Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Beschluss verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: 7 Ko 3125/08
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 52 Abs. 1
GKG § 53 Abs. 3 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 7 Ko 3125/08

In dem Rechtsstreit

wegen Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss v. 16.10.2008 i.S. 7 V 783/08

hat der 7. Senat des Hessischen Finanzgerichts am 28. Januar 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Erinnerungsführer (Ef.) wendet sich u.a. gegen die Bemessung des Streitwerts im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (AdV) mit 10 v.H. des Betrags, dessen Aussetzung begehrt wird.

Der Ef. hatte mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24.03.2008 die AdV der Umsatzsteuerbescheide, Einkommensteueränderungsbescheide und Gewerbesteuermessbescheide 2002-2004 vom 22.01.2008 beantragt. In der Antragsschrift hatte er als auszusetzenden Betrag bei der Umsatzsteuer jeweils die Summe der zu zahlenden Steuer und der Zinsen zur Steuer und bei der Einkommensteuer jeweils den in dem jeweiligen Leistungsgebot angegebenen Gesamtbetrag aus Steuer, Zinsen zur Steuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag angegeben.

Bei der Berechnung des Streitwerts berücksichtigte die Urkundsbeamtin lediglich die Steuerbeträge und setzte in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.10.2008 hiervon 10 % als Streitwert an. Die Einzelbeträge wurden auf Seite 3 des Kostenfestsetzungsbeschlusses aufgelistet. Außerdem wurde die neueste Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Fundstelle angegeben, wonach im AdV-Verfahren der Streitwert mit 10 v.H. des auszusetzenden Betrags zu bemessen ist.

Mit seiner Erinnerung vom 30.10.2008 macht der Ef. geltend, aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebe sich nicht, wie sich der Streitwert zusammensetze.

Außerdem seien in den Streitwert auch die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag einzubeziehen, weil dies dem umfassenden Antrag in der Antragsschrift vom 24.03.2008 entspreche. Der Gesamtbetrag sei zudem "Gegenstand des Durchsuchungsbeschlusses" bei dem Amtsgericht A, weshalb es notwendig gewesen sei, die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag bei der AdVAntragstellung und bei der Streitwertbemessung mit zu berücksichtigen. Der Ef. zitierte aus einem (nicht vorgelegten) Gutachten der Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz vom 06.06.2008, wo die Auffassung vertreten wird, das finanzielle Interesse des Steuerpflichtigen erstrecke sich auch auf die von der Steuer prozentual abhängige Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag.

Der Ansatz von lediglich 10 % des Streitwerts der Hauptsache spiegele nicht die Zinsersparnis wider. Das finanzielle Interesse eines Antragstellers im AdV-Verfahren lasse sich vor allem in einer möglichen Zinsersparnis ausdrücken, wobei 10 % den heutigen Marktverhältnissen nicht mehr gerecht würden. Ferner setzten die Verwaltungsgerichte 25 % des Hauptsachestreitwerts an. Es sollte gerichtsübergreifend einheitlich verfahren werden.

Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,

den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.10.2008 7 V 783/08 dahin gehend zu ändern, dass bei der Streitwertermittlung die Folgesteuern (Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag) einbezogen und 25 v.H. des so ermittelten Hauptsachestreitwerts angesetzt werden.

Der Erinnerungsgegner (Eg.) stellte keinen Antrag und äußerte sich im Erinnerungsverfahren nicht. Im Kostenfestsetzungsverfahren hatte er der Ermittlung des Streitwerts, wie sie die Urkundsbeamtin vornahm, zugestimmt.

II.

Die Erinnerung ist unbegründet.

1. Aus der Darstellung auf Seite 3 des Kostenfestsetzungsbeschlusses ergibt sich eindeutig, dass sich der auszusetzende Betrag im Rahmen der Streitwertberechnung allein aus den einzelnen (aufgelisteten) Nachforderungsbeträgen der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer zusammensetzt.

2. Nebenabgaben wie Zinsen und sog. Folgesteuern wie Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, die von der festgesetzten Steuer oder vom zu versteuernden Einkommen abhängen, bleiben bei der Streitwertberechnung nach § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) grundsätzlich außer Betracht, und zwar auch dann, wenn sie in dem Klageantrag ausdrücklich erwähnt sein sollten (h.M.; vgl. z.B. Gräber/Ruban, FGO, Vor § 135 Rz 26; Tipke/Kruse, FGO, Vor § 135 Tz. 184; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler [H/H/Sp], § 139 FGO Rz. 218). Das entspricht der Wertung des Gesetzgebers (Hinweis auf § 43 GKG, der hinsichtlich der Zinsen unmittelbar gilt). Eine Ausnahme - gesonderte Festsetzung z.B. in einem Zinsbescheid oder spezifische Einwendungen gegen die Nebenabgabe oder Folgesteuer - ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Für die Bestimmung des Streitwerts eines AdV-Verfahrens gilt nichts anderes (BFH, Beschl. v. 24.01.1979 I R 91/78, BStBl II 1979, 441; Dumke, in Schwarz, Kommentar zur FGO, § 69 Rz. 113a; Birkenfeld in H/H/Sp, § 69 FGO Rz. 1348).

Entgegen der Auffassung des Ef. war die Einbeziehung der Folgesteuern nicht etwa "notwendig" im Hinblick auf den angeblichen Durchsuchungsbeschluss des AG A. Abgesehen davon, dass es einen Durchsuchungsbeschluss nie gab, ein solcher vielmehr von dem Eg. lediglich beantragt war (Antrag vom 03.03.2008, zurückgenommen am 31.03.2008), umfasst die AdV eines Steuerbescheids etwaige in dem Bescheid enthaltene, von der betreffenden Steuerschuld abhängige Nebenabgaben und Folgesteuern (Hinweis auf § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO - "Soweit ..." - und die Bezeichnung von Steuerbescheiden, z.B. "Bescheid für 2002 über Einkommensteuer, Zinsen zur Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer"). Lediglich klarstellend hatte der Senat dem Ag. in dem Beschluss vom 09.09.2008 aufgegeben, die Vollziehung der Steuerbescheide auch hinsichtlich der Zinsen zur Steuer und der Folgesteuern auszusetzen, weil in Satz 1 des Tenors nur die (Haupt-)Steuerbeträge genannt wurden, in deren Höhe AdV gewährt wurde.

3. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in denen es auf die finanzielle Bedeutung der Sache für den Antragsteller ankommt (§ 53 Abs. 3 Nrn. 1 und 3 GKG), ist ein Bruchteil des Werts im Hauptsacheverfahren zugrunde zu legen, um der geringeren Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller im Verhältnis zum Klageverfahren Rechnung zu tragen.

Dieser Bruchteil beträgt in Verfahren auf Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der der Senat auch im Hinblick auf die Argumentation des Ef. folgt, 10 v.H. des auszusetzenden (Steuer-)Betrags (vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban Vor § 135 Rz. 35 unter "Aussetzung der Vollziehung").

Der auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte anzutreffenden Ansicht, den Streitwert im finanzgerichtlichen AdV-Verfahren in Anlehnung an die Praxis der Verwaltungsgerichte mit 25 v.H. des auszusetzenden Betrags zu bemessen (vgl. z.B. Sächsisches FG, Beschl. v. 14.06.2006 2 V 1992/04, n.v., juris; FG Düsseldorf, Beschl. v. 25.05.2005 11 V 5884/03 A (E), EFG 2005, 1285; FG Hamburg, Beschl. v. 31.10.2007 IV 169/05, EFG 2008, 488), ist der BFH nicht gefolgt (vgl. zuletzt Beschl. v. 14.12.2007 IX E 17/07, BStBl II 2008, 199 mit Verweis auf den Beschluss vom 26.04.2001 V S 24/00, BStBl II 2001, 498; vgl. auch FG Köln, Beschl. v. 05.02.2007 10 Ko 275/07, EFG 207, 793).

Die Zinsersparnis-Argumentation des Ef. überzeugt den Senat nicht, weil sie die Bedeutung der zinsrechtlichen Folgen des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens für die Einschätzung des wirtschaftlichen Vorteils einer AdV ignoriert.

Verzichtet der Steuerpflichtige auf ein AdV-Verfahren und entrichtet er die fälligen Steuern, so hat er im Falle des Obsiegens im Hauptsacheverfahren einen Zinsanspruch nach § 233a der Abgabenordnung (AO). Diesen Anspruch hat er (natürlich) nicht, wenn - z.B. wegen AdV - die zunächst festgesetzte und zu hohe Steuer nicht entrichtet worden war (§ 233 Abs. 3 Satz 3 AO). Umgekehrt muss ein Steuerpflichtiger, dem AdV gewährt worden war, im Falle des Unterliegens im Hauptsacheverfahren Aussetzungszinsen zahlen (§ 237 AO). Diese Regelungen relativieren die finanzielle Bedeutung einer AdV erheblich.

Einer Kostenentscheidung bedarf es in dem gerichtsgebührenfreien Erinnerungsverfahren nicht. Kosten werden nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

Zurück