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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 12.11.2008
Aktenzeichen: 11 K 4587/07
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 S. 1
UStG § 17 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

11 K 4587/07

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein von der Klägerin im Streitjahr vereinnahmter Geldbetrag in Höhe von 153.387,56 € (300.000,- DM) als Entgeltminderung zu behandeln ist und gemäß § 17 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) zu einer Berichtigung abziehbarer Vorsteuerbeträge um 21.156,90 € führt.

Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der mit ihr verschmolzenen ... Porzellanmanufaktur GmbH (WP). Die WP schloss unter dem ...1993 mit der ... Hoch- und Ingenieurbau AG (...AG) einen Bauvertrag über die Errichtung eines Betriebsgebäudes zu einer Vergütung von 4.800.000 DM zzgl. Umsatzsteuer. Auf die Kopie des Vertrages in den Gerichtsakten wird verwiesen (Bl. 66 ff.). Das Bauwerk wurde am ...1994 abgenommen. Im Jahr 1997 und danach kam es zu Streitigkeiten wegen diverser Baumängel zwischen der WP und der ...AG bzw. später zwischen der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der WP und der ...AG. Die Mängel sind in einem umfangreichen Aktenvermerk der Klägerin vom 08.09.1997 vermerkt, auf dessen Kopie in der Gerichtsakte verwiesen wird (Bl. 94 ff.). Zur Unterbrechung der Gewährleistungsfristen stellte die Klägerin am ...1998 einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens beim Landgericht ... (Az. 89 OH 5/98). Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. ... kam in seinen Gutachten vom ... 2000 und vom ...2001 (B. 121 f. GA) hinsichtlich der Schadenshöhe zu folgenden Feststellungen:

Mängelbeseitigungskosten 140.994,10 DM (27,79 %)

Wertminderungskosten 366.311,00 DM (72,21 %)

Gesamtkosten netto 507.305,10 DM (100 %)

Bei den Mängelbeseitigungskosten handelte es sich um Kosten, die zur Beseitigung der festgestellten Mängel aufzuwenden gewesen wären. Bei den Wertminderungskosten handelte es sich um den Minderwert der Bauleistung - ermittelt anhand der Gebrauchsnachteile bzw. anhand des herabgesetzten Verkauf- und Beleihungswerts. Eine Mängelbeseitigung wäre zwar technisch möglich gewesen, jedoch wäre sie mit einem für den Auftragnehmer wirtschaftlich unverhältnismäßigen Aufwand verbunden gewesen.

Am ...2002 unterzeichneten die Klägerin und die ...AG, jeweils vertreten durch ihre Geschäftsführer, eine Vergleichsvereinbarung, nach der die ...AG der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der WP "noch einen Betrag in Höhe von 300.000,00 DM / 153.387,56 €" zahlen sollte, um damit den "Ausgleich aller wechselseitigen Ansprüche" herbeizuführen. Diesen Betrag zahlte die ...AG vereinbarungsgemäß an die Klägerin. Die festgestellten Mängel an dem Bauwerk wurden nicht beseitigt. Eine Kopie der Vereinbarung, auf die verwiesen wird, befindet sich bei den Steuerakten des Beklagten (Hefter Rechtsbehelfsverfahren).

Die Klägerin behandelte die Zahlung der ...AG in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen und der Umsatzsteuerjahreserklärung des Streitjahres als nichtsteuerbaren Schadensersatz. Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung ... führte im Jahr 2006 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin für die Jahre 2001 - 2004 durch. Die Betriebsprüfung kam zu der Auffassung, dass die Zahlung der ...AG an die Klägerin als Entgeltminderung zu behandeln sei. Dementsprechend seien die abziehbaren Vorsteuerbeträge der Klägerin im Streitjahr gemäß § 17 Abs. 1 UStG um den Betrag von 21.156,90 € zu mindern (vgl. Bericht vom 29.12.2006 in den Steuerakten - Betriebsprüfungsakte Veranlagungsstelle - des Beklagten).

Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und korrigierte die Umsatzsteuer 2002 durch Bescheid vom ...2007 gemäß § 164 Abs. 2 AO.

Dagegen legte die Klägerin am ...2007 Einspruch ein.

Ihrer Auffassung nach sei der gesamte Betrag als steuerfreier "echter Schadensersatz" zu behandeln. Gleichzeitig schlug sie vor, zur Vermeidung eines langjährigen Streits vor dem Finanzgericht den strittigen Betrag im Verhältnis 27,79 zu 72,21 aufzuteilen und eine Vorsteuerkürzung von 5.880,09 zu akzeptieren (27,79 % von 153.387,56 € = 42.630,- €; darin enthaltene Vorsteuer = 5.880,- €).

Der Beklagte lehnte den Vorschlag der Klägerin ab und wies den Einspruch durch Einspruchentscheidung vom .....2007 als unbegründet zurück. Der Bundesfinanzhof (BFH) führe in seinemUrteil vom 16.01.2003 V R 72/01, BStBl II 2003, 620 aus, für die Höhe des Entgelts sei maßgebend, welches Entgelt der Leistungsempfänger vereinbarungsgemäß für die Leistung aufwende. Dem entspreche es, dass das zunächst vereinbarte Entgelt durch eine nachträgliche Vereinbarung mit umsatzsteuerlicher Wirkung verändert werden könne, so dass die Leistung des Unternehmers letztendlich nur mit der Bemessungsgrundlage besteuert werde, die sich aufgrund der wirklich vereinnahmten Gegenleistung ergebe. Die zivilrechtliche Differenzierung zwischen Minderung gemäß § 634 Nr. 3 BGB n.F. und "kleinem Schadensersatz" im Sinne von § 634 Nr. 4 BGB n.F. sei irrelevant.

Den Vertragsparteien solle nicht ermöglicht werden, durch Bezugnahme auf § 634 Nr. 3 oder Nr. 4 BGB zu einem unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Ergebnis zu gelangen. Dies entspreche dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz, dass sich eine umsatzsteuerliche Einordnung bzw. Abgrenzung gemeinschaftsrechtlich einheitlicher Begrifflichkeiten bzw. Tatbestände im harmonisierten Binnenmarkt nicht an nationalstaatlich-zivilrechtlichen Abgrenzungen orientieren dürfe, sondern dass insofern für die Abgrenzung der eigentliche (wirtschaftliche) Gehalt der Vereinbarung ausschlaggebend sei. Unerheblich sei zudem, ob der Leistungsempfänger bereits den vollen Kaufpreis gezahlt habe und der Vergleich zu einer anteiligen Rückzahlung des Kaufpreises führe, oder ob der Leistungsempfänger zunächst eine Teilzahlung vorgenommen habe und der Vergleich zu einer geringeren Schlusszahlung führe. Im Streitfall liege umsatzsteuerlich kein "echter Schadensersatz" vor, sondern eine Entgeltänderungsvereinbarung im Sinne von § 17 Abs. 1 UStG. Die Vergleichsvereinbarung betreffe nämlich nicht den Ausgleich von Folgeschäden, sondern beziehe sich originär auf den Leistungsaustauschgegenstand (Gebäude), was einen Entgeltbezug im Sinne von § 17 Abs. 1 UStG nahe lege. Die Klägerin habe aufgrund der Vereinbarung vom .......2002 einen Betrag von 153.387,56 € erhalten. Dieser Betrag sei zum Ausgleich der festgestellten Mängel bezahlt worden und habe im Jahr 2002 zu einer Minderung des Entgelts und damit der Bemessungsgrundlage geführt. Die Vorsteuer sei daher zutreffend um den Betrag von 21.156,90 € gemindert worden.

Am ...2007 hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung trägt sie vor:

Im Gegensatz zu den bisher in der Rechtsprechung entschiedenen Fällen handele es sich vorliegend nicht um einen "Verrechnungsfall". Die von ...AG geforderten Werklöhne seien längst gezahlt worden als es 2002 zu dem Vergleich gekommen sei. Die Zahlung der ...AG sei erfolgt, weil eine Nachbesserung unmöglich geworden und ein Abriss des Gebäudes wirtschaftlich unvertretbar gewesen sei, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen ergebe. Insoweit sei der Zusammenhang mit der ursprünglichen Leistung der ...AG nicht mehr gegeben. Vielmehr liege "echter Schadensersatz" vor.

Im Übrigen sei die Zahlung der ...AG eher als Vertragsstrafe zu verstehen, so dass auf den Streitfall das Urteil des BFH vom 04.05.1994 XI R 58/93, BFHE 174, 480, BStBl II 1994, 589 anwendbar sei. Zwar hänge die Zahlung wirtschaftlich mit der abzugeltenden Leistung zusammen, sie habe jedoch auf einem eigenen Rechtsgrund beruht und wirke daher nicht als modifizierte Erfüllung der Hauptverbindlichkeit. Hiervon seien auch die Vertragsparteien ausgegangen. Denn die ...AG habe von dem grundsätzlich möglichen Ausweis der Mehrwertsteuer abgesehen, obwohl sie diese als Vorsteuer hätte geltend machen können. Soweit nach dem vom Beklagten angeführten BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 44/05, BFH/NV 2007, 1548 echter und damit umsatzsteuerlich nicht steuerbarer Schadenersatz praktisch auszuschließen sei, stehe dies im Dissens zu der vorgenannten Entscheidung aus 1995.

Zu beachten sei auch, dass die Verneinung nicht steuerbaren Schadensersatzes im Streitfall zu einer Doppelbesteuerung führe, da die ...AG die Umsatzsteuer abgeführt habe, während die Klägerin sie nach Auffassung des Beklagten nicht als Vorsteuer abziehen könne. Dies sei im vom Beklagten herangezogenen BFH-Urteil vom 19.04.2007 anders gewesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Umsatzsteuerbescheid für 2002 des Beklagten vom ...2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ...2007 in der Weise abzuändern, dass die abziehbaren Vorsteuerbeträge um 21.156,90 € erhöht werden,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidung und trägt zudem vor: Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Schäden durch Rissbildung nicht im Zusammenhang mit der (ursprünglichen) Leistung der ...AG gestanden haben sollten. Wenn die ...AG letztlich einen Gesamtbetrag gezahlt habe, der teilweise auf diese irreparablen Schäden entfalle, dann doch deshalb, weil diese Schäden aufgrund einer mangelhaften Bauleistung ihrerseits aufgetreten seien.

Die Auffassung des Beklagten werde auch durch das BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 44/05, BFH/NV 2007, 1548 bestätigt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Beklagte hat zu Recht die abziehbare Vorsteuer des Streitjahres gemäß § 17 Abs. 1 UStG um 21.156,90 € gemindert.

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, so haben der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerbetrag entsprechend zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG). Die Berichtigungen sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG).

Im Streitjahr hat sich die Bemessungsgrundlage für einen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG geändert.

Bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) ist Bemessungsgrundlage das Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).

Maßgebend für die Höhe des Entgelts ist, was der Leistungsempfänger vereinbarungsgemäß für die Leistung aufwendet. Dem entspricht, dass die zunächst maßgebende vereinbarte Bemessungsgrundlage durch eine nachträgliche Vereinbarung mit umsatzsteuerrechtlicher Wirkung verändert (erhöht oder ermäßigt) werden kann, und dass die Leistung des Unternehmers "letztendlich" nur mit der Bemessungsgrundlage besteuert wird, die sich aufgrund der wirklich vereinnahmten Gegenleistung ergibt (BFH-Urteile vom 16.01.2003 V R 72/01, BFHE 201, 335, BStBl II 2003, 620 m.w.N. undvom 19.04.2007 V R 44/05, BFH/NV 2007, 1548).

Damit übereinstimmend ist nach Art. 11 Teil A Abs. 1 lit. A) der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger erhält oder erhalten soll. Besteuerungsgrundlage im Sinne dieser Bestimmung ist die tatsächlich erhaltene Gegenleistung für die erbrachte Leistung (vgl. BFH-Urteile vom 16.01.2003 V R 72/01, BFHE 201, 335, BStBl II 2003, 620 undvom 19.04.2007 V R 44/05, BFH/NV 2007, 1548).

Nach diesen Grundsätzen, denen sich das Gericht anschließt, wurde durch die Vereinbarung vom .......2002 und die aufgrund dieser Vereinbarung erfolgte Zahlung der ...AG an die Klägerin in Höhe von 153.387,56 € das Entgelt der Bauleistungen an die Klägerin bzw. an die WP als ihre Rechtsvorgängerin in den Jahren 1993 und 1994 in eben dieser Höhe gemindert.

Das Entgelt war zunächst der in dem Bauvertrag vom ...1993 vereinbarte Werklohn i.H.v. 4.800.000 DM. Dieses Entgelt wurde durch die Vereinbarung der Klägerin und der ...AG vom ...2002 um 153.387,56 € reduziert. Ausweislich dieser Vereinbarung sollte durch die Zahlung der ...AG an die Klägerin in Höhe von 300.000,- DM (153.387,56 €) ein "Ausgleich aller wechselseitigen Ansprüche aus dem ... Bauvertrag" erfolgen. Gemeint waren damit die Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegenüber der ...AG gemäß §§ 634 ff. BGB a.F. Diese sollten durch die Zahlung erledigt werden. Umsatzsteuerrechtlich bedeutet diese Vereinbarung, dass das Entgelt für die Bauleistung um 153.387,56 € gemindert wurde. Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der WP hatte für den Erhalt der erbrachten Leistungen "letztendlich" nur noch einen geminderten Geldbetrag aufzuwenden; die ...AG wiederum hat "letztendlich" nur einen entsprechend geminderten Geldbetrag vereinnahmt.

Für die Bestimmung des "letztendlich" gezahlten Entgelts im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG kommt es nicht auf zivilrechtliche, sondern auf umsatzsteuerrechtliche Kriterien an. Umsatzsteuerrechtlich macht es aber keinen Unterschied, ob der Besteller eines Werks, das sich als mangelhaft erweist, den Werklohn mindert oder das Werk behält und statt der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 635 BGB a.F. verlangt (BFH-Urteile vom 16.01.2003 V R 72/01, BFHE 201, 335, BStBl II 2003, 620 undvom 19.04.2007 V R 44/05, BFH/NV 2007, 1548). Demzufolge kann dahinstehen, ob zivilrechtliche Folge der Vereinbarung vom ...2002 eine Minderung des Werklohns gemäß § 634 BGB a.F. oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 635 BGB a.F. war. Selbst wenn die Zahlung der ...AG an die Klägerin zivilrechtlich als ("kleiner") Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 635 BGB a.F. zu qualifizieren sein sollte, führt dies entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht zu umsatzsteuerrechtlich irrelevantem "echtem" Schadensersatz. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass bei Annahme eines "echten" Schadensersatzes eine Entgeltminderung im Sinne von § 17 Abs. 1 UStG ausscheiden würde. Ein solcher liegt jedoch - anders als im Streitfall - nur dann vor, wenn die Entschädigung oder Schadensersatzzahlung nicht im Zusammenhang mit einem Leistungsaustausch erfolgt, sondern auf einer Rechtsverletzung beruht und der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat (BFH-Urteile vom 16.01.2003 V R 36/01, BFH/NV 2003, 667 undvom 10.12.1998 V R 58/97, BFH/NV 1999, 987 m.w.N.).

Hier aber stand die Zahlung im Zusammenhang mit dem Leistungsaustausch der ...AG und der WP in den Jahren 1993 und 1994. Ausweislich des Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. ... bestand der Schaden der Klägerin in Höhe von 507.305,10 DM (259.380,98 €) überwiegend (72,21 %) in mangelbedingtem Minderwert des Bauwerks, im Übrigen (27,79 %) in mangelbedingten Aufwendungen. Der Schaden der Klägerin berührte daher ausschließlich das Äquivalenzverhältnis zwischen Bauleistung und Werklohn. Nach Empfang der vereinbarten Rückzahlung war die Klägerin bereit, die mangelbehaftete Bauleistung zu behalten. Sie hat selbst diejenigen Mängel nicht beseitigt, deren Beseitigung ihr technisch und wirtschaftlich möglich gewesen wäre. Wirtschaftlich wirkte sich die Zahlung als Minderung des Werklohns aus und nicht als außerhalb des Leistungsverhältnisses stehenden Zahlung aufgrund einer Rechtsverletzung.

Ein "echter" Schadensersatz im umsatzsteuerrechtlichen Sinne käme im Streitfall nur dann in Betracht, wenn durch die Zahlung der ...AG andere Schadenspositionen hätten kompensiert werden sollen, die nicht das Äquivalenzinteresse, sondern das Integritätsinteresse der Klägerin berührten. Zu denken wäre hier etwa an entgangenen Gewinn oder Mangelfolgeschäden an anderen Rechtsgütern der Klägerin. Hierfür liegen jedoch keinerlei Anhaltspunkte vor.

Entgegen der Klägerin sind auf den Streitfall auch nicht die Grundsätze anzuwenden, die der BFH in seinerEntscheidung vom 04.05.1994 (XI R 58/93, BFHE 174, 480, BStBl II 1994, 589) aufgestellt hat. Dort hat der BFH entschieden, dass die Zahlung einer Vertragsstrafe wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung des vertraglichen Leistungsversprechens nicht zu einer Minderung des Entgelts nach § 10 Abs. 1 UStG führt. Bei der Zahlung der ...AG an die Klägerin im Streitjahr handelt es sich aber eindeutig nicht um eine Vertragsstrafe. Ein Vertragsstrafeversprechen wird bereits beim Abschluss des Hauptvertrags als Sicherungsinstrument für den Gläubiger erteilt. Es handelt sich um eine Nebenverbindlichkeit, die der ordentlichen Erfüllung der Hauptverbindlichkeit dient und die rechtlich wie wirtschaftlich von der Hauptpflicht abhängt (BFH-Urteil vom 4.05.1994 XI R 58/93, BFHE 174, 480, BStBl II 1994, 589). Ist die Vertragsstrafe verwirkt, so tritt sie als selbständiger Rechtsgrund neben die nach wie vor fortbestehenden Hauptpflichten aus dem Vertrag. Auch wenn die Vertragsstrafe in der Praxis regelmäßig mit der Entgeltforderung verrechnet wird, hat dies umsatzsteuerrechtlich zur Folge, dass die Vertragsstrafe nicht zu einer Entgeltminderung führt. Im Streitfall ist aber bereits nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die WP und die ...AG 1993 eine Vertragsstrafenvereinbarung getroffen hätten, mit der die Zahlung im Streitjahr im Zusammenhang stehen könnte.

In der Rechtsprechung ist bislang offen geblieben, ob die dargestellten Grundsätze auch in einem Fall wie dem Streitfall gelten, in dem der Besteller die geschuldete Vergütung zunächst in voller Höhe gezahlt hat und erst danach aufgrund aufgetretener Mängel von dem leistenden Unternehmer Schadensersatz verlangt (BFH-Urteil vom 16.01.2003 V R 72/01, BFHE 201, 335, BStBl II 2003, 620). Nach Auffassung des Gerichts ist für diesen Fall keine abweichende rechtliche Beurteilung angezeigt (vgl. Brockmann in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, E § 17 Rz. 27). Auch in diesem Fall liegt nach den Grundsätzen der zitierten BFH-Rechtsprechung eine Entgeltminderung und kein "echter Schadensersatz" vor. Die Rückzahlung vollzieht sich hier ebenso innerhalb des bei Vertragsschluss begründeten Leistungsverhältnisses (a.A. Widmann UR 2003, 254, 255 ; Serafini, GStB 2003, 482, 484).

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich insbesondere daraus, dass in der Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt ist, ob der Streitfall anders zu behandeln ist als der vom BFH bereits entschiedene Fall, in dem es zu keiner Rückzahlung, sondern zu einer Verrechnung einbehaltener Teile des Kaufpreises gekommen ist (BFH-Urteil vom 16.01.2003 V R 72/01, BFHE 201, 335, BStBl II 2003, 620).

Ende der Entscheidung

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