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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 21.03.2007
Aktenzeichen: 13 K 4358/06
Rechtsgebiete: HGB, EStG, KStG, AO


Vorschriften:

HGB § 249 Abs. 1 S. 1
HGB § 257
EStG § 4 Abs. 2 S. 1
EStG § 5 Abs. 1 S. 1
KStG § 8 Abs.1
AO § 137
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

13 K 4358/06

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit einer Bilanzberichtigung aufgrund einer erst nach dem Aufstellungszeitpunkt eingetretenen Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Auf der Grundlage des von der Klägerin am 00.4.2002 aufgestellten Jahresabschlusses zum 31.12.2001 ergingen im Jahr 2002 erklärungsgemäße Festsetzungen der Körperschaftsteuer (... €) und des Gewerbesteuermessbetrags (... €) für das Streitjahr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen einer am 00.4.2005 begonnenen Betriebsprüfung für die Jahre 2000 - 2003 durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung D. (Bericht vom 00.2.2006) ermittelte die Prüferin für das Jahr 2001 eine Minderung des Steuerbilanzgewinnes um ... DM und eine Erhöhung des zu versteuernden Einkommens um ... DM. Die Veränderung des Steuerbilanzgewinnes beruhte auf der Minderung eines Aktivpostens (...maschine) um ... DM und einer Erhöhung der Steuerrückstellungen um ... DM. Die überschießende Einkommenserhöhung ergab sich durch eine Gewinnhinzurechnung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG i.H.v. ... DM anlässlich der Verschmelzung der Beteiligungsgesellschaft F. GmbH auf die Klägerin und eine Erhöhung der nicht abziehbaren Aufwendungen i.H.v. ... DM.

Mit Schreiben vom 00.3.2006 wies die Klägerin auf einen zusätzlichen Rückstellungsbedarf im Jahr 2001 für die Kosten zur Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen in Höhe von ... € hin, der nach dem Urteil des BFH vom 19.8.2002 VIII R 30/01 (BStBl II 2003, 131) zu ihren Gunsten berücksichtigt werden müsse. Wegen der Zusammensetzung und der Berechnung dieser Rückstellung wird auf die Anlage 8 zur Klageschrift Bezug genommen.

Bei der Auswertung der - im übrigen unstreitigen - Feststellungen der Betriebsprüfung mit den nach § 164 Abs. 2 AO ergangenen Änderungsbescheiden für das Jahr 2001 vom 00. und 00.5.2006 (Körperschaftsteuer: ... €; Gewerbesteuermessbetrag: ... €) berücksichtigte der Beklagte die begehrte Rückstellung nicht, da eine solche nach seiner Auffassung frühestens in der ersten nach dem Datum der Entscheidung, also dem 19.8.2002, aufzustellenden Bilanz passiviert werden könnte. Hierzu verwies er auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 10.5.2005 S - 2141 A - St 11. Danach sei ein Bilanzansatz nicht fehlerhaft, wenn zu einer bestimmten Rechtsfrage im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung zwar noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliege, der Bilanzansatz aber der bis dahin von der Finanzverwaltung vertretenen Rechtsauffassung entspreche. Führe eine erstmalige anderweitige BFH-Rechtsprechung zu einer Änderung der bisher von der Finanzverwaltung vertretenen Rechtsauffassung, so könne der Bilanzansatz erst mit deren Datum aus Sicht des Steuerpflichtigen subjektiv unrichtig werden.

Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Beklagte mit den Änderungsfestsetzungen auf.

Die hiergegen gerichteten Einsprüchen wies der Beklagte am 00.10.2006 zurück. Zur Begründung verwies er auf den Senatsbeschluss gleichen Rubrums vom 14.8.2006 - 13 V 2530/06 - , mit dem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen verneint worden waren.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin geltend, dass sich aus dem Urteil des BFH vom 19.8.2002 ein handelsrechtliches Passivierungsgebot für die Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ergebe, dem auch für Zwecke der Steuerbilanz zu folgen sei. Diese Passivierungspflicht bestehe unabhängig davon, dass die Entscheidung des BFH erst nach dem streitgegenständlichen Zeitraum 2001 ergangen sei. Es sei seit langem anerkannt, dass ein falscher Bilanzansatz durch einen richtigen Bilanzansatz in dem letzten berichtigungsfähigen Jahr zu ersetzen sei. Ebenfalls sei anerkannt, dass bei einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Bilanzansatz des ersten Jahres, dessen Veranlagung noch geändert werden könne, korrigiert werden müsse. Dies müsse erst recht gelten, wenn die Rechtsprechung erstmals neue Bilanzierungsgrundsätze aufstelle. Im Streitfall könnten die Veranlagungen für das Jahr 2001 unbeschränkt geändert werden, da der Vorbehalt der Nachprüfung erst mit den rechtsbehelfsbefangenen Bescheiden aufgehoben worden sei. Der Bilanzierungsfehler müsse daher im Jahr 2001 berichtigt werden.

Die Verfügung der OFD Düsseldorf vom 10.5.2005 stelle demgegenüber jegliche Grundsätze der Bilanzierung auf den Kopf, wenn sie für die Zulässigkeit einer Bilanzberichtigung auf den Zeitpunkt abstelle, zu welchem die Bilanz aus Sicht des Steuerpflichtigen subjektiv unrichtig sei. Vielmehr komme es allein auf die Möglichkeit der zutreffenden Erkenntnis der objektiven Fehlerhaftigkeit zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung an. Diese Erkenntnismöglichkeit sei aber bereits durch das Urteil des FG München vom 23.5.2001 (9 K 5141/98, EFG 2001, 1357) gegeben gewesen, wiewohl mit dieser später durch den BFH korrigierten Entscheidung die streitbefangene Verpflichtung zur Rückstellungsbildung noch abgelehnt worden sei. Mit dem Ergehen des BFH-Urteils sei die Fehlerhaftigkeit der Bilanz sodann objektiv offenbar geworden.

Die Klägerin beantragt,

die mit Bescheid vom 00.5.2006 festgesetzte Körperschaftsteuer unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 00.10.2006 unter Berücksichtigung einer Rückstellung i.H.v. ... € herabzusetzen,

den mit Bescheid vom 00.5.2006 festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag 2001 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 00.10.2006 unter Berücksichtigung einer Rückstellung i.H.v. ... € herabzusetzen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die von der Klägerin bezifferte Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen kann bei der Bemessung des der Festsetzung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrags 2001 zugrunde zu legenden Steuerbilanzgewinns nicht gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. §§ 8 Abs.1 KStG, 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gewinnmindernd berücksichtigt werden, da die in § 4 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG normierten Voraussetzungen für eine entsprechende Berichtigung oder Änderung der am 00.4.2002 aufgestellten Bilanz nicht vorliegen.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darf eine Bilanz nur dann geändert werden, wenn sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der einkommensteuerlichen Vorschriften nicht entspricht. Die hierdurch eröffnete Möglichkeit der Bilanzkorrektur setzt voraus, dass die ursprüngliche Bilanz in dem zu korrigierenden Punkt unrichtig ist. Daran fehlt es im Streitfall.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, ist ein Bilanzansatz im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG richtig, wenn er denjenigen Kenntnisstand widerspiegelt, den der Kaufmann im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung haben konnte. Maßstab ist dabei die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns. Mehr kann von dem Bilanzaufsteller nach Handelsrecht und Steuerrecht nicht verlangt werden (Urteile des BFH vom 5.4.2006 I R 46/04, BFHE 213, 326, BStBl II 2006, 688; vom 5.9.2001 I R 107/00, BFHE 196, 515, BStBl II 2002, 134; vom 14.8.1975 IV R 30/71, BFHE 117, 44, BStBl II 1976, 88; sog. subjektiver Fehlerbegriff). Das gilt auch dann, wenn in der Folgezeit Erkenntnisse gewonnen werden konnten, welche die Bilanzierung nunmehr in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht als objektiv fehlerhaft erscheinen lassen. Daraus folgt zum einen, dass eine Rechtsprechungsänderung nicht zur Unrichtigkeit eines Bilanzansatzes führt, der der zur Zeit der Bilanzaufstellung vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht (Urteil des BFH vom 12.11.1992 IV R 59/91, BFHE 170, 217, BStBl II 1993, 392). Zum anderen muss, wenn in jenem Zeitpunkt noch keine Rechtsprechung zu der in Rede stehenden Bilanzierungsfrage ergangen ist, jede der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Bilanzierung als richtig angesehen werden (Urteil des BFH vom 5.4.2006, a. a. O.). Eine Rückwärtsberichtigung bis in den ersten verfahrensrechtlich noch änderbaren Veranlagungszeitraum kann daher im Fall der erstmaligen Entscheidung des BFH zu einer bislang ungeklärten Rechtsfrage nicht erfolgen (so auch: Hoffmann in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 4 EStG, Tz. 536). Die Maßgeblichkeit des subjektiven Fehlerbegriffs für die Zulässigkeit einer Bilanzberichtigung entspricht auch der überwiegenden Auffassung der Kommentarliteratur (Heinicke in Schmidt, EStG, 24. Aufl., § 4, Tz. 681; Crezelius in: Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 6. Aufl., § 4, Tz. 236; Wied in: Blümich, Kommentar zum EStG, KStG, GewStG und Nebengesetzen, § 4 EStG, Tz. 983; Hoffmann, a. a. O., Tz. 531 ff.).

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG Düsseldorf (Urteil vom 1.6.2006 15 K 143/04, EFG 2006, 1394), dass der von der Rechtsprechung des BFH entwickelte subjektive Fehlerbegriff nur in den Fällen von Bedeutung sei, in denen sich ein Bilanzierungsfehler ausschließlich auf Bilanzen beschränkt, die vor Bekanntwerden der Rechtsprechungsänderung erstellt worden sind (sog. " isolierte Bilanzberichtigung "), während diese vorher aufgestellten Bilanzen bei einer weiter in die Zukunft wirkenden Auswirkung nach den Grundsätzen des formellen Bilanzzusammenhangs auch unter Zugrundelegung des subjektiven Fehlerbegriffs unrichtig würden.

Aufgrund der Zeitgebundenheit subjektiver Einschätzungen ist bereits nicht nachvollziehbar, wie eine Bilanz nachträglich subjektiv unrichtig werden könnte. Die Bejahung der Berichtigungsfähigkeit einer im Zeitpunkt ihrer Aufstellung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns entsprechenden Bilanz mit Rücksicht auf den Bilanzenzusammenhang wäre daher nur auf der Grundlage des objektiven Fehlerbegriffs denkbar (so zutreffend auch: Herzig/Nitzschke, DB 2007, 304, 306). Eine so verstandene Einschränkung des subjektiven Fehlerbegriffs kann deshalb der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entnommen werden. Vielmehr hat sich jedenfalls seit dem Urteil vom 15.8.1975 in BFHE 117, 44 eine ständige Rechtsprechung zum subjektiven Fehlerbegriff herausgebildet, die den zuletzt im Urteil vom 5.4.2006, BFHE 213, 326, rekapitulierten Grundsätzen entspricht. Eine Abweichung von dieser Rechtsprechungslinie folgt auch nicht aus den im Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf zur Bekräftigung seiner Auffassung zitierten Entscheidungen des BFH vom 25.4.1990 I R 78/85, BFH/NV 1990, 630, und vom 21.9.1995 IV R 50/93, BFH/NV 1996, 460, die in den vorstehend bezeichneten Zeitraum der Rechtsprechungsentwicklung fallen. Diese betreffen nach dem mitgeteilten Sachverhalt die Berichtigungsfähigkeit einer von der Außenprüfung in den Vorjahren nicht beanstandeten Pensionsrückstellung aus Gründen der Üblichkeit und Angemessenheit bzw. die Berücksichtigung einer bereits vor Bilanzaufstellung geänderten Rechtsprechung. Eine Verdrängung des subjektiven Fehlerbegriffs durch den Bilanzenzusammenhang ergibt sich daraus nicht.

Nach dem Verständnis des Senats kann auch der Streit um die subjektive oder objektive Ausrichtung des Fehlerbegriffs kein unterschiedliches Ergebnis in Bezug auf die Möglichkeit der Bilanzberichtigung rechtfertigen, wenn mangels höchstrichterlicher Klärung im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung ein Beurteilungsspielraum des Steuerpflichtigen gegeben war.

Von den Vertretern des objektiven Fehlerbegriffs, die zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung auf den Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG und die in der Ermittlung des wirklichen Gewinns bestehende Funktion der Steuerbilanz verweisen, wird teilweise gleichwohl im Falle der Rechtsprechungsänderung eine Bilanzberichtigung mit dem Hinweis verneint, dass es sich um einen nachträglich entstandenen Fehler handele (Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 4, Tz. C 106 ff., C 113, s. dort FN 218).

Aber auch die weitergehende Auffassung von Stapperfend (in: Herrmann/Heuer/ Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 4 EStG, Tz. 411; gleicher Ansicht wohl auch Meurer in: Lademann/Söffing, Kommentar zum EStG, § 4, Tz. 815) konzediert dem Kaufmann einen Beurteilungsspielraum, der die Feststellung der objektiven Fehlerhaftigkeit der Bilanz ausschließen soll (vgl. dazu auch: Weber-Grellet, a. a. O., Tz. C 112). Gerade in dem hier zu beurteilenden Fall der erstmaligen nachträglichen Klarstellung der Rechtsprechung erschiene es indessen nicht überzeugend, hinsichtlich der Anerkennung dieses Beurteilungsspielraums zwischen einer Bilanzierung auf der Basis einer noch nicht hinreichend geklärten Rechtslage einerseits und Bilanzansätzen, die auf unbestimmten Rechtsbegriffen, hypothetischen Kausalverläufen oder prognostischen Elementen beruhen, andererseits zu unterscheiden. Im letzteren Fall soll es nach der Auffassung von Stapperfend - ohne Rückgriff auf den subjektiven Fehlerbegriff - darauf ankommen, ob auch ein vergleichbarer ordentlicher Kaufmann den Bilanzansatz gewählt hätte. Dies entspricht aber letztlich der Anknüpfung des subjektiven Fehlerbegriffs an den objektiven Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns.

Schließlich vermag sich der Senat auch den abweichenden Auffassungen von Strahl und Herzig/Nitzschke nicht anzuschließen.

Auch auf der Grundlage des subjektiven Fehlerbegriffs will Strahl (in: Korn, Kommentar zum EStG, § 4, Tz. 421.2) die Richtigkeit der Bilanz vor der erstmaligen Klärung einer Bilanzierungsfrage durch die Rechtsprechung davon abhängig machen, dass ursprünglich überhaupt ein Anlass zur Bildung eines Bilanzpostens, etwa einer Rückstellung, bestand und nicht lediglich ein fehlender Bilanzansatz gegeben war. Indessen sind der Ausweis eines Bilanzpostens und das Unterlassen eines solchen Ausweises im Hinblick auf den zutreffenden Gewinnausweis gleichwertig, so dass diese Unterscheidung nach Auffassung des erkennenden Senats nicht zu tragen vermag.

Nach Auffassung von Herzig/Nitzschke (a. a. O., S. 306) soll danach zu differenzieren sein, ob sich vor erstmaliger höchstrichterlicher Klärung eine gefestigte Übung herausgebildet hat, die von der allgemeinen herrschenden Auffassung getragen wird, oder ob zu einem Bilanzierungsproblem unterschiedliche Auffassungen von gewissem Gewicht existieren. Richtigerweise bringt der Kaufmann aber bei jeder dieser alternativen Fallgestaltungen mit seiner im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung für eine der konkurrierenden Rechtsauffassungen getroffenen Entscheidung zum Ausdruck, dass er bei der stets eine Abwägung voraussetzenden Rechtsanwendung den von ihm gewählten Bilanzansatz als zutreffend eingeschätzt hat. Wie bei anderen Bilanzansätzen, die nicht auf feststehenden Fakten, sondern auf kaufmännischem Ermessen beruhen, muss auch hier jede vertretbare Entscheidung respektiert werden. Das Festhalten an den im Rahmen des Beurteilungsspielraums gewählten Bilanzansätzen hat gegenüber der Auffassung von Herzig zugleich den Vorteil einer nicht von der Analyse des Meinungsstands bei Bilanzaufstellung abhängigen praktischen Handhabbarkeit.

Die nach alledem eine Bilanzberichtigung ausschließende Fallgestaltung der von einer nachträglichen Klarstellung der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden, indessen im Aufstellungszeitpunkt der kaufmännischen Sorgfalt entsprechenden, Bilanzierung ist auch im Streitfall zu beurteilen.

Zum Zeitpunkt der Aufstellung der streitgegenständlichen Bilanz am 00.4.2002 lag die Verneinung einer Verpflichtung zur Rückstellungsbildung gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hinsichtlich der Passivierung der künftigen Kosten der der Klägerin nach §§ 257 HGB, 137 AO aufgegebenen Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen im Rahmen des Beurteilungsspielraums eines sorgfältig abwägenden Kaufmanns. Vor der erstmaligen höchstrichterlichen Klärung dieser Rechtsfrage durch das Urteil des BFH vom 19.8.2002 VIII R 30/01 (BStBl II 2003, 131) hatte das Finanzgericht München als Vorinstanz in seinem Urteil vom 23.5.2001 9 K 5141/98 (EFG 2001, 1357) eine handelsrechtliche Passivierungspflicht noch mangels hinreichender Konkretisierung der aus § 257 HGB, 147 AO folgenden Aufbewahrungsverpflichtung abgelehnt. Dementsprechend findet sich etwa in der jährlich erscheinenden Kommentierung zur bilanziellen Gewinnermittlung von Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, § 5, Tz. 363 ein Hinweis auf eine mögliche Rückstellungsverpflichtung für Aufbewahrungspflichten erstmals in der 22. Auflage 2003 unter Hinweis auf das zuvor ergangene BFH-Urteil VIII R 30/01, während in der Vorauflage des Jahres 2002 derartige Aufbewahrungspflichten an gleicher Stelle überhaupt nicht angesprochen werden. Vor diesem Hintergrund widersprach es jedenfalls zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des 00.4.2002 nicht der gebotenen kaufmännischen Vorsicht, von der Bildung einer Rückstellung für die künftigen Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen abzusehen. Soweit auch die Klägerin in Kenntnis der seinerzeitigen Entwicklung der Rechtsprechung von der Passivierung einer Rückstellung für die streitbefangenen Aufbewahrungskosten abgesehen hat, war ihre Bilanz demnach in diesem Punkt subjektiv richtig, was deren Berichtigung aufgrund nachträglicher besserer Rechtserkenntnis ausschließt.

Eine nachträgliche Berücksichtigung der begehrten Rückstellung könnte daher allein unter den Voraussetzungen einer zulässigen Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 geboten sein (vgl. dazu: Urteil des BFH vom 5.4.2006, a. a. O.; Herzig/Nitzschke, a. a. O., S. 308; a. A. BFH- Urteil vom 15.8.1975, BFHE 117, 44 a. E.). Danach ist außerhalb des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG eine Bilanzänderung nur dann zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung steht und soweit deren Auswirkung auf den Gewinn reicht. An einer derartigen Bilanzberichtigung mit der Klägerin nachteiliger Gewinnauswirkung fehlt es indessen im Streitfall, da die Erhöhung des Einkommens bzw. des Gewinns aus Gewerbebetrieb in den Änderungsbescheiden vom 00. und 00.5.2006 ausschließlich auf dem außerbilanziell hinzuzurechnenden Beteiligungskorrekturbetrag i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ( vgl. dazu Dötsch in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, Bd. 4, § 12 UmwStG n.F., Tz. 30) und einem geringfügigen einkommenswirksamen Mehrbetrag nicht abziehbarer Aufwendungen beruht.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage der Geltung und Reichweite des subjektiven Fehlerbegriffs bei der Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



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