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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 13.03.2008
Aktenzeichen: 10 K 3232/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 31 S. 3
EStG § 32 Abs. 3
EStG § 62
EStG § 63
EStG § 66 Abs. 1 S. 1
EStG § 74 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 K 3232/06

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger das für die Monate Juli 2002 bis Februar 2006 bereits an seinen Vater ausgezahlte Kindergeld auf sich abzweigen und von der Beklagten Zahlung an sich verlangen kann.

Der inzwischen in Belgien lebende Kläger ist der im Juni 1983 als drittes Kind geborene Sohn des Herrn V. Dieser hatte im Juni 2002 die Weiterzahlung des Kindergelds beantragt, weil der Kläger die Aufnahme eines Studiums beabsichtige. Mit Bescheid vom 28. Juni 2002 setzte der Beklagte das Kindergeld gegenüber V entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen fest. Im Juli 2002 verzog der Kläger nach Frankreich, um in der Stadt Q Jura zu studieren. Ende Oktober 2002 erhielt V vom Kläger seine Studienbescheinigung und V leitete diese mit einem am 4. November 2002 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben an diese weiter (Kindergeldakte, Bl. 215). Die Kindergeldzahlungen erfolgten vor diesem Hintergrund weiter an V. Eine weitere Bescheinigung über die Fortsetzung des Studiums übersandte V im Januar 2003 an die Beklagte, nachdem der Kläger diese Bescheinigung von der französischen Universität ausgefüllt an V zurückübermittelt hatte (Kindergeldakte, Bl. 218). Im Juni 2003 übersandte V eine vom Kläger unterschriebene Erklärung zu dessen Einkünften und Bezügen an die Beklagte (Kindergeldakte, Bl. 228).

Am 19. Juli 2003 heiratete der Kläger in Frankreich. Der Kläger gibt an, während des gesamten Streitzeitraums von seinen Eltern keinen Unterhalt erhalten zu haben; lediglich in der Zeit von September 2003 bis August 2004 habe ihm sein Vater monatlich 150 EUR überwiesen. Eine Einforderung von Unterhaltsleistungen gegenüber V ist im Streitzeitraum nicht erfolgt. Das Kindergeld für den Kläger bis einschließlich Februar 2006 wurde unstreitig an V ausgezahlt.

Mit einem im August 2005 bei der Beklagten eingegangenen Antrag beantragte die in der Stadt C lebende Schwester des Klägers, die auch seine Zustellungsbevollmächtigte ist, wegen fehlender Unterhaltsgewährung die Auszahlung des Kindergelds an sich selbst (Kindergeldakte, Bl. 279). V bestätigte die Angaben seiner Tochter, wies aber auf die Möglichkeit der Unterhaltsgewährung durch Sachleistungen hin (Zimmer, Dusche, Küchenbenutzung, voller Kühlschrank und eine Mutter, die wasche, koche und psychosoziale Betreuung leiste). Darauf hin zog die Schwester des Klägers ihren Antrag wieder zurück (Kindergeldakte, Bl. 287, 288).

Im November 2005 übersandte der V auf Anforderung der Beklagten eine weitere Studienbescheinigung für den Kläger, die dieser an V übermittelt hatte.

Mit einem am 31. Januar 2006 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Verordnungen EWG Nr. 1408/71 und Nr. 572/72 erstmals die Auszahlung des Kindergelds an sich selbst unter Hinweis auf die fehlende Unterhaltsleistung seines Vaters, und zwar rückwirkend für die Zeit ab Juli 2002 (Kindergeldakte, Bl. 301). Nach Art. 75 dieser Verordnung sei das Kindergeld direkt an die Person auszuzahlen, die tatsächlich für den Unterhalt des Kindes aufkomme, wenn die Eltern das Kind nicht unterhielten und auch das Kindergeld nicht direkt dem Kind zukommen ließen.

Die Beklagte stellte die Zahlung des Kindergelds an V sogleich ein, konnte aber die Auszahlung des Kindergelds für den Monat Februar an V nicht mehr verhindern. Im Rahmen seiner Anhörung widersprach V den Angaben des Klägers nicht, erklärte jedoch - wie bereits beim Antrag der Schwester des Klägers -, der Kläger habe weiterhin die Möglichkeit in seinem Haushalt zu wohnen und dort verpflegt zu werden (Zimmer, Dusche/WC, Küchenbenutzung, etc.; Kindergeldakte, Bl. 308). Nachweise über das konkrete Angebot dieser Unterhaltsleistungen an den Kläger und dessen Möglichkeit, diese Leistungen angesichts des auswärtigen Studiums auch tatsächlich anzunehmen, hatte V allerdings nicht beigefügt.

Mit Bescheid vom 10. April 2006 gegenüber V setzte die Beklagte die Nachzahlung des Kindergelds für die Monate März und April auf 358 EUR fest. Die Aufteilung des Betrags erfolgte unter Hinweis auf die fehlende Unterhaltsleistung durch V in der Weise, dass 23,21 EUR an V geleistet und 334,79 EUR für den Kläger abgezweigt und an diesen ausgezahlt wurden (Kindergeldakte, Bl. 323). Mit - vorliegend streitgegenständlichem - Bescheid vom gleichen Tage entsprach die Beklagte dem Abzweigungsantrag des Klägers für den Monat März 2006 in Höhe von 168,29 EUR und ab April 2006 in Höhe von 166,50 EUR monatlich.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2006) erhobenen Klage macht der Kläger unter Hinweis auf die Verordnungen EWG Nr. 1408/71 und Nr. 572/72 geltend, das deutsche Kindergeld habe im Streitzeitraum nicht seinem Vater, sondern ihm zugestanden. Da die Voraussetzungen des § 74 EStG erfüllt seien, habe er einen eigenständigen Anspruch auf Kindergeld. Es handle sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht um eine Ermessensentscheidung sondern um einen Rechtsanspruch (§ 38 SGB I). Der Kläger betont, keine doppelte Auszahlung des Kindergelds zu begehren. Denn die Familienkasse sei gehalten, das für den Streitzeitraum ihm zustehende, aber zu Unrecht an seinen Vater ausgezahlte Kindergeld bei diesem zurückzufordern. Die Mitwirkungspflichtverletzung seiner Eltern dürfe nicht zu seinen Lasten gehen. Entgegen der Annahme der Beklagten bestehe im Streitfall kein Konflikt zwischen einem Anspruchsinhaber und einem bloßen Zahlungsempfänger, sondern ein Konflikt zwischen zwei eigenständigen Berechtigten. Die Situation sei mit derjenigen von Kindern zweier getrennt lebenden Eltern im Falle des Haushaltswechsels vergleichbar, in der beide einen Anspruch auf Kindergeld hätten.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 10. April 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2006 zu verpflichten, ihm das Kindergeld für die Monate Juli 2002 bis einschließlich Februar 2006 auszuzahlen, hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem EuGH die Frage vorzulegen, ob Art. 75 Abs. 1 Buchst. b EWGV 1408/71 einen eigenen Anspruch auf Auszahlung des Kindergelds begründet, auch wenn das Kindergeld bereits an den nach inländischem Recht Kindergeldberechtigten ausgezahlt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Zulassung der Revision.

Die Beklagte lehnt eine Abzweigung des Kindergelds für die Monate vor März 2006 ab, weil das Kindergeld für diese Zeit bereits an den originär kindergeldberechtigten V ausgezahlt worden sei. Eine Abzweigung könne nur erfolgen, soweit über den Anspruch auf Kindergeld noch verfügt werden könne.

Entscheidungsgründe:

Die Klage betreffend die Monate Juli 2002 bis Februar 2006 ist unbegründet, weil der Kindergeldanspruch für diesen Zeitraum durch Zahlung an den originär kindergeldberechtigten V erloschen ist.

1. Der Kindergeldanspruch entsteht als Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG) gemäß § 38 AO 1977 für jeden Kalendermonat (§ 32 Abs. 3 EStG) , sobald der Tatbestand der §§ 62 f., 32 EStG erfüllt ist; die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind sinngemäß anzuwenden (§ 155 Abs. 4 AO 1977). Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG in der ab Veranlagungszeitraum 2000 geltenden Fassung kann dass für ein Kind nach § 66 Abs. 1 Satz 1 EStG festgesetzte Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.

a) Danach hängt der Anspruch auf Kindergeld bzw. die Kindergeldberechtigung der Eltern gesetzessystematisch ausdrücklich nicht davon ab, dass der Kindergeldberechtigte seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind erfüllt. Vielmehr richten sich die sachlichen Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs allein nach §§ 32, 63 EStG; § 62 EStG regelt die persönlichen Voraussetzungen des Anspruchs. Auch § 74 Abs. 1 S. 1 bzw. S. 3 EStG steht dem nicht entgegen, sondern bestimmt ausdrücklich, dass ein Kindergeldanspruch auch dann bestehen kann, wenn der Kindergeldberechtigte dem Kind gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt bzw. mangels Leistungsfähigkeit gar nicht unterhaltspflichtig ist. Dementsprechend stellt auch der BFH für die Frage der Kindergeldberechtigung nicht auf die Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung des Berechtigten ab, sondern lediglich auf die Erfüllung der sachlichen und persönlichen Kindergeldvoraussetzungen (BFH-Beschluss vom 15. Januar 2004 VIII B 288/02, DStRE 2004, 950).

b) Wie auch sonst im Steuerrecht ist bei der Steuervergütung Kindergeld zwischen dem Festsetzungs- und dem Erhebungs- bzw. Auszahlungsverfahren zu unterscheiden, mit der Besonderheit, dass die Festsetzung des - fremden - Steuer(vergütungs)anspruchs gemäß § 67 Satz 2 EStG auch von einem Auszahlungsberechtigten beantragt werden kann. Die Auszahlung bzw. Abzweigung des Kindergelds betrifft allein das Erhebungsverfahren; die Festsetzung des Kindergelds als Rechtsgrund für die Zahlung, die ihrerseits Bindungswirkung für einen Anspruch nach § 74 EStG hat, bleibt insoweit unberührt. Der Anspruch aus dem steuerlichen Dauerschuldverhältnis "Kindergeld" erlischt sowohl durch die monatliche Zahlung an den originär Kindergeldberechtigten wie auch bei Zahlung an einen Abzweigungsberechtigten (§ 47 AO 1977), mit der Folge, dass die Familienkasse von ihrer Leistungsverpflichtung frei wird (BFH-Beschluss vom 26. Januar 2001 VI B 310/00, BFH/NV 2001, 896; FG München, Urteil vom 24. Mai 2006 9 K 4733/02, EFG 2006, 1335).

c) Bei der Entscheidung über die Abzweigung des Kindergeldes an eine andere Person oder Stelle als den Kindergeldberechtigten nach § 74 Abs. 1 EStG im Falle fehlender Unterhaltsleistung durch die originär kindergeldberechtigten Eltern handelt es sich um eine Ermessensentscheidung auf der Rechtsfolgenebene (BFH-Beschluss vom 17. März 2006 III B 135/05, BFH/NV 2006, 1285, FG München, Urteile vom 12. Dezember 2007 10 K 4917/06, zur Veröffentlichung bestimmt und vom 24. Mai 2006 9 K 4733/02, EFG 2006, 1335; ebenso Schmidt/Weber-Grellet, EStG 26. Aufl., § 74 Rz. 4; vgl. ferner BFH-Urteil vom 17. November 2004 VIII R 30/04, BFH/NV 2005, 692). Kommt die Familienkasse in der Annahme, der Tatbestand des § 74 Abs. 1 EStG sei nicht erfüllt, ihrer Pflicht zur Ermessensausübung nicht nach, verletzt sie die Rechte des Betroffenen (sog. Ermessensunterschreitung, BFH-Urteil vom 17. November 2004 VIII R 30/04, BFH/NV 2005, 692). Ein solcher Ermessensfehler scheidet jedoch aus, wenn die Familienkasse im Zeitpunkt der Kindergeldzahlung an die Eltern keine Kenntnis von den fehlenden Unterhaltsleistungen durch die Eltern hatte. Der Kindergeldanspruch ist auch in diesen Fällen wegen der monatlichen Zahlung an die Eltern durch Erfüllung erloschen (§ 47 AO 1977) und die Familienkasse von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden. Die nachträgliche Feststellung von fehlenden Unterhaltsleistungen bzw. mangelnder Leistungsfähigkeit der Eltern führt nicht zu einem Wiederaufleben des Schuldverhältnisses und dementsprechend auch nicht zu einem rückwirkenden Anspruch auf Abzweigung von Kindergeld für einen Zeitraum, für den das Kindergeld bereits gezahlt worden ist (FG München, Urteil vom 24. Mai 2006 9 K 4733/02, EFG 2006, 1335; ebenso Schmidt/Weber-Grellet, EStG 26. Aufl., § 74 Rz. 4: § 74 ermöglicht nicht die Abzweigung von bereits ausgezahltem Kindergeld).

d) Danach ermöglicht § 74 Abs. 1 EStG auch im Streitfall keine rückwirkende Abzweigung von bereits ausgezahltem Kindergeld. Zwar gehen die Beteiligten im Streitfall offensichtlich zu Recht übereinstimmend davon aus, dass V als Kindergeldempfänger seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kläger im Streitzeitraum nicht nachgekommen ist. Die von V schriftsätzlich erwähnte Möglichkeit der Gewährung von Naturalunterhalt an den auswärtig studierenden Kläger kann nicht als ernstliches Angebot zur Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht gewertet werden. Ein Erstattungsanspruch gegenüber § 37 Abs. 2 AO 1977 scheidet aber schon deshalb aus, weil dieser nur zur Anwendung gelangt, wenn der rechtliche Grund, d.h. die Kindergeldfestsetzung selbst wegfällt. Daran fehlt es im Streitfall. Die nachträgliche Feststellung fehlender Unterhaltsleistungen stellt auch kein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 AO 1977 dar, da diese Vorschrift über die Durchführung der Besteuerung das Festsetzungsverfahren betrifft und im Erhebungsverfahren nicht anwendbar ist (FG München, Urteil vom 24. Mai 2006 9 K 4733/02, EFG 2006, 1335).

2. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 (EWGV Nr. 1408/71) und Nr. 574/72 (EWGV 574/72).

a) Der erkennende Senat hat bereits Zweifel, an der Anwendbarkeit dieser Regelungen im Streitfall. Denn die Verordnung EWGV 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 (ABlEG 1971 Nr. L 149/2) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABlEG 1997 Nr. L 28/1), zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1386/01 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 (ABlEG 2001 Nr. L 87/1), die als überstaatliches Recht grundsätzlich vorrangig ist (BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 54/00, BFH/NV 2002, 1581), regelt die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern; die Verordnung EWGV 574/72 regelt die Durchführung der Verordnung EWGV 1408/71. Beim Kläger handelte es sich im Streitzeitraum jedoch unstreitig weder um einen Arbeitnehmer noch um einen Selbständigen, der innerhalb der Gemeinschaft zu- und abgewandert ist.

b) Aber auch unabhängig von der Frage des Anwendungsbereichs lassen sich aus der EWGV 1408/71 keine unmittelbaren Ansprüche zu Gunsten des Klägers herleiten

aa) Nach Art. 73 Abs. 1 EWGV 1408/71 hat ein Arbeitnehmer/Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, "für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten." Aus dieser Vorschrift könnte sich sinnvollerweise allenfalls ein Anspruch des V auf Anwendung der inländischen Kindergeld-Regelungen ergeben, dessen Berechtigung nach inländischem Recht jedoch nicht infrage steht.

bb) Gemäß Art. 75 Abs. 1 Buchst. a EWGV 1408/71 werden die Familienleistungen in diesen Fällen vom zuständigen Träger des Staates gewährt, dessen Rechtsvorschriften gelten (hier Deutschland). Nach Art. 75 Abs. 1 Buchst. b EWGV 1408/71 zahlt der zuständige Träger (deutsche Familienkasse) "jedoch auf Antrag und durch Vermittlung des Trägers des Wohnorts der Familienangehörigen ... die Familienleistungen mit befreiender Wirkung der natürlichen oder juristischen Person, die tatsächlich für die Familienangehörigen sorgt, wenn die Person, der die Familienleistungen zu gewähren sind, diese nicht für den Unterhalt der Familienangehörigen verwendet".

cc) Danach geben Art. 73 Abs. 1 und 75 Abs. 1 Buchst. a EWGV 1408/71 keinen eigenen unmittelbaren Anspruch auf die Gewährung von Familienleistungen; sie enthalten vielmehr eine Konkurrenzregelung darüber, nach dem Recht welchen Mitgliedstaates Familienleistungen zu gewähren sind. Denn Hintergrund der EWGV 1408/71 ist auch, "zur Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates mit Ansprüchen nach den Rechtsvorschriften des Wohnstaates der Familienangehörigen Prioritätsregeln vorzusehen" (ABlEG 1997 Nr. L 28/7). Die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen der EWGV 1408/71 und der EWGV 574/72 lösen den Konkurrenzkonflikt der jeweils einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften nach dem Prinzip der grundsätzlichen Anwendung der Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates (Vorrang des Beschäftigungslands, vgl. BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BFH/NV 2005 <Beilage>, 33), begründen aber keinen eigenen Anspruch auf Kindergeld.

dd) Auch aus Art. 75 Abs. 1 Buchst. b EWGV 1408/71 ergibt sich kein eigener unmittelbarer Anspruch des Klägers auf Zahlung, weil es im Streitfall zumindest an einem Antrag "des Trägers des Wohnorts" des Klägers auf Auszahlung an eine Person fehlt, die im Streitzeitraum tatsächlich für den Kläger gesorgt hat. Denn "Träger des Wohnorts" des Klägers ist jedenfalls nicht der Kläger selbst (zur Definition des Träger-Begriffs vgl. Art. 1 Buchst. n der EWGV 1408/71). Unter diese Begriffsdefinition fällt jedenfalls nicht der Kläger.

3. Auch der Hilfsantrag ist unbegründet, weil der Senat keine Zweifel an der Vereinbarkeit des § 74 EStG mit dem Recht der Europäischen Union hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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