Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 21.08.2008
Aktenzeichen: 10 K 124/08
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 255 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom 15.4.2002 wird die Einkommensteuer 1999 mit der Maßgabe herabgesetzt, dass bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 4.000 DM berücksichtigt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen des Klägers auf das vermietete Grundstück U-Str. in der Stadt C sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen darstellen oder als nachträgliche Herstellungskosten nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung - AfA - als Werbungskosten absetzbar sind.

Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks U-Str. in der Stadt C.

Das als Zweifamilienhaus bewertete Grundstück ist seit 1993 vermietet. Die Mieterin nutzt das Grundstück teils zu eigenen Wohnzwecken und teils zu betrieblichen Zwecken (psychotherapeutische Praxis). Die Wohnräume befinden sich dabei im Erdgeschoss und im Obergeschoss. Die Praxisräume sind im Untergeschoss.

Im Rahmen einer vom Gericht am 29. November 2006 durchgeführten Ortsbesichtigung ergab sich Folgendes:

Es gibt zwei Eingänge zu dem Haus. Zunächst wurde der linke Eingang als Praxiseingang genutzt. Man ging dann sofort die Treppe herunter und kam nach einem Vorraum in einen größeren Raum, der bis 1999 als Behandlungsraum genutzt wurde. Heute wird dieser Raum privat genutzt. Dieser Raum war früher durch zwei Türen mit dem Büroraum verbunden (in der vom Beklagtenvertreter überreichten Skizze mit "Vorräte", vom Kläger mit P3 bezeichnet). Durch diesen mussten die Patienten gehen, wenn sie im ersten Trakt auf die Toilette wollten. Durch die rechte Eingangstür kam man über eine Treppe ebenfalls in das Untergeschoss. Nach einer Diele kam man in den mit "Vorräte" bezeichneten Raum. Dabei handelte es sich vor 1999 um den Büroraum der Mieterin. In diesem stand und steht ihr einziger Schreibtisch. Patienten wurden in diesem Raum nur ausnahmsweise behandelt. Dieser Raum hatte eine Tür mit großem Glaseinsatz nach außen in den Garten. Auf der rechten Seite des Raumes befand sich zu 2/3 eine kleinere Mauer. Der dahinter befindliche Raum wurde als Aktenraum und zur Aufbewahrung von Büchern genutzt.

Wegen der Einzelheiten der Räumlichkeiten wird auf das Protokoll über die Ortsbesichtigung sowie die vom Beklagtenvertreter eingereichte Skizze (Blatt 93 der Gerichtsakten 10 K 4515/03) Bezug genommen.

Im Rahmen der 1999 durchgeführten und hier streitbefangenen Bauarbeiten wurde die Zwischenwand abgerissen. Nunmehr wird der gesamte Raum als Büro und Behandlungsraum genutzt. Die Praxisräume befinden sich somit nunmehr ausschließlich auf der rechten Hausseite.

Der Kläger machte bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Jahre 1999 Gesamtkosten in Höhe von 101.239,51 DM als Erhaltungsaufwendungen geltend. Aus den Baurechnungen ergeben sich folgende durchgeführte Gewerke:

Abtragen des Erdreichs und Erstellen einer Tür - Fensteröffnung 3,80 x 2,00 m.

Einfassung des Geländers mit Winkelsteinen und anschließende Verfüllung mit Erdreich.

Isolierung und Abdichtung der Außenwand.

Einbau eines Stützträgers.

Abriss von Innenwänden.

Erstellung von Gipskartonständer- und Vorsatzwänden im Innenbereich einschließlich Unterkonstruktion und Wärmedämmung.

Summe dieser Rohbauarbeiten 56.373,-- DM.

Einbau einer Fensteranlage 3,8 x 1,98 m 5.668,-- DM

Verlegung der Heizungsanlage für die Praxis an die Fensterfront 12.266,34 DM

Verlegen von Eichendielen und Wandverkleidungen, Regal und Terrassenboden 15.950,-- DM

Elektroarbeiten 1.500,-- DM

Nicht näher beschriebene Sanierungsarbeiten 4.222,-- DM.

Der Beklagte sah die durchgeführten Baumaßnahmen als nachträgliche Herstellungskosten an und ließ die Kosten nur im Rahmen der Abschreibung nach § 7 Abs. 4 EStG zum Abzug zu.

Den gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 15. April 2002 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4. August 2003 als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit der Klage trägt der Kläger vor:

In dem Mietvertrag vom 25. November 1993 mit Nachtrag vom 13. Januar 1996 sei für die gesamte Wohn- und Praxisfläche eine Mietraumfläche von 158,44 qm angegeben. Der größere Raum (in einer Anlage mit P3 gekennzeichnet) sei zunächst ausschließlich für Wohnzwecke genutzt worden, indem dort ein Hobbyraum bzw. ein Kinderspielzimmer untergebracht gewesen sei. Gleichzeitig sei dieser Raum bereits als Archiv und Abstellraum für die Praxis mitgenutzt worden. Die Mieterin habe sodann im Laufe der Zeit den Raum P3 umgewidmet und weit überwiegend als Archiv- und Abstellraum für ihren Praxisbedarf genutzt. Eine Nutzung als Nebenraum für Wohnzwecke entfiel, weil sich erhebliche Feuchtigkeitsschäden an der Gartenseite bemerkbar gemacht hätten, die dann auch eine umfassende Sanierung erforderten. Diese unverzichtbare Sanierung habe zu den Aufwendungen geführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 10. November 2003 nebst Anlagen in dem Verfahren 10 K 4515/03 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1999 mit der Maßgabe zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 99.215,-- DM berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

4.000 DM als sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand zu berücksichtigen und im Übrigen die Klage abzuweisen.

Der Senat hat nach vorherigem Hinweis an die Beteiligten den Rechtsstreit gemäß § 6 FGO auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Der Einzelrichter hat im ersten Rechtsgang am 29.11.2006 eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Dabei bekundete die Zeugin, dass in dem Raum "Vorräte" es bei Hochwasser erhebliche Wasserprobleme gab, da das Wasser die Böschung herunterlief und durch die vorhandene Tür in den Raum kam. Um dieses Problem zu beseitigen, seien die Baumaßnahmen in 1999 durchgeführt worden.

Das im ersten Rechtsgang ergangene stattgebende Urteil vom 20.12.2006 10 K 4515/03 hat der Bundesfinanzhofmit Urteil vom 25.9.2007 IX R 28/07 aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

Bei der Prüfung, ob eine Baumaßnahme zu Herstellungsaufwand führe, dürfe nicht auf das gesamte Gebäude, sondern nur auf den entsprechenden Gebäudeteil abgestellt werden, wenn das Gebäude in unterschiedlicher Weise genutzt werde und deshalb mehrere Wirtschaftsgüter umfasse. Dies sei hier der Fall. Eine wesentliche Verbesserung des Wirtschaftsguts "Praxis" sei gegeben, wenn der Gebrauchswert des Wirtschaftsguts (das Nutzungspotential) durch die Baumaßnahme gehoben werde. Dabei komme es darauf an, ob bauliche Veränderungen vor dem Hintergrund der betrieblichen Zielsetzung zu einer höherwertigen (verbesserten) Nutzbarkeit des Vermögensgegenstands führen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1999 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Die streitigen Baumaßnahmen stellen entgegen der Auffassung des Klägers nur insoweit abzugsfähigen Erhaltungsaufwand dar, als sie zur Beseitigung des Wasserschadens erforderlich waren. Diesen Betrag schätzt das Gericht, da der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine Mitwirkung an der Aufteilung der Kosten verweigert hat, mit dem Beklagten auf 4.000 DM. Ohne die Mitwirkung des Klägers sieht das Gericht sich außer Stande, eine sachgerechte Aufteilung der Kosten vorzunehmen. Im Übrigen sind die Aufwendungen als nachträgliche Herstellungskosten zu qualifizieren.

Bei der Beurteilung ist das Gericht, was der Kläger verkennt, an die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs in dem zurückverweisenden Urteil gebunden, § 126 Abs. 5 FGO. Es muss deshalb von zwei getrennten Wirtschaftsgütern ausgehen. Die Frage, ob Herstellungsaufwand vorliegt, ist für jedes Wirtschaftsgut getrennt zu prüfen. Ein "übergeordnetes" Wirtschaftsgut "Gebäude" gibt es nicht, vielmehr stehen die Wirtschaftsgüter "Wohnung" und "Praxis" gleichrangig nebeneinander.

Nach § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB - liegen Herstellungskosten u.a. bei einer über den ursprünglichen Zustand des betreffenden Wirtschaftsguts hinausgehenden wesentlichen Verbesserung vor. Eine Verbesserung ist in diesem Sinne wesentlich, wenn über die zeitgemäße Erneuerung hinaus nach objektiven Maßstäben der Gebrauchswert des Wirtschaftsguts im Ganzen deutlich erhöht wird. Dies ist der Fall, wenn die Veränderungen zu einer höherwertigen Nutzbarkeit des Wirtschaftsguts führen, durch die Maßnahmen somit ein höheres "Nutzungspotential" des Wirtschaftsguts geschaffen wird (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -Urteil vom 25. Januar 2006 I R 58/04, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2006, 707 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dies ist vor dem Hintergrund der betrieblichen Zielsetzung des Unternehmens zu beurteilen und zu bejahen, wenn das Wirtschaftsgut so verändert wird, dass die bisherige Nutzbarkeit nicht nur erhalten, sondern verbessert, aber auch, wenn eine andere Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit des Wirtschaftsguts geschaffen wird, sog. Funktionsänderung (vgl. BFH, Urteil vom 16.1.2007 IX R 39/05, BFH/NV 2007, 1475, 1477 unter 2.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen im Streitfall ganz überwiegend nachträgliche Herstellungskosten vor.

Wie sich aus der Aussage der Zeugin ergibt, wurde der Raum "P 3 oder Vorräte" vor dem Umbau ganz überwiegend als Büroraum und nur ausnahmsweise als Behandlungsraum genutzt. Durch die Baumaßnahmen wurde der Raum zu einem kombinierten Büro- und Behandlungsraum umgebaut und in seiner Funktion damit entscheidend verändert. Er war und ist seitdem der einzige Behandlungsraum. Der Einbau der großzügigen Fensteranlage anstatt einer Tür mit Glaseinsatz machte den Raum erstmals für Behandlungen uneingeschränkt nutzbar. Hatte der Raum vorher, wie sich aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Foto und der Ortsbesichtigung ergibt, eher den Charakter eines Kellerraums, so hat er nach den Baumaßnahmen den Charakter eines Wohnraums. Gerade für eine psychotherapeutische Praxis ist ein ansprechend gestalteter Behandlungsraum nahezu unabdingbar. Auch die Zusammenführung der bisher in verschiedenen Gebäudeteilen belegenen Praxisräume, die nur durch zwei Türen zu erreichen waren, führte zu einer wesentlich verbesserten Nutzungsmöglichkeit des Wirtschaftsguts "Praxis".

Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch die Anerkennung von sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen die AfA-Bemessungsgrundlage und damit die Abschreibungen ändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück