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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: 10 K 4761/03
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 1
UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 K 4761/03

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob hinsichtlich bestimmter Baumaßnahmen zum 31. März 1998 Teilleistungen vorlagen, die noch zum Umsatzsteuersatz von 15 % abgerechnet werden konnten.

Zwischen der Klägerin und der C - GmbH (im folgenden GmbH) bestand u.a. im Streitjahr eine umsatzsteuerliche Organschaft. Die Umsatzsteuer wurde nach vereinbarten Entgelten berechnet.

Für die Jahre 1996 bis 1999 wurden bei der Klägerin und der GmbH Betriebsprüfungen durchgeführt. Dabei stellte der Prüfer fest, dass die GmbH in einer Reihe von Fällen die bis zum 31. März 1998 erbrachten Leistungen mit einem Umsatzsteuersatz von 15 v.H. versteuert hatte. Seines Erachtens waren die Aufträge bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht vollendet, so dass er Teilleistungen im Sinne des UStG verneinte. Die Umsatzsteuererhöhung um 48.027,-- DM in 1998 beruhte dabei auf drei verschiedenen Baumaßnahmen (zu Einzelheiten vgl. Tz. 9 des Prüfungsberichts vom 06.06.2002, auf den Bezug genommen wird):

Die Gemeinde M hatte die GmbH mit dem Ausbau der Kanalisation und der Straßen in der Ortslage E beauftragt. Der Auftrag bestand aus Los 1 Ortskanalisation (Schmutzwasser) und Los 2 Straßenausbau (einschließlich Straßenentwässerung/Regenwasserkanal). Wegen der zu erhebenden Erschließungsbeiträge für die Anlieger wurde das Los 2 in sieben Erschließungsanlagen aufgeteilt. Bautechnisch wurden der Schmutzwasserkanal und der Regenwasserkanal zeitgleich hergestellt. Der hierzu der GmbH erteilte Auftrag sah keine Teilleistungen und Teilabrechnungen vor. Am 31. März 1998 erfolgte jedoch eine Teilabnahme, die den Schmutzwasser- und den Regenwasserkanal in Teilbereichen betraf. Am 11. August 1999 wurde sodann eine Abnahme des Regenwasserkanals für die Leistungen ab dem 1. April 1998 durchgeführt.

Eine weitere Baumaßnahme betraf einen Vorgang "I". Dieser Vorgang, an dem die Gemeinde S und das Staatliche Bauamt der Stadt L beteiligt waren, setzte sich aus den Einzelaufträgen "Entwässerung/Kanal", "Interne Entwässerung der Grundstücke/Hausanschlüsse" und "Erdarbeiten zur Verlegung der Wasserleitung" zusammen. Gegenstand der ersten Maßnahme war der Kanalbau in bestehenden Straßen. Zum Auftrag gehörte auch die Wiederherstellung des wegen Kanalbaus zerstörten Teils der Straße. Während für die Kanalbauarbeiten am 30. März 1998 eine mängelfreie Teilabnahme erfolgte, waren die Arbeiten an der Straße unstreitig vor dem 1. April 1998 noch nicht abgeschlossen. Die Schlussrechnung datiert vom 2. November 1998 und die Endabnahme erfolgte am 11. November 1998. Die Grundstücksentwässerung betraf 116 Häuser. Am 27. März 1998 erfolgte eine mängelfreie Teilabnahme von Erdarbeiten und Entwässerungskanalbauarbeiten für 70 Hausanschlüsse. Auch in diesem Fall war für die Maßnahmen keine Teilleistungen in den Aufträgen vereinbart und ein besonderes Teilentgelt ebenfalls nicht vereinbart worden.

Die dritte Baumaßnahme schließlich betraf den Ausbau einer Kreisstraße im Kreis T. Hier erfolgte die Abnahme am 13. Juli 1998. Danach waren die Arbeiten am 26.06.1998 beendet und die Verjährungsfrist für die Gewährleistungen begann am 13. Juli 1998. Auch hier erfolgte eine Teilabnahme der zum Stichtag 31. März 1998 abgeschlossenen Baumaßnahmen. Teilleistungen waren nicht vereinbart.

Wegen der vertraglichen Einzelheiten wird auf die jeweiligen Verträge und die Abnahmeprotokolle Bezug genommen.

Der Beklagte folgte der Auffassung des Prüfers und erließ am 23. August 2002 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1998.

Hiergegen legte die Klägerin rechtzeitig Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, bei den fraglichen Umsätzen habe es sich um abrechenbare Teilleistungen gehandelt. Auch Bauverträge seien der ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich. Bei Abschluss der Verträge sei die Veränderung des Umsatzsteuersatzes nicht erkennbar gewesen. Die Parteien hätten, wenn sie eine Umsatzsteuersatzänderung vorausgeahnt hätten, sicherlich die Anpassung der Umsatzsteuerzahlungspflicht durch die jeweiligen Auftraggeber vereinbart. Dies gelte zumindest hinsichtlich der abgrenzbaren Teile.

In der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2003 gab der Beklagte dem Einspruch teilweise statt und setzte die Einkommensteuer um 3.140,-- DM niedriger fest. Wegen der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit der Klage trägt die Klägerin vor:

Die Bauvorhaben hätten sich insgesamt, also vom Beginn der ersten Maßnahmen bis zum Ende der letzten Abschnitte, über den Zeitpunkt der Umsatzsteuerregelsatzerhöhung von 15 auf 16 % hin erstreckt. Die GmbH habe dabei für die Gemeinden und das Staatliche Bauamt der Stadt L Kanal- und Straßenbauarbeiten durchgeführt und dabei Abwasserkanäle und Fahrbahndecken erstellt. Über diese Errichtungen seien jeweils Gesamtverträge geschlossen worden. Innerhalb dieser Gesamtverträge sei die Abnahme der einzelnen Abschnitte nicht gesondert erwähnt worden, da dies der Üblichkeit entspreche. Hinzu komme, dass die einzelnen Abschnitte gemäß der Natur ihre Ausführung nur unmittelbar nach deren Errichtung ohne weiteren Aufwand abgenommen werden könnten, da sie im Erdreich versenkt würden und in den meisten Fällen nachträglich nicht begehbar seien. Sie stütze sich bei ihrem Vorgehen auf einen Erlass des BMF vom 28. Dezember 1970. Die jeweiligen Auftraggeber hätten sicherlich auch nach der Lebenserfahrung keine Teilabnahmen vorgenommen, wenn die GmbH hierauf entweder nach der üblichen Auffassung in ihrem Gewerk oder aber aufgrund der konkreten Vertragsverhältnisse keinen Anspruch gehabt hätte.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2003 mit der Maßgabe zu ändern, dass die die zum 31. März 1998 abgerechneten Teilleistungen dem Umsatzsteuersatz von 15 % unterworfen werden (dies würde zu einer Minderung der festgesetzten Umsatzsteuer um 44.887,-- DM führen).

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Senat hat nach vorherigem Hinweis an die Beteiligten den Rechtsstreit gemäß § 6 FGO auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 10. Januar 2005 über die Umstände von Teilabrechnungen und Teilabnahmen hinsichtlich der betroffenen Baumaßnahmen Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

Der angefochtene Umsatzsteueränderungsbescheid 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Der Beklagte hat zu Recht die Entgelte aus den streitbefangenen Baumaßnahmen dem Umsatzsteuersatz von 16 v.H. unterworfen.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1998 - UStG - entsteht die Umsatzsteuer bei Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Ausgeführt sind Bauleistungen, unabhängig davon, ob es sich im Einzelfall um Werklieferungen oder Werkleistungen handelt (vgl. hierzu § 3 Abs. 4 UStG), dann, wenn das Bauwerk vertragsgerecht hergestellt ist (Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, 8. Auflage, § 13 Anm. 70, Stichwort "Werklieferungen" bzw. Anm. 79 (Stand Oktober 2003)). Die Baumaßnahmen waren im Streitfall erst mit Fertigstellung der jeweiligen Gesamtbaumaßnahme vertragsgerecht hergestellt. Dies ergibt sich daraus, dass, wie auch die Klägerin selber vorträgt, nur Gesamtaufträge erteilt worden waren und hierfür auch ein Gesamtentgelt vereinbart worden war. Der Zeitpunkt der jeweiligen Fertigstellung der Gesamtbaumaßnahme lag in allen Fällen nach dem 31. März 1998.

Der Umsatzsteuersatz beträgt nach § 12 Abs. 1 UStG für Umsätze, die nach dem 31. März 1998 ausgeführt werden, 16 v.H. (vgl. Art. 5 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung, BGBl I 1997, 3121).

Entgegen der Auffassung der Klägerin lagen in Bezug auf die vorgenannten Baumaßnahmen zum 31. März 1998 keine Teilleistungen vor, für die noch der Umsatzsteuersatz von 15 v.H. gelten würde.

Das Gesetz definiert in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG Teilleistungen dahingehend, dass diese vorliegen, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Damit müssen drei Voraussetzungen für die Annahme von Teilleistungen vorliegen: Die Leistung muss wirtschaftlich teilbar sein, es muss eine gesonderte Entgeltvereinbarung vorliegen, und diese gesonderte Entgeltvereinbarung muss für bestimmte Teile der Leistung vereinbart worden sein.

Voraussetzung für eine Teilleistung ist somit, dass die Leistung nicht als Ganzes, sondern in Teilen geschuldet und bewirkt wird. Zwischen den am Leistungsaustausch beteiligten Parteien muss vertraglich festgelegt sein, dass der Leistende zur Erbringung von Teilleistungen berechtigt ist und hierfür bereits ein Entgelt beanspruchen darf (Nieskens, a.a.O., § 13 Anm. 130). An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall.

In den den einzelnen Baumaßnahmen zugrundeliegenden Aufträgen sind keine gesonderten Entgelte für Teilleistungen vereinbart worden. Vielmehr ist für die jeweilige Gesamtbaumaßnahme ein Gesamtentgelt vereinbart worden.

Diese ursprünglichen Verträge sind nicht geändert worden. An den einzelnen Teilabnahmen haben jeweils von Seiten der Auftraggeber Personen teilgenommen, die nicht befugt waren, die Verträge zu ändern. Dies ergibt sich z.B. eindeutig aus der Aussage der Zeugen H und U. Ohne eine Vertragsänderung wäre aber nicht sichergestellt, dass die GmbH das zum 31. März 1998 vereinnahmte Entgelt endgültig behalten durfte. Wenn sich z.B. die Kosten für die nach dem 31. März 1998 ausgeführten Arbeiten über das im Angebot vorgesehene Maß hinaus erhöhen sollten, aber im Rahmen des Gesamtangebots bleiben sollten, hätte die GmbH nicht nach den Teilabrechnungen zum 31. März 1998 eine Erhöhung des Gesamtentgelts verlangen können.

Hinsichtlich der einzelnen Baumaßnahmen sprechen ergänzend folgende Gesichtspunkte gegen das Vorliegen von Teilleistungen:

In Bezug auf die Baumaßnahme in dem Ort E hat der Zeuge U ausdrücklich bekundet, dass hinsichtlich des zum 31. März 1998 abgerechneten Teils noch keine Funktionsfähigkeit gegeben gewesen sei. Hinsichtlich noch nicht funktionsfähiger Teile kann keinesfalls eine Teilleistung vorliegen.

Gleiches gilt in Bezug auf die Baumaßnahme im Kreis T. Hier hatte der Zeuge H ausdrücklich bestätigt, dass nur wegen der Erhöhung des Umsatzsteuersatzes die bis zum 31. März 1998 fertiggestellten Teile abgerechnet wurden. Die Gewährleistung sollte erst bei Abnahme der Gesamtbaumaßnahme zu laufen beginnen. Beim Neubau bzw. der Reparatur einer Straße kann nicht die Fertigstellung eines jeden laufenden Meters als Teilleistung angesehen werden. Wenn die Parteien nicht ausdrücklich einzelne Bauabschnitte als Teilleistungen vereinbart haben, hinsichtlich derer auch ein gesondertes Entgelt vereinbart wurde, kann von Teilleistungen im Sinne des Umsatzsteuerrechts nicht ausgegangen werden.

Dies gilt schließlich auch für die Baumaßnahme "I". Der Zeuge F hat ausdrücklich bekundet, dass ausschließlich wegen der Mehrwertsteuererhöhung eine Teilabrechnung (entgegen der vertraglichen Vereinbarung) zum 31. März 1998 erfolgt sei. Es habe kein Zeitplan existiert, welcher Teil bis zu welchem Zeitpunkt fertiggestellt sein sollte. Man habe einfach die bis zum 31. März 1998 funktionsfähigen Teile zusammengefasst und abgerechnet. Teilleistungen müssen jedoch im Vorhinein zwischen den Parteien vereinbart und festgelegt werden. Ebenfalls die Zeugen X und K haben bestätigt, dass nur wegen der Mehrwertsteuererhöhung die bis dahin fertiggestellten Teile abgerechnet worden seien.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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