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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 06.11.2008
Aktenzeichen: 12 K 6390/04
Rechtsgebiete: EStG, AO, FGO


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 4a
EStG § 9 Abs. 1
EStG § 9a
AO § 182 Abs. 1
FGO § 135 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Tatbestand:

Strittig ist, ob nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigungsfähig sind.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist als Arzt im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis freiberuflich tätig. Die Einkünfte aus der Praxis werden einheitlich und gesondert festgestellt. Daneben erzielte der Kläger im Streitjahr Einnahmen aus Kapitalvermögen, die im Wesentlichen aus der Anlage von Festgeldern bei der B-Bank resultieren. Von den Zinserträgen (insgesamt 10.684,- DM) brachte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung einen Betrag von 9.228,- DM als Werbungskosten in Abzug. Da hierzu weder eine Kostenaufstellung noch Belege eingereicht wurden, berücksichtigte der Beklagte bei der Veranlagung neben dem Sparerfreibetrag nur den Werbungskostenpauschbetrag (Einkommensteuerbescheid vom 09.09.2003).

Mit dem gegen den Einkommensteuerbescheid erhobenen Einspruch trugen die Kläger vor, es seien "Verwaltungsgebühren, Fahrt- und Bürokosten" angefallen. Außerdem machten sie geltend, dass im Rahmen der Gewinnfeststellung ein Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG in Höhe von 8.643,96 DM ermittelt worden sei, der im ursächlichen Zusammenhang mit den Zinseinkünften stehe. In der Praxisgemeinschaft praktiziere der Kläger ein steuerlich anerkanntes "Zwei-Konten-Model". Die Betriebseinnahmen gingen auf ein separates Konto von dem der Kläger private Festgeldanlagen tätige. Es habe dadurch Überentnahmen von insgesamt 177.399,40 DM gegeben (entnahmefähiger Überschuss 212.778,38 DM ./. Überentnahmen zu Beginn des Geschäftsjahres 147.472,99 DM + Korrektur Vorjahr 13.734,98 DM + Einlagen 260.560,16 DM ./. Entnahmen 517.000,16 DM). Bei der Gewinnfeststellung seien deshalb Aufwendungen in Höhe von 8.643,96 DM als nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abzugsfähig qualifiziert worden. Die Überentnahmen seien letztlich durch Entnahmen zugunsten der Festgeldanlage entstanden. Der Sachverhalt sei vergleichbar mit der Konstellation, dass ein im Zusammenhang mit dem Erwerb einer vermieteten Immobilie aufgenommener Kredit nach Veräußerung des Objektes nicht abgelöst, sondern für den Erwerb einer neuen Immobilie verwandt werde.

Der Beklagte lehnte die Berücksichtigung der geltend gemachten Werbungskosten weiterhin ab und wies den Rechtsbehelf mit Einspruchsentscheidung vom 25.11.2004 als unbegründet zurück. Maßgebend für die Berücksichtigungsfähigkeit von Schuldzinsen sei die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel. Im Streitfall habe der Kläger lediglich Aufwendungen im Zusammenhang mit der freiberuflichen Tätigkeit fremdfinanziert. Deshalb seien die bei der B-Bank angefallenen Schuldzinsen auch als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG berücksichtigt worden. Für die Finanzierung der Festgeldanlage habe der Kläger keine Fremdmittel verwandt. Es liege auch keine Umwidmung einer betrieblichen Schuld in eine Privatschuld vor. Denn die Darlehensmittel stünden nach wie vor mit Aufwendungen im Zusammenhang, die betrieblich veranlasst seien. Der Ansatz eines Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4a EStG beseitige nicht den Veranlassungszusammenhang der Zinsen mit dem Betrieb. Für die übrigen geltend gemachten Werbungskosten seien keine Nachweise eingereicht worden.

Mit der fristgerecht erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Anerkennung des Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4a EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens weiter. Sowohl die Praxisgemeinschaft als auch die Gesellschafter persönlich praktizierten ein anerkanntes "Mehr-Konten-Modell". Die verschiedenen Konten seien zinsmäßig kompensiert worden. Für das auf den Kläger eingerichtete Betriebsausgabenkonto sei ein Kontokorrent von 300.000,- DM eingerichtet worden. Nach Ausschöpfen des Überziehungsrahmen habe der Kläger das Konto im Dezember 2001 durch ein Darlehen abgelöst. Von dem entstandenen Schuldzinsen in Höhe von 24.246,40 DM seien aufgrund der Überentnahmen im Feststellungsbescheid für die Gemeinschaftspraxis 8.643,96 DM als nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abzugsfähig behandelt worden. Die Überentnahmen seien auf die Festgeldanlage zurückzuführen, der Hinzurechnungsbetrag daher bei dieser Einkunftsart berücksichtigungsfähig. Folge man der Beurteilung des Beklagten, blieben Zinsaufwendungen demgegenüber im "luftleeren Raum".

Zu einer steuerlichen Berücksichtigung eines Teils der entstandenen Schuldzinsen gelange man auch dann, wenn man entsprechend den bestehenden Verwaltungsanweisungen zunächst in eine Prüfung der betrieblichen oder privaten Veranlassung der jeweiligen Kreditaufnahme eintrete. Darlehen zur Finanzierung von Entnahmen seien nicht betrieblich veranlasst und deshalb vorweg auszuscheiden. Im Streitfall liege hinsichtlich der privaten Festgeldanlagen eine Entnahmefinanzierung vor. Denn dem Betrieb hätten keine ausreichenden Barmittel in Form von Eigenkapital zur Verfügung gestanden. Statt der als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen von 8.644,- DM seien bei dieser Betrachtung Schuldzinsen in Höhe von 10.660,- DM (6,95 % von 153.387,- DM) bei den Einkünften im Sinne des § 20 EStG zu berücksichtigen. Es komme dann lediglich zu einer Verschiebung zwischen Betriebsausgaben und Werbungskosten.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25.11.2004 den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 09.09.2003 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Werbungskosten in Höhe von 8.644,- DM in Abzug gebracht werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass aufgrund des konkreten Verwendungszweckes der Fremdmittel für einen Werbungskostenabzug kein Raum sei und verweist auf seine Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) nur den Werbungskostenpauschbetrag nach § 9a Nr. 2 EStG in Abzug gebracht, denn es sind keine höheren Werbungskosten nachgewiesen.

1. Die bei der B-Bank angefallenen Schuldzinsen stellen keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen dar.

a) Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, bei der sie erwachsen sind. Schuldzinsen stehen im Zusammenhang mit Einkünften aus Kapitalvermögen, soweit sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch die Erzielung von Kapitalerträgen veranlasst ist. So verhält es sich, wenn der Steuerpflichtige Fremdmittel dazu verwendet, um Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erzielen.

b) Im Streitfall hat der Kläger zur privaten Kapitalanlage keine Fremdmittel eingesetzt. Die Festgeldanlagen sind jeweils aus dem im Haben geführten Konto ... getätigt worden. Das ergibt sich aus den vorgelegten Kontoauszügen und der vom Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung überreichten Aufstellung. Danach weist das genannte Konto auch nach den Festgeldanlagen jeweils einen Haben-Saldo aus, während im Streitjahr allein das Betriebsausgabenkonto (...) überzogen wurde. Nach der vom Kläger bewusst gewählten Gestaltung der Vorgänge über ein "Mehr-Konten-Modell" sind die entstandenen Zinsen damit betrieblich veranlasst, was in dem Feststellungsbescheid für die Praxisgemeinschaft auch entsprechend gewürdigt wurde. Dass der betriebliche Finanzierungsbedarf letztlich auf Entnahmen der Betriebseinnahmen zurückgeht, steht dieser Beurteilung nicht entgegen (vgl. Beschluss vom 08.12.1997 GrS 1-2/95, BStBl II 1998, 193). Denn der Steuerpflichtige ist frei, wie er Fremdkapital und Eigenkapital verwendet; seine tatsächlich durchgeführte Entscheidung ist der Besteuerung zugrunde zu legen. Die vom Kläger angesprochene Zinskompensation schließt die Anerkennung des Mehrkontenmodells nicht aus (vgl. Söffing, FR 1998, 736).

c) Über dessen Anerkennung ist im Übrigen bereits im Feststellungsbescheid der Praxisgemeinschaft mit Bindungswirkung entschieden worden. Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides nach § 182 Abs. 1 AO erschöpft sich nicht darin, dass das für den Erlass des Folgebescheides zuständige Finanzamt den im Feststellungsbescheid festgestellten Betrag unverändert in den Folgebescheid übernimmt (vgl. Klein, AO § 182 Rz. 1). Die Bindungswirkung schließt es vielmehr aus, dass über einen Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren entschieden ist, im Folgeverfahren in einem damit unvereinbaren Sinne anders entschieden wird (vgl. BFH-Urteil vom 09.07.1987 IV R 87/85, BStBl II 1988, 342). Im Streitfall ist das Mehrkontenmodell im Rahmen der einheitlich und gesonderten Gewinnfeststellung der Praxisgemeinschaft anerkannt und die auf dem Konto ... entstandenen Zinsen als betrieblich veranlasster Aufwand qualifiziert worden. Eine anderweitige Beurteilung ist im vorliegenden Verfahren gegen den Folgebescheid damit ausgeschlossen.

2. Auch können die Kläger mit dem Begehren, den bei der Gewinnfeststellung ermittelten Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerlich in Abzug zu bringen, nicht durchdringen.

a) Die bei Überentnahmen gebotene Gewinnkorrektur nach § 4 Abs. 4a EStG führt nicht dazu, dass der wirtschaftliche Zusammenhang bestimmter Schuldzinsen mit der betrieblichen -hier freiberuflichen- Tätigkeit gelöst wird. Die Schuldzinsen bleiben ungeachtet der Frage, inwieweit sie steuerlich abzugsfähig sind, dem Grunde nach Betriebsausgaben (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, EStG § 4 Anm. 1053). Durch die Gewinnhinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG findet keine Umqualifizierung der im Betrieb entstandenen Schulden in Privatschulden statt.

b) Entgegen der Rechtsansicht der Kläger ist der genaue Verwendungszweck der jeweiligen Privatentnahmen ohne steuerliche Bewandtnis. Der Hinzurechnungsbetrag wird stichtagsbezogen mit einem gesetzlich festgelegten Prozentsatz typisierend ermittelt, ohne dass dadurch die realen Finanzströme und tatsächlich abgeflossenen Schuldzinsen im Einzelnen abgebildet und ein ganz konkreter Zinsaufwand aus der betrieblichen Sphäre ausgegliedert wird. Demgemäss lässt sich der Kürzungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG auch keiner bestimmten anderen Einkunftsart zurechnen. In die Stichtagsbetrachtung für die Gewinnhinzurechnung sind im Übrigen vorliegend keineswegs nur die Festgeldanlagen eingeflossen, sondern auch Entnahmen für die private Lebenshaltung sowie Überentnahmen des Vorjahres (vgl. die Aufstellung Bl. 33f d.A.). Eine Zuweisung des Hinzurechnungsbetrages auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen würde letztlich auf die Besteuerung eines gedachten (fiktiven) Sachverhaltes hinauslaufen. Mit dem für die Berücksichtigung von Schulden und Schuldzinsen maßgeblichen Kriterium der tatsächlichen Verwendung der Zahlungsmittel wäre dies nicht vereinbar (so im Ergebnis auch FG Köln, Urteil vom 20.03.2008, 15 K 409/04, EFG 2008, 1191; Urteil vom 08.10.2008 14 K 158/08, n.V.; FG Niedersachsen, Urteil vom 20.09.2007, 11 K 427/05, EFG 2008, 288).

3. Nachdem der Kläger auch sonst keine Werbungskosten belegt hat, war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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