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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: 10 K 616/03
Rechtsgebiete: UStG, UStDV


Vorschriften:

UStG § 3a
UStG § 18 Abs. 8
UStG § 18 Abs. 9
UStDV § 51 Abs. 3 S. 1
UStDV § 54
UStDV § 55
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 K 616/03

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die M-GmbH zur Einbehaltung und Abführung von Umsatzsteuer im Rahmen des Umsatzsteuer-Abzugsverfahrens verpflichtet war. Die M-GmbH war Empfänger von umsatzsteuerpflichtigen Werklieferungen der Firma I. Rechtsnachfolger der M-GmbH war die M-oHG, auf die die M-GmbH umgewandelt worden ist. Rechtsnachfolger der M-oHG wiederum ist die Klägerin, die als verbundenes Unternehmen zur Firmengruppe S gehört, der am Stammkapital der M-GmbH zusammen mit Herrn R zu jeweils 50% beteiligt war (Gesellschafterbeschluss, RBSt-Akte). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sich Geschäftsleitung und Sitz der I in der Stadt X, Polen befunden haben; unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, ob die I zumindest in den Jahren ab 1996/97 in der Stadt L (BRD) auch über eine Zweigniederlassung unter der Anschrift "C-Str." bzw. "W-Str." verfügte, mit der Folge, dass die Klägerin gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV von der Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Umsatzsteuer für die I befreit wäre.

Hinsichtlich der Hintergründe zu I wird Bezug genommen auf das den Beteiligten bekannte Urteil in der Sache 10 K 614/03 vom heutigen Tage. Auf Anregung des FA B wurde im Jahr 2001 bei Firmengruppe S eine Betriebsprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 durch das FA für Großbetriebsprüfung der Stadt H durchgeführt. Auch insoweit wird wegen der Einzelheiten auf das Urteil in der Sache 10 K 614/03 Bezug genommen.

Aus der Prüferhandakte ergibt sich folgende unter Mitwirkung des steuerlichen Beraters der Klägerin erstellte Übersicht über die Vorsteuer aus den an die S-Gruppe erbrachten Leistungen:

TABELLE_1

Außerdem enthält die Übersicht den Hinweis, dass aus der Pfändung von Forderungen der I gegenüber der S-Gruppe Umsatzsteuer-Zahlungen für I an das FA B in Höhe von 142.758 DM geflossen sind (mit Kontoauszügen betr. die Zahlungen auf Pfändungen). Die Haftungssumme berechnete der Prüfer für 1997 mit 35.739 DM (18.273 EUR) und für 1998 mit 45.779 DM (23.407 EUR; BP-Bericht vom 4. Juli 2001). Der Beklagte folgte dieser Beurteilung und erließ am 29. April 2002 einen entsprechenden Haftungsbescheid für die Umsatzsteuer der Jahre 1997 und 1998.

Mit der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2003 wurde die Haftungsschuld für Umsatzsteuer 1997 auf 11.999 EUR (23.468 DM) herabgesetzt und für das Jahr 1998 auf 11.564 EUR (22.617 DM). Auch insoweit wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf das Urteil in der Sache 10 K 614/03 vom heutigen Tage.

Die Klägerin hält den Haftungsbescheid bereits dem Grunde nach für rechtswidrig, weil der Beklagte örtlich unzuständig und die I im Inland ansässig gewesen sei. Außerdem verstießen die Regelungen des Umsatzsteuer-Abzugsverfahrens gegen das EU-Gemeinschaftsrecht. Wegen der Einzelheiten wird wiederum Bezug genommen auf das Urteil in der Sache 10 K 614/03.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 29. April 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2003 aufzuheben,

hilfsweise

die Zulassung der Revision (v.u.g.).

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Zulassung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht in Haftung genommen, weil es sich bei der I um ein im Ausland ansässiges Unternehmen ohne Zweigniederlassung im Inland gehandelt hat. Wegen der Einzelheiten wird wiederum Bezug genommen auf das Urteil in der Sache 10 K 614/03, von dem eine Ablichtung beigefügt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war trotz der wirtschaftlichen Bedeutung des Falls und trotz der hoch streitigen Rechtsfragen nicht zuzulassen, weil es sich bei den einschlägigen Regelungen des Umsatzsteuer-Abzugsverfahrens um seit Ende 2001 ausgelaufenes Recht handelt.

Anhang:

Neutralisierte Fassung des bereits veröffentlichten Urteils des 10. Senates des Finanzgerichts Köln, Aktenzeichen: 10 K 614/03 vom 18.10.2006:

".....

Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zur Einbehaltung und Abführung von Umsatzsteuer im Rahmen des Umsatzsteuer-Abzugsverfahrens verpflichtet war. Die Klägerin gehört als verbundenes Unternehmen zur Firmengruppe des Herrn N, der am Stammkapital der Klägerin zu 90% beteiligt war. Die Klägerin war Empfänger von umsatzsteuerpflichtigen Werklieferungen der Firma I. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sich Geschäftsleitung und Sitz der I in der Stadt X (Ausland )befunden haben; unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, ob die I zumindest in den Jahren ab 1996/97 in der Stadt L, BRD auch über eine Zweigniederlassung unter der Anschrift "C-Str." bzw. "Y-Str." verfügte, mit der Folge, dass die Klägerin gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV von der Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Umsatzsteuer für die I befreit wäre.

Generalbevollmächtigter der I war ein Herr F. Die I nahm zunächst die sog. Null-Regelung in Anspruch und erteilte bis etwa 1995 Rechnungen ohne gesonderten Ausweis von Umsatzsteuer. Die steuerlichen Angelegenheiten der I wurden durch Steuerberater O (StB) erledigt (Bestätigung vom 17. Mai 2002, GA Bl. 15). Mitte 1994 gründete F die in der Folgezeit als sog. "inländische Repräsentanz" der I verwendete F-GmbH. Die Eintragung der F-GmbH in das Handelsregister erfolgte im September 1994. Der Bevollmächtigte der Klägerin gibt an, dass die Gründung der F-GmbH erfolgt sei, nachdem F mit dem Versuch gescheitert sei, die I als Zweigniederlassung in das inländische Handelsregister eintragen zu lassen. Der Beklagte bestreitet dies jedoch und erklärt, dass zu keinem Zeitpunkt ein Antrag auf Eintragung einer Zweigniederlassung für I feststellbar sei. Eine schriftliche und telefonische Nachfrage beim Amtsgericht der Stadt L - Handelsregister - ob und wenn ja wann für die Firma I ein Antrag auf die Eintragung einer Zweigniederlassung (§ 13 HGB) in das Handelsregister gestellt worden sei, wurde vom zuständigen Bearbeiter (Herr K) im Telefonat vom 10. Oktober 2006 verneint; es seien weder Eintragungen noch Eintragungsanträge betreffend die I feststellbar, und zwar weder unter der Anschrift "C-Str." noch unter der Anschrift "Y-Str.". Auch bei der F-GmbH, für die die Handelsregisterauszüge in Kopie übersandt wurden, finden sich keine Eintragungen, die auf einen Bezug zu I hindeuten oder darauf, dass die F-GmbH als "inländische Repräsentanz" der I gegründet worden sei.

Das damals für die Besteuerung der I zuständige FA M hatte sich bereits im November 1994 an den StB gewandt, weil ermittelt werden sollte, ob zumindest ertragsteuerlich von einer inländischen Betriebstätte auszugehen sei. Trotz mehrfacher Aufforderung erhielt das FA M erst am 5. Oktober 1995 ein Schreiben von StB, in welchem ohne weitere Nachweis-Unterlagen lediglich mitgeteilt wurde, dass eine inländische Betriebstätte der I nicht vorhanden sei.

Ende 1995 beantragte der StB beim Bundesamt für Finanzen (BfF), der I - wie bereits in den Jahren zuvor - ihre Vorsteuerbeträge zu vergüten. Das BfF beschied diesen Antrag nicht sofort, sondern wandte sich zunächst an das FA M wegen der zwischenzeitlich dort für I geführten Steuernummer. Das FA M teilte dem BfF anschließend mit, dass wegen einer möglichen Betriebstätte im Inland eine Schätzung der Körperschaftsteuer für 1994 und 1995 ins Auge gefasst sei. Das BfF lehnte den Antrag daraufhin im August 1996 ab, mit der Begründung, dass die Vorsteuer-Vergütungen nicht im Vergütungsverfahren der §§ 59 ff. UStDV, sondern im allgemeinen Besteuerungsverfahren erfolgen würden. Dieser Ablehnungsbescheid ist heute allerdings weder in den vorhandenen Steuerakten noch bei StB O noch in den Unterlagen des F oder der Klägerin auffindbar (GA Bl. 3). Gleichzeitig teilte es dem FA M mit Schreiben vom 22. August 1996 betreffend den Vergütungszeitraum Januar 1994 bis März 1995 unter Hinweis auf die Begründung im Ablehnungsbescheid mit, dass die nicht im Inland ansässige I im allgemeinen Besteuerungsverfahren nach den §§ 16 und 18 UStG zu veranlagen sei. Das FA M kam im weiteren Verlauf des Verfahrens zu dem Schluss, dass - unabhängig vom Vorliegen einer Betriebstätte (§ 12 AO 1977) - bereits durch die Anwesenheit von F als ständigem Vertreter (§ 13 AO 1977) eine eine beschränkte Steuerpflicht der I zu bejahen sei und schätzte nach weiteren unbeantworteten Erörterungsschreiben die Körperschaftsteuer mit Bescheid vom 15. August 1996. Der nicht begründete Einspruch blieb ohne Erfolg (EE vom 15. Februar 1997). Wegen Nichtbegleichung der Steuerschuld der I wurde F mit Bescheid vom 16. Mai 1997 für die Steuerschulden der I Haftung genommen. Der nicht begründete Einspruch blieb ohne Erfolg. Die dagegen erhobene Klage wurde am 28. September 1998 zurückgenommen.

Parallel dazu führte die Ablehnung der Vorsteuervergütung durch das BfF bei der I offensichtlich zu der Annahme, sie unterliege als im Inland ansässiger Unternehmer der Umsatzbesteuerung gemäß §§ 16 und 18 UStG. So heißt es beispielsweise in einem Geschäftsbrief der I vom 21. November 1997: ... die I mit Sitz im Ausland "hat im Inland eine Betriebstätte erreicht und führt demgemäß als inländischer Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Leistungen aus" (GA Bl. 37). Die I erteilte deshalb u. a. der Klägerin - auch rückwirkend für Rechnungen ab Mitte des Jahres 1996 (Rg. v. 16.6.1997, Prüferhandakte) - geänderte Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis. Die Rechnungen der I beinhalteten im Kopf neben der Firma oben rechts die ausländische Anschrift mit Telefon- und Fax-Nummer und darunter - neben dem Feld für den Rechnungsadressaten auf der linken Seite - auf der rechten Seite eine deutsche Anschrift der I (Y-Str.) einschl. deutscher Telefon- und Fax-Nummer, obwohl sich die Betriebstätte der I nach Aktenlage in der "C-Str." befunden haben soll (vgl. etwa Bericht über die über I durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung, Bericht über die später bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung, sowie Beschluss des AG der Stadt L über die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der I).

Insbesondere wegen der auch rückwirkenden Inrechnungsstellung von Umsatzsteuer für Rechnungen ab Mitte 1996 kam es 1997 zu erheblichen Nachzahlungen der Klägerin gegenüber der I einerseits und zu entsprechenden Vorsteuererstattungen der Klägerin gegenüber dem Beklagten andererseits. Die sich so ergebende Umsatzsteuer für 1997 erklärte die I jetzt wieder unter der Anschrift "C-Str." gemäß §§ 16 und 18 UStG gegenüber dem inzwischen örtlich zuständig gewordenen FA B, welches im Rahmen einer Sonderzuständigkeit für die Besteuerung von im Ausland ansässigen Werkvertragsunternehmen im Raum der Stadt L zuständig geworden war. Die Umsatzsteuererklärung für 1997 war unter Mitwirkung von StB O angefertigt und von F unterschrieben worden. Weder die Rechnungen noch die Umsatzsteuererklärung für 1997 enthalten einen Hinweis auf die F-GmbH als inländische Repräsentanz der I. Die Abrechnung zur Umsatzsteuer 1997 vom 28. Juli 1998 wurde an die F-GmbH "als Empfangsbevollmächtigter" für die I adressiert (Prüferhandakte).

Die den erbrachten Werkleistungen zugrunde liegenden Verträge wurden jedenfalls ab 1997 zwischen der Klägerin und der I, Stadt X (Ausland), vertreten durch die F-GmbH, diese vertreten durch F "Y-Str.", geschlossen. Die für die einzelnen Gewerke jeweils notwendigen Arbeitserlaubnisse wurden der I vom Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen ebenfalls unter der Anschrift "Y-Str." erteilt (Prüferhandakte, Beispiel-Verträge und Arbeitserlaubnisse). Letztlich ist heute nicht mehr feststellbar welche Aktivitäten die I unter der Anschrift C-Str. einerseits und der Anschrift Y-Str. andererseits entfaltet hat. Die Klägerin und der Beklagte sind sich darüber einig, dass eine komplette Sachverhaltsfeststellung in allen Einzelheiten mit den genauen zeitlichen Abläufen heute nicht mehr möglich ist (GA Bl. 3 einerseits sowie EE andererseits).

Ende 1998 führte das FA B bei der I eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Monate Januar bis August 1998 durch. Als auskunftgebende Personen standen u. a. F und StB O zur Verfügung. Danach handelte es sich bei der I um eine ausländische Kapitalgesellschaft, die in der Stadt L, C-Str. eine Betriebstätte mit der Folge der Körperschaftsteuer- und Lohnsteuerpflicht unterhalten habe. Lt. Prüfungsbericht vom 5. November 1998 wurden im Inland weder Sitz, Geschäftsleitung noch eine Zweigniederlassung unterhalten. Diese Feststellung wurde nach Aktenlage von der I und ihren Vertretern nicht weiter angegriffen, was sich auch aus dem in den Akten befindlichen Geschäftsbrief der I vom 21. November 1997 (s.o.) ergibt.

Ebenfalls im Dezember 1998 sprach F bei der Vollstreckungsstelle des FA B vor, um die Aussetzung von Kontenpfändungen zu erreichen, die gegenüber I wegen der Nichtzahlung fälliger Steuerschulden ausgebracht worden waren. F erklärte dabei, dass die wirtschaftliche Lage des Unternehmens durch die nicht einkalkulierte Belastung mit Körperschaftsteuer- und Lohnsteuer-Verbindlichkeiten überaus angespannt sei. Auch in der Folgezeit wurden die getroffenen Zahlungsvereinbarungen jedoch nicht eingehalten. Durch Beschluss des AG der Stadt L vom 2. Juni 1999 wurde auf Antrag des FA B vom 8. Dezember 1998 das Konkursverfahren über das Vermögen der "Firma I., C-Str. in der Stadt L mit Sitz in der Stadt X (Ausland)" eröffnet. Parallel schätzte das FA B, welches die vorangemeldeten Umsatzsteuer-Zahllasten zur Konkurstabelle angemeldet hatte, die Besteuerungsgrundlagen der I für die Umsatzsteuer 1998. Die Abrechnung zur Umsatzsteuer 1998 vom 13. August 1999 wurde an RA E als Konkursverwalter für I adressiert (Prüferhandakte). Ausweislich der Rückstandsanzeigen und der Anmeldung zur Konkurstabelle bestehen Körperschaftsteuer-, Lohnsteuer- und Umsatzsteuerrückstände der I. Die Umsatzsteuerrückstände der I für die Jahre 1997 und 1998 betrugen nach Auskunft des mittlerweile zuständigen FA P 155.751 EUR bzw. 107.873 EUR. Diese Zahlen wurden vom Konkursverwalter bestätigt. Das Konkursverfahren ist zwischenzeitlich auch abgeschlossen (Aufhebungsbeschluss vom 2. Februar 2006). In der Schlussverteilung vom 27. Juli 2006 erhielt die Finanzverwaltung - FA P - nach Auskunft des Konkursverwalters vom 10. Oktober 2006 eine Quote von 38,1% auf beide Forderungen. Das FA P erklärte allerdings mit Schreiben vom 16. Oktober 2006, dass die dem FA P zustehende Quote bereits in voller Höhe ausgezahlt und verbucht worden sei.

Mit Verfügung vom 20. November 2000 regte das FA B an, die Umsätze zwischen der I und der Klägerin zum Zwecke der Haftung festzustellen. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der I sei festgestellt worden, dass die zunächst ohne Umsatzsteuer-Ausweis erstellten Rechnungen (Null-Regelung) nachträglich geändert worden seien und die Umsatzsteuer offen ausgewiesen worden sei. Die entsprechenden Umsätze seien von der I angemeldet worden, jedoch sei die daraus resultierende Steuer ab dem Veranlagungszeitraum 1997 ff. nicht entrichtet worden. Die Klägerin als Leistungsempfänger habe die Einbehaltung und Abführung der ihr Rechnung gestellten Umsatzsteuer unterlassen, ohne sich durch eine Bescheinigung gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 UStDV nachweisen zu lassen, dass es sich bei der I um ein im Inland ansässiges Unternehmen gehandelt habe. Daraufhin wurde im Jahr 2001 bei Firmengruppe des Herrn N eine Betriebsprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 durch das FA für Großbetriebsprüfung H durchgeführt. Im Zuge der Prüfung teilte das FA B dem Prüfer mit, es sei kein Antrag auf Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung für I i.S. § 13 HGB beim Handelsregister gestellt worden. Daher sei keine Bescheinigung ausgestellt worden, dass es sich bei der I um ein im Inland ansässiges Unternehmen handle (Schreiben vom 25.04.2001, Prüferhandakte).

Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass die I im Ausland ansässig sei. Die I habe zwar zumindest im Prüfungszeitraum auch in der C-Str. eine Betriebstätte unterhalten. Sie habe jedoch im Inland weder über einen Sitz, ihre Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung verfügt. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass die I zunächst selbst als ausländisches Unternehmen aufgetreten sei und von der Null-Regelungsgebrauch gemacht habe. Für eine Zweigniederlassung i.S. § 13 HGB habe es an der erforderlichen Eintragung im Handelsregister gefehlt. Die steuerliche Erfassung wegen einer Betriebstätte im Inland als beschränkt Steuerpflichtiger im Rahmen der Körperschaftsteuer sei für die umsatzsteuerliche Beurteilung der Ansässigkeit des Unternehmers ohne Bedeutung, auch wenn es unbefriedigend sei, dass ertragsteuerlich eine inländische Betriebstätte vorliege, die Firma umsatzsteuerlich jedoch als ausländischer Unternehmer angesehen werde; Zweigniederlassungen seien gemäß § 12 Satz 2 Nr. 2 AO 1977 zwar als Betriebstätte anzusehen, nicht jede Betriebstätte sei jedoch auch eine Zweigniederlassung (Schreiben vom 27. März bzw. 5. Juni 2002, RBSt-Akte).

Aus der Prüferhandakte ergibt sich folgende unter Mitwirkung des steuerlichen Beraters der Klägerin erstellte Übersicht über die Vorsteuer aus den an die N-Gruppe erbrachten Leistungen:

 KlägerinG GmbH/OHG
 VorsteuerVorsteuer
1997: 83.103 DM35.739 DM
1998: 45.511 DM45.779 DM
 128.614 DM81.518 DM

Außerdem enthält die Übersicht den Hinweis, dass aus der Pfändung von Forderungen der I gegenüber der N-Gruppe Umsatzsteuer-Zahlungen für I an das FA B in Höhe von 142.758 DM geflossen sind (mit Kontoauszügen betr. die Zahlungen auf Pfändungen). Die Haftungssumme berechnete der Prüfer für 1997 mit 83.103 DM und für 1998 mit 45.511 DM (BP-Bericht vom 4. Juli 2001). Der Beklagte folgte dieser Beurteilung und erließ am 18. Februar 2002 einen entsprechenden Haftungsbescheid für die Umsatzsteuer der Jahre 1997 und 1998.

Mit der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2003 wurde die Haftungsschuld für Umsatzsteuer 1997 auf 27.873 EUR (54.515 DM) herabgesetzt und für das Jahr 1998 auf 11.079 EUR (21.668 DM), weil die Beteiligten übereinstimmend zu dem Ergebnis kamen, dass Zahlungen im Vollstreckungsverfahren auf die Steuerschuld der I sich haftungsmindernd auswirkten (Bezugnahme auf das Schreiben des Beklagten vom 10. Dezember 2002, RBSt-Akte, unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 8. August 1991, BStBl II 1991, 939, mit Anlage zur Berechnung; ebenso Anlage zur EE). Der Bevollmächtigte der Klägerin hatte der dezidierten Berechnung der Quote mit Schreiben vom 10. Januar 2003 (RBSt-Akte) aus Gründen der Vereinfachung zugestimmt, da beide Beteiligte der Auffassung waren, dass eine vollständige Sachverhaltsaufklärung nicht mehr möglich sein würde. Streitig ist deshalb nur noch die Haftung dem Grunde nach, insbesondere die Frage, ob die Klägerin im Hinblick auf eine mögliche inländische Zweigniederlassung der I überhaupt zur Durchführung des Abzugsverfahrens verpflichtet war. Dazu führte der Beklagte aus: Für die Frage der Ansässigkeit sei es ohne Bedeutung, ob der ausländische Unternehmer im Inland eine Betriebstätte i.S. § 12 AO 1977 unterhalte. Eine Zweigniederlassung i.S. § 51 Abs. 3 UStDV liege mangels Eintragung ins Handelsregister nicht vor; es sei nicht mal der Antrag auf eine solche Eintragung gestellt worden. Aber selbst wenn man nicht auf die fehlende Eintragung abstellen wolle, so sei unklar, ob die angegebenen Örtlichkeiten der F-GmbH, dem F oder tatsächlich der I zuzurechnen gewesen seien. Insoweit sei heute keine Feststellung mehr möglich. Vor allem aber habe die I zunächst von der Null-Regelung Gebrauch gemacht, die nur für ausländische Unternehmer in Betracht komme. Als dann davon abweichend Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt worden seien, hätte sich die Klägerin die Bescheinigung i.S. § 51 Abs. 3 Satz 3 UStDV vorlegen lassen müssen, um der Haftung zu entgehen. Die Inanspruchnahme der Klägerin sei auch ermessensgerecht. Eine Realisierung der Steueransprüche bei der I sei wegen des Konkurses nicht möglich. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Rückstände wegen unzureichender Vollstreckungsmaßnahmen durch das FA B aufgelaufen seien. Schließlich habe das FA B die I auch nicht zur Erteilung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis veranlasst, sondern die I sei fälschlicherweise davon ausgegangen, nicht mehr von der Null-Regelung Gebrauch machen zu können. Auch aus der Erteilung einer Steuer-Nr. für ertragsteuerliche Zwecke ergebe sich nichts anderes.

Die Klägerin macht geltend, die I sei etwa seit 1991 bis zu ihrem Konkurs ununterbrochen als Subunternehmer für namhafte deutsche Großunternehmen auf dem inländischen Baumarkt tätig gewesen. Sie habe in den Jahren 1997 und 1998 erhebliche Umsätze von rd. 4 Milo. bzw. 3 Milo. DM erzielt und in der Stadt L über komplette eingerichtete Büroräume und eine große Anzahl von Arbeitnehmern verfügt. Die I sei bei den zuständigen FA für die Körperschaftsteuer und die Lohnsteuer geführt worden. Die I habe unstreitig über eine Betriebstätte und damit auch über eine Zweigniederlassung verfügt, auch wenn eine solche nicht im Handelsregister eingetragen worden sei. Denn die Eintragung einer Zweigniederlassung im Handelsregister habe lediglich deklaratorische Bedeutung (Bezugnahme auf BayObLG, Beschluss vom 11. Mai 1979 - Breg. 1 Z 21/79, DB 1979, 1936). Bei einer anderen Auslegung sei das Abzugsverfahren im Rahmen der Umsatzsteuer nicht richtlinienkonform. Auch die Regelung des § 3a UStG bestätige, dass für die Umsatzsteuerpflicht auf das Vorhandensein einer Betriebstätte abgestellt werde. Der Begriff der Betriebstätte und auch der der Zweigniederlassung sei in Anlehnung an das Umsatzsteuer-Gemeinschaftsrecht nur noch als "feste Niederlassung" zu definieren, die vorliege, wenn die Niederlassung den erforderlichen Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln aufweise. Davon sein Streitfall auszugehen.

Darüber hinaus hat die Klägerin Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Beklagten betreffend den Erlass eines Haftungsbescheid für die Umsatzsteuer der I. Schließlich sei fraglich, ob das Abzugsverfahren überhaupt mit Art. 21 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage-- (Richtlinie 77/388/EWG) vereinbar sei, sodass eine Haftung ohnehin ausscheiden würde. Insbesondere die sog. Null-Regelung (§ 52 Abs. 2 UStDV 1993) sei durch die Richtlinie 77/388/EWG nicht gedeckt. Wegen dieser gemeinschaftsrechtlichen Bedenken habe der Gesetzgeber die §§ 51 ff. UStDV 1993 zum 1. Januar 2002 abgeschafft und durch den Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger ersetzt (§ 13b UStG). Ebenfalls nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei es, den steuerpflichtigen Unternehmer durch den Erlass eines Haftungsbescheids mit dem Insolvenzrisiko eines nicht im Inland ansässigen Unternehmers zu belasten, während er bei einem im Inland ansässigen Unternehmer hiervon befreit gewesen wäre. Durch das Umsatzsteuer-Abzugsverfahren der §§ 51 ff. UStDV 1993 würden deshalb im Ausland ansässige Leistende diskriminiert.

Der Kläger beantragt, den Haftungsbescheid vom 18. Februar 2002 in Gestalt des Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2003 aufzuheben, hilfsweise die Zulassung der Revision (v.u.g.).

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Zulassung der Revision.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass das Vorhandensein einer Zweigniederlassung grundsätzlich die Eintragung im Handelsregister erfordere. Eine andere Auslegung ergebe sich auch nicht aus dem von der Klägerin angeführten BFH-Urteil vom 22. Mai 2003 V R 97/01. Denn die dortigen Ausführungen zur Ansässigkeit beträfen das Vergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG), während es im vorliegenden Fall um das Abzugsverfahren gehe, das das Gemeinschaftsrecht nicht in gleicher Weise berühre wie das Vergütungsverfahren.

Außerdem sei im Streitfall unabhängig davon, ob von einer Zweigniederlassung ausgegangen werden könne, die Haftung bereits deshalb gegeben, weil die Klägerin nach den gesamten Umständen des Falles zumindest habe bezweifeln können, dass die I im Inland ansässig gewesen sei. Dies ergebe sich aus § 51 Abs. 3 Satz 3 UStDV. Die Klägerin habe sich nicht in der vorgeschriebenen Weise nachweisen lassen, dass I kein im Ausland ansässiger Unternehmer gewesen sei. Die Vorschriften verstießen auch nicht deshalb gegen Gemeinschaftsrecht, weil sie den Kläger speziell mit dem Insolvenzrisiko ausländischer Unternehmer belaste. Denn die Haftung gemäß § 55 UStDV trete nicht infolge der Insolvenz des ausländischen Unternehmers ein, sondern wegen der Nichtbeachtung der Einbehaltungs- und Abführungspflicht durch den Leistungsempfänger.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht in Haftung genommen, weil es sich bei der I um ein im Ausland ansässiges Unternehmen ohne Zweigniederlassung im Inland gehandelt hat.

1. Aufgrund von § 18 Abs. 8 UStG 1993 i.V.m. §§ 51, 54 UStDV 1993, die zum 1. Januar 2002 durch die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b UstG) abgelöst wurden, hatte der Leistungsempfänger in den Streitjahren für Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers die Steuer von der Gegenleistung einzubehalten, anzumelden und an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen. Der Leistungsempfänger haftet gemäß § 55 UStDV für die nach § 54 UStDV anzumeldende und abzuführende Steuer.

a) Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten war der Beklagte örtlich zuständig für den Erlass des Haftungsbescheids gegen die Klägerin. So sieht § 51 Abs. 1 UStDV ausdrücklich die Abführung der Steuer durch den Leistungsempfänger an das für ihn zuständige Finanzamt vor. Dementsprechend ist dieses Finanzamt auch für den Erlass eines etwaigen Haftungsbescheids gegen die Klägerin als Leistungsempfänger zuständig.

b) Die Regelung der Einbehaltungs- und Abführungspflicht für die Umsätze eines nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmers sowie einer diesbezüglichen Haftung des Leistungsempfängers für die einzubehaltende und abzuführende Steuer durch die §§ 51, 54 und 55 UStDV ist durch die Ermächtigung in § 18 Abs. 8 Sätze 1 und 2 UStG vollumfänglich gedeckt. Eine solche Ermächtigung gibt dem BMF sachnotwendig auch ohne ausdrückliche Aussage die Möglichkeit, die Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Steuer auch in den Fällen zu regeln, in denen dem Leistungsempfänger Zweifel kommen müssen, ob sich der Leistungsaustausch mit einem im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer vollzieht. Letztlich als Haftender einzustehen hat der Leistungsempfänger entgegen der Ansicht des Beklagten indessen nach dem eindeutigen Wortsinn der Ermächtigung nur für die Steuer, die auf die Umsätze eines (objektiv) nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmers entfällt; bloße Zweifel einer Ansässigkeit allein führen noch nicht zu Haftung. Das ist auch sachgerecht, weil in den Fällen, in denen feststeht, dass der Umsatz von einem im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer erbracht worden ist, der Steuergläubiger ohnehin stets das Risiko des Steuereingangs trägt (BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 V R 167/84, BFHE 161, 191, BStBl II 1990, 1095, BFH-Beschluss vom 31. Januar 1985 V B 57/84, BFHE 143, 169, UR 1985, 155). Absatz 1 Satz 1 des § 51 UStDV wird demnach durch Absatz 3 Satz 3 dieser Bestimmung eingeschränkt. Ist der leistende Unternehmer zwar (objektiv) nicht im Erhebungsgebiet ansässig, ist aber zweifelhaft, ob der Unternehmer diese Voraussetzungen erfüllt, so darf der Leistungsempfänger die Einbehaltung und Abführung der Steuer unterlassen, allerdings nur, wenn ihm der Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen Finanzamtes nachweist, dass er kein im Ausland ansässiger Unternehmer ist (§ 51 Abs. 3 Satz 3 UStDV; BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 V R 167/84, BFHE 161, 191, BStBl II 1990, 1095; ferner BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 12/02, BFH/NV 2005, 1158, HFR 2005, 1012).

c) Die Klägerin war ein objektiv nicht im Erhebungsgebiet ansässiger Unternehmer i.S. §§ 51 ff. UStDV.

aa) Ein im Ausland ansässiger Unternehmer im Sinne dieser Vorschriften ist nach der Legaldefinition in § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV ein Unternehmer, der weder im Inland noch auf der Insel Helgoland oder in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung hat.

bb) Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten geht der erkennende Senat von der Rechtsverbindlichkeit dieser Legaldefinition trotz § 3a UStG und der Rechtsprechung zu § 18 Abs. 9 UStG im Streitfall aus.

aaa) § 3a Abs. 1 Satz 2 UStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung bestimmte als Ort der sonstigen Leistung für den Fall, dass die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte aus ausgeführt wird, die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung. Daraus schließt der Bevollmächtigte allerdings zu Unrecht, dass auch für den Begriff der Ansässigkeit der Begriff der Betriebstätte maßgeblich sein muss. Denn Regelungsgegenstand des § 3a UStG ist lediglich die Bestimmung des Ortes einer sonstigen Leistung für die Frage ihrer Steuerbarkeit. Für die Frage der Ansässigkeit hat sich der Gesetzgeber bewusst nicht am Betriebsstättenbegriff orientiert, weil angesichts des weiten Betriebsstättenbegriffs gemäß § 12 AO 1977 das Abzugsverfahren weitgehend leergelaufen wäre; er hat vielmehr am Begriff der handelsrechtlichen Zweigniederlassung (§ 13 HGB) angeknüpft, der eine sehr viel stärkere örtliche Manifestierung erfordert (Rau/Dürrwächter/Stadie, UStG, § 18 Rz 442).

Den vom Bevollmächtigten angenommenen Wertungswiderspruch, den Ort der sonstigen Leistung einerseits durch das relativ leicht erfüllbare Merkmal der Betriebstätte in das Inland zu holen und andererseits dem Leistungsempfänger durch die höheren Anforderungen der Zweigniederlassung verstärkt die Pflichten des Abzugsverfahrens aufzubürden, sieht der erkennende Senat nicht. Denn der Ort der sonstigen Leistung wird im Streitfall nicht über das Merkmal einer inländischen Betriebstätte in das Inland geholt. Vielmehr gilt gemäß § 3a Abs. 2 UStG eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück (wie etwa auch die Ausführung von Bauleistungen) abweichend von Abs. 1 der Vorschrift - bereits unabhängig vom Vorhandensein einer Betriebstätte - als dort ausgeführt, wo das Grundstück liegt.

bbb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung zu § 18 Abs. 9 UStG, §§ 59 ff. UStDV, die das Vorsteuer-Vergütungsverfahren für Unternehmer regeln, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind. Für diese Vorschriften nimmt die Rechtsprechung an, dass es sich bei dem insoweit maßgeblichen Begriff der Ansässigkeit um einen gemeinschaftsrechtlichen Begriff handelt, dessen Inhalt EU-richtlinienkonform am gemeinschaftsrechtlichen Begriff der festen Niederlassung zu bestimmen ist, ohne dass ein Rückgriff auf die Begriffsbestimmungen in der AO 1977 möglich wäre (BFH-Urteile vom 22. Oktober 2003 V R 95/01, BFH/NV 2004, 828, HFR 2004, 791 mit Merkmal-Katalog für eine in Luxemburg ansässige Briefkastengesellschaft unter Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 22. Mai 2003 V R 97/01, BFHE 203, 193 , BStBl II 2003, 819 ). Trotz dieser Rechtsprechung hat der BFH auch in seinen jüngeren Urteilen die Regelungen und Begriffsbestimmungen des Abzugsverfahrens hinsichtlich der Haftung für wirksam und anwendbar gehalten und trotz der Bedenken gegen die Richtlinienkonformität hinsichtlich der Null-Regelung einen Verstoß jedenfalls der Haftungsregelungen selbst gegen das Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen Art. 21 und Art. 22 Abs. 7 der Richtlinie 77/388/EWG, verneint (BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 12/02, BFH/NV 2005, 1158, HFR 2005, 1012 für Bauleistungen, die von einer niederländischen Firma mit deutscher Steuer-Nr. und deutscher Bankverbindung ausgeführt worden waren; ebenso EuGH-Urteil vom 11. Mai 2006 C-384/04 (FTI) zu einer vergleichbaren Regelung des britischen Rechts). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

Soweit die Klägerin geltend macht, ihr als Haftungsschuldner dürfe nicht das Insolvenzrisiko des Leistenden (hier: I) aufgebürdet werden, greift auch dieser Einwand nicht durch. Die steuerlich beratende Klägerin hätte aufgrund der § 18 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 UStG, § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStDV nämlich kein Insolvenzrisiko getragen, wenn sie ihren steuerrechtlichen Pflichten nachgekommen wäre; mit der Abführung der aufgrund der Werkleistungen der I entstandenen Umsatzsteuer an den Beklagten hätte sie auch ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber I erfüllt (BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 12/02, BFH/NV 2005, 1158, HFR 2005, 1012).

cc) Deshalb bestimmt auch der erkennende Senat den Begriff der Ansässigkeit für das Abzugsverfahren gemäß §§ 51 ff. UStDV nach der Legaldefinition in § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV. Da sich im Streitfall Sitz und Geschäftsleitung der I unstreitig im Ausland befanden, war eine Ansässigkeit der I im Inland nur denkbar, wenn sie über eine inländische Zweigniederlassung verfügt hätte.

aaa) Die I hatte zwar möglicherweise eine Betriebstätte im Inland, und zwar entweder unter der Anschrift "C-Str." oder "Y-Str." in der Stadt L, jedoch objektiv keine Zweigniederlassung. Nach § 12 Nr. 2 AO 1977 stellt zwar eine handelsrechtliche Zweigniederlassung im Allgemeinen eine Betriebstätte dar (BFH-Urteil vom 30. Januar 1981 III R 116/79, BFHE 133, 217, BStBl II 1981, 560; ferner BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 I R 49/84, BFHE 154, 465, BStBl II 1989, 140 für die Frage der beschränkten Steuerpflicht durch eine unstreitig vorhandene Zweigniederlassung), aber umgekehrt noch längst nicht jede Betriebstätte eine Zweigniederlassung (Rau/Dürrwächter/Stadie, UStG, § 18 Rz 442). Der Begriff der Zweigniederlassung ist vielmehr dem Handelsrecht entlehnt. Er erfordert einen räumlich ausgegliederten und mit einer gewissen organisatorischen Selbstständigkeit ausgestatteten Bereich des Unternehmens, für den eine gesonderte Buchführung geführt wird (BayObLG, Beschluss vom 11. Mai 1979 - Breg. 1 Z 21/79, DB 1979, 1936; Baumbach/Hopt, HGB, § 13 Rz 8; Münchener Kommentar/Bokelmann, HGB, § 13 Rz 9, 13; FG Düsseldorf, Urteil vom 15. Mai 2002 5 K 1734/97 H (U), DStRE 2003, 631). Darüber hinaus schreibt § 13 HGB ausdrücklich vor, dass die Errichtung einer Zweigniederlassung zur Eintragung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung anzumelden ist. Eine weit verbreitete Meinung im Schrifttum sieht deshalb die Eintragung in das Handelsregister unter Bezugnahme auf das RFH-Urteil vom 6. Oktober 1925 II A 397/25, RFHE 17, 204 als obligatorisch und verneint eine Zweigniederlassung ohne Eintragung (Tipke/Kruse, AO 1977, § 12 Rz 25; Wassermeyer, DBA MA, Art. 5 Tz 72; Klein/Gersch, AO 1977, § 12 Anm. 6b, FG Nürnberg, Urteil vom 26. März 1996, EFG 1996, 783, FG Saarland, Urteil vom 26. Juli 1997, EFG 1997, 1335; ferner Abschnitt 240 Abs. 1 UStR 1996 und BMF-Schreiben vom 1. Juni 1981 IV A 3 - S 7350 - 4/81, BStBl II 1981, 491).

Die handelsrechtliche Fachliteratur hingegen misst der Eintragung als solcher für die Existenz einer Zweigniederlassung keine rechtsbegründende sondern nur rechtsbezeugende Wirkung zu. Danach entsteht die Zweigniederlassung - bei hinreichender sachlicher und organisatorische Selbständigkeit - unabhängig von der Eintragung mit der tatsächlichen Aufnahme der Geschäfte (BayObLG, Beschluss vom 11. Mai 1979 - Breg. 1 Z 21/79, DB 1979, 1936; Baumbach/Hopt, HGB, § 13 Rz 10; Münchener Kommentar/Bokelmann, HGB, § 13 Rz 16; ebenso Rau/Dürrwächter/Stadie, UStG, § 18 Rz 442). Dieser Auffassung, für die aus umsatzsteuerlicher Sicht spricht, dass auch Nichtkaufleute Unternehmer im Sinne des UStG sein können, schließt sich auch der erkennende Senat an. Eine Zweigniederlassung i.S. § 51 UStDV kann deshalb auch ohne tatsächliche Eintragung in das Handelsregister vorliegen.

bbb) Gleichwohl bestand für die I keine inländische Zweigniederlassung. Dabei kann offen bleiben, ob für die I unter den Anschriften "C-Str." einerseits oder "Y-Str." andererseits der Stadt L Betriebstätten mit hinreichender sachlicher und organisatorischer Selbständigkeit geführt worden sind. So ist heute ebenso wenig feststellbar, welche Aktivitäten die I unter den jeweiligen Anschriften entfaltet hat, wie die Frage, ob die jeweiligen Örtlichkeiten der F-GmbH, dem F oder tatsächlich der I zuzurechnen waren. Denn man wird für eine Zweigniederlassung in Anlehnung an § 13 HGB zumindest fordern müssen, dass das ernsthafte Bemühen um die gesetzlich vorgeschriebene Eintragung festgestellt werden kann. Denn durch das Abzugsverfahren sollte gerade vermieden werden, dass sich der außengebietliche Unternehmer darauf beruft, nicht über eine Betriebstätte bzw. Zweigniederlassung zu verfügen, um steuerlichen Verpflichtungen zu entgehen, und der Leistungsempfänger andererseits sich auf das Vorhandensein einer Zweigniederlassung beruft, um den Verpflichtungen des Abzugsverfahrens entgehen zu können (für das Erfordernis der Anmeldung zur Eintragung auch Offerhaus/Söhn/Lange/Schmid, UStG, § 18 Rz 257).

Deshalb kann im Streitfall nicht vom Vorliegen einer Zweigniederlassung für die I unter den o. a. inländischen Anschriften ausgegangen werden. So ist nicht einmal feststellbar, dass überhaupt ein Antrag auf Eintragung beim zuständigen Registergericht gestellt worden ist. Das Vorliegen entsprechender Antragsunterlagen wurde auf Nachfrage vom zuständigen Bearbeiter verneint. Daran ändert sich nichts durch den Vortrag des Bevollmächtigten, dass sich auf den inländischen Baustellen hinreichend Repräsentanten der I aufgehalten haben. Denn dies liegt in der Natur der Sache und vermag keine Zweigniederlassung zu begründen (ebenso FG Düsseldorf, Urteil vom 15. Mai 2002 5 K 1734/97 H (U), DStRE 2003, 631).

dd) Da es sich bei der I danach einerseits um ein objektiv im Ausland ansässiges Unternehmen i.S. § 51 Abs. 1 UStDV gehandelt hat und andererseits die von der Klägerin angenommene inländische Ansässigkeit der I trotz deren Präsenz auf inländischen Baustellen zumindest wegen der Vertragsgestaltung, der Anschrift auf den Rechnungen und der früheren Inanspruchnahme der 0-Regelung auch objektiv zweifelhaft war (dazu BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 12/02, BFH/NV 2005, 1158, HFR 2005, 1012 für Bauleistungen von einer niederländischen Firma trotz deutscher Bankverbindung und einer deutschen Steuernummer; ferner BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 V R 167/84, BFHE 161, 191, BStBl II 1990, 1095), konnte die Klägerin den Verpflichtungen des Abzugsverfahrens nur entgehen, wenn ihr gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 UStDV durch eine Bescheinigung des FA B bestätigt worden wäre, dass es sich bei der I nicht um einen im Ausland ansässigen Unternehmer i.S. § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV gehandelt hätte. Der Erlass einer solchen Bescheinigung wurde nach Auskunft des FA B jedoch sogar ausdrücklich abgelehnt. Daher hat der Beklagte die Voraussetzungen der Haftung dem Grunde nach zu Recht bejaht. Bei (objektiver) Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Umsatzsteuer haftet der Leistungsempfänger ohne entsprechende Bescheinigung des FA unabhängig davon, ob ihm die Nichtansässigkeit des leistenden Unternehmers im Erhebungsgebiet unbekannt oder ob nur zweifelhaft ist (BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 V R 167/84, BFHE 161, 191, BStBl II 1990, 1095).

ee) Die Belastung der Klägerin mit den Verpflichtungen des Abzugsverfahrens ist schließlich auch sachgerecht. Denn die Klägerin hat von den günstigen Angeboten der I profitiert, die diese nur machen konnte, weil die inländischen Abgabeverpflichtungen offensichtlich nicht hinreichend bei der Preiskalkulation berücksichtigt worden sind. Dies ergibt sich aus der Einlassung des F im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens gegen I, als er gegenüber der Vollstreckungsstelle des FA B erklärte, dass die wirtschaftliche Lage des Unternehmens durch die nicht einkalkulierte Belastung mit Körperschaftsteuer- und Lohnsteuer-Verbindlichkeiten überaus angespannt sei.

d) Gegen die Höhe der der Inhaftungsname bestehen ebenfalls keine Bedenken. Insofern bestand zwischen den Beteiligten Einigkeit im Anschluss an das zur Vorbereitung der Einspruchsentscheidung und unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 8. August 1991, BStBl II 1991, 939 ergangene Erörterungsschreiben des Beklagten vom 10. Dezember 2002, dem wie der Einspruchsentscheidung eine ausführliche Anlage zur Berechnung beigefügt war. Da ein Haftungsbescheid als Ermessensverwaltungsakt auf den Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung rechtlich zu bewerten ist, sind die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ebenfalls zu Recht übereinstimmend davon ausgegangen, dass sich die Höhe der nachträglichen Zuweisung der Konkursquote lt. Schreiben des Konkursverwalters vom 12. Oktober 2006 nicht auf die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids auswirkt (BFH-Urteil vom 12. August 1997 VII R 107/96, BStBl II 1998, 131). Insoweit wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2006 Bezug genommen.

e) Auch eine fehlerhafte Ausübung des Erschließungsermessens bei Erlass des Haftungsbescheids gegen die Klägerin ist im Streitfall nicht erkennbar. Insbesondere kann es nicht darauf ankommen, ob der Klägerin die Haftungsnorm bekannt war. Für die Ausübung des Entschließungsermessens des FA ist der Haftungszweck - Vermeidung von Steuerausfällen - entscheidend; bei Uneinbringlichkeit der Steuer beim Steuerschuldner muss daher die Haftungsinanspruchnahme die Regel sein (BFH-Urteile vom 3. November 2005 V R 56/02, BStBl II 2006, 477, BFH/NV 2006, 889, vom 13. Januar 2005 V R 12/02, BFH/NV 2005, 1158, HFR 2005, 1012, vom 8. August 1991 V R 19/88, BFHE 165, 307, BStBl II 1991, 939). Auch sonst sind im Streitfall weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen der Beteiligten Gesichtspunkte ersichtlich, die für einen Ermessensfehler des Beklagten sprechen würden. Da das FG kein eigenes Ermessen ausübt, sondern lediglich die Ermessensausübung des Beklagten überprüft (§ 102 FGO), hat der erkennende Senat auch vor diesem Hintergrund keinen Anlass, den angefochtenen Bescheide aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision war trotz der wirtschaftlichen Bedeutung des Falls und trotz der hoch streitigen Rechtsfragen nicht zuzulassen, weil es sich bei den einschlägigen Regelungen des Umsatzsteuer-Abzugsverfahrens um seit Ende 2001 ausgelaufenes Recht handelt.

....."

Ende der Entscheidung

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