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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 12.02.2009
Aktenzeichen: 13 K 787/05
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Änderung der Bescheide über Körperschaftsteuer 2003 vom 00.00.0000, Körperschaftsteuer 2004 vom 00.00.0000, gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2003 vom 00.00.0000, Gewerbesteuermessbetrag 2003 vom 00.00.0000 und gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2003 vom 00.00.0000 sowie Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 werden

1. die Körperschaftsteuer 2003 und der Gewerbesteuermessbetrag 2003 auf 0 €; herabgesetzt,

2. der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2003 ausgehend von dem auf den 31.12.2002 festgestellten Verlustabzug i. H. v. ... €; unter Verrechnung mit dem Verlustabzug für 2003 festgestellt,

3. die Körperschaftsteuer 2004 unter Minderung des Einkommens um den zum 31.12.2003 festzustellenden verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer festgesetzt,

4. der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.2003 ausgehend von dem auf den 31.12.2002 festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust i. H. v. ... €; unter Verrechnung mit dem Gewerbeverlustabzug für 2003 festgestellt

Die Berechnung der Körperschaftsteuer 2004 und der Feststellungsbeträge wird dem Beklagten übertragen ( § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung durch die Klägerin in Höhe ihres Kostenerstattungsanspruchs vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Voraussetzungen eines Mantelkaufs im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG erfüllt sind, wenn die Erhöhung des Aktivvermögens einer Kapitalgesellschaft auf einer Erhöhung des Umlaufvermögens aus den Ergebnissen der laufenden Betriebsführung beruht.

Unternehmensgegenstand der mit Vertrag vom 00.00.2001 gegründeten Klägerin ist der Vertrieb vom .... Gesellschafter der Klägerin waren zunächst Herr D. mit einer Beteiligung von 80 % und Frau H. mit einer Beteiligung von 20% am Stammkapital. Mit Anteilsübertragungsvertrag vom 00.00.2003 übertrug Frau H. ihrem Gesellschafteranteil auf Herrn D.. Dieser übertrug seine Geschäftsanteile von nunmehr 100% mit Vertrag vom 00.00.2003 auf Herrn X..

In ihrer Steuererklärung 2003 erklärte die Klägerin einen Gesamtbetrag der Einkünfte von ... €; bzw. einen Gewerbeertrag vor Verlustabzug von ... €; und beantragte, den Verlustvortrag zum 31.12.2002 bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens in Abzug zu bringen. Der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2002 war mit Bescheid vom 00.00.0000 auf ... €; und der vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2002 mit Bescheid vom 00.00.0000 auf ... €; festgestellt worden.

Mit den Bescheiden über Körperschaftsteuer 2003, gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2003 und Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen 2004 ff. vom 00.00.0000, über den Gewerbesteuermessbetrag 2003 vom 00.00.0000 sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2003 vom 00.00.0000 lehnte der Beklagte die steuerliche Berücksichtigung der in den Vorjahren erzielten Verluste ab, da die Voraussetzungen des sog. Mantelkaufs gem. § 8 Abs. 4 KStG erfüllt seien. Nach Veräußerung von mehr als 50% der Anteile habe die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgeführt. Das Aktivvermögen habe am 31.12.2003 (Vergleichsgröße II: ... €;) mehr als das Doppelte betragen als zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung am 00.00.2003 (Vergleichsgröße I: ... €;). Damit habe die Klägerin zum 31.12.2003 ihre wirtschaftliche Identität verloren. Bei der Ermittlung der Vergleichsgröße sei das gesamte Aktivvermögen und nicht nur das Anlagevermögen zu berücksichtigen. Dabei seien auch die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen einzubeziehen.

Das Aktivvermögen auf den 00.00.2003/31.12.2003 (ohne Warenbestand) hatte der Beklagte auf Grund der Summen- und Saldenliste 00/2003 bzw. der Bilanz auf den 31.12.2003 wie folgt ermittelt:

Die Vergleichsgröße II errechnete der Beklagte, indem er von dem Aktivvermögen zum 31.12.2003 den bis zu Anteilsveräußerung erzielten Verlust von ... €; und den nach der Anteilsübertragung erzielten Gewinn von ... €; abzog.

Mit ihren hiergegen gerichteten Einsprüchen trug die Klägerin vor, dass nach § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG nicht nur auf die Änderung des betragsmäßigen Saldos des Aktivvermögens abzustellen sei, sondern auf die gegenständliche Zuführung neuen Aktivvermögens. Somit müsse eine Berücksichtigung der Erhöhung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen bei der Ermittlung der Vergleichsgrößen entfallen. Ihr Geschäftsbetrieb nach Anteilsübertragung sei identisch mit dem Geschäftsbetrieb vor Übertragung. Die Veränderungen der Höhe der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen habe sich in Abhängigkeit vom willkürlichen Zahlungsverhalten der Kunden ergeben. Dies könne nicht zum Verlust der wirtschaftlichen Identität des Unternehmens führen. Im Übrigen sei auf das Urteil des BFH vom 26.5.2004 I R 112/03 zu verweisen, wonach die bloße Umschichtung der Finanzanlagen einer Körperschaft keine Zuführung neuen Betriebsvermögens im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG darstelle.

Mit Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Auf die gegenständliche Betrachtungsweise komme es entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Zuführung neuen Betriebsvermögens nicht an. Vielmehr seien die Vergleichsgrößen des Betriebsvermögens vor und nach der Anteilsübertragung nach der bilanziellen Betrachtungsweise zu bestimmen (BMF-Schreiben vom 17.6.2002, BStBl I 2002, 629). Bei der Ermittlung der Vergleichsgrößen des Aktivvermögens sei auch das Umlaufvermögen zu berücksichtigen. Eine Beschränkung auf das Anlagevermögen sei mit dem Begriff des " Betriebsvermögens " nicht vereinbar. Die Erhöhung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen beruhe auch nicht auf internen Umschichtungen der Finanzanlagen der Klägerin im Sinne des BFH-Urteils vom 26.5.2004. Denn bei diesen Forderungen handele es sich um Zuführungen von außen. Zuführungen von innen seien nicht in die Ermittlung der Vergleichsgröße II einbezogen worden, da diese um den nach der Anteilsübertragung erwirtschafteten Gewinn gekürzt worden sei. Dabei sei zu Gunsten der Klägerin unterstellt worden, dass die Gewinne vorrangig zur Finanzierung der Aktiva verwandt worden seien.

Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die Versagung des Verlustabzugs.

Sie macht ergänzend geltend, dass das Umlaufvermögen nicht in die streitgegenständliche Vergleichsbetrachtung einzubeziehen sei. Denn das Umlaufvermögen sei nicht dazu bestimmt, dauernd dem Betrieb zu dienen, und erheblichen, nicht beeinflussbaren Schwankungen unterworfen. Anderenfalls würde bereits die im laufenden Geschäftsbetrieb zwangsläufig stattfindende permanente Umschichtung des Umlaufvermögens zu einer Erhöhung des Aktivvermögens führen. Eine Nutzung von Verlustvorträgen durch aktiv tätige Unternehmen würde damit bei einem Anteilseignerwechsel regelmäßig nahezu ausgeschlossen. Dies sei mit dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 4 KStG nicht zu vereinbaren. Dieser liege allein darin, den missbräuchlichen Handel mit "GmbH-Mänteln" und vortragsfähigen Verlusten zu unterbinden. Es gehe hingegen nicht darum, jegliche Änderung des Aktivvermögens zu sanktionieren.

Dass der Verlust der wirtschaftlichen Identität aufgrund des Anwachsens des Umlaufvermögens außerhalb der Fallgestaltung eines Branchenwechsels nicht in Betracht komme, bestätigten nunmehr auch die Urteile des BFH vom 5.6.2007 I R 106/05 und I R 9/06, die wiederum auf der zutreffenden gegenständlichen Betrachtungsweise basierten. Der BFH fordere eine zweckgerichtete Auslegung des Begriffs des Betriebsvermögens in § 8 Abs. 4 KStG. Danach seien Änderungen der Struktur, Zusammensetzung und wirtschaftlichen Bedeutung des Betriebsvermögens nur dann für den Verlust der wirtschaftlichen Identität erheblich, wenn sie typischerweise darauf schließen ließen, dass bei der Anteilsübertragung letztlich nicht der Geschäftsbetrieb in seiner bisherigen Form erworben werden sollte. Dies setze bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens voraus, dass sie für das Unternehmen prägend seien, was der BFH bislang nur für den Fall einer Änderung des Unternehmensgegenstandes angenommen habe.

Vorliegend arbeite die Klägerin indessen nach wie vor in demselben Geschäftsbereich, habe ihren Unternehmensgegenstand nicht geändert und führe ihren Geschäftsbetrieb im Ganzen wie gehabt fort. Die Anteilsübertragung sei allein aus personellen Gründen erfolgt, die in keinerlei Zusammenhang mit der Nutzung von Verlustvorträgen stünden. Mehrungen von Geld- und Forderungsbeständen könnten daher nicht prägend für ihre wirtschaftliche Identität sein. Ihre Rechtsauffassung werde insoweit durch die Kommentierung von Dötsch zu § 8 Abs. 4 KStG nF, Rz. 76 f, gestützt, auf die der BFH im Urteil I R 9/06 ausdrücklich Bezug nehme.

Darüber hinaus beruhe im Streitfall die Erhöhung des Umlaufvermögens nicht auf der Zuführung von außen stammender zusätzlicher Finanzmittel. Das Anwachsen der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen werde vielmehr durch eine Erhöhung der Lieferantenverbindlichkeiten sowie aus dem erzielten Jahresüberschusses finanziert. Derartige Folgen eines kontinuierlichen Wirtschaftens könnten die wirtschaftliche Identität nicht in Frage stellen.

Schließlich sei im Streitfall auch die Sanierungsklausel des § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG einschlägig. Selbst wenn also die von dem Beklagten angenommene Zuführung von überwiegend neuem Betriebsvermögen vorläge, so wäre dies doch unschädlich, weil sie der Sanierung des Geschäftsbetriebes gedient habe. Denn die bilanzmäßige Überschuldung des übernommenen Geschäftsbetriebes sei per 31.12.2003 von ... €; auf ... €; abgebaut worden.

Während des Klageverfahrens ist der erstmalige Körperschaftsteuerbescheid 2004 vom 00.00.0000 ergangen, mit dem das Einkommen der Klägerin auf ... €; bemessen wurde. Den zum 31.12.2002 festgestellten Verlustvortrag, der andernfalls im Jahr 2004 verbraucht worden wäre, hat der Beklagte auch bei dieser Steuerfestsetzung nicht berücksichtigt. Weitere Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2007 sind am 00.00.0000, 00.00.0000 und 00.00.0000 ergangen. In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin der Klägerin klargestellt, dass sich der Streitgegenstand in Bezug auf die den Bescheid über Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen 2004 ff. ersetzenden Körperschaftsteuerbescheide auf den Körperschaftsteuerbescheid 2004 vom 00.00.0000 beschränkt.

Die Klägerin beantragt,

1. die Bescheide über Körperschaftsteuer 2003 vom 00.00.0000 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag 2003 vom 00.00.0000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 auf null €; herabzusetzen,

2. den Bescheid auf den 31.12.2003 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer vom 00.00.0000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 dahingehend zu ändern, dass der verbleibende Verlustabzug ausgehend von dem auf den 31.12.2002 festgestellten Verlustabzug in Höhe von ... €; unter Verrechnung mit dem Verlustabzug für 2003 festgestellt wird,

3. den Körperschaftsteuerbescheid 2004 vom 00.00.0000 unter Minderung des Einkommens um den zum 31.12.2003 festzustellenden verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zu ändern,

4. den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2003 vom 00.00.0000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 dahingehend zu ändern, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust ausgehend von dem auf den 31.12.2002 festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust i. H. v. ... €; unter Verrechnung mit dem Gewerbeverlustabzug für 2003 festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er weist in Ergänzung seiner Einspruchsentscheidung darauf hin, dass der BFH mit seinen Urteilen vom 5.6.2007 bestätigt habe, dass auch die Zuführung von Umlaufvermögen zu neuem Betriebsvermögen im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG führen könne. Im Urteilsfall I R 9/06 sei dies für einen Branchenwechsel entschieden worden. Die Einbeziehung des Umlaufvermögens sei aber auch in anderen Fällen und mithin auch im Streitfall angezeigt. Es sei kein ausreichender gesetzgeberischer Grund ersichtlich, warum die Zuführung erheblicher, dass vorhandene Vermögen weit übersteigender Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens nicht zu einem Verlust der wirtschaftlichen Identität führen sollte, wohl aber der Kauf eines geringfügigen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens aus eigenen Mitteln der Kapitalgesellschaft, wenn diese ansonsten kein Anlagevermögen mehr habe. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem BMF-Schreiben vom 4.12.2008 (BStBl I 2008, 1033).

Der Berufung der Klägerin auf die Sanierungsklausel des § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG könne mangels Nachweises nicht gefolgt werden. Es sei nicht erkennbar, dass ein Sanierungsplan aufgestellt worden sei und andere Gläubiger in die Sanierungsmaßnahmen involviert gewesen wären. Auch seien die Voraussetzungen für die objektive Sanierungsbedürftigkeit der Klägerin und das Handeln der Gläubiger in Sanierungsabsicht nicht dargelegt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Beklagte hat die Berücksichtigung des zum 31.12.2002 festgestellten Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer und des auf diese Zeitpunkt festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlustes bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer 2003 und 2004 sowie den Verlustfeststellungen auf den 31.12.2003 zu Unrecht unter Berufung auf § 8 Abs. 4 KStG 1999 - KStG - versagt.

Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG ist Voraussetzung für den Abzug von Verlusten nach § 10d EStG bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 5. Juni 2007 I R 9/06, BFHE 218, 207, BStBl II 2008, 988, und I R 106/05, BFHE 218, 195, BStBl II 2008, 986, m. w. N.), der der erkennende Senat folgt, definiert § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG den Verlust der wirtschaftlichen Identität für Kapitalgesellschaften nicht abschließend, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft, wann es an der wirtschaftlichen Identität fehlt, nämlich dann, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an der Körperschaft übertragen wird und sie danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Die Vorschrift setzt damit aber zugleich mittelbar einen Maßstab für die unter Satz 1 der Vorschrift zu fassenden Sachverhalte. Sie müssen Voraussetzungen erfüllen, die mit den in Satz 2 genannten wirtschaftlich vergleichbar sind. Für die Gewerbesteuer gilt dies gemäß § 10a Satz 4 GewStG 1999 entsprechend

Unter Betriebsvermögen i.S. des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG ist dabei ausschließlich das Aktivvermögen zu verstehen. Überwiegend neues Betriebsvermögen liegt vor, wenn das zugegangene Aktivvermögen den Bestand des vorher vorhandenen Restaktivvermögens übersteigt. Dies ist anhand einer gegenständlichen Betrachtungsweise zu ermitteln; eine Verrechnung von Zu- und Abgängen zu einem betragsmäßigen Saldo ist nicht vorzunehmen. Durch das Tatbestandsmerkmal des neuen Betriebsvermögens sollen jegliche Änderungen der Struktur, Zusammensetzung und wirtschaftlichen Bedeutung des Betriebsvermögens erfasst werden, die deswegen für den Verlust der wirtschaftlichen Identität heranzuziehen sind, da sie typischerweise darauf schließen lassen, dass bei der Anteilsübertragung letztlich nicht der Geschäftsbetrieb in seiner bisherigen Form erworben werden sollte. Das rechtfertigt es, auf die einzelnen im Betrieb verwendeten Vermögensgegenstände abzustellen und den Begriff des Betriebsvermögens in entsprechender Weise normspezifisch zu verengen.

Die gebotene wertende Betrachtung schließt nach Lage des Einzelfalls weder die Anschaffung von Betriebsvermögen aus selbst erwirtschafteten Mitteln (Innenfinanzierung; BFH-Urteil vom 5. Juni 2007 I R 106/05, a. a. O.) noch die Einbeziehung von Veränderungen des Umlaufvermögens (BFH-Urteil vom 5. Juni 2007 I R 9/06, a. a. O.) aus dem Anwendungsbereich des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG aus. Voraussetzung für den Verlust der wirtschaftlichen Identität ist indessen in diesem Fall, dass die neu angeschafften Wirtschaftsgüter für das Unternehmen prägend sind, ihnen also wesentliche Bedeutung für die Eigenart des Unternehmens zukommt. Dies hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bislang nur für den Fall bejaht, dass gleichzeitig eine Änderung des Unternehmensgegenstandes (Branchenwechsel) vorliegt (BFH-Urteile vom 5. Juni 2007, a. a. O.).

Auf der Grundlage dieser von dem erkennenden Senat gebilligten Rechtsprechungsgrundsätze hat die Klägerin durch die Anteilsübertragung vom 00.00.2003 ihre wirtschaftliche Identität nicht verloren. Zwar sind mit Vertrag vom 00.00.2003 mehr als 50 % der Geschäftsanteile an der Klägerin übertragen worden. Die Klägerin hat ihren Geschäftsbetrieb jedoch nach der Übertragung der Geschäftsanteile nicht mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgesetzt. Die Erhöhung des Aktivvermögens der Klägerin allein, die in der Summe zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, reicht zur Bejahung des Merkmals "Fortführung des Geschäftsbetriebes mit überwiegend neuem Betriebsvermögen" nicht aus. Bei der Beurteilung, ob die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgesetzt hat, muss vielmehr die Erhöhung des Umlaufvermögens durch den Anstieg der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen um ... €; außer Betracht bleiben. Da sich hinsichtlich der übrigen Vermögensgegen-stände nach Anteilsübertragung nur Minderungen ergeben haben, fehlt es bei wertender Betrachtungsweise an der Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens.

Die Erhöhung des Umlaufvermögens in Gestalt der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen beruhte im Streitfall auf der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin, wie die gleichzeitige Erhöhung der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen von ... €; auf ... €;, die Verminderung des Warenbestandes (31.12.2003: ... €;; 31.12.2002: ... €;) und der nach Anteilsübertragung erzielte Jahresüberschuss (Verlust lt. BWA 00/03: ./. ... €;; Jahresüberschuss 2003: ... €;) zeigen. Dieser Veränderung des Aktivvermögens konnte deshalb keine wesentliche Bedeutung für das Gepräge des Unternehmens der Klägerin zukommen, weil sie ihren Geschäftsbetrieb innerhalb derselben Branche fortgesetzt hatte und ohne Änderung ihres Unternehmensgegenstandes ihre Umsätze nach wie vor mit dem Vertrieb von ... tätigte. Die parallele Erhöhung der Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und des Jahresüberschusses aufgrund dieser Vertriebstätigkeit erweist sich damit als eine Veränderung im Betriebsvermögen der Gesellschaft, die die Fortführung des Geschäftsbetriebs in seiner bisherigen Form nicht berührte (so für den Fall der innenfinanzierten Erhöhung des Umlaufvermögens ohne Branchenwechsel auch Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15. Oktober 2008 12 K 8367/05 B, EFG 2009, 216). Wie die Klägerin zu Recht bemerkt, würde andernfalls der Fortbestand der wirtschaftlichen Identität davon abhängen, ob das Zahlungsverhalten der Kunden eine zeitnahe Tilgung der betrieblichen Verbindlichkeiten oder Gewinnausschüttungen erlaubt.

Auf die Frage, ob die Klägerin das Sanierungsprivileg des § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG in Anspruch nehmen kann, kommt es danach nicht an.

Die Revision zum BFH war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Frage, ob die Erhöhung des Umlaufvermögens durch eigene Geschäftstätigkeit in derselben Branche wie zuvor zum Verlust der wirtschaftlichen Identität führen kann, von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. § 709 ZPO.

Ende der Entscheidung

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