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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: 8 K 674/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. Nr. 2a
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

8 K 674/06

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

Der Kläger ist Vater des am 11.8.1984 geborenen Kindes R. R hat im Juni 2005 das Abitur abgelegt. Bis einschließlich Juni 2005 hatte der Kläger für den Sohn Kindergeld bezogen.

Am 7.10.2006 stellte der Kläger für R bei der Beklagten einen auf den 30.9.2005 datierten "Antrag auf Kindergeld für ein über 18 Jahre altes Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz" (Bl. 93 der Kindergeldakte/ Kg-Akte). Ausweislich der im Antragsformular vermerkten Bestätigung des "Kundenbereichs Vermittlung" der Agentur für Arbeit (AfA) E war R dort seit dem 7.10.2005 als arbeitsuchend gemeldet. Außerdem ist im Antrag (unter Ziff 5.) angegeben, dass der Sohn des Klägers "seit Januar 05 bis voraussichtlich 31.12.05 eine Tätigkeit mit Brutto-Einnahmen in Höhe von monatlich 325,- (EUR)" ausübt und dass ein "Einberufungsbescheid zum 1.1.06" vorliegt.

In einem Vermerk (Bl. 95 der Kg-Akte) über eine persönliche Vorsprache des Sohnes des Klägers bei der AfA E am 14.10.2006 heißt es u.a., "die Zeit bis zum Beginn der BW will der Kunde nutzen und sich selbst um eine Anstellung/Ausbildung bemühen; an einer Vermittlung in Arbeit unsererseits ist er nicht interessiert und steht daher der AV nicht zur Verfügung".

Daraufhin lehnte die Beklagte den Kindergeldantrag mit Bescheid vom 29.10.2005 ab. Wegen der Begründung wird im Einzelnen auf den Ablehnungsbescheid Bezug genommen.

Dagegen erhob der Kläger fristgerecht Einspruch, mit dem er sich auf die Übergangsregelung des " § 32 EStG Absatz 2b" (gemeint: § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG) berief. Für seinen Sohn müsse die Übergangszeit-Regelung zwischen Schulabschluss und Wehrdienst gelten, auch wenn diese länger als vier Monate dauere. Mindestens bestehe aber auch eine Diskrepanz zwischen dem angefochtenen Bescheid einerseits und der Bestätigung der AfA im Antrag auf Kindergeld andererseits, wonach sein Sohn als arbeitsuchend gemeldet sei.

Der Beklagte wies den Einspruch jedoch mit Einspruchsentscheidung vom 12.1.2006 als unbegründet zurück. Das Kind habe sich zwar im Oktober 2005 arbeitslos gemeldet. Da R zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits das 21. Lebensjahr vollendet gehabt habe (11.8.2005), seien für seine Berücksichtigung als Kind nur (noch) die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) bis d) EStG einschlägig. An einer Berufsausbildung sei der Sohn des Klägers lt. eigenen Angaben aber erst nach Ablauf des Wehrdienstes interessiert. Die Berücksichtigung als Kind während der Übergangszeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn des Wehrdienstes scheitere daran, dass die Übergangszeit mehr als vier Monate betragen habe.

Mit seiner dagegen geführten, fristgerecht erhobenen Klage macht der Kläger geltend, es könne dahinstehen, ob ihm Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG (für ein arbeitsuchendes Kind unter 21 Jahren) zu gewähren sei. Denn sein Sohn werde gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG für einen Beruf ausgebildet. Auch der gesetzliche Wehrdienst diene der Berufsausbildung, beispielsweise zum Offizier. Hinzu komme, dass sich sein Sohn zwischenzeitlich dauerhaft bei der Bundeswehr als Offiziersanwärter verpflichtet habe (dazu hat der Kläger den Antrag seines Sohnes auf Erstverpflichtung zum SaZ 4 (Soldat auf Zeit) vom 13.7.2006 (Bl. 62 der Akten) und die Urkunde des Bundesministers der Verteidigung vom 16.9.2006 über die Berufung des Sohnes in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum 1.10.2006 vorgelegt (Bl. 67 der Akten) ).

Mindestens sei dem Kläger aber auch deshalb Kindergeld zu gewähren, weil sein Sohn vom 1.1. bis zum 31.12.2005 einer Tätigkeit nachgegangen sei, die ebenfalls als Berufsausbildung zu qualifizieren sei. Hierbei habe es sich um eine Tätigkeit in der physiotherapeutischen Gemeinschaftspraxis gehandelt, die die Frau des Klägers und deren Berufskollege C seinerzeit zusammen betrieben hätten. Der Sohn habe in dieser Praxis gegen einen pauschal versteuerten Brutto-/Nettolohn von monaltlich 325 EUR diverse Arbeiten, die im laufenden Alltagsgeschäft dort so anfielen, wie z.B. Rezeptionstätigkeit, erledigt. Ferner sei er in das Abrechnungswesen eingearbeitet worden.

Da hiernach zu keinem Zeitpunkt zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, bzw. einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehrdienstes ein Zeitraum von mehr als vier Monaten gelegen habe, stehe ihm, dem Kläger, nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b) EStG Kindergeld zu.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 29.10.2005 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 12.1.2006 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für das Kind R Kindergeld ab 1. Juli 2005 zu gewähren,

hilfsweise,

Kindergeld ab dem 1. Januar 2006 zu gewähren,

hilfsweise,

den vorerwähnten Bescheid und die vorerwähnte Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Seiner Auffassung nach bewendet es dabei, dass die Übergangszeit von vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, bzw. zwischen einem Ausbildungsabschnitt und dem Beginn des gesetzlichen Wehrdienstes, im Streitfall überschritten worden sei.

Der Sohn des Klägers könne auch nicht gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG als Kind berücksichtigt werden, weil die Tätigkeit als Soldat auf Zeit als solche keine Ausbildung darstelle, sondern allenfalls die Ausbildung zum Offizier (als Offiziersanwärter). Dieser Ausbildungsgang sei aber nicht nachgewiesen. Außerdem scheitere dann die Gewährung von Kindergeld an der Überschreitung des Grenzbetrags nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.

Soweit im Klageverfahren vorgetragen worden sei, die Tätigkeit des Sohnes R in der Gemeinschaftspraxis der Ehefrau des Klägers sei als Ausbildung zu bewerten, sei dem nicht zu folgen, weil die Tätigkeit im Rahmen eines gering bezahlten Arbeitsverhältnisses ausgeübt worden sei.

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Klagebegründung, auf die weiteren Schriftsätze des Klägers vom 25.7.2006, 1.8.2006, 8.8.2006, 29.9.2006 und vom 7.11.2006 (jeweils nebst Anlagen), auf die Klageerwiderung und den Schriftsatz des Beklagten vom 4.9.2006 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

I. Dem Kläger steht Kindergeld für seinen Sohn R weder für die Monate Juli bis Dezember 2005 noch für die Zeit danach zu. Denn die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld in Betracht käme ( § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) oder b) EStG), liegen in der Person seines Sohnes R nicht vor.

1) Für die Monate Juli bis Dezember 2005 ist der Sohn des Klägers nicht als Kind zu berücksichtigen, weil er sich in diesem Zeitraum weder in einer Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz Nr. 2a) EStG) noch in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehrdienstes befunden hat ( § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b) EStG).

a) Die Tätigkeit des Sohnes in der von seiner Mutter und deren Kollegen C geführten Gemeinschaftspraxis kann, auch bei weiter Auslegung, nicht als Ausbildung für einen Beruf (Berufsausbildung) qualifiziert werden. Als Berufsausbildung ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die ernstlich betriebene Vorbereitung auf ein künftiges Berufsziel zu verstehen. Dazu gehören alle Maßnahmen zum Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen, die als Grundlage für die Ausbildung des angestrebten Berufs geeignet sind (so grundsätzlich: BFH-Urteil vom 9.6.1999 VI R 33/98, BStBl II 1999, 701). Hierzu zählt neben der "klassischen" Schulausbildung (Grund-, Haupt-, Oberschule) z.B. auch ein Praktikum, das ein Kind außerhalb eines fest umschriebenen Prüfungsplans absolviert (z.B. das Anwaltspraktikum eines Jurastudenten, vgl. BFH-Urteil vom 9.6.1999 VI R 16/99, BStBl II 1999, 713) oder ein Volontariat vor Aufnahme einer voll bezahlten Beschäftigung (vgl. BFH-Urteil vom 9.6.1999 VI R 50/98, BStBl II 1999, 706), wenn das Praktikum oder das Volontariat der Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation dient und somit der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht.

Mit seiner Tätigkeit in der Gemeischaftspraxis strebte der Sohn des Klägers indessen keine berufliche Qualifikation an. Die Beschreibung dieser Tätigkeit durch den Kläger lässt vielmehr klar erkennen, dass der Sohn in der Praxis lediglich Hilfsarbeiten, wie sie im Alltagsgeschäft einer physiotherapeutischen Praxis anfallen, z.B. im Empfang, wahrgenommen hat, die auch entsprechend, nämlich niedrig, entlohnt worden sind. Im Vordergrund stand nicht irgendein "Ausbildungscharakter", sondern der "Erwerbscharakter" dieser Tätigkeit, mag der Sohn dabei auch Einblick in den Ablauf einer physiotherapeutischen Praxis genommen und bekommen haben.

b) Für den Zeitraum Juli bis Dezember 2005 steht dem Kläger auch nicht deshalb Kindergeld für seinen Sohn R zu, weil diese Frist ohne sein Verschulden länger als die in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b) EStG statuierte Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt (hier: Schulausbildung) und der Ableistung des gesetzlichen Wehrdienstes gedauert hat. Denn auch die unverschuldete Überschreitung der Übergangszeit, die hier durch eine sechsmonatige Zwangspause bis zum Beginn des Wehrdienstes gekennzeichnet ist, ist nach der zutreffenden Auslegung der vorgenannten Bestimmung durch das Hessische Finanzgericht (Urteil vom 25.6.1997 2 K 626/97, EFG 1998, 104) kindergeldschädlich. Das Gericht hat dort ausgeführt, der Gesetzgeber habe bewusst eine feste Zeitdauer festgelegt, innerhalb bzw. mit Ablauf derer der Ausbildungsabschnitt begonnen werden müsse. Ein Abstellen auf subjektive Verhältnisse habe damit gerade vermieden werden sollen.

2) Dem Kläger steht auch ab dem 1.1.2006 kein Anspruch auf Kindergeld zu.

a) Dies gilt zunächst für den Zeitraum ab der Einberufung des Sohnes des Klägers zum gesetzlichen Wehrdienst (1.1.2006) bis zum Vortag seiner Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit (30.9.2006). Denn der in diesen neuen Monaten absolvierte gesetzliche Wehrdienst stellt keine Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG dar. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass ein Wehrpflichtiger im Rahmen des gesetzlichen Wehrdienstes in vielfältiger Hinsicht ausgebildet wird, zum Beispiel im Gebrauch von Waffen, in der Taktik und Strategie der Verteidigung, in Körperertüchtigung u.a.m.). Das Erlernen dieser Fähig- und Fertigkeiten innerhalb des normalen gesetzlichen Wehrdienstes dient aber nicht der Ausbildung für einen Beruf. Denn der Wehrpflichtige strebt den Beruf des Soldaten nicht an, sondern wird ohne oder - nicht selten - auch gegen seinen Willen einberufen.

So geht auch das Gesetz nicht davon aus, dass der gesetzliche Wehrdienst als Berufsausbildung zu qualifizieren ist. Andernfalls hätte es nämlich der alternativen Beschreibung einer Übergangszeit "zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes" in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b) EStG nicht bedurft. Auch § 32 Abs. 5 Abs. 1 Nr. 1 EStG wäre überflüssig, wenn der gesetzliche Wehrdienst als Berufsausbildung zu gelten hätte.

b) Allerdings befindet sich der Sohn des Klägers ab dem Beginn seiner Berufung in das Dienstverhältnis eines Zeitsoldaten (1.10.2006) in der Berufsausbildung. Dabei geht das Gericht davon aus, dass sich der Sohn des Klägers, der zum Zeitpunkt seiner Berufung in dieses Dienstverhältnis den Rang eines Obergefreiten bekleidete, für die Offizierslaufbahn beworben hat. Diesen Vortrag des Klägers hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zwar bestritten. Es liegt aber angesichts der Tatsache, dass der Sohn des Klägers die Reifeprüfung abgelegt hat, auf der Hand, dass er, wenn er sich schon bei der Bundeswehr auf Zeit verpflichtet, dort eine Offiziersausbildung anstrebt.

Indessen steht einer Berücksichtigung des Sohnes R als "Kind" im Sinne von § 32 EStG entgegen, dass er ab seiner Berufung in das Zeitsoldatenverhältnis den für 2006 maßgeblichen Grenzbetrag der eigenen Einkünfte und Bezüge von 7.680 EUR überschreitet ( § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Da sich gem. § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG nicht vorliegen (dies sind im Streitfall die Monate Januar bis September 2006, siehe oben unter 2 a), der Grenzbetrag um ein Zwölftel mindert, beträgt der Grenzbetrag vorliegend nur 1.920 EUR (für die Monate Oktober bis Dezember 2006). Ausweislich des Kontoauszugs Nr. 7 Bl. 2 der Bank S, den der Kläger auf Anforderung des Gerichts mit seinem Schriftsatz vom 7.11.2006 übersandt hat, hat sein Sohn für Oktober 2006 neben dem Wehrsold von 249,86 EUR (Auszug Nr. 7 Bl. 1) erstmals - einen "Besoldungsabschlag 10/06" von 1.200 EUR (dies entspricht in etwa dem Nettogehalt eines Obergefreiten in der Eingangsstufe der Besoldungsgruppe A 4 nach dem Bundesbesoldungsgesetz) ausgezahlt erhalten. Eine Hochrechnung für die drei letzten Monate des Jahres 2006 ergibt hiernach eigene Einkünfte und Bezüge des Sohnes R, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet sind, von netto 3.600 EUR. Diese Einkünfte und Bezüge überschreiten ersichtlich den Grenzbetrag von 1.920 EUR erheblich, so dass der Kindergeldanspruch des Klägers hieran scheitert.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

Ende der Entscheidung

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