte Beiladung des Herrn L kommt aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht, denn Herr L kann von der vorliegenden Entscheidung unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt betroffen werden.

Die Kosten des erfolglosen Klageverfahrens hat die Klägerin gemäß § 135 Abs. 1 FGO zu tragen.

Ende der Entscheidung

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