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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 19.06.2007
Aktenzeichen: 7 K 2270/06
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 24 Nr. 1
EStG § 34 Abs. 1
GG Art. 3
GG Art. 20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

7 K 2270/06

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besteuerung der Abfindungszahlung an den Kläger im Streitjahr 2000 auf der Grundlage des § 34 EStG i.d.F. Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 verfassungswidrig ist.

Der Kläger war Vorstandsmitglied der ................... AG. Sein exemplarisch vorgelegter Anstellungsvertrag vom ........... 1995 bestimmte u.a. in Absatz 6, dass der Vertrag am 31. Dezember 1998, ím Falle der erneuten Bestellung zum Ablauf dieser Amtszeit enden sollte. Mit dem Ende der Tätigkeit sollte auch der Anstellungsvertrag erlöschen. In Absatz 7 war geregelt, dass Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürften. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag verwiesen (Bl. 295 ff. der FG-Akte). Die diesem Vertrag vorangehenden Verträge und der ihm folgende Vertrag waren - bis auf die eingesetzten Datumsangaben - gleich.

Mit Vertrag vom .... 1999 wurde der Vorstandsanstellungsvertrag zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber über den 31. Dezember 1999 hinaus nicht verlängert und das Vorstandsmandat zum 31. Dezember 1999 beendet. In einem weiteren Vertrag zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber vom .....1999 wurde vereinbart, dass der Kläger eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß § 3 Nr. 9, 34, 24 EStG i.H.v. ....... DM brutto erhalten sollte. Der steuerfreie Teil der Abfindung sollte zusammen mit den Bezügen für den Monat Dezember 1999 gezahlt werden. Im übrigen sollte die Abfindung am 25. Januar 2000 zur Zahlung fällig werden. Die Verträge vom .... 1999 wurden auf Arbeitgeberseite von Herrn ...... ...... für den Aufsichtsrat für die ........ ......... AG unterzeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beiden Verträge vom ..... 1999, ohne genaue Datumsangabe, verwiesen (befindlich in der Einkommensteuerakte des Beklagten).

Die Auszahlung der Abfindung erfolgte gemäß vertraglicher Vereinbarung.

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2000 neben der Abfindung einen Bruttolohn i.H.v. ....... DM aus einem neuen Arbeitsverhältnis, das Ende 2001 beendet wurde. Ab 2002 war der Kläger arbeitslos.

Im Einkommensteuerbescheid 2000 vom ........ 2003 wurde die Abfindung i.H.v. ....... DM (....... DM ./. 20.000 DM Freibetrag in 1999) gemäß § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. StEntlG 1999/2000/2001 nach der Fünftel-Regelung versteuert. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom ..... 2006 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor, dass die von ihm erhaltene Abfindung nicht auf der Grundlage der Fünftel-Regelung zu besteuern sei. Denn zum einen sei § 34 EStG i.d.F. StEntlG 1999/2000/2002 wegen verfassungswidriger Rückwirkung nicht anzuwenden und zum anderen sei die Regelung des § 34 EStG i.d.F. StEntlG 1999/2000/2002 an sich verfassungswidrig.

Er, der Kläger, habe seine Disposition nicht erst mit Vertrag vom .... 1999 getroffen, sondern bereits am Freitag, den 5. März 1999. Zwar datiere die schriftliche Vereinbarung der Abfindung aus dem .... 1999. Jedoch zeige schon das Fehlen eines genauen Datums, dass diese Vereinbarung lediglich die Zusammenfassung unterschiedlichster Regelungen gewesen sei, die über einen längeren Zeitraum zwischen den Parteien erörtert und vereinbart worden seien. Die Abfindungsvereinbarung selbst sei aber bereits am 5. März 1999 getroffen worden.

An diesem Tag sei er, der Kläger, zu dem Vorstandsvorsitzenden der ....... .......... Gruppe, Herrn ....................., gebeten worden. Dieser habe ihm eröffnet, dass die Konzernmutter beschlossen habe, die beiden Rechtsschutzgesellschaften, bei denen er Mitglied des Vorstands gewesen sei, in die .......... ............... Versicherung AG zu fusionieren, so dass seine Position wegfallen würde und seine zum Jahresende 1999 ohnehin auslaufenden Vorstands- und Anstellungsverträge nicht verlängert werden könnten. In Anerkennung der von ihm, dem Kläger, dem Unternehmen über 22 Jahre, davon 18 Jahre als Vorstandsmitglied, geleisteten Dienste habe Herr ........ ihm eine Abfindung i.H.v. 1,5 Jahresgehältern zugesagt.

Auf den Zeitpunkt der Fixierung dieser verbindlich getroffenen Zusage habe er, der Kläger, keinen Einfluss gehabt.

Zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Abfindung, am 5. März 1999, sei die beabsichtigte Gesetzesänderung zum 1. Januar 1999 nicht bekannt gewesen.

Die Unterzeichnung der Vereinbarung im ....... 1999 sei hingegen nicht der Zeitpunkt der Disposition im verfassungsrechtlichen Sinne gewesen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei das Gespräch mit Herrn ..... im März 1999 nicht bloß die Eröffnung über die weitere Planung des Arbeitgebers oder ein erstes Gespräch gewesen. Zutreffend sei vielmehr, dass die Konzernmutter der "........" mit Sitz in der ........ wenige Wochen vorher (und zwar entgegen bisheriger Festlegungen) entschieden habe, die Vielzahl der rechtlich selbständigen deutschen Töchter (Zwischenholding und eine Vielzahl von Tochtergesellschaften) zu so wenig wie möglichen Gesellschaften zu fusionieren. Die Ausführung dieser Entscheidung sei dem deutschen CEO (Chief Executive Officer), Herrn ........, übertragen worden. Dazu habe auch der Auftrag und die persönliche Vollmacht gehört, Abfindungen mit dabei nicht weiter zu beschäftigenden Vorständen zu vereinbaren. In dem Gespräch vom 5. März 1999 sei daher das verbindliche Angebot einer Abfindung i.H.v. 1,5 Jahresgehältern erfolgt. Im gleichen Gespräch habe er, der Kläger, mit seiner Zustimmung hierzu eine Disposition getroffen. Ein weiteres Gespräch mit Herrn ....... über diese Angelegenheit sei nicht geführt worden. In der Folgezeit seien lediglich (und zwar durch Notizwechsel von Büro zu Büro) die Begleitumstände seines Ausscheidens abgestimmt worden.

Eine - inhaltliche - Beteiligung oder Entscheidung der Aufsichtsräte der .......... Rechtschutzversicherung AG sowie der ...... Rechtschutzversicherung AG habe es auch in der Zeit vom 5. März 1999 bis Ende Juli 1999 nicht gegeben. Denn Herr ...... sei nicht etwa bloßes Mitglied der Aufsichtsräte dieser beiden Gesellschaften gewesen, sondern als Vorstandsvorsitzender der deutschen Zwischen-Holding auch Vorsitzender der Aufsichtsräte dieser (sowie der weiteren) Tochterunternehmen.

Aufgrund seiner Disposition am 5. März 1999 genieße er, der Kläger, Vertrauensschutz hinsichtlich der alten Regelung des § 34 EStG (halber durchschnittlicher Steuersatz). Der Vertrauensschutz knüpfe nämlich an die wirtschaftliche Disposition an. Diese sei in der mündlichen Vereinbarung vom 5. März 1999 zu sehen. Auf die Auszahlung der Abfindung komme es nicht an.

Dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum StEntlG 1999/2000/2002 bereits am 20. November 1998 dem Bundesrat zugeleitet worden sei, stehe dem Vertrauensschutz nicht entgegen. Seine Disposition mit der Vereinbarung am 5. März 1999 habe er vor der Zustimmung des Bundesrates zu dem Gesetzesbeschluss des Bundestages am 19. März 1999 getroffen. Erst mit der Zustimmung des Bundesrates am 19. März 1999 sei kein Vertrauensschutz mehr gegeben.

Im übrigen verweist der Kläger auf die Vorlagebeschlüsse des XI. Senats des BFH vom 2. August 2006 (XI R 30/03, BStBl II 2006, 895 und XI R 34/02, BStBl II 2006, 887). Außerdem verweist er auf folgende beim BFH anhängige Verfahren, in denen die streitbefangenen Abfindungen ebenfalls nach dem 20. November 1998 vereinbart worden seien: XI R 34/02, XI R 24/03, XI R 26/03, XI R 30/03, XI R 86/03, XI R 44/04, XI R 48/04, XI R 12/05. Auch verweist der Kläger auf Hutter, Rückwirkend verschärfte Besteuerung von Entlassungsentschädigungen verfassungswidrig?, in NWB Fach 6, S. 4789.

Der Kläger trägt des weiteren vor, dass § 34 EStG i.d.F. StEntlG 1999/2000/2002 auch in materieller Hinsicht verfassungswidrig sei. So führe die Fünftelregelung zu einer übermäßigen Besteuerung der übrigen - nicht begünstigten - laufenden Einkünfte. In seinem Fall komme hinzu, dass er nach Ausscheiden aus der Züricher Rechtsschutzversicherung und nach Antritt einer neuen Arbeitsstelle schließlich arbeitslos gewesen und für ihn in jener Zeit die Fünftelregelung besonders einschneidend gewesen sei. Darüber hinaus verweist der Kläger auf das beim BFH anhängige Verfahren XI R 86/03. In diesem Verfahren gehe es auch um die Frage nach der materiell-rechtlichen Verfassungsmäßigkeit der Fünftelregelung. Dass es sich bei den außerordentlichen Einkünften in dem dort anhängigen Fall um Einkünfte eines Handelsvertreters (§ 89b HGB) handele, während er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen habe, mache hinsichtlich der Frage nach der materiell-rechtlichen Verfassungsmäßigkeit keinen Unterschied.

Im Zusammenhang mit der Frage nach der materiell-rechtlichen Verfassungsmäßigkeit verweist der Kläger darüber hinaus auf:

Heinrich List, BB 2003, 761 ;

Anna Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, Tübingen 2002;

Christian Jahndorf/Steffen Lorscheider, FR 2000, 433;

Michael Roberts, Die Behandlung außerordentlicher Einkünfte nach § 34 EStG n.F., Seminararbeit Köln 2000.

Im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, dass die steuerliche Behandlung der Abfindung bei deren Aushandeln am 5. März 1999 "keine Rolle" gespielt habe. Er hat des weiteren nochmals erklärt, dass es ihm auf die Vereinbarung von "1 1/2 Jahresgehältern" angekommen sei. Für ihn sei der Abfindungsbetrag hieraus eindeutig abzuleiten gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2007 verwiesen (Bl. 303 der FG-Akte).

Der Kläger beantragt,

gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, ob die Fünftelregelung gemäß § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 verfassungsgemäß ist;

In der Sache beantragt er,

die Abfindung i.H.v. ......... DM mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz nach § 34 EStG a.F. zu versteuern und die Einkommensteuer 2000 entsprechend herabzusetzen,

im Unterliegensfall

die Revision zuzulassen;

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass im Streitfall § 34 EStG i.d.F. StEntlG 1999/2000/2002 anzuwenden sei. Weder bestünde ein schützenswertes Vertrauen des Klägers auf die Anwendung des alten Rechts noch sei § 34 EStG in der streitgegenständlichen Fassung materiell verfassungswidrig.

Der Zeitpunkt der Disposition im verfassungsrechtlichen Sinne sei im Streitfall in der Unterzeichnung der Vereinbarung im .... 1999 zu sehen. In dem ersten Gespräch mit Herrn ...... seien dem Kläger lediglich die weiteren Planungen seines Arbeitgebers mitgeteilt worden. Der Kläger führe selbst aus, dass die einzelnen Auflösungsvereinbarungen erst in der Folgezeit getroffen worden seien. Im übrigen sei Entscheidungsträger für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Aufsichtsrat. Dementsprechend sei nicht allein Herr ..... als Mitglied des damaligen Aufsichtsrats maßgeblich, sondern die Entscheidung des Aufsichtsrates als solchen. Eine Vereinbarung mit dem Aufsichtsrat sei erst im ..... 1999 getroffen worden.

Aber auch wenn man den 5. März 1999 als Zeitpunkt der Disposition annehmen würde, würde dies in Bezugnahme auf den Beschluss des BFH XI B 94/02 nicht zu einer anderen Entscheidung führen. Denn dort sei die Abfindungsvereinbarung am 3. März 1999 vor dem Beschluss im Bundestag in dritter Lesung getroffen worden.

§ 34 EStG i.d.F. StEntlG 1999/2000/2002 sei auch in der Sache verfassungsgemäß. Bei der Gestaltung dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum. Die Tarifänderung für Entschädigungen durch das StEntlG 1999/2000/2002 sei sachgerecht gewesen, wenn nicht sogar geboten, da die ursprüngliche Regelung bei Beziehern hoher regulärer Einkünfte zu einer weit über den originären Normzweck hinausgehenden Steuerbegünstigung geführt habe. Es werde auf den Beschluss des BFH vom 10. Juli 2002 (XI B 68/02, BStBl II 2003, 341) verwiesen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 27. April 2007 beschlossen, Beweis zu erheben über die Frage, aufgrund welcher Absprachen und unter welchen Umständen es im Jahre 1999 zur Abfindungsvereinbarung zwischen dem Kläger und seinem seinerzeitigen Arbeitgeber gekommen ist. Es wird auf den Beschluss verwiesen (Bl. 268 f. der FG-Akte).

Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 19. Juni 2006 verwiesen (Bl. 304 f. der FG-Akte).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid 2000 vom ..... 2003 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), und zwar weder unter dem Gesichtspunkt einer vermeintlichen verfassungswidrigen Rückwirkung des § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 noch unter dem Aspekt der Verfassungswidrigkeit des materiellen Regelungsgehaltes dieser Norm.

I. Im Hinblick auf die Problematik der vermeintlichen echten Rückwirkung des § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 folgt dies daraus, dass im Streitfall schon in tatsächlicher Hinsicht nicht zur hinreichenden Überzeugung des Senats feststeht, dass der streitgegenständliche Sachverhalt von dieser Problematik tangiert ist. Denn der Senat ist nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht hinreichend davon überzeugt, dass in dem Gespräch vom 5. März 1999 eine rechtlich verbindliche Vereinbarung getroffen wurde. Dies wirkt sich im Streitfall zu Lasten des Klägers aus, da es sich bei der Geltendmachung der verfassungswidrigen Rückwirkung der Fünftelregelung um eine Einwendung zugunsten des Steuerpflichtigen handelt, für die der Kläger als Steuerpflichtiger die objektive Beweislast (Feststellungslast) trägt.

1. Nach der jüngsten Rechtsprechung des BFH (11. Senat, Vorlagebeschlüsse an das BVerfG v. 02.08.2006, XI R 30/03, BStBl II 2006, 895, und XI R 34/02, BStBl II 2006, 887) erscheint die Verfassungsgemäßheit des § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 insoweit zumindest fraglich, als Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 EStG, die vor dem Beschluss des StEntlG 1999/2000/2002 durch den Bundestag am 4. März 1999 vereinbart und ausgezahlt wurden, mit einer höheren Steuer belegt werden, als es das im Zeitpunkt der Auszahlung geltende Gesetz vorgesehen hat. Dabei hat der BFH auch in Erwägung gezogen, dass der maßgebliche Zeitpunkt für den Vertrauensschutz bei einer echten Rückwirkung nicht schon der Gesetzesbeschluss im Bundestag, sondern die Verkündung des Gesetzes sein könnte oder sollte. Jedenfalls aber kommt es nach dieser Rechtsprechung darauf an, dass der Lebenssachverhalt zu dem entsprechenden Zeitpunkt abgeschlossen sein muss. Hierunter scheint der BFH in den Vorlagebeschlüssen vom 2. August 2006 nicht nur die verbindliche Vereinbarung, sondern auch die Auszahlung der Abfindung zu verstehen.

2. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsgrundsätze, die sich der Senat zu eigen macht, und nach Durchführung der Beweisaufnahme steht nicht zur hinreichenden Überzeugung des Senats fest, dass der streitgegenständliche Sachverhalt von der Problematik der vermeintlichen unzulässigen Rückwirkung des § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 berührt wird. Unabhängig von der Rechtsfrage, ob allein die Vereinbarung der Abfindung die schützenswürdiges Vertrauen begründende wirtschaftliche Disposition darstellen kann oder ob nicht vielmehr - was die Beschlüsse des XI. Senats des BFH vom 2. August 2006 nahe zu legen scheinen - insoweit auch die Auszahlung hinzukommen muss, ist der Senat schon in tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend davon überzeugt, dass der Kläger und der Zeuge ...... in dem Gespräch vom 5. März 1999 eine rechtlich verbindliche, mithin gerichtlich durchsetzbare, Vereinbarung und damit die für einen Vertrauensschutz vermeintlich maßgebliche Disposition getroffen haben. Angesichts dessen ist für den maßgeblichen Zeitpunkt der verbindlichen Abfindungsvereinbarung auf das Zustandekommen der schriftlichen Vereinbarung im ..... 1999 abzustellen. Infolgedessen kann nur davon ausgegangen werden, dass die verbindliche Vereinbarung der Abfindungszahlung deutlich nach dem Beschluss des StEntlG 1999/2000/2002 am 4. März 1999 und dessen Verkündung am 31. März 1999 getroffen wurde. Die mit dem Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/2002 einhergehende Einführung der sog. Fünftelregelung war im Zeitpunkt der Vereinbarung im .... 1999 bereits geltendes Recht.

a. Die Beweisaufnahme hat nicht zur hinreichenden Überzeugung des Senats ergeben, dass die mündliche Vereinbarung vom 5. März 1999 zwischen dem Kläger und dem Zeugen ..... einen rechtlich verbindlichen Charakter hatte.

Zwar hat der Zeuge ...... - in Übereinstimmung mit dem klägerischen Vortrag - ausgesagt, dass die mündliche Absprache der Abfindung zwischen ihm und dem Kläger verbindlich gewesen sei. Jedoch handelt es sich hierbei um eine Wertung und Einschätzung durch die Vertragsparteien und nicht um eine Tatsache. Die rechtliche Würdigung obliegt jedoch dem Senat.

Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände im Streitfall spricht vieles dafür, in der mündlichen Vereinbarung vom 5. März 1999 eine bloße Absichtserklärung zu sehen. Jedenfalls konnte der Senat keine hinreichende Überzeugung dahingehend finden, dass die mündliche Absprache vom 5. März 1999 rechtlich verbindlichen und damit auch gerichtlich durchsetzbaren Charakter hatte bzw. hat.

aa. In dem Anstellungsvertrag des Klägers war vorgesehen, dass Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedurften. Dabei handelte es sich um eine konstitutive Schriftform, da sie - ausweislich der vertraglichen Regelung - der Wirksamkeit der Vertragsänderung oder -ergänzung, und nicht bloß Beweiszwecken, dienen sollte.

(1) Zivilrechtlich ist zwar anerkannt, dass der vereinbarte Formzwang jederzeit formlos aufgehoben werden kann. Dabei soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eine Schriftformklausel dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass die Vertragschließenden deutlich den Willen zum Ausdruck bringen, die mündlich getroffene Abrede solle ungeachtet der Schriftformklausel gelten (z.B. BGH, Urt. v. 26.11.1980, VIII ZR 298/79, Wertpapier-Mitteilungen 1981, 121; vgl. BFH, Urt. v. 24.07.1996, I R 115/95, BStBl II 1997, 138 m.w.N.). Dies erfordert zumindest einen konkludent manifestierten Formerfordernis-Aufhebungswillen der Vertragsparteien (vgl. BFH, Urt. v. 24.07.1996, I R 115/95, a.a.O.). Lediglich ein Neuregelungswille der Vertragsparteien - ohne Bewusstsein des Schriftformerfordernisses und dessen zumindest konkludente Abbedingung - reicht nicht aus. So hat auch der BGH im Urteil vom 30. September 1992 (VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283, 291) ausdrücklich auf das Vorliegen eines "die Schriftform aufhebenden Willens" abgestellt (vgl. auch BFH, Urt. v. 24.07.1996, I R 115/95, a.a.O.).

(2) Im Streitfall waren sich aber weder der Kläger noch der Zeuge ...... als Vertragsschließende des vertraglichen konstitutiven Schriftformerfordernisses bewusst. Der Zeuge ....... hat - auf Nachfrage zum vertraglichen Schriftformerfordernis - lediglich ausgesagt, dass er und sicherlich auch der Kläger die Abfindungs-Absprache für verbindlich gehalten hätten und dass es jedenfalls keinen Streit gegeben habe. Dies allein reicht jedoch zur Abbedingung des Schriftformerfordernisses nicht aus. Denn hieraus folgt nicht, dass die Vertragsschließenden die Schriftformklausel bedacht und zumindest konkludent aufgehoben hätten. Damit kann der Senat aber nicht die Überzeugung bilden, dass die Vereinbarung vom 5. März 1999 bereits wirksam und verbindlich war. Dies mag so gewesen sein, jedoch kann es sich bei den Erklärungen vom 5. März 1999 ebensogut um Absichtserklärungen gehandelt haben.

Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Abfindungsvertrag später im ..... 1999 schriftlich niedergelegt wurde. Angesichts des konstitutiven Charakters der Schriftformklausel dürfte der schriftliche Vertrag nicht lediglich zu Beweiszwecken verfasst worden sein.

bb. Hinzu kommt, dass der Senat auch nicht davon überzeugt ist, dass sich die Vertragsparteien am 5. März 1999 hinreichend konkret über die genaue Höhe der Abfindung - ....... DM - und nicht nur über den Rahmen für die noch genau zu bestimmende Abfindung geeinigt haben.

So hat der Kläger vorgetragen - sowohl schriftlich als auch anlässlich der Anhörung in der mündlichen Verhandlung - dass Gegenstand der Einigung eine Abfindung i.H.v. "1 1/2 Jahresgehältern" gewesen sei. Hierzu führte der Kläger aus, dass ihm zunächst vom Zeugen ..... nur ein Jahresgehalt als Abfindung angeboten worden sei. Aufgrund der Vertragsverhandlungen hätten sie sich schließlich auf "1 1/2 Jahresgehältern" geeinigt.

Der Zeuge ..... hingegen hat ausgesagt, dass er in dem Gespräch Ende Februar/Anfang März 1999 "sicherlich" mit dem Kläger den finanziellen Rahmen für die Abfindung festgelegt habe. Dabei sei über Zahlen und nicht abstrakt über "Jahresgehälter" gesprochen worden und der Betrag zahlenmäßig festgelegt worden. An den Betrag könne er sich heute nicht mehr erinnern. Es habe hierüber jedenfalls keinen Streit gegeben.

Angesichts dieser recht vagen Darstellungen der beiden Vertragsparteien steht für den Senat nicht fest, ob die Vereinbarung vom 5. März 1999 hinreichend konkret war. Klägervortrag und Zeugenaussage stimmen insoweit nicht überein, worauf sich das Gespräch vom 5. März 1999 tatsächlich bezogen hat - auf einen konkreten Betrag in Form einer Zahl oder lediglich die abstrakte Festlegung in Form einer bestimmten Anzahl an Jahresgehältern. Dies macht insoweit einen Unterschied, als im Streitfall die vermeintliche Einigung über eine bestimmte Anzahl an Jahresgehältern nicht zu einem eindeutigen Betrag führen würde. Denn die entsprechende Bezugsgröße - das Jahresgehalt - ist nicht hinreichend bestimmt, da nicht klar ist, ob das durchschnittliche Gehalt der letzten Jahre oder das Gehalt des letzten Jahres, das Festgehalt oder das Gehalt inklusive Tantiemen, gemeint gewesen war. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Höhe der Abfindung laut schriftlicher Vereinbarung vom ..... 1999 nicht genau nachvollziehbar ist. Die Abfindung sollte hiernach ....... DM betragen. Ausgehend vom Bruttoarbeitslohn i.H.v. ....... DM in 1999 und i.H.v. ....... DM in 1998 ergibt sich dieser Betrag auf der Gru ndlage des klägerischen Vortrags nicht. Auch der Kläger konnte im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat keine Aufklärung geben, wie die nach seinem eigenen Vortrag vereinbarten 1 1/2 Jahresgehälter zu dem Abfindungsbetrag von ....... DM führen könnten.

cc. Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Umstände kommt hinzu, dass die Abfindung lediglich ein Teil einer umfassenderen Vereinbarung betreffend die Beendigung des Vorstandsanstellungsvertrages war. Hierbei mussten z.B. auch Regelungen hinsichtlich der Freistellung des Klägers, der Nutzung des Büros für Verbandsangelegenheiten, der bestehenden Urlaubsansprüche, der Übernahme des Dienstfahrzeuges u.ä. getroffen werden. Dies war am 5. März 1999 nicht geschehen. Der Kläger und der Zeuge ..... haben zwar erklärt, dass es sich hierbei um nebensächliche Punkte gehandelt habe, deren Formulierung der Rechtsabteilung übertragen worden sei. Jedoch ändert dies nichts am Charakter einer übergreifenden, einheitlichen, wenn auch aus mehreren Punkten bestehenden Gesamtvereinbarung, die jedenfalls so am 5. März 1999 nicht ausgehandelt wurde.

Angesichts der Gesamtumstände des Streitfalls hat der Senat nicht die hinreichende Überzeugung gewinnen können, dass die von den Vertragsparteien bereits am 5. März 1999 mündlich getroffene Abfindungsabsprache tatsächlich rechtlich verbindlich und damit im Falle einer vermeintlich streitigen Auseinandersetzung gerichtlich mit Erfolg durchsetzbar gewesen wäre.

b. Vor diesem Hintergrund kann es der Senat dahingestellt lassen, ob § 34 Abs. 1 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 aufgrund unzulässiger Rückwirkung verfassungswidrig ist. Denn auf den Streitfall würde sich diese Frage nicht auswirken. Da nämlich die maßgebliche und verbindliche Abfindungsvereinbarung im ....1999 und damit nach dem Beschluss des StEntlG 1999/2000/2002 im Bundestag am 4. März 1999 und nach dessen Verkündung am 31. März 1999 getroffen wurde, durfte und konnte der Kläger nicht mehr auf den Fortbestand der alten Regelung des § 34 Abs. 1 EStG vertrauen. Insoweit kann ihm auch vor dem Hintergrund der Vorlagebeschlüsse des XI. Senatsvom 2. August 2006 (XI R 30/03, BStBl II 2006, 895, und XI R 34/02, BStBl II 2006, 887) kein Vertrauensschutz gewährt werden.

c. Nichts anderes ergibt sich aus den vom Kläger zitierten, beim BFH anhängigen Revisionsverfahren XI R 34/02, XI R 24/03, XI R 26/03, XI R 30/03, XI R 86/03, XI R 44/04, XI R 48/04, XI R 12/05. Die diesen Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalte sind, soweit sie die Rückwirkungsproblematik betreffen, nicht mit dem Streitfall vergleichbar, da die verbindliche Vereinbarung und ggf. die Auszahlung der Abfindung zu früheren Zeitpunkten erfolgt waren.

II. Daneben verletzt der Einkommensteuerbescheid 2000 vom ......... 2003 den Kläger auch nicht unter dem Aspekt der Verfassungswidrigkeit des materiellen Regelungsgehaltes der Fünftelregelung in seinen Rechten. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die Fünftelregelung verfassungswidrig ist.

Dies wurde auch vom BFH, dessen Auffassung sich der Senat anschließt, mehrfach bestätigt (zuletzt BFH, Beschl. v. 16.12.2005, VIII B 123/05, BFH/NV 2006, 725 m.w.N.).

1. So steht es im Ermessen des Gesetzgebers, welchem ermäßigten Steuertarif er außerordentliche Einkünfte unterwerfen will (BFH, Beschl. v. 25.02.2003, VIII B 253/02, BFH/NV 2003, 624). Den Systemwechsel vom halben Steuersatz zum Fünftelverfahren konnte der Gesetzgeber jederzeit vornehmen. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Vertrauensschutz steht einem Systemwechsel für die Zukunft grundsätzlich nicht entgegen. Bei unbefristeten und über Jahrzehnte wirkenden Steuervergünstigungen kann der Steuerpflichtige sich nicht darauf berufen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht zu seinen Lasten verändert werden dürften (BVerfG, Beschl. v. 05.02.2002, 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, 17; BFH, Beschl. v. 25.02.2003, a.a.O.).

2. Auch aus der erneuten Einführung eines - ergänzend anwendbaren - modifizierten halben Steuersatzes mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 2001 an ergibt sich - mit Blick auf Art. 3 i.V.m. Art. 20 GG - keine Verpflichtung des Gesetzgebers, für die Jahre 1999 und 2000 rückwirkend eine Übergangsregelung zu schaffen (BFH, Beschl. v. 25.02.2003, a.a.O.;v. 10.07.2002, XI B 68/02, BStBl II 2003, 341).

Denn gegenüber Gesetzen, die nur für künftige Tatbestände gelten, wird grundsätzlich kein Vertrauensschutz gewährt (BFH, Beschl. v. 10.07.2002, a.a.O.). Ebenso wie der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz den Begünstigten nicht vor jeder "Enttäuschung" seiner Erwartungen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage bewahrt, sind die Erwartungen des Steuerpflichtigen auch insoweit nicht geschützt, als er an Besserstellungen rückwirkend teilhaben möchte (BFH, Beschl. v. 10.07.2002, a.a.O.). Bei einem Systemwechsel ist der Gesetzgeber berechtigt, die Neuregelung erst mit dem Systemwechsel wirksam werden zu lassen, ohne einen gleitenden Übergang vorsehen zu müssen. Eine rückwirkende Besserstellung entspricht nicht dem bisherigen System und ist daher verfassungsrechtlich nicht geboten (BFH, Beschl. v. 10.07.2002, a.a.O.; zuletzt bestätigt durch BFH, Beschl. v. 16.12.2005, VIII B 123/05, BFH/NV 2006, 725 m.w.N.).

3. Auch der durch die Fünftelregelung bewirkte Tarifverlauf führt nicht zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen übermäßigen Besteuerung. Die vom Kläger gerügte übermäßige Belastung der übrigen laufenden Einkünfte beruht auf einer isolierten Betrachtung dieser übrigen Einkünfte. Diese Betrachtungsweise ist der Systematik des Einkommensteuerrechts indes fremd. Das Einkommensteuerrecht knüpft auf der Grundlage der gleichmäßigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit an das gesamte zu versteuernde Einkommen an. Deshalb kann es auch nur auf die Belastung des Gesamteinkommens ankommen und nicht auf die verzerrende isolierte Betrachtung einzelner Einkommensteile. Die Gesamtbelastung des zu versteuernden Einkommens wird jedoch durch den tariflichen Spitzensteuersatz nach oben begrenzt, so dass konfiskatorische Wirkungen bezogen auf das Gesamteinkommen nicht auftreten (so auch FG Düsseldorf, Urt. v. 08.10.2003, 13 K 2684/02 E, EFG 2004, 48).

III. Vor diesem Hintergrund scheidet die Einleitung eines konkreten Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG aus, da der Senat die Fünftelregelung nach § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. StEntlG 1999/2000/2002 nicht für verfassungswidrig hält.

IV. Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Frage nach der materiell-rechtlichen Verfassungsmäßigkeit der Fünftelregelung gemäß § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/200072002 wird jedoch die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Zwar hat sich der BFH u.a.im Beschluss vom 16. Dezember 2005 (VIII B 123/05, BFH/NV 2006, 725) eindeutig zu der Frage geäußert, jedoch handelte es sich hierbei um ein Beschwerdeverfahren. Außerdem hat sich der BFH - soweit ersichtlich - bislang nicht mit dem vom Kläger angeführten Argument der möglichen partiellen Übermaßbesteuerung befasst. Die streitige Regelung des § 34 EStG wurde zwar mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2001 wieder geändert, dürfte aber noch aktuelle Bedeutung über den hier zu entscheidenden Fall hinaus haben.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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