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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 31.08.2005
Aktenzeichen: 12 K 47/02
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6 b
EStG § 9 Abs. 5
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

12 K 47/02

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob Zahlungen des Arbeitgebers für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnen sind mit der Folge, dass die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG keine Anwendung findet.

Der Kläger war zwischen 1992 und 2001 als Vertriebsleiter bei der Firma H GmbH & Co. KG nichtselbständig tätig. Laut Lohnsteuerkarte bezog er im Streitjahr 1999 Arbeitslohn in Höhe von 187.565,- DM (1998: 241.378,- DM; 1997: 198.204,- DM). Am Betriebssitz der Firma (Entfernung zur Wohnung 24 km) verfügte er über ein eigenes Büro. Im Streitjahr unternahm er wie in den Vorjahren an 252 Tagen Fahrten zur Arbeitsstätte.

Bis 1995 waren neben den Fahrtkosten u.a. auch Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten berücksichtigt worden. Aufgrund der in 1996 eingeführten Abzugsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG blieben die betreffenden Kosten seither außer Ansatz. Weiterhin anerkannt wurden Aufwendungen für die im Arbeitszimmer befindlichen Arbeitsmittel (Computer, Drucker, Schreibtisch, Bürostuhl, Bürolampe), für Bürobedarf und berufliche Telefonate. Auf die Ergänzungsliste zur Anlage N wird Bezug genommen.

In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres 1999 machte der Kläger erneut sämtliche auf das Arbeitszimmer entfallenden Kosten -nunmehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung- geltend. Im Zuge der weiteren Erörterungen verwies er darauf, dass er das Arbeitszimmer (Größe 22 qm) an den Arbeitgeber vermietet habe. Die vereinnahmten Mieterlöse bezifferte er auf 5.568,- DM (monatliche Nettomiete ab 01.03.1999 480,- DM zzgl. USt). Unter Berücksichtigung von Grundstückskosten von 16.208,- DM ermittelte er einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 10.640,- DM. Umsatzsteuerlich erklärte er nach Option zur Steuerpflicht einen Vorsteuerüberhang. Auf Nachfrage des Finanzamtes teilte der Kläger mit, es handele sich bei den erklärten Einnahmen um eine Warmmiete. Ein schriftlicher Mietvertrag sei nicht abgeschlossen worden. Zum Nachweis des Zahlungsflusses legte er Kontoauszüge mit entsprechenden Gutschriften vor. Er habe -so führte der Kläger weiter aus- seine Arbeit nicht auf die betriebsüblichen Arbeitszeiten beschränken können. Vielmehr sei es erforderlich gewesen, seiner Tätigkeit auch nach Feierabend und an den Wochenenden nachzugehen, zumal sich die Zielsetzung des Vertriebes auf eine Intensivierung des Auslandsgeschäftes konzentriert habe. Aufgrund von Zeitverschiebungen sei es unschwer nachvollziehbar, dass sich Telefon- und Faxverkehr auf die Abend- und frühen Morgenstunden ausgeweitet habe. Im Arbeitszimmer seien Kalkulationen und Gesprächsstrategien vorbereitet, Vorträge ausgearbeitet, allgemeiner Schriftverkehr erledigt und Vorgänge bzw. Anfragen aus dem Ausland bearbeitet worden.

Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass die "Mieteinnahmen" Ausfluss des Dienstverhältnisses seien und erfasste sie als zusätzlichen Arbeitslohn. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nutzung des Arbeitszimmers lasse sich nicht feststellen, zumal der Kläger über einen Arbeitsplatz in der Firma verfüge, den er regelmäßig aufgesucht habe. Abgesehen davon liege ein Gestaltungsmissbrauch vor, denn die Einkleidung der Vorgänge in einen Mietvertrag bezwecke eine Umgehung der Abzugsbeschränkungen für die Kosten des häuslichen Arbeitszimmers. Demgemäß erhöhte der Beklagte den Arbeitslohn lt. Lohnsteuerkarte um die "Mietzahlungen" und ließ den mit 10.640,- DM geltend gemachten Verlust aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt (Einkommensteuerbescheid vom 30.04.2001).

Der Kläger hat hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 05.12.2001) Klage erhoben.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Überlassung des Arbeitszimmers an seinen Arbeitgeber zu Mieteinkünften führe. Den Parteien eines Arbeitsverhältnisses stünde es frei, neben dem Dienstverhältnis auch andere Rechtsbeziehungen einzugehen. Er habe mündlich einen wirksamen Mietvertrag mit seinem Arbeitgeber abgeschlossen. Aufgrund seiner verantwortlichen Position im Betrieb und der damit verbundenen Notwendigkeit, auch außerhalb der üblichen Arbeitszeit erreichbar zu sein, sei die Anmietung im betrieblichen Interesse erfolgt.

Er habe damit die Möglichkeit, Kunden aus Amerika und Asien auch an den Abend- und frühen Morgenstunden zu kontaktieren. Ergänzend verweist der Kläger auf eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 22.02.2002 (Bl. 27 d.A.), auf die Bezug genommen wird. Es liege eine auch steuerrechtlich zu respektierende Entscheidung des Arbeitgebers vor, ihm für die Zeit außerhalb der üblichen Bürozeiten einen weiteren Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Die Anmietung eines Büros außerhalb seines Hauses hätte höhere Kosten verursacht.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 19.10.2001 unter Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 05.12.2001 dahingehend zu ändern, dass die Mieteinnahmen aus der Überlassung des Arbeitszimmers in Höhe von 5.568,- DM nicht als Arbeitslohn erfasst werden und stattdessen ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 10.640,- DM angesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt Bezug auf das BFH-Urteil vom 11.01.2005 IX R 72/01, BFH/NV 2005, 832 und macht geltend, ein vorrangiges Interesse des Arbeitgebers an einem zusätzlichen häuslichen Arbeitsplatz sei nicht nachgewiesen. Es liege deshalb Arbeitseinkommen vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte die Zahlungen für das Arbeitszimmer des Klägers den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet und die Kosten des Arbeitszimmers wegen der Abzugsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG unberücksichtigt gelassen.

1. Der Kläger erzielt auch insoweit Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, als seine Vergütung als "Mietentgelt" bezeichnet worden ist.

a) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG alle Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden.

aa) Ein Vorteil wird "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst ist. Das ist dann der Fall, wenn eine Leistung nur deshalb gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19.10.2001 VI R 131/00, BStBl II 2002, 300).

bb) Davon abzugrenzen sind Leistungsentgelte, die ihre Ursache in anderen Vertragsbeziehungen haben und mehr oder weniger zufällig mit einem Arbeitsverhältnis zusammenfallen. So ist eine getrennte steuerliche Beurteilung geboten für Zuwendungen aufgrund einer neben dem Dienstverhältnis bestehenden Vertragsbeziehung, die zu gleichen Bedingungen auch mit fremden Dritten zustande gekommen wäre (vgl. BFH a.a.O., BStBl II 2002, 300).

cc) Leistet der Arbeitgeber wie im Streitfall Zahlungen für ein in der Wohnung des Arbeitnehmers gelegenes Arbeitszimmer, das der Arbeitnehmer für die Erbringung seiner eigenen Arbeitsleistung nutzt, so ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, danach zu differenzieren, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung dieser Räumlichkeiten erfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 11.01.2005 IX R 72/01, BFH/NV 2005, 832; Urteil vom 16.09.2004 VI R 25/02, BFH/NV 2005, 279). Nur wenn die Räume vor allem im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers genutzt werden und dieses Interesse objektiv nachvollziehbar über die Entlohnung des Arbeitnehmers bzw. über die Erbringung der jeweiligen Arbeitsleistung hinausgeht, ist anzunehmen, dass die betreffenden Zahlungen auf einer neben dem Dienstverhältnis gesondert bestehenden Rechtsbeziehung beruhen. Ein in etwa gleichgewichtiges Interesse von Arbeitnehmer und Arbeitgeber reicht nicht aus, um den Zahlungen den Charakter von Arbeitslohn zu nehmen. Der Nachweis des besonderen betrieblichen Interesses obliegt dem Steuerpflichtigen (vgl. zuletzt BFH a.a.O., BFH/NV 2005, 832).

b) Im Streitfall begegnet die Zuordnung der "Mieteinnahmen" zu den Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit danach keinen durchgreifenden Bedenken.

Die Kläger haben nicht stichhaltig dargelegt geschweige denn nachgewiesen, dass ein vorrangiges betriebliches Interesse des Arbeitgebers an einem zusätzlichen häuslichen Arbeitsplatz des Klägers bestanden hat, hinter welchem das Interesse des Klägers zurücktritt.

aa) Der Kläger verfügte im Betrieb über einen festen Arbeitsplatz, den er nach eigenen Angaben an 252 Tagen aufgesucht hat. Das Vorhandensein eines zusätzlichen Arbeitsplatzes im Betrieb des Arbeitgebers ist ein starkes Indiz für ein erhebliches eigenes Interesse des Arbeitnehmers (vgl. BFH a.a.O. BFH/NV 2005, 832). Der Arbeitsplatz im Unternehmen stand dem Kläger auch für die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten objektiv zur Verfügung. Insbesondere ließen sich die vom Kläger angeführten -zahlenmäßig nicht spezifizierten- Kontaktaufnahmen mit ausländischen Kunden außerhalb der üblichen Arbeitszeit auch vom Sitz der Gesellschaft aus erledigen. Die Schaffung eines weiteren Arbeitsplatzes war damit aus Sicht eines objektiven Beobachters keinesfalls zwingend. Eine -vom Kläger nicht weiter konkretisierte- telefonische Erreichbarkeit hätte eine Beteiligung des Arbeitgebers an den Telefonkosten des Klägers nachvollziehbar gemacht. Wie die Angaben in der Steuererklärung des Streitjahres zeigen, wurden aber gerade Aufwendungen dieser Art vom Kläger selbst getragen (vgl. die Zusammenstellung der Werbungskosten lt. Ergänzungsliste zur Anlage N).

bb) Angesichts einer Entfernung zwischen Wohnung und Betrieb von 24 km ist nicht anzunehmen, dass es zu Mietverhältnissen über Arbeitsräume außerhalb des Betriebes auch mit Dritten gekommen wäre. Es ist demgemäß auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Arbeitgeber mit Personen, die nicht in einem Dienstverhältnis stehen, vergleichbare Mietverträge abgeschlossen hat.

cc) Auch der Umstand, dass keine schriftlichen Vereinbarungen über die Nutzung des überlassenen Raumes getroffen worden sind, spricht gegen ein über das Dienstverhältnis hinausgehendes vorrangiges betriebliches Interesse an den konkreten Räumlichkeiten. So existieren z.B. keine schriftlichen Abreden bzgl. des Zutrittsrechtes des Arbeitgebers oder sonstiger Mitarbeiter des Betriebes. Fühlbare Einschränkungen in der Nutzung des im häuslichen Einfamilienhaus belegenen Raumes gegenüber dem Zustand vor der "Vermietung" sind unter den vorliegenden Umständen nicht auszumachen.

dd) Anders als in dem mit BFH-Urteil vom 19.10.2001 VI R 131/00, BStBl II 2002, 3000 entschiedenen Fall erfolgte die "Anmietung" des Arbeitszimmers im Streitfall auch nicht Jahre vor der gesetzlichen Abzugsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG. Vielmehr bestand vorliegend ein zeitlicher Zusammenhang mit der vorausgegangenen Versagung des Werbungskostenabzuges. Die Vermietung stellt sich damit letztlich als gezielte Ausweichreaktion dar, wobei auffällt, dass sich durch die "Vermietung" an den Arbeitgeber die Gesamtvergütung des Klägers gegenüber den Vorjahren letztlich nicht einmal erhöht hat. Unter Einbeziehung der Mieterlöse beliefen sich die Zahlungen des Arbeitgebers in etwa auf dem Niveau von 1997 und lagen sogar noch unterhalb des in 1998 gezahlten Bruttoarbeitslohnes.

2. Sind die als "Mietzahlungen" bezeichneten Zuwendungen bei Würdigung der Gesamtumstände wirtschaftlich Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft und demgemäß den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zuzuordnen, unterliegen die Kosten für das "vermietete" Arbeitszimmer auch der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG.

a) Bei dem beruflich genutzten Raum im Haus des Klägers handelt es sich um ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne dieser Regelung. Entsprechende Räumlichkeiten werden nur dann vom Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers ausgenommen, wenn sie aufgrund eines steuerlich anzuerkennenden Nutzungsverhältnisses überlassen werden (vgl. z.B. BFH a.a.O., BFH/NV 2005, 279). Das ist vorliegend, wie dargelegt, nicht der Fall.

b) Die Voraussetzungen für einen steuerlichen Abzug der Aufwendungen nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 2 EStG sind -worüber zwischen den Beteiligten auch kein Streit besteht- nicht erfüllt. Weder beträgt die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 vom Hundert der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit noch verhält es sich so, dass dem Kläger für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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