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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 14.08.2008
Aktenzeichen: 13 K 2604/04
Rechtsgebiete: AO, FGO, UStG, ZPO


Vorschriften:

AO § 34
AO § 35
AO § 69
AO § 130 Abs. 2
FGO § 68
FGO § 102 S. 2
FGO § 105 Abs. 5
FGO § 155
UStG § 2 Abs. 1 S. 2
UStG § 18
ZPO § 264 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

13 K 2604/04

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Haftungsbescheiden.

Der Kläger war ausweislich des Handelsregisters L. (HR B ...) der alleinige und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Firma G. GmbH in C., über deren Vermögen im ... 1997 das Konkursverfahren eröffnet und die - nach Einstellung des Konkursverfahrens wegen Masselosigkeit - im Jahr 2003 im Handelsregister gelöscht wurde. Bereits mit Gesellschaftsvertrag vom 00.00.0000 gründete der Kläger die Firma D. GmbH in ... (Handelsregister ... ...) - im Folgenden: GmbH -. Dort domizilierte die GmbH zunächst in N. (c/o ..., Gewerbeanmeldung, Vorhefter Gewerbesteuerakte), später in ..., ..... Allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH war ebenfalls der Kläger (... Handelsregister, Vertragsakte).

Bereits im ... 1997 meldete die GmbH eine Betriebstätte im Geschäftsbereich des Beklagten in F., ..., an, die sich zuvor in T. befunden haben soll. In den Jahren 1998/99 wurden Betriebstätten in A., C. und X. sowie eine Niederlassung in U. angemeldet. Der Fragebogen zur Gründung einer Kapitalgesellschaft bzw. deren steuerlicher Erfassung weist den Kläger als gesetzlichen Vertreter der GmbH aus (Vorhefter Gewerbesteuerakte). Im ... 2001 teilte die GmbH mit, dass sie von ... bis ... geruht habe und zum ... 2001 den Betrieb endgültig eingestellt habe (Körperschaftsteuerakte 2001). Spätestens am 00.00.2003 wurden dem Kläger die bis dahin ergangenen Steuer- und Feststellungsbescheide für die Jahre 1997 bis 2001 für die GmbH übergeben (Körperschaftsteuerakte 2001 a. E.).

Auf eine Anfrage des Bundesamtes für Finanzen (jetzt Bundeszentralamt für Steuern) teilte die ... Finanzverwaltung mit, dass der Kläger, zu diesem Zeitpunkt laut Auskunft in Deutschland, I., ...straße ... wohnend, alleiniger Inhaber der GmbH sei. Bei einer Betriebsprüfung durch die zuständige Veranlagungsstelle sei festgestellt worden, dass die GmbH über kein Büro in ... verfüge und bis zum damaligen Zeitpunkt (... 2003) dort keine Tätigkeit ausgeübt habe. Der Ort der Leitung im Sinne des ... des deutsch-... Doppelbesteuerungsabkommens - DBA - befinde sich daher nach Auffassung der ... Verwaltung in Deutschland. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Vertragsakte Bezug genommen.

Steuerliche Prüfungen bei der GmbH fanden in den Jahren 0000, 0000 und 0000 statt. Es wurden jeweils erhebliche Mängel in der Buchführung, hinsichtlich der hier betroffenen Steuerjahre, insbesondere die nachträgliche Erstellung der Buchführung erst im Jahr 0000 festgestellt. Alle Prüfungsberichte weisen den Kläger als Auskunftsperson aus. Insbesondere die letzte Außenprüfung hinsichtlich der Jahre 1999 bis 2001 führte zu erheblichen Hinzuschätzungen bei Umsatz und Gewinn. Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 00.00.0000 Bezug genommen.

Die Steuerschulden der GmbH konnten bei dieser nicht beigetrieben werden. Nachdem ein Haftungsverfahren gegen den Kläger im Jahr 0000 zunächst nicht fortgesetzt worden war, wurde er zunächst mit Haftungsbescheid vom 00.Juni 2003 für rückständige Lohnsteuer und Nebenleistungen der GmbH in Anspruch genommen. Bei der Vorbereitung der verschiedenen Haftungsbescheide ermittelte der Beklagte, neben dem oben dargestellten Lebenssachverhalt hinsichtlich der Frage der vertretungsberechtigten Personen bezüglich der GmbH, dass der Bruder J. des Klägers nach den Aufzeichnungen des Gewerbeamtes der Stadt C. als Geschäftsführer fungierte. Geschäftsführer laut Handelsregister war (nur) der Kläger. Der Bruder des Klägers hatte bei einer polizeilichen Vernehmung wegen illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung erklärt, für die GmbH zu handeln. Weiter ergeben die Aufzeichnungen, dass der Bruder des Klägers wegen Urkundenfälschung und der Kläger wegen mehrfachen Betruges rechtskräftig verurteilt worden sind. Beide Brüder haben im Zusammenhang mit einem Vorgängerunternehmen die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Aktenvermerk in der Haftungsakte, Band II Bezug genommen.

Aus dem Handelsregister ergibt sich weiterhin, dass der Kläger Geschäftsführer branchengleicher weiterer Gesellschaften mbH war, die in großem Umfang mit der GmbH Geschäfte gemacht haben sollen (...; ...). Auf Grund der Feststellungen richtete der Beklagte an beide Brüder unter dem 00.00.0000 jeweils eine Haftungsvoranfrage bezüglich der zu diesem Zeitpunkt rückständigen Steuerschulden von ca. ... DM.

Der Bruder des Klägers wandte daraufhin ein, er sei nicht Geschäftsführer. Alleiniger Geschäftsführer sei der Kläger. Eine Mitgeschäftsführung sei zum 00.00.0000 geplant gewesen, falls bis zu diesem Zeitpunkt alle steuerlichen Probleme gelöst gewesen wären. Diese Voraussetzung sei aber nicht erfüllt worden. In diesem Kontext sei auch die Aussage bzgl. der Tätigkeiten bei der Verfolgung illegaler Arbeitnehmerüberlassung im Zusammenhang mit dem Einsatz des O. zu verstehen, den er ohne Wissen und Zustimmung des Klägers als ... eingesetzt habe.

Ebenfalls unter Bezugnahme auf die Haftungsvoranfrage gegen den Bruder des Klägers führte der Kläger in einem Schreiben vom 00.00.0000 auf dem Briefpapier der GmbH aus, dass er bei verschiedenen Gesprächen mit Mitarbeitern des Beklagten darauf hingewiesen habe, dass die GmbH von seinem Bruder weitergeführt werde, sobald alle steuerlichen Probleme geklärt seien. Er habe daher die Geschäfte der GmbH zunächst ruhen lassen und dann endgültig eingestellt.

Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 00.April 2002 gegenüber dem Kläger einen Haftungsbescheid mit dem dieser für ... € (Körperschaftsteuer 1999, Umsatzsteuer 1999 bis 2000 jeweils mit Nebenleistungen) in Anspruch genommen wurde. Nach Darstellung der Steuerrückstände begründete der Beklagte die Inanspruchnahme gemäß §§ 69, 34 der Abgabenordnung - AO - mit der Stellung des Klägers als alleiniger Geschäftsführer, der nicht rechtzeitigen und wahrheitsgemäßen Abgabe der Steuererklärungen und der Nichtzahlung der festgesetzten und fälligen Ansprüche. Dabei erläuterte der Beklagte die Inanspruchnahme des Klägers für die vollen Rückstände der GmbH mit der unterbliebenen Mitwirkung im Haftungsvorprüfungsverfahren. Weiterhin begründete der Beklagte die Ausübung des Entschließungsermessens, aber nicht des Auswahlermessens. Der Bescheid wurde am 00.00.0000 unter der Adresse I., ...straße ..., durch Übergabe an die Ehefrau des Klägers zugestellt. Dagegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 00.00.0000, mit dem er unter anderem behauptete, zum Zeitpunkt der Zustellung von seiner Ehefrau getrennt gelebt zu haben. Weiterhin trug er vor, dass es sich bei dem in C. betriebenen Unternehmen um eine selbstständige Niederlassung gehandelt habe, für die sein Bruder zuständig gewesen sei. Der Beklagte ging danach vom Fehlen einer wirksamen Zustellung des Bescheides vom 00.00.2002 aus und erließ unter dem 00.00.2003 erneut einen Haftungsbescheid, der in wesentlichen Teilen dem vorangegangenen Haftungsbescheid entsprach, aber hinsichtlich der Vertretungsbefugnis die Einwendungen des Klägers darstellte und eine Auswertung der vorgebrachten Argumente beider Brüder und der tatsächlichen Feststellungen enthielt. Der Beklagte ging danach weiterhin von einer Alleingeschäftsführung des Klägers aus und kam bei der Ausübung des Auswahlermessens zu der Feststellung, dass eine Inanspruchnahme des Bruders mangels Erfüllung eines der Tatbestände der §§ 34, 35 AO ausscheide (Blatt 17 bis 23 d. A.).

Gegen diesen Haftungsbescheid wandte sich der Kläger mit fristgerecht erhobenem Einspruch. Zur Begründung reichte er die Kopie einer Gewerbeanmeldung ein, die den Bruder des Klägers als Geschäftsführer auswies. Im Anschluss befinden sich in der Haftungsakte III eine Vielzahl von Unterlagen, die jeweils den Kläger als Geschäftsführer der GmbH ausweisen (Handelsregister, Anmeldung der GmbH beim Beklagten, diverse Niederlassungsanmeldungen, Steuererklärungen, Abtretung, Gewerberegister). Unter Bezugnahme auf diese Unterlagen wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 als unbegründet zurück (Blatt 24/25 d. A.).

Dagegen wandte sich der Kläger mit der Klage. Mit ihr trug er erneut vor, dass er zwar Geschäftsführer der GmbH sei, ausschließlich verantwortlicher Betreiber der Betriebsstätte in C. sei aber sein Bruder gewesen. In diesem Kontext legte der Kläger eine mit "Vereinbarung" überschriebene, nicht datierte Kopie vor, wonach der Bruder des Klägers für die Niederlassung der GmbH in C. allein zuständig sein sollte. Die Kopie trägt nur eine (kopierte) Unterschrift des Bruders, keine des Klägers (Blatt 114 d. A.).

Zum Verhandlungstermin am 00.00.0000 ist der Bruder des Klägers als Zeuge geladen worden (Beweisthema: Wer die Geschäfte der GmbH geführt habe; Blatt 93/94 d. A.). Nach Belehrung über sein Aussageverweigerungsrecht hat der Bruder erklärt, dass er nicht aussagen wolle (Protokoll Blatt 150 d. A.).

Neben dem Vortrag der Geschäftsführung durch seinen Bruder wandte der Kläger sich gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzungen, die zutreffende Anwendung des Grundsatzes der anteilmäßigen Tilgung, die fehlende Darstellung der Kausalität der Pflichtverletzungen und die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidungen. Insoweit wurde insbesondere die nach Auffassung des Klägers unzureichende Begründung durch den Beklagten gerügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Klagebegründung vom 00.00. und den Schriftsatz vom 00.00.0000 verwiesen.

Der Beklagte erwiderte darauf, dass die Steuerschulden die GmbH als Steuersubjekt und nicht die einzelnen Niederlassungen beträfen, die Steuerfestsetzungen im Wege der Schätzung nicht zu beanstanden und im Übrigen teilweise bestandskräftig und damit nach § 166 AO für das Haftungsverfahren verbindlich seien. Der Grundsatz der anteilmäßigen Tilgung sei unter Berücksichtigung der verweigerten Mitwirkung des Klägers zutreffend angewendet, Pflichtverletzung und Kausalität seien dargelegt worden. Eine mangelhafte Ausübung des Auswahlermessens liege nicht vor, da der Kläger unstreitig alleiniger Formal-Geschäftsführer der GmbH sei. Da die einzelnen Niederlassungen unselbstständige Teile der GmbH seien, komme es auf die Frage, ob und in welchem Umfang der Bruder des Klägers in der Niederlassung/Betriebstätte in C. tätig geworden sei, nicht an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 00.00.0000 Bezug genommen.

Im Rahmen des Verhandlungstermins am 00.00.0000 wurden seitens des Gerichts der Kläger zur Vorlage diverser Unterlagen und beide Beteiligten zum Wiedereintritt in außergerichtliche Verhandlungen aufgefordert (Blatt 160 d. A.). Während des Klageverfahrens wurden sodann Steuererklärungen der GmbH für die Jahre 1999 und 2000 eingereicht, welche dazu führten, dass die Körperschaftsteuerverbindlichkeiten entfielen und die Umsatzsteuerverbindlichkeiten anstiegen. Der Beklagte kündigte daraufhin an, den ursprünglichen Haftungsbescheid hinsichtlich der Körperschaftsteuer gemäß § 130 Abs. 1 AO zurückzunehmen und hinsichtlich der Umsatzsteuer gemäß § 130 Abs. 2 AO zum Nachteil des Klägers zu korrigieren. Dabei ging der Beklagte u. a. davon aus, dass infolge eingetretener Insolvenzreife die GmbH Vorsteueransprüche nicht mehr habe geltend machen können. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 00.00.0000 (Blatt 177 bis 180 der Akten) verwiesen.

Zur Überprüfung der Richtigkeit der Angaben in den Steuererklärungen unter Berücksichtigung zwischenzeitlich bekannt gewordener weiterer Ermittlungsverfahren und Kontrollmaterialien gegen den Kläger wurde im ... 2005 eine Außenprüfung angeordnet. Im Rahmen der Prüfung wurde festgestellt, dass die gesamte Buchführung erst in der zweiten Jahreshälfte ... erstellt worden war und in der Buchführung festgestellte Bareinnahmen und Aufzeichnungen über die Ermittlung der Inventurbestände fehlten. Der Betriebsprüfer kam daher zu der Überzeugung, dass erhebliche Zuschätzungen bei Umsatz und Gewinn vorzunehmen seien. Außerdem wurde eine Rechnung mit Vorsteuerausweis bei der Umsatzsteuer nicht berücksichtigt, weil nach Überzeugung des Prüfers erforderliche Angaben nach § 14 des Umsatzsteuergesetzes in der Rechnung nicht enthalten seien und der Rechnungsaussteller nicht existiere. Bei der Schlussbesprechung wurde hinsichtlich aller Punkte Übereinstimmung erzielt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 00.00.0000 mit allen Anlagen Bezug genommen.

Nachdem das Gerichtsverfahren im Hinblick auf die Außenprüfung im Einvernehmen beider Prozessbeteiligter nicht weiterbetrieben worden war, erließ der Beklagte unter dem 00.00.2006 einen Haftungsbescheid über 24.700 €. Der Haftungsbescheid beruht auf rückständigen Umsatzsteuern und Nebenleistungen für die Jahre 1999 und 2000 im Umfang von 45.792,58 €. Dabei beschränkte sich der Beklagte auf den Teil der nachträglich festgesetzten Steuern, der auf Steuerabschnitte entfiel, die bereits Gegenstand des ursprünglichen Haftungsbescheides vom 00.00.2003 gewesen waren. Der Haftungsbescheid weist insoweit in 18 Positionen exakt die gleichen Steuerbeträge aus wie der vorangegangene Haftungsbescheid. Hinsichtlich der Umsatzsteuer 1999 ergeben sich infolge der erst im Verlauf des vorliegenden Klageverfahrens abgegebenen Erklärung und der Ergebnisse der Außenprüfung zwei abweichende Beträge; ebenso werden bei den Umsatzsteuervorauszahlungen Mai bis Dezember 2000 neben den fortbestehenden Beträgen aus dem ursprünglichen Haftungsbescheid jeweils "Nachforderungsbeträge BP" ausgewiesen. Die Ausführungen zur Vertretungsbefugnis für die GmbH wurden ausgehend von den Darstellungen in dem ursprünglichen Haftungsbescheid wesentlich erweitert, wobei der Beklagte im Verlaufe des Verfahrens vorgebrachte Argumente für eine Stellung des Bruders des Klägers als faktischer Geschäftsführer der Niederlassung C. als irrelevant wertete, da die streitbefangenen Umsatzsteuern die GmbH als Ganzes beträfen. Die Haftung wurde weiterhin sowohl auf die nicht rechtzeitige und wahrheitsgemäße Abgabe von Erklärungen als auch auf die Nichtzahlung fälliger Ansprüche gestützt. Trotz der im Haftungsbescheid aus Sicht des Beklagten dargelegten andauernden Mitwirkungsverweigerung des Klägers berechnete der Beklagte auf der Basis der in der Betriebsprüfung eingesehenen Buchführungsunterlagen eine Haftungsquote von 71,6%, zog von der so ermittelten Zwischensumme die tatsächlich gezahlten Beträge und die verrechneten Vorsteuerüberhänge ab und ermittelte so einen Haftungsbetrag von 24.700 €. Die Ausführungen zum Entschließungs- und Auswahlermessen entsprechen im Wesentlichen denen im Ausgangsbescheid und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Haftungsbescheid vom 00.00.2006 mit Anlage Bezug genommen (Blatt 259 bis 271 Band II d. A.).

Im Übersendungsschreiben und im Haftungsbescheid selbst weist der Beklagte darauf hin, dass der Haftungsbescheid vom 00.00.2006 den vorangegangene Haftungsbescheid ändere und nach § 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO - zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens werde.

Der Kläger vertrat demgegenüber die Auffassung, dass der neue Haftungsbescheid nicht nach § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei. Dies begründete er im Wesentlichen damit, dass der neue Haftungsbescheid auf andere Lebenssachverhalte und Pflichtverletzungen gestützt sei und deshalb der neue Haftungsbescheid nur im Sinne einer vollständigen Aufhebung des ursprünglichen und des Erlasses eines neuen Haftungsbescheides verstanden werden könne. Das ursprüngliche Klageverfahren sei daher erledigt. Weitere Einwendungen betreffen die Kausalität der Verspätung der Steueranmeldungen für die eingetretenen Steuerschäden und die Ausübung des Auswahlermessens. Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass aussichtsreiche Vollstreckungsmaßnahmen bestanden hätten. Letztlich rügt der Kläger, dass er die Berechnung der Tilgungsquote nicht nachvollziehen könne. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 00.00.0000 verwiesen.

Der Kläger erhob - von seinem Verständnis des § 68 FGO ausgehend, folgerichtig - gegen den Haftungsbescheid vom 00.00.2006 fristgerecht Einspruch, der vom Beklagten - im Hinblick auf dessen Auffassung ebenfalls folgerichtig - mit Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 als unzulässig verworfen wurde.

Daraufhin erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 00.00.0000, dass er den Haftungsbescheid vom 00.00.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 00.00.2006 nach § 155 FGO i. V. m. § 264 Nr. 3 der Zivilprozessordnung - ZPO - bzw. nach § 67 FGO unter Änderung des Klagegegenstandes zum Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens mache. Statt der Anfechtung des Haftungsbescheides vom 00.00.2003 werde nunmehr die Anfechtung des Bescheides vom 00.00.2006 geltend gemacht. Diesem Austausch des Klagegegenstand habe der Beklagte zugestimmt, er sei zudem auch sachdienlich.

Der Rechtsstreit hinsichtlich der Haftung für Körperschaftsteuer, die in dem Bescheid vom 00.00.2006 nicht aufrechterhalten worden ist, wurde von den Beteiligten wechselseitig für erledigt erklärt. Das dahingehende Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen ... abgetrennt.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten die Anwendbarkeit des § 68 FGO oder die alternative Anwendung des § 155 FGO i. V. m. § 264 Nr. 3 ZPO oder § 67 FGO ausführlich erörtert. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 00.00.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 00.00.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der prozessrechtlichen Fragestellung hält der Beklagte daran fest, dass der Haftungsbescheid vom 00.00.2006 gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers stütze sich der neue Haftungsbescheid nicht auf andere Tatbestände als der ursprüngliche Bescheid. Die Tatsache, dass sich auf Grund der im Klageverfahren für die GmbH eingereichten Umsatzsteuererklärungen und der Feststellungen der zwischenzeitlich durchgeführten Außenprüfung erhebliche Steuernachforderungen und damit auch höhere Haftungsschulden ergäben, stelle keinen neuen Haftungstatbestand dar. Neben der nicht rechtzeitigen Abgabe der Voranmeldungen und Jahreserklärungen und der Nichtzahlung der Rückstände, trete als Tatbestandsmerkmal allerdings die nicht wahrheitsgemäße Angabe der Besteuerungsgrundlagen in den eingereichten Steuererklärungen hinzu.

Selbst wenn man angesichts der höheren Haftungsbeträge, der zusätzlich vorliegenden Tatbestandsmerkmale des § 69 AO und der ergänzenden Ausführungen zum Auswahlermessen den Bescheid als neuen Bescheid qualifiziere, betreffe dieser dieselbe Steuersache und werde damit gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte erklärt, einer Klageänderung im Sinne des § 67 FGO stimme er nicht zu.

Den Vorwurf mangelhafter Berechnung der Tilgungsquote weist der Beklagte unter erneuter Darstellung der Berechnung der Tilgungsquote als unberechtigt zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 00.00.0000 verwiesen.

Das mit Beschluss vom 00.00.0000 zunächst auf den Einzelrichter übertragene Verfahren ist mit Beschluss vom 00.00.0000 auf den Senat zurück übertragen worden (Blatt 331/32 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Haftungsbescheid vom 00.00.2006. Der Bescheid ist gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

Nach § 68 FGO wird in den Fällen, in denen der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird, der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Dies gilt nach Überzeugung des erkennenden Senats trotz der damit im Hinblick auf die Regelung in § 102 Satz 2 FGO verbundenen Probleme auch für Ermessensverwaltungsakte. Das ergibt sich zunächst aus dem umfassenden Wortlaut des mit Wirkung zum 1. Januar 2001 neu gefassten § 68 FGO, der keine Ausnahme für Ermessensverwaltungsakte vorsieht, und außerdem aus dem mit der Neufassung verbundenen Zweck der Vereinfachung und Sicherstellung der Rechtsschutzgewährung. Der Senat sieht sich insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2007 VI R 29/05, BFH/NV 2007, 1076 mit weiteren Nachweisen) und der Rechtsprechung der Finanzgerichte (vgl. z. B. Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 6. August 2001 2 K 1952/01, [...]; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 6. März 2008 11 K 300/01, [...]). Dabei kann dahingestellt bleiben, welche Auswirkungen nicht ergänzende, sondern nachgeholte Ermessenserwägungen in einem korrigierten Haftungsbescheid auf die Anwendung des § 68 FGO (vgl. dazu Niedersächsisches Finanzgericht a. a. O. m. w. N.) oder die Anwendung des § 102 FGO haben könnten, da im vorliegenden Fall die im Ausgangsbescheid und in der ersten Einspruchsentscheidung angestellten Ermessenserwägungen in dem angefochtenen Bescheid nur ergänzt worden sind (vgl. nachfolgende Ausführungen zur Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides).

Im Streitfall liegt eine Änderung, zumindest eine Ersetzung des ursprünglichen Haftungsbescheides in Gestalt der ersten Einspruchsentscheidung durch den Haftungsbescheid vom 00.00.2006 vor. Der Begriff der Änderung in § 68 FGO entspricht nicht dem Begriff der Änderung nach der Abgabenordnung, sondern umfasst auch andere Formen der Korrektur, wie z. B. die Rücknahme und den Widerruf nach den §§ 130, 131 AO (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 192/80, BStBl II 1984, 791, 794 m. w. N. ). Eine Änderung oder Ersetzung im Sinne des § 68 FGO liegt allerdings nur insoweit vor, als zwischen dem ursprünglichen Verwaltungsakt und dem nach Erlass der Einspruchsentscheidung ergangenen, geänderten oder ersetzenden, Verwaltungsakt ein Regelungszusammenhang besteht. Die Regelungsbereiche beider Verwaltungsakte müssen daher - zumindest teilweise - identisch sein. Deshalb sollen bei zusammengefassten Verwaltungsakten nur die Einzelfallregelungen für die Auswechslung in Betracht kommen, die von der Änderung oder Ersetzung betroffen sind (vgl. Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 28. November 2002 5 K 2388/01, n. v.). Deshalb werden z. B. Haftungsbescheide, die nach den §§ 130 ff. AO korrigiert werden, nach § 68 FGO zum Gegenstand eines anhängigen Klageverfahrens; wenn es sich aber bei dem neuen Verwaltungsakt um einen selbstständigen, nur äußerlich mit der Altregelung verbundenen Verwaltungsakt handelt, der neue Verwaltungsakt also Regelungen über andere Haftungstatbestände enthält als der ursprüngliche, sollen die Rechtsfolgen des § 68 FGO nicht eintreten (vgl. Schallmoser in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 68 FGO Rdnrn. 48 und 54 m. w. N.).

Danach liegen die Voraussetzungen des § 68 FGO hinsichtlich der 18 Positionen des Haftungsbescheides, die hinsichtlich der rückständigen Steuern betragsidentisch aus dem Bescheid aus 2003 übernommen worden sind und hinsichtlich derer keine wesentlichen Änderungen in der Begründung für die Inhaftungnahme vorliegen, vor. Es besteht ein Regelungszusammenhang zwischen dem Ursprungshaftungsbescheid und dem Bescheid vom 00.00.2006. Es geht um die gleichen Steuern, im Wesentlichen um die gleichen Lebenssachverhalte und Ermessenserwägungen. Aus der Form des Bescheides vom 00.00.2006 und der Diktion sowie den erstmalig angestellten Berechnungen zur anteiligen Tilgung ergibt sich nach Überzeugung des Senats, dass nicht nur eine Teilrücknahme sondern ein neuer Bescheid (vgl. zur Abgrenzung BFH-Beschlüsse vom 4. November 2003 VII B 34/03, BFH/NV 2004, 460, undvom 7. April 2005 I B 140/04, BStBl II 2006, 530) vorliegt, der nach § 68 FGO insoweit Gegenstand des Verfahrens geworden ist.

Die Voraussetzungen des § 68 FGO liegen aber auch hinsichtlich der weiteren Teile des Haftungsbescheides vom 00.00.2006 vor. Die weiter gehenden 10 Positionen betreffen ebenfalls Steuern, die bereits Gegenstand des ursprünglichen Haftungsbescheides waren. Lediglich die Steuerbeträge haben sich auf Grund der zwischenzeitlichen Feststellungen aus den nachträglich vorgelegten Steuererklärungen und der durchgeführten Außenprüfung erhöht. Es kann hier offen bleiben, ob eine derartige Nachforderung überhaupt ohne vorherige Rücknahme oder den Widerruf eines bereits ergangenen Haftungsbescheides durch einen zweiten neben den ursprünglichen Haftungsbescheid tretenden Haftungsbescheid möglich wäre (offen lassend BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VII R 29/02, BStBl II 2005, 3 unter II.2.a und b m. w. N.). Der Beklagte hat im Streitfall ausdrücklich eine Korrektur nach § 130 Abs. 2 AO vorgenommen.

Zumindest für den hier zu entscheidenden Fall der Erweiterung eines Haftungsbescheides nur hinsichtlich höherer Steuerbeträge für Veranlagungszeiträume, die bereits Gegenstand des ursprünglichen Haftungsbescheides waren, und bei dem die Ermessenserwägungen in dem angefochtenen Bescheid nur ergänzt worden sind, liegt eine Änderung oder Ersetzung im Sinne des § 68 FGO vor, da zwischen dem ursprünglichen Haftungsbescheid vom 00.00.2003 und dem korrigierten oder ersetzenden Haftungsbescheid vom 00.00.2006 ein Regelungszusammenhang besteht. Der Senat befindet sich bei dieser Auslegung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH, der insoweit ausgeführt hat, dass durch einen Haftungsbescheid Verbindlichkeiten gegen den Haftungsschuldner festgesetzt werden, die sich daraus ergeben, dass der Haftungsschuldner einen bestimmten haftungsbegründenden Sachverhalt erfüllt hat und er deshalb für die Steuerschuld eines bestimmten Steuerschuldners für einen bestimmten Besteuerungszeitraum in Anspruch genommen werden kann. Diese Elemente bestimmen den Gegenstand des Haftungsbescheides. Entscheidend für die Feststellung des erforderlichen Regelungszusammenhanges ist danach, ob der neue Haftungsbescheid den gleichen Gegen-stand regelt wie der bereits ergangene Haftungsbescheid oder ob die Haftungsinanspruchnahme für verschiedene Sachverhalte oder zu verschiedenen Zeiten entstandene Haftungstatbestände erfolgen soll (BFH a. a. O. unter II. 3 b.). Danach sind die Voraussetzungen des § 68 FGO im Streitfall erfüllt. Der Beklagte hat den Kläger nur wegen Steuern für die gleichen Besteuerungszeiträume wie im Ausgangsbescheid und im Wesentlichen auf Grund der gleichen Lebenssachverhalte in Anspruch genommen. Die Anwendung des § 68 FGO auf derartige Fälle ist auch geboten, da sonst Steuerpflichtige Rechtsschutznachteile erleiden könnten, da sie die Notwendigkeit, Teile eines "korrigierten" Haftungsbescheides mit dem Einspruch anzufechten, nicht erkennen würden. Dieses Risiko zu beseitigen war auch eines der Ziele der Neufassung des § 68 FGO.

Der Senat kann daher offen lassen, ob in Fällen der vorliegenden Art ein neuer Haftungsbescheid gemäß § 155 FGO i. V. m. § 264 Nr. 3 ZPO (vgl. zur generellen Anwendbarkeit des § 264 Nr. 2 ZPO: BFH-Beschluss vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87, unter II. 1., BStBl II 1990, 327) nach Abschluss eines eigenständigen Einspruchsverfahrens wirksam zum Gegenstand eines bereits anhängigen Klageverfahrens gemacht werden könnte, insbesondere wenn - wie im Streitfall - mangels einer Haftung für Körperschaftsteuer im Haftungsbescheid vom 00.00.2006 ein anderer Senat für eine eigenständige Klage gegen den neuen Haftungsbescheid zuständig wäre.

Ebenso kann offen bleiben, ob der Bescheid vom 00.00.2006 im Wege der Klageänderung nach § 67 FGO zum Gegenstand des Verfahrens hätte werden können, also insbesondere, ob die Voraussetzung der Einwilligung des Beklagten - ggf. in der Form des § 67 Abs. 2 FGO - trotz der Verwerfung des Einspruchs als unzulässig, der konsequenten Ablehnung der Anwendbarkeit des § 67 FGO durch den Beklagten nach dem Schriftsatz des Klägers vom 00.00.0000 und des ausdrücklichen Widerspruchs des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegen hätte.

Der angefochtene Haftungsbescheid vom 00.00.2006 ist auch rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Beklagte konnte den ursprünglichen Haftungsbescheid nach § 130 Abs. 2 AO zum Nachteil des Klägers korrigieren, da es sich

1. bei dem Haftungsbescheid vom 00.00.2003 um einen rechtswidrigen, auch begünstigenden Verwaltungsakt gehandelt hat, den

2. der Kläger durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig waren bzw. dessen Rechtswidrigkeit dem Kläger bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

3. Die Rücknahmefrist des § 130 Abs. 3 AO ist eingehalten.

4. Die Inhaftungnahme Klägers nach §§ 69, 34 AO ist dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig.

5. Ein im Rahmen des § 102 Satz 1 FGO vom erkennenden Senat zu überprüfender Ermessensfehler liegt weder hinsichtlich der Inhaftungnahme noch hinsichtlich der Korrektur gemäß § 130 AO vor.

Zu 1.: Der ursprüngliche Haftungsbescheid vom 00.00.2003 war ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung (vgl. umfassend zur Begrifflichkeit: Wernsmann in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO/FGO, vor §§ 130-133 AO, Rdnrn. 78 ff. m. w. N.). Die Festsetzung einer Haftungsschuld in Höhe von 12.793,01 € stellte zwar zunächst eine belastende Regelung dar. Soweit keine höhere Haftungsschuld festgesetzt worden ist, war der Haftungsbescheid aber auch ein begünstigender Verwaltungsakt im Sinne des § 130 Abs. 2 AO. Der Erlass eines neuen Haftungsbescheides mit höherem Haftungsbetrag setzt daher - nach inzidenter Aufhebung des ursprünglichen Haftungsbescheides gemäß §§ 130, 131 AO - die Erfüllung der Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO voraus. Insoweit besteht Einvernehmen zwischen den Beteiligten und dem erkennenden Senat. Die Rechtsauffassung entspricht auch der Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VII R 29/02, BStBl II 2005, 3 m. w. N.). Auf weitere Ausführungen wird daher verzichtet.

Zu 2.: Der Beklagte hat zu Recht den ursprünglichen Haftungsbescheid vom 00.00.2003 gemäß § 130 Abs. 2 Nrn. 3, 4 AO dergestalt zum Nachteil des Klägers korrigiert, dass er ihn durch den Haftungsbescheid vom 00.00.2006 aufgehoben und ersetzt hat. Ein dahingehendes Verständnis des Bescheides vom 00.00.2006 ergibt sich nicht nur aus dem ausdrücklichen Text des Übersendungsschreibens vom 00.00.0000 und dem Einleitungstext des Haftungsbescheides vom 00.00.2006, sondern steht auch in Übereinstimmung mit den Ankündigungen des Beklagten seit dem Schreiben vom 00.00.0000 (Blatt 177 d. A.). Auch der Kläger hat dies, wie sich aus dem Schriftsatz vom 00.00.0000 (dort unter I. 3.- 9.; Blatt 273 ff. d. A.) ergibt, in gleicher Weise aufgefasst.

Nach § 130 Abs. 2 Nrn. 3, 4 AO kann ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, nur dann zurückgenommen werden, wenn ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren oder seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Beklagte hat nach Einreichung der Steuererklärungen der GmbH und später der Durchführung der Außenprüfung stets erklärt, dass er im Hinblick auf die - gegenüber den zuvor auf der Basis geschätzter Besteuerungsgrundlagen ermittelten - wesentlich höheren Steuerverbindlichkeiten der GmbH den Haftungsbescheid gemäß § 130 Abs. 2 AO korrigieren wolle. Dieser Lebenssachverhalt erfüllt, soweit zuvor fehlerhafte Steuererklärungen mit zu geringen Besteuerungsgrundlagen abgegeben wurden, die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO. Soweit zuvor keine Steuererklärungen abgegeben worden waren, erfüllt der Lebenssachverhalt die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO, da der Kläger als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH wusste oder zumindest grob fahrlässig nicht wusste, dass im Zeitpunkt des Ergehens des Haftungsbescheides im Jahr 2003 noch keine Buchführung für die hier interessierenden Steuerjahre 1999 und 2000 erstellt und entgegen der gesetzlichen Verpflichtung Steuererklärungen nicht abgegeben worden waren. Ihm war damit die Fehlerhaftigkeit der Schätzungsbescheide des Beklagten gegenüber der GmbH und damit die Rechtswidrigkeit des auf den zu geringen Steuerfestsetzungen basierenden Haftungsbescheides vom 00.00.2003 bekannt, zumindest aber nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt. Hierfür genügt es zwar nicht, dass der Begünstigte die Umstände kennt, die die Rechtswidrigkeit zur Folge haben. Er muss das zumindest laienhafte Bewusstsein der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst haben (vgl. BFH-Urteil vom 16. Juni 1994 - IV R 48/93, BStBl II 1996, 82 m. w. N.). Daran bestehen im Streitfall im Hinblick auf die massiven Pflichtenverstöße und die langjährige Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer diverser Gesellschaften für den Senat keine Zweifel.

Soweit der Haftungsbescheid vom 00.00.2006 damit auf § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO statt des angegebenen § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO gestützt ist, liegt kein unzulässiger Austausch von Rücknahmegründen mit Auswirkungen auf die rechtmäßige Ermessensausübung vor (vgl. dazu Wernsmann a. a. O., Rdnr. 45), da der Beklagte sich zutreffend auf einen die Korrektur rechtfertigenden Lebenssachverhalt gestützt und diesen lediglich - teilweise - unter eine andere Nr. der einschlägigen Vorschrift subsumiert hat.

Es kann offen bleiben, ob der Haftungsbescheid vom 00.00.2003 teilweise - soweit nur eine Herabsetzung der Haftungsbeträge infolge der Anwendung der Zahlungsquote auf die unveränderten Steuerbeträge erfolgt ist - nach § 130 Abs. 1 AO ausschließlich zu Gunsten des Klägers korrigiert worden ist. Das Anforderungsprofil dieser Korrekturvorschrift ist geringer. Soweit die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO erfüllt sind, gilt dies erst recht für die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 AO.

Zu 3.: Der Bescheid vom 00.00.2006 ist auch innerhalb der Jahresfrist des § 130 Abs. 3 AO ergangen.

Nach § 130 Abs. 3 AO ist die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Finanzbehörde von den Tatsachen, welche die Rücknahme rechtfertigen, zulässig. Die Frist beginnt zu laufen, wenn die Finanzbehörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (Förster in Koch/Scholtz, AO, § 130 Rdnr. 30; Wernsmann a. a. O., Rdnr. 62/63).

Im Streitfall sind die maßgeblichen Tatsachen, nämlich die wesentlich höheren Steuerverbindlichkeiten der GmbH, in mehreren Schritten bekannt geworden. Teilweise hat der Beklagte durch die von der GmbH in der zweiten Jahreshälfte ... abgegebenen Steuererklärungen von den höheren Steuern Kenntnis erhalten. Wenige Monate später, um die Jahreswende 0000/0000, wurde dem Beklagten durch Kontrollmaterial bekannt, dass die Richtigkeit der erklärten Besteuerungsgrundlagen erheblichen Zweifeln unterlag. Erst durch die Außenprüfung, die Ende 0000 abgeschlossen wurde, wurde der gesamte Sachverhalt einschließlich der nachträglichen Erstellung der Buchführung und der weiteren verbleibenden, die Zuschätzungen rechtfertigenden, Ungewissheiten bekannt. Erst zu diesem Zeitpunkt kannte der Beklagte (weitgehend) den maßgeblichen Lebenssachverhalt, der ihn in die Lage versetzte, den jetzt angefochtenen Haftungsbescheides vom 00.00.2006 zu erlassen. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte die Jahresfrist des § 130 Abs. 3 AO laufen. Die Jahresfrist ist damit eingehalten, da zwischen der Ermittlung des gesamten Lebenssachverhaltes und dem Ergehen des korrigierten Bescheides nur ein Zeitraum von ca. acht Monaten lag.

Zu 4.: Die Inhaftungnahme Klägers nach §§ 69, 34 AO ist dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig.

Der Kläger hat den Haftungstatbestand § 69 AO, wonach die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden, erfüllt.

Der Kläger war im hier maßgeblichen Zeitraum der alleinige Gesellschafter und der einzige nach den Regeln des Handelsrechts berufene Geschäftsführer der GmbH. Das ergibt sich aus den vorliegenden Auszügen aus dem ... Handelsregister, ist aber auch unstreitig. Ungeachtet der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob daneben auch noch ein faktischer Geschäftsführer im Sinne des § 35 AO für die GmbH tätig war, erfüllt der Kläger damit als gesetzlicher Vertreter der GmbH den Tatbestand des § 34 Abs. 1 AO. Als solcher war er gemäß § 34 Abs. 1 AO verpflichtet, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen und dabei insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er für die GmbH verwaltete.

Entgegen der Auffassung des Klägers war aber auch kein weiterer potenzieller Haftungsschuldner vorhanden. Insbesondere hat der Beklagte zutreffend festgestellt, dass der Bruder des Klägers nicht faktischer Geschäftsführer und damit Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO (vgl. zu den Voraussetzungen BFH-Urteil vom 24. April 1991 I R 56/89, BFH/NV 1992, 76 m. w. N.) gewesen ist.

Da im vorliegenden Verfahren nur die Haftung für Umsatzsteuer und Nebenleistungen streitig ist, können nur die Pflichten des Unternehmers (vgl. § 18 des Umsatzsteuergesetzes - UStG -) Relevanz für das Haftungsverfahren entfalten. Unternehmer war im Streitfall die GmbH. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG umfasst das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit der GmbH.

Als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO könnte daher nur eine Person in Betracht kommen, die rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen - hier der GmbH - zuzurechnen sind, verfügen konnte (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1989 VII R 165/85, BStBl II 1989, 491) und in dieser Eigenschaft im eigenen oder fremden Namen nach außen hin aufgetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 1990 VII R 20/89, BStBl II 1991, 284 m. w. N.).

Insoweit fehlt es bereits an einem schlüssigen Vortrag für eine Stellung des Bruders des Klägers als Verfügungsberechtigter. Der Beklagte hat insoweit überzeugend ausgeführt, dass das gelegentliche Auftreten des Bruders des Klägers für eine Zweigniederlassung der GmbH in C. keinesfalls die Stellung eines Verfügungsberechtigten für die GmbH als Unternehmerin und Steuerpflichtige begründen konnte. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat insoweit gemäß § 105 Abs. 5 FGO auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Beklagten im Haftungsbescheid unter Textziffer 2.1.

Die der Haftung zu Grunde liegenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, also die im Haftungsbescheid im Einzelnen aufgeführten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen, beruhen auf den Steuererklärungen der GmbH und den Feststellungen der Außenprüfung. Bei der Schlussbesprechung der Außenprüfung wurde Einigung in allen Punkten erzielt. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzungen wurden auch im Rahmen des Rechtsschutzverfahrens gegen den Haftungsbescheid nicht erhoben.

Der Kläger hat auch die ihm als gesetzlichem Vertreter obliegenden Pflichten verletzt. Der Beklagte hat bereits im ursprünglichen Haftungsbescheid vom 00.00.2003 die Inanspruchnahme des Klägers auf die Nichtabgabe bzw. die nicht rechtzeitige Abgabe von Steuererklärungen, wahrheitswidrige Angaben in Umsatzsteuervoranmeldungen und die Nichtzahlung fälliger Ansprüche gestützt. Dem entspricht die zutreffende und nicht zu beanstandende Begründung des hier angefochtenen Haftungsbescheides vom 00.00.2006.

Der gesetzlicher Vertreter einer GmbH hat nach § 18 UStG die Umsatzsteuervoranmeldungen bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums (Verlängerung um einen Monat gemäß § 46 UStDV) abzugeben. Jahressteuererklärungen sind gemäß § 18 Abs. 4 UStG i. V. m. § 149 Abs. 2 AO bis zum Ablauf des 31. Mai des Folgejahres abzugeben. Gegen diese Verpflichtungen hat der Kläger, wie der Beklagte zutreffend im Haftungsbescheid unter C. 1. und 2.2.1 im Einzelnen dargelegt hat, massiv verstoßen.

Der Kläger hat weiterhin gegen seine Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Deklaration (vgl. § 90 Abs. 1 AO) verstoßen. Auch dies hat der Beklagte sowohl im ursprünglichen Haftungsbescheid unter Textziffer 4.2 als auch im hier angefochtenen Haftungsbescheid unter Textziffer 2.2.2 im Einzelnen dargelegt. Die Tatsache, dass die zwischenzeitliche Außenprüfung zu der Feststellung geführt hat, dass die Erklärungen in wesentlich weiterem Maße unvollständig und nicht wahrheitsgemäß waren, ändert nichts an der weitgehenden Übereinstimmung der Begründung in beiden Haftungsbescheiden.

Letztlich hat der Beklagte zutreffend in beiden Haftungsbescheiden übereinstimmend darauf abgestellt, dass der Kläger die fälligen Ansprüche nicht getilgt hat.

Hinsichtlich der beiden ersten Pflichtenverstöße hat der Beklagte darauf abgestellt, dass die Nichtabgabe und die nicht rechtzeitige Abgabe der Steuererklärungen und die nicht wahrheitsgemäße Angabe der Besteuerungsgrundlagen in den Steueranmeldungen und -erklärungen im Zweifel vorsätzlich, zumindest aber grob fahrlässig erfolgte. Dies ist nicht zu beanstanden. Der Kläger als langjähriger Geschäftsführer diverser Gesellschaften hat nach Überzeugung des erkennenden Senats gewusst, zu welchen Zeitpunkten Steuererklärungen abzugeben sind. Anhaltspunkte dafür, dass er die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug oder die Verpflichtung zur Erfassung aller Umsätze bei der Umsatzsteuererklärung verkannt hätte, bestehen nicht. Zumindest grobe Fahrlässigkeit im Sinne einer in ungewöhnlichem Maße und nicht entschuldbaren Verletzung der dem Kläger nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbaren Sorgfalt hat der Beklagte daher zutreffend angenommen.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte auch die Kausalität der Pflichtverletzungen für den eingetretenen Steuerschaden dargelegt. Hinsichtlich der Pflichtenverstöße bezüglich der wahrheitsgemäßen und zeitgerechten Deklaration hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Pflichtenverstöße des Klägers zu einer nicht rechtzeitigen Festsetzung der jeweiligen Steuerverbindlichkeiten und damit zu einem Hinausschieben der Fälligkeit auf einen Zeitpunkt geführt haben, zu dem die GmbH nicht mehr zahlungsfähig war. Er hat folgerichtig im Anschluss geprüft, in welchem Umfang diese Steuerverbindlichkeiten unter Berücksichtigung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung bei fristgerechter und wahrheitsgemäßer Deklaration und entsprechender zeitgerechter Festsetzung vom Kläger hätten getilgt werden können und müssen. Der Beklagte hat insoweit in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. grundlegend BFH-Urteil vom 5. März 1991 VII R 93/88, BStBl II 1991, 678 m. w. N.; BFH-Urteil vom 30. August 2005 VII R 61/04, BFH/NV 2006, 232) unter Berücksichtigung des Schadensersatzcharakters der steuerlichen Haftung nach § 69 AO die Begrenzung der Haftung auf den durch die schuldhafte Pflichtverletzung adäquat kausal verursachten Schaden vorgenommen (vgl. auch die nachfolgenden Ausführungen zur anteiligen Tilgung). Soweit der Kläger rügt, dass eine Ursächlichkeit der verspäteten Abgabe der Erklärungen für den später eingetretenen Fiskalschaden nicht dargelegt worden sei, ignoriert er die kumulative Begründung des Haftungsbescheides.

Hinsichtlich der Nichttilgung fälliger Forderungen (bzw. der aufgrund der oben dargestellten weiteren Pflichtverletzungen verspätet festgesetzt und fällig gewordenen Forderungen) ist der Beklagte zutreffend von einer zumindest grob fahrlässigen Pflichtverletzung ausgegangen.

Gerät eine GmbH in Zahlungsschwierigkeiten, so gehört es zu den Pflichten der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Geschäftsführer, die Steuerschulden der GmbH in gleicher Weise zu tilgen wie die übrigen Schulden der Gesellschaft. Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel zumindest grob fahrlässig (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2005 I R 2/04, BFH/NV 2005, 2149 m. w. N.). Besondere Umstände, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen könnten, sind im Streitfall nicht ersichtlich.

Der Beklagte hat bei der Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung unter zutreffendem Rückgriff auf die verschiedenen, teilweise kumulativ verwirklichten, Haftungstatbestände abgestellt und den Haftungszeitraum mit dem gesetzlichen Fälligkeitstermin des ältesten Anspruchs, der Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 1999, beginnen und mit der Einstellung des Unternehmens am 00.00.0000 enden lassen.

Fehler des Beklagten bei der Berechnung der haftungsrelevanten Umsatzsteuern, der sonstigen Verbindlichkeiten des Haftungszeitraums und der verfügbaren Mittel können nicht festgestellt werden. Der Beklagte hat die Berechnung der Haftungssumme in der Anlage zum Haftungsbescheid nachvollziehbar dargestellt und unter Berücksichtigung der Nachfragen des Klägers im Schriftsatz vom 00.00.0000 in dem Schriftsatz vom 00.00.0000 durch eine ins Einzelne gehende Darstellung der in die Berechnung einbezogenen Steuern und sonstigen Verbindlichkeiten detailliert erläutert. Einwendungen gegen die Richtigkeit dieser Berechnung sind danach vom Kläger nicht (mehr) erhoben worden. Eine Überprüfung durch den Senat hat nicht zur Feststellung von Fehlern geführt.

Durch die Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung hat der Beklagte folglich den Haftungsbetrag auch auf den durch die Pflichtverletzungen des Klägers adäquat kausal herbeigeführten Steuerschaden begrenzt.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Beklagte die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner hinsichtlich des durch den erkennenden Senat voll überprüfbaren Haftungstatbestandes (vgl. zur unterschiedlichen Überprüfung des Haftungstatbestandes und der Ermessensentscheidung z. B. BFH-Urteil vom 13. Juni 1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4) zutreffend ermittelt, ausführlich und gut nachvollziehbar dargestellt und trotz der mangelhaften Mitwirkung des Klägers den Grundsatz der anteiligen Tilgung auf der Basis des insoweit nur im Interesse des Klägers durch den Beklagten aufgeklärten Lebenssachverhaltes zur Anwendung gebracht hat.

Zu 5.: Letztlich können auch keine Ermessensfehler des Beklagten hinsichtlich des Erlasses des Haftungsbescheides bzw. der Korrektur gem. § 130 Abs. 2 AO festgestellt werden.

An die Feststellung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind, schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des Finanzamtes an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Die Ausübung des Ermessens durch die Finanzbehörde kann dabei nur innerhalb der Grenzen des § 102 FGO überprüft werden. Der erkennende Senat kann daher lediglich prüfen, ob bei dem Erlass des Haftungsbescheides ein Ermessensfehler bei der Ausübung des dem Beklagten eingeräumten Ermessens unterlaufen ist. Dies ist im Fall der Überschreitung des der Verwaltungsbehörde eingeräumten Ermessens, in Fällen des Ermessensnichtgebrauchs oder des Ermessensfehlgebrauchs, insbesondere wenn der gesetzliche Zweck der Ermessensvorschrift nicht beachtet wird, oder im Fall einer Ermessensreduzierung auf Null möglich (vgl. BFH, Urteil vom 11. Juli 1996, V R 18/95, BStBl II 1997, 259).

Ein derartiger Ermessensfehler kann hier nicht festgestellt werden. Der Beklagte hat zunächst das Entschließungsermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Nach der vom erkennenden Senat geteilten Rechtsprechung des BFH braucht das Finanzamt im Regelfall, wenn außergewöhnliche Umstände nicht vorgetragen und nicht ersichtlich sind, seine Entscheidung, den Haftenden in Anspruch zu nehmen jedenfalls dann nicht besonders zu begründen, wenn eine anderweitige Realisierung des Steueranspruchs nicht möglich ist (vgl. BFH/NV 1998, 4).

Davon ausgehend genügt die vom Beklagten im Haftungsbescheid vorgenommene Begründung den gesetzlichen Anforderungen. Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass weder die Aufforderung an die Steuerschuldnerin zur Zahlung noch die Versuche in das Vermögen der GmbH zu vollstrecken, Erfolg gehabt hätten. Andere Möglichkeiten die Steuern bei der GmbH zu realisieren, seien nicht ersichtlich. Daher sei die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner ermessensgerecht.

Es liegt auch kein Mangel bei der Ausübung des Auswahlermessens vor. Der Beklagte hat unter umfassender Auswertung der verschiedenen vorgetragenen und ermittelten Indizien dargelegt, warum der Bruder des Klägers als Haftungsschuldner nicht in Betracht kommt. Wie bereits oben angesprochen, teilt der erkennende Senat die Auffassung des Beklagten. Mangels weiterer potenzieller Haftungsschuldner konnte und musste der Beklagte insoweit kein Ermessen ausüben. Unabhängig davon hat der Beklagte unter Textziffern 2.2.1 und 3.2 in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass er es auf jeden Fall für ermessensgerecht halte, den Kläger als im Handels- und Gesellschaftsregister eingetragenen alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer in Anspruch zu nehmen.

Auch insoweit enthält der Haftungsbescheid vom 00.00.2006 keine wesentlich anderen Ausführungen als der ursprünglich angefochtene Haftungsbescheid vom 00.00.2003. Die Ausführungen zum Entschließungsermessen entsprechen sich. Die Ausführungen zum Auswahlermessen entsprechen sich ebenfalls dem Grunde nach. In beiden Haftungsbescheiden ist der Beklagte unter Auswertung der zum jeweiligen Zeitpunkt bekannten Indizien davon ausgegangen, dass der Bruder des Klägers kein faktischer Geschäftsführer der GmbH gewesen sei und deshalb eine Inanspruchnahme nicht in Betracht komme. Dies ist - wie der Senat oben dargelegt hat - rechtlich zutreffend. Weiter gehende Ausführungen zum Auswahlermessen waren daher entbehrlich.

Der Beklagte hat auch sein Ermessen hinsichtlich der Korrektur des ursprünglichen Haftungsbescheides vom 00.00.2003 durch Erlass des Haftungsbescheides vom 00.00.2006 rechtmäßig ausgeübt.

Wie bereits dargestellt, handelt eine Finanzbehörde grundsätzlich ermessensgerecht, wenn sie, soweit außergewöhnliche Umstände nicht vorgetragen und nicht ersichtlich sind, den potenziell Haftenden in Anspruch nimmt. Das Entschließungsermessen ist dann nicht besonders zu begründen, wenn eine anderweitige Realisierung des Steueranspruchs nicht möglich ist. Nichts anderes gilt, wenn sich nach der rechtmäßigen Inanspruchnahme des Haftungsschuldners herausstellt, das wesentlich höhere Steuerschulden als vom Haftungsschuldner deklariert, bestehen. In einem derartigen Fall bedarf auch die weitergehende Inanspruchnahme keiner intensiveren Darstellung des Ermessens zur entsprechenden Anpassung des Haftungsbescheides. Denn die Ermessensausübung muss sich am Sinn und Zweck des § 130 AO orientieren, der eine Abwägung zwischen dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem des Vertrauensschutzes trifft. Ist der Fehler vom Steuerpflichtigen - hier vom Haftungsschuldner - schuldhaft herbeigeführt worden, reduziert sich der Ermessensspielraum daher i. d. R. auf die Rücknahme, wenn nicht besondere Umstände, wie z. B. ein nennenswertes Mitverschulden der Behörde, vorliegen (Ermessensreduzierung auf Null; vgl. z. B. BFH-Urteil vom 18. April 1991 IV R 197/89, BStBl II 1991, 675; BFH-Urteil vom 2. August 2006 XI R 57/04, BFH/NV 2007, 858). Im Übrigen bedarf es keiner ausdrücklichen Begründung des Haftungsbescheides, soweit die Ermessenserwägungen dem Betroffenen bereits bekannt sind (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 AO).

Danach genügen die Ausführungen des Beklagten den Anforderungen an die nachvollziehbare Ausübung des Ermessens im Rahmen des § 130 Abs. 2 AO. Der Beklagte hat nach Einreichung der Steuererklärungen durch die GmbH im Verlaufe des Klageverfahrens sofort erklärt, dass er die sich daraus ergebenden Veränderungen bei den festgesetzten Steuern durch entsprechend geänderte Haftungsbescheide auch im Rahmen der Inanspruchnahme des Klägers übernehmen wolle. Schon im Schriftsatz vom 00.00.0000 hat der Beklagte insoweit erklärt, dass er zu Gunsten des Klägers die geringeren Steuerbeträge bei der Körperschaftsteuer durch Aufhebung des dahingehenden Haftungsbescheides und die höheren Steuerbeträge bei der Umsatzsteuer durch entsprechende Erhöhung des Haftungsbescheides gemäß § 130 Abs. 2 AO umsetzen wolle. Damit war dem Kläger der Wille des Beklagten zur entsprechenden Anpassung des Haftungsbescheides auf die Beträge, die bei ursprünglicher korrekter Erfüllung der Steuererklärungs- und Zahlungspflichten bereits Gegenstand des erstmaligen Haftungsbescheides geworden wären, bekannt.

Im Übrigen ist unter Berücksichtigung der hier einschlägigen Korrekturtatbestände gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 3 und 4 AO von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen, da der Steuerpflichtige, der den ursprünglichen Verwaltungsakt durch in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt hat bzw. derjenige, dem die Rechtswidrigkeit des Ursprungsbescheides infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war, grundsätzlich nach Maßgabe der gesetzlichen Möglichkeiten in Haftung zu nehmen ist. Ein Verzicht auf die Korrektur eines den gesetzlichen Haftungstatbestand nur teilweise realisierenden Verwaltungsaktes wegen der Berücksichtigung des Vertrauensschutzes erscheint insoweit nur unter besonderen Konstellationen, die im Streitfall nicht ersichtlich sind, denkbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war im Streitfall nicht zuzulassen, weil die Entscheidung zum materiellen Haftungsrecht auf der Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze des BFH auf einen Einzelfall beruht. Die verfahrensrechtlichen Fragen könnten in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden, da auch bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Klägers die Klage abzuweisen gewesen wäre.

Ende der Entscheidung

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