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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: 10 K 43/05
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 165 Abs. 1 S. 1
AO 1977 § 165 Abs. 2 S. 2
AO 1977 § 170 Abs. 2 Nr. 1
AO 1977 § 171 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 K 43/05

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Erlass der Einkommensteuerbescheide 1997 und 1998 sowie des Gewerbesteuermessbescheids für 1998 im Anschluss an eine Außenprüfung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist rechtswidrig war.

Der Kläger ist Volks- und Betriebswirt und war bis einschließlich 1987 als leitender Angestellter tätig, zuletzt als Finanzvorstand eines Versicherungskonzerns. Er leitete unter anderem das Ressort "Finanzen und Kapitalanlagen". Seit 1988 betreibt er ein kaufmännisches gewerbliches Unternehmen. Gegenstand des Gewerbebetriebs ist die Vermögensanlage für eigene und fremde Rechnung, insbesondere der Handel mit Finanzderivaten (Börsentermingeschäfte bzw. Finanztermingeschäfte seit Neufassung des BörsG und Änderung des Wertpapierhandelsgesetz - WpHG - durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juli 2002, BGBl I 2002, 2010). Außerdem betreibt der Kläger im Rahmen seines Unternehmens die Beratung in Finanz- und Vermögensangelegenheiten im weitesten Sinne.

Vor allem die hoch spekulativen Börsentermingeschäfte für eigene Rechnung führten in der Vergangenheit laufend zu hohen Verlusten, die der Kläger steuerlich geltend machte. Eine im März 1991 für die Jahre 1988 und 1989 durchgeführte Betriebsprüfung führte nicht zur Änderung der Besteuerungsgrundlagen. Im Zuge der Prüfung wurde die Zuordnung der Börsentermingeschäfte für eigene und für fremde Rechnung zum betrieblichen/gewerblichen Bereich vom Beklagten nicht in Frage gestellt, allerdings ergingen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1993 vorläufig hinsichtlich der gewerblichen Einkünfte, weil der Beklagte Zweifel an der Gewinnerzielungsabsicht des Klägers hatte. Auch in der Folgezeit ergaben sich Gewinne nur im Bereich der Vermögensanlage für fremde Rechnung und aus der Beratungstätigkeit.

Im Anschluss an eine Mitte 1998 in den Geschäftsräumen des Klägers durchgeführte Außenprüfung betreffend die Jahre 1993 bis 1996 ließ der Prüfer seine Zweifel hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht des Klägers fallen, vertrat jedoch die Ansicht, die Eigengeschäfte seien dem privaten Bereich zuzuordnen und als "Spiel und Wette" steuerlich irrelevant; eine Zuordnung zum betrieblichen Bereich sei daher nicht möglich. Im anschließenden Klageverfahren 10 K 3473/99 gegen die Änderungsbescheide für die Jahre 1994 bis 1996 folgte das FG Köln mit rechtskräftigem Urteil vom 4. Dezember 2003 im Wesentlichen den Anträgen des Klägers, weil es nicht Aufgabe der Finanzverwaltung sei, im Rahmen der steuerrechtlichen Beurteilung die Qualität unternehmerischer Entscheidungen abzuschätzen und unrichtige Entscheidungen als privat veranlasst einzuordnen.

Auch die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 1997 bis 1999 hatte der Beklagte vorläufig hinsichtlich der gewerblichen Einkünfte erlassen, und zwar mit dem Vermerk: "Der Bescheid ergeht vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, da wegen einer endgültigen steuerlichen Beurteilung das Klageverfahren abgewartet wird". Die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1997 und 1998 sowie die Gewerbesteuererklärung von 1998 sind im Jahr 1999 beim Beklagten eingegangen. Mit Schreiben vom 14. November 2003 bat der Beklagte das Finanzgericht um Überlassung der Steuerakten, da wegen drohender Festsetzungsverjährung für 1997 noch in diesem Jahr mit der Betriebsprüfung begonnen werden müsse. Das Finanzgericht lehnte die Herausgabe der Akten mit Schreiben vom 21. November 2003 unter Hinweis auf den unmittelbar bevorstehenden Termin zur mündlichen Verhandlung im Verfahren 10 K 3473/99 für die Streitjahre 1994 bis 1996 ab. Ebenfalls am 21. November 2003 erließ der Beklagte auf der Grundlage von § 193 Abs. 1 AO 1977 für den Betrieb des Klägers, der als Kleinstbetrieb eingestuft war, eine Betriebsprüfung für die Jahre 1997 bis 1999. Der für den 10. Dezember 2003 beabsichtigte Beginn der Außenprüfung wurde dem Kläger noch am 21. November 2003 telefonisch mitgeteilt (Mailbox; Prüferhandakte Bl. 48).

Der Kläger legte Einspruch gegen die Prüfungsanordnung ein und beantragte gleichzeitig deren Aussetzung der Vollziehung beim Beklagten. Er machte geltend, dass die Prüfungsanordnung erst am 24. November 2003 und deshalb nicht "angemessene Zeit vor Prüfungsbeginn" bekannt gegeben sei, wenn nicht einmal der Ablauf der Einspruchsfrist abgewartet werde. Der Beklagte wies den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2003 zurück. Auch der Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung wurde mit Verfügung vom 5. Dezember 2003 mangels ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung abgelehnt.

Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, am 10. Dezember 2003 wegen eines auswärtigen Termins abwesend zu sein, unternahm der Beklagte weitere Versuche, am 11. Dezember 2003 und am 18. Dezember 2003 mit der Außenprüfung zu beginnen, wobei die Tür zur Wohnung und zum Büro jedoch verschlossen blieb. Eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem Kläger am 16. Dezember 2003 führte zu keinem Ergebnis. Der Kläger gibt an, im Rahmen des Telefonats mit der Prüferin angeboten zu haben, dass die Prüfung am 22. Dezember 2003 beginnen könne. Dies habe die Prüferin wegen terminlicher Schwierigkeiten abgelehnt. In einem Schreiben über den Inhalt des Telefonats vom gleichen Tage kündigte der Kläger an, sich gerichtlich gegen die Prüfungsanordnung wehren zu wollen. Außerdem führte er ausdrücklich aus, keinen Antrag auf Verlegung der Betriebsprüfung gemäß § 197 AO 1977 gestellt zu haben oder stellen zu wollen.

Parallel zur Anfechtungsklage 10 K 6751/03 gegen die Prüfungsanordnung beantragte der Kläger im Verfahren 10 V 6755/03 die Aussetzung der Prüfungsordnung von der Vollziehung. Der Kläger führte u.a. aus, dass die Prüfung wegen zeitlicher Probleme noch nicht begonnen habe. Seit dem 9. Dezember 2003 übe das FA Tag für Tag schriftlich und telefonisch Druck auf ihn aus, der über das zumutbare Maß hinausgehe. Vor rechtskräftigem Abschluss des Gerichtsverfahrens 10 K 3473/99 sei ihm eine erneute Auseinandersetzung mit dem FA im Rahmen einer Betriebsprüfung nicht zumutbar. Da sein Betrieb als Kleinstbetrieb eingestuft sei, sei die lückenlose Anschlussprüfung ermessensfehlerhaft.

Vor dem Hintergrund des gerichtlichen Aussetzungsantrags unternahm der Beklagte bis zum Ende des Jahres 2003 keine Maßnahmen mehr, um die Betriebsprüfung noch im Jahr 2003 zu beginnen. In der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2004 im Verfahren 10 K 6751/03 nahm der Kläger nach Hinweis des Berichterstatters auf den zur Anschlussprüfung bei Klein- und Kleinstbetrieben ergangenen BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2003 IV B 67/02 (BFH/NV 2004, 311) sowohl seine Klage als auch den gerichtlichen Aussetzungsantrag zurück. Daraufhin wurden die Verfahren 10 K 6751/03 und 10 V 6755/03 mit Senatsbeschlüssen vom 26. März 2004 eingestellt. Am 26. April 2004 schließlich erschien die Prüferin beim Kläger und nahm die eigentlichen Prüfungshandlungen auf. Bei der Prüfung ergaben sich Gewinnerhöhungen im Wesentlichen nur aufgrund einer folgerichtigen Umsetzung des Urteils vom 4. Dezember 2003 in der Sache 10 K 3473/99.

Im vorliegenden Verfahren streitgegenständlich sind die im Anschluss an die Prüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 und 1998 vom 7. September 2004 und der Gewerbesteuermessbescheid vom 17. September 2004. Die Einsprüche des Klägers, mit denen er den Ablauf der Festsetzungsfrist geltend machte, blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2005 aus: Auch wenn man die Vorläufigkeitsvermerke für rechtswidrig halte und eine Bescheidänderung auf der Grundlage von § 165 AO 1977 ablehnen wolle, sei der Ablauf der Festsetzungsfrist (grundsätzlich unstreitig 31. Dezember 2003) durch den Antrag des Klägers auf Verschiebung des Beginns der Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 S. 1 AO 1977 hinausgeschoben worden. Ein Aussetzungsantrag entfalte die gleiche Wirkung wie ein Antrag auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns.

Der Kläger beruft sich weiter auf den Ablauf der Festsetzungsfrist für die angefochtenen Steuerfestsetzungen und macht zunächst die Rechtswidrigkeit der in den ursprünglichen Bescheiden enthaltenen Vorläufigkeitsvermerke geltend, weil ungewisse Tatsachen nicht angegeben seien. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die ursprünglichen Bescheide nicht angefochten worden seien.

Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei nicht gemäß § 171 Abs. 4 AO 1977 gehemmt gewesen. Der Kläger habe zu keiner Zeit einen Antrag auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung gemäß § 197 AO 1977 gestellt. Darauf habe er ausdrücklich hingewiesen. Der Einspruch gegen die Prüfungsanordnung und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung derselben könnten dem Antrag auf Verschiebung des Prüfungsbeginns gemäß § 197 AO 1977 auch nicht gleichgesetzt werden, da Einspruch und Aussetzungsantrag auf Verhinderung der Außenprüfung gerichtet seien, nicht aber auf Verschiebung ihres Beginns. Die vom Beklagten angeführten Fälle aus der Rechtsprechung seien dem Streitfall nicht vergleichbar, weil über den Antrag des Klägers nicht entschieden worden sei und das gerichtliche Aussetzungsverfahren auf andere Weise seine Erledigung gefunden habe. Solange das Gericht über den Aussetzungsantrag nicht entschieden habe, könne er in rechtlicher Hinsicht nicht ursächlich für die Handlungsweise des FA sein. Das FA hätte ohne weiteres trotz des bei Gericht gestellten Aussetzungsantrags mit der Außenprüfung beginnen können. Nicht sein Aussetzungsantrag sei ursächlich für das Hinausschieben der Prüfung gewesen, sondern interne Schwierigkeiten der Prüferin bei der Koordination ihrer Termine. Denn die Prüferin habe seinen Vorschlag abgelehnt, mit der Prüfung am 22. Dezember 2003 zu beginnen.

Schließlich seien die bei der Betriebsprüfung gewonnenen Erkenntnisse auch deshalb nicht verwertbar, weil der Prüfungsbeginn nicht für eine angemessene Frist nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung angegeben worden sei.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 und 1998 vom 7. September 2004 und den Gewerbesteuermessbescheid vom 17. September 2004 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2005 dahin zu ändern, dass die Steuer endgültig nach Maßgabe der ursprünglichen, vorläufigen Bescheide festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist zwischenzeitlich von seiner noch im BP-Bericht vom 28. Mai 2004 vertretenen Ansicht abgerückt, dass Tag des Prüfungsbeginns der 11. Dezember 2003 gewesen sei. Ergänzend führt der Beklagte unter Bezugnahme auf seine Ansicht im Einspruchsverfahren aus, der Kläger habe mit seinen Versuchen, den Beginn der Betriebsprüfung im Jahr 2003 zu verhindern, offensichtlich auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung für das Jahr 1997 abgezielt und deshalb auch bewusst den ihm anheim gestellten Antrag gemäß § 197 AO 1977 nicht gestellt. Der Beginn der Prüfung sei auch angemessene Zeit vorher angekündigt worden (lt. BpO 2 Wochen). Der Kläger habe die Versuche des Beklagten vereitelt, am 11. Dezember 2003 und am 18. Dezember 2003 mit der Außenprüfung zu beginnen, indem er die Tür zur Wohnung und zum Büro nicht geöffnet habe. Es dürfe nicht im Belieben des Steuerpflichtigen stehen, den Eintritt der Ablaufhemmung durch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung zu vereiteln, der im Folgejahr vor dem Hintergrund der dann eingetretenen Festsetzungsverjährung wieder zurückgenommen werde.

Auch der Hinweis des Klägers auf die fehlende Verwertbarkeit der bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse gehe fehl. Zwar sei der Kläger in dem dafür vorgesehenen Verfahren gegen die Prüfungsanordnung vorgegangen, er habe die Klage jedoch zurückgenommen. Sämtliche Erkenntnisse aus der anschließend durchgeführten Außenprüfung seien daher verwertbar.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer der Jahre 1997 und 1998 und für den Gewerbesteuermessbertrag 1998 war nicht abgelaufen. Die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 AO 1977 tritt auch ein, wenn das FA ohne eine formelle Entscheidung aufgrund eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung den Prüfungsbeginn verschiebt.

1. Zu Recht nimmt der Kläger allerdings an, dass eine Bescheidänderung nicht schon auf der Grundlage von § 165 Abs. 2 AO 1977 möglich war. Denn die Vermerke zur Vorläufigkeit auf den ursprünglichen Bescheiden waren rechtswidrig. Daran änderte sich auch nichts dadurch, dass die ursprünglichen Bescheide nicht angefochten worden waren.

a) Nach § 165 Abs. 1 S. 1 AO 1977 kann eine Steuer vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für ihre Entstehung eingetreten sind. Die danach erforderliche Ungewissheit muss sich auf Tatsachen beziehen; eine Unsicherheit in der steuerrechtlichen Beurteilung eines feststehenden Sachverhalts ist kein hinreichender Grund für die Anordnung der Vorläufigkeit. Das gilt auch dann, wenn die Behörde den Ausgang eines finanzgerichtlichen Verfahrens abwarten will (BFH-Urteile vom 29. August 2001 VIII R 1/01, BFH/NV 2002, 465 , vom 16. September 2004 X R 22/01, BFH/NV 2005, 322; BFH-Beschluss vom 8. Juli 1998 I B 111/97, BFHE 186, 313, BStBl II 1998, 702).

b) Die Vorläufigkeit im Streitfall "... hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, da wegen einer endgültigen steuerlichen Beurteilung das Klageverfahren abgewartet wird" bezog sich nicht einmal ansatzweise auf ungewisse Tatsachen sondern ausschließlich auf deren steuerrechtlicher Beurteilung. Zwar ist ein solcher Vorläufigkeitsvermerk nicht nichtig, sondern nur rechtswidrig, das ändert aber nichts daran, dass die Finanzbehörde ihren durch § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 gesetzlich begrenzten Handlungsspielraum nicht durch einen erweiterten Vorläufigkeitsvermerk ausdehnen kann (BFH-Urteil vom 29. August 2001 VIII R 1/01, BFH/NV 2002, 465 ). Daraus folgt, dass die Änderung der bestandskräftigen vorläufigen Bescheide wegen einer später geklärten steuerlichen Beurteilung auf der Grundlage von § 165 Abs. 2 AO 1977 unzulässig war.

2. Zu Unrecht geht der Kläger jedoch von einem Ablauf der Festsetzungsfrist zum 31. Dezember 2003 aus.

a) Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977). Sie beginnt, wenn die abzugebende Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, für das die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977). Ihr Ablauf kann u.a. dadurch gehemmt werden, dass vor Fristablauf mit einer Außenprüfung begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wird (§ 171 Abs. 4 AO 1977). In diesem Fall läuft die Festsetzungsfrist für Steuern, auf die sich die Prüfung erstreckt, grundsätzlich nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Auch bei rechtzeitigem Beginn der Außenprüfung tritt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO 1977 allerdings nur dann ein, wenn die Außenprüfung später tatsächlich durchgeführt wird (BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 IX R 65/95, BFHE 186, 485 , BStBl II 1999, 4)

b) Im Streitfall hat der Beklagte entgegen der Ansicht der Betriebsprüfung mit der Prüfung erst im April 2004 begonnen und nicht bereits am 11. Dezember 2003. Der maßgebliche "Beginn" der Prüfung erfolgt mit der erstmaligen Vornahme von Prüfungshandlungen bei irgendeinem der Prüfungsgegenstände (BFH-Urteil vom 25. April 2001 I R 80/97, BFH/NV 2001, 1541). Erforderlich ist eine qualifizierte Maßnahme der Verwaltung, die wegen ihres besonderen Gewichts für den Betroffenen keine Zweifel darüber lässt, dass sie zur Überprüfung des betreffenden Steuerfalles vorgenommen wird. Nicht hinreichend für den Beginn der Außenprüfung ist die bloße Übergabe der Prüfungsanordnung oder das Erscheinen des Prüfers am Prüfungsort. Dies ergibt sich u.a. aus § 198 S. 2 AO 1977, der erfordert, dass der Beginn der Außenprüfung unter Angabe von Datum und Uhrzeit aktenkundig zu machen ist (Klein/Rüsken, AO 1977 8. Aufl., Rz. 45).

c) Im Streitfall war der Ablauf der Festsetzungsfrist allerdings deshalb nach § 171 Abs. 4 AO 1977 gehemmt, weil der Beginn der für den Kläger angeordneten Außenprüfung auf seinen Antrag hin hinausgeschoben worden war.

aa) Diese Tatbestandsalternative des § 171 Abs. 4 AO 1977 erfordert einen Antrag des Steuerpflichtigen mit dem Ziel, die Außenprüfung hinauszuschieben. Zwar kann auch die mündlich geäußerte Bitte, den Prüfungsbeginn hinauszuschieben, den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmen. Erforderlich ist jedoch stets, dass der Antrag erkennbar darauf abzielt, die Prüfung möge zu dem beabsichtigten Zeitpunkt unterbleiben und zu einem späteren Termin durchgeführt werden. Denn im Interesse der Rechtssicherheit muss eindeutig feststehen, hinsichtlich welcher Steueransprüche die Rechtsfolge der Ablaufhemmung eingetreten ist. Nicht ausreichend ist, dass der Steuerpflichtige - ohne einen solchen Antrag gestellt zu haben - durch sein Verhalten Anlass zu einer Verschiebung der Außenprüfung gegeben hat. Deshalb tritt die Ablaufhemmung beispielsweise nicht ein, wenn der Steuerpflichtige lediglich den Wunsch äußert, die Außenprüfung auch auf Folgejahre zu erstrecken, für die die maßgeblichen Steuererklärungen im Zeitpunkt des Antrags noch nicht fertig gestellt waren (BFH-Urteil vom 11. Oktober 1983 VIII R 11/82, BFHE 139, 496, BStBl II 1984, 125).

bb) Der erkennende Senat hat erwogen, ob bereits in der Äußerung des Klägers, "...am 10. Dezember 2003 kann ich nicht", ein schlüssiger Antrag auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung zu sehen ist. Für das Gericht stellte sich die Frage, was eine solche Erklärung, die darauf abzielt, mit der Außenprüfung nicht zu dem beabsichtigtem Zeitpunkt (10. Dezember 2003) zu beginnen, anders beinhalten soll, als einen Antrag auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns. Im Streitfall konnte diese Frage aber letztlich offen bleiben, weil zumindest in dem vom Kläger gestellten Antrag auf Aussetzung der Prüfungsanordnung ein Antrag auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns i.S. § 197 Abs. 2 AO 1977 zu sehen ist.

aaa) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung führt auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer Prüfungsanordnung zur Ablaufhemmung. Dies gilt nicht nur dann, wenn aufgrund der Aussetzung der Prüfungsanordnung bewirkt wird, dass die Prüfung nicht zum vorgesehenen, sondern zu einem späteren Zeitpunkt beginnen muss; die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 AO 1977 tritt vielmehr auch dann ein, wenn das FA den Prüfungsbeginn aufgrund eines - bei ihm oder beim FG gestellten - Aussetzungsantrags verschiebt, ohne dass eine formelle Entscheidung über den Aussetzungsantrag gefallen ist. Denn der Aussetzungsantrag schließt das Begehren ein, den Beginn der Außenprüfung hinauszuschieben, bis über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Anordnung entschieden ist. Deshalb muss der Steuerpflichtige, der die Prüfungsanordnung anficht und deren Aussetzung beantragt, demjenigen gleichgestellt werden, der die Verschiebung der Prüfung beantragt (BFH-Beschluss vom 16. Februar 2001 IV B 74/00, BFH/NV 2001, 1009, BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 IX R 65/95, BFHE 186, 485 , BStBl II 1999, 4; Klein/Rüsken, AO 1977 8. Aufl., Rz. 46; ebenso BFH-Beschluss vom 15. Mai 2007 I B 10/07, BFH/NV 2007, 1624).

bbb) Dieser Rechtsgrundsätze gelten allerdings nur eingeschränkt, wenn es sich um eine rechtswidrige Prüfungsanordnung handelt, die vom Steuerpflichtigen angefochten wird. In einem solchen Fall sieht die Rechtsprechung in einem Antrag auf Aussetzung der Prüfungsanordnung nicht automatisch auch einen Antrag auf Verschiebung des Beginns der Prüfung i.S. des § 197 Abs. 2 AO 1977, mit der Folge, dass auch der Lauf der Festsetzungsfrist nicht gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 gehemmt wird. Wenn nämlich eine Prüfungsanordnung oder zumindest der Verwaltungsakt, mit dem der Prüfungsbeginn festgesetzt wurde - etwa wegen der Kürze der zwischen dem Prüfungsbeginn und seiner Bekanntgabe liegenden Zeit - rechtswidrig ist, so muss der Steuerpflichtige die Möglichkeit haben, ihn oder die Prüfungsanordnung anzufechten und eine AdV zu erreichen, ohne dass hierin zugleich ein Antrag auf Terminsverschiebung zu sehen wäre. Andernfalls könnte das FA den Eintritt der Festsetzungsverjährung verhindern, indem es wenige Tage vor Jahresende eine Prüfungsanordnung erlässt und diese mit einer rechtswidrigen Terminsbestimmung verbindet (BFH-Urteil vom 10. April 2003 IV R 30/01, BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827 ; ebenso BFH-Beschluss vom 15. Mai 2007 I B 10/07, BFH/NV 2007, 1624).

ccc) Ein solcher Fall - rechtswidrige Festsetzung des Prüfungsbeginns - liegt im Streitfall entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht vor. Nach § 197 Abs. 1 AO 1977 ist dem Steuerpflichtigen der voraussichtliche Beginn der Prüfung angemessene Zeit vor deren Beginn bekannt zu geben. Die Angemessenheit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Nach § 5 Abs. 4 Satz 2 BpO ist bei Großbetrieben in der Regel eine vierwöchige Vorbereitungsfrist angemessen, bei anderen Betrieben reicht eine zweiwöchige Vorbereitungsfrist. Bei § 5 Abs. 4 BpO handelt es sich um eine Ermessensrichtlinie, von der die Finanzbehörden nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung nicht ohne triftige Gründe abweichen dürfen (BFH-Urteil vom 10. April 2003 IV R 30/01, BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827 ).

Die im Streitfall für den Betrieb des Klägers maßgebliche Zweiwochenfrist ist gewahrt. Das Gericht folgt nicht der Ansicht des Klägers, dass im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren 10 K 3473/99 eine längere Frist bis zur Rechtskraft des am 4. Dezember 2003 verkündeten Urteils geboten gewesen wäre. Denn die in diesem Verfahren maßgeblichen Rechtsfragen waren weder Voraussetzung für die im Rahmen einer Betriebsprüfung anstehenden Sachverhaltsfeststellungen noch stellten sie einen Hinderungsgrund für die Sachverhaltsfeststellung als solche dar.

ddd) Darüber hinaus hielte es der erkennende Senat im Streitfall ohnehin nicht für möglich, sich nach Rücknahme der im Verfahren 10 K 6751/03 erhobenen Klage zur Vermeidung der Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 AO 1977 gleichwohl auf die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung zu berufen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist die - auch formlos mögliche - Bestimmung des Prüfungsbeginns ein eigenständiger Verwaltungsakt, der im Falle seiner Rechtswidrigkeit angefochten werden muss (BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII R 99/04, BFH/NV 2008, 129). Des Weiteren hat der BFH entschieden, dass auch rechtswidrige, aber wirksame Prüfungshandlungen den Fristablauf hemmen, solange sie nicht mit Erfolg angefochten wurden (BFH-Beschluss vom 29. Juni 2004 X B 155/03, BFH/NV 2004, 1510 unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 25. Juni 1992 IV R 87/90 , BFH/NV 1993, 457, m.w.N.; in BFHE 173, 487, BStBl II 1994, 377). Daher sieht der erkennende Senat nach Rücknahme der gegen die Prüfungsanordnung eingelegten Klage keine Möglichkeit, eine ggfs. zu kurze Vorbereitungsfrist zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung anzuführen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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