Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 15.01.2009
Aktenzeichen: 13 K 4781/04
Rechtsgebiete: EStG, KStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
EStG § 6 Abs. 1
KStG § 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 werden der Körperschaftsteuerbescheid 1999 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes jeweils zum 31. Dezember 1999 in der Weise geändert, dass der sich für die Gesellschafterdarlehen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergebende Abzinsungsbetrag - vor Anwendung des § 52 Abs. 16 Satz 7 EStG - um 511.768 DM erhöht und der sich für die ... ergebende Abzinsungsbetrag - ebenfalls vor Anwendung des § 52 Abs. 16 Satz 7 EStG - um 1.197.358 DM gemindert wird und eine Hinzurechnung der Erbbauzinsen zum Gewerbeertrag unterbleibt.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung und die Änderung der Feststellungen nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich formlos mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben ( § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 75 v.H. und der Beklagte zu 25 v.H.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung durch die Klägerin in Höhe ihres Kostenerstattungsanspruchs vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob unverzinsliche Gesellschafterdarlehen und Rückstellungen ... nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes -- EStG -- abzuzinsen sind.

Gesellschafter der Klägerin waren im Streitjahr A, B, als Rechtsnachfolgerin des O., C und D. sowie E und F. A, O. und C hatten der Klägerin in den ...-er Jahren Darlehen in einem Umfang von ca. ... DM gewährt. Die Gelder waren Teil umfangreicher Mittelzuwendungen der drei Hauptgesellschafter zur Finanzierung des ... in einem Gesamtvolumen ca. ... DM. Die Kredite sollten bis zum Eintritt in die Gewinnzone zinslos sein. Im ... 1988 wurden die Verträge in der Weise umgestaltet, dass ca. 50% der Summe in verzinsliche Darlehen umgewandelt und die verbleibenden ... DM zins- und tilgungsfrei gewährt wurden. Der Geschäftsbericht für das Wirtschaftsjahr 2005 weist die vorgenannten Darlehensverpflichtungen als Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als 5 Jahren aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopien der Vertragsurkunden (Blatt 76 bis 79 der Prozessakte) und Seite 54 des Geschäftsberichts 2005 verwiesen.

Die Abzinsung dieser Darlehen bildet den ersten Streitkomplex des vorliegenden Rechtsstreits.

Den zweiten Streitkomplex bildet die Abzinsung von Rückstellungen ... .

...

Aus ihren Erfahrungen der Vergangenheit bildete die Klägerin in den Bilanzen der Wirtschaftsjahre 1997 bis 1999 für die Kosten der erwarteten Inanspruchnahme Rückstellungen in Höhe von ... DM (1997), ... DM (1998) und ... DM (Streitjahr 1999).

Mit Bescheiden vom 00.00. und 00.00.0000 veranlagte der Beklagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß zur Körperschaft- und Gewerbesteuer. Diese Bescheide wurden am 00. und 00.00.0000 aus im Klageverfahren nicht in Streit stehenden Gründen geändert. Die Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbetrag betrugen jeweils 0,00 DM, das nach § 47 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes -- KStG -- festzustellende Einkommen -... DM. Der auf den 31. Dezember 1999 festzustellende verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer war mit ... DM und der zu diesem Stichtag festzustellende vortragsfähige Gewerbeverlust i.H.v. ... DM festgesetzt.

In der Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 fand bei der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung durch das (ehemalige) Finanzamt für Großbetriebsprüfung A. statt. Prüfungszeitraum waren die Wirtschaftsjahre 1996 bis 1999.

Der Betriebsprüfer vertrat die Auffassung, die in der Bilanz zum 31. Dezember 1999 ausgewiesenen Gesellschafterdarlehen seien nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen. Da die Laufzeit von unbestimmter Dauer sei, habe dies in Anlehnung an § 13 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes -- BewG -- mit dem Faktor 9,3 zu erfolgen. Hieraus errechne sich ein Barwert der Verbindlichkeiten in Höhe von ... DM*0,512 = ... DM. Die Differenz in Höhe von ... DM sei ertragswirksam aufzulösen. Der hierdurch entstehende Ertrag könne nicht als verdeckte Einlage analog § 4 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG vom Gewinn abgezogen werden. Denn eine verdeckte Einlage erfordere ein einlagefähiges Wirtschaftsgut. Vorteile aus einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung seien weder selbstständige Vermögensgegenstände noch einlagefähige Wirtschaftsgüter.

Da die Klägerin, die einer Abzinsung dem Grunde nach widerspreche, zur Abmilderung des Abzinsungsgewinns den Ansatz einer 9/10 Rücklage gemäß § 52 Abs. 16 S. 7 EStG beantrage, seien Gewinn und Gewerbeantrag des Streitjahres 1999 um ... DM zu erhöhen.

Hinsichtlich der Rückstellungen für ... legte die Klägerin im Verlauf der Betriebsprüfung eine Aufstellung über die durchschnittlichen Kosten der einzelnen ...maßnahmen und die bis zum 31. Dezember 1999 erfolgte Abwicklung vor. Hierin machte sie folgende Angaben:

...

Wegen der Einzelheiten wird auf die Kostenaufstellung vom 00.00.0000 in der BP-Handakte III - Rückstellung ... -- verwiesen.

Ausgehend von diesen Daten errechnete ein zur Betriebsprüfung hinzugezogener Fachprüfer des Bundesamtes für Finanzen im Einvernehmen mit der Klägerin zum 31. Dezember 1999 eine gegenüber dem Ansatz der Klägerin um ... DM geminderte ...rückstellung in Höhe von ... DM.

Auch hinsichtlich dieser Position vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass eine Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu erfolgen habe. Ausgehend von den Berechnungen der Klägerin betrage die Laufzeit 2,5 Jahre und die jährliche Inanspruchnahme ... DM. Der Barwert der Rückstellung betrage daher ... DM*0,879 = ... DM. Dies führe zu einer ertragswirksam aufzulösenden Differenz i.H.v. ... DM, von denen sich nach § 52 Abs. 16 S. 7 EStG im Streitjahr 1999 DM ein Betrag i.H.v. ... DM auswirke. Wegen der Einzelheiten wird auf den BP-Bericht vom 00.00.0000 in der BP-Handakte IV verwiesen.

Den Ausführungen des Betriebsprüfers folgend erließ der Beklagte am 00. und 00.00.0000 geänderte Körperschaftsteuer-, Feststellungs- und Gewerbesteuermessbescheide für das Streitjahr 1999. Die Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbetrag betrugen weiterhin 0,00 DM. Mit den geänderten Steuerbescheiden gab der Beklagte gleichzeitig einem im Verlauf der Betriebsprüfung gestellten Antrag der Klägerin, im Wege der Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG zusätzliche Rückstellungen für Erbbauzinsverpflichtungen erfolgswirksam zu erfassen, statt. Dies führte im Streitjahr 1999 zu einer Hinzurechnung von Erbbauzinsen zum Gewerbeertrag in Höhe von ... DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Textziffern 17 und 34 des BP-Berichts vom 00.00.0000 (BP-Handakte IV) und die angefochtenen Verwaltungsakte verwiesen (Bl. 27 ff. der Prozessakte).

Gegen die Änderungsbescheide hat die Klägerin nach Durchführung eines erfolglosen Einspruchsverfahrens am 00.00.0000 Klage erhoben (Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000).

Sie vertritt die Auffassung, die Abzinsungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG lägen nicht vor, da die Laufzeit der Gesellschafterdarlehen nicht mehr als 12 Monate betrage. Da weder eine konkrete Dauer vereinbart noch das gesetzliche Kündigungsrecht abbedungen worden sei, gelte die gesetzliche Kündigungsfrist des § 488 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch -- BGB -- von 3 Monaten. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG stelle nur auf die rechtlich abgesicherte und nicht auf eine wirtschaftliche Laufzeit ab. Eine wirtschaftliche Laufzeitschätzung führe zum Ausweis nicht realisierter Gewinne und widerspreche sowohl dem Vorsichts- als auch dem Realisationsprinzip. Denn tatsächlich gezahlte Zinsen würden der Periode als Aufwand zugeordnet, für welche sie bezahlt worden seien. Für den Vorteil aus einem Zinsverzicht gelte nichts anderes. Eine Vorwegnahme der Kostenvorteile künftiger Perioden widerspreche auch dem Verhältnismäßigkeitsgebot. Vor diesem Hintergrund sei die Abzinsungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG verfassungswidrig.

...

Im Übrigen handele es sich bei dem Zinsvorteil um eine verdeckte Einlage, die dem Gewinn ergebnisneutralisierend außerbilanziell hinzuzurechnen sei. Zwar habe der Große Senat - GrS - des Bundesfinanzhofs -- BFH - den aus einer unentgeltlichen Kapitalnutzung resultierende Vorteil bislang nicht als einlagefähiges Wirtschaftsgut angesehen. Diese Rechtsprechung sei jedoch vor Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG und damit vor der steuerlichen Erfassung des Nutzungsvorteils ergangen. Bei der Bilanzierung nach altem Recht habe der Nutzungsvorteil nicht zu einer steuerlichen Vermögensmehrung geführt. Damit habe nach Ansicht des GrS kein "Bedarf" für eine Gewinneliminierung bestanden. Auch sei die Entscheidung des GrS von dem Gedanken geprägt, dass der Vorteil aus einer unentgeltlichen Kapitalüberlassung schwierig zu bewerten sei. Der fiktive Ertrag nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sei vom Beklagten hingegen konkret bewertet worden. Die Ausführungen des GrS stünden der Qualifizierung dieses Vorteils als Einlage daher nicht entgegen. Werde die Vermögensmehrung nicht durch den Ansatz einer Einlage neutralisiert, werde vom Gesellschafter eingebrachtes Vermögen der Besteuerung unterworfen. Das widerspreche § 4 Abs. 1 S. 5 EStG, der insoweit § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG vorgehe.

Rückstellungen

...

Nachdem der BFH seine Rechtsprechung über die Hinzurechnung von Erbbauzinsen nach § 8 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes -- GewStG -- zum Gewerbeertrag mit Urteil vom 7. März 2007 I R 60/06, BFH/NV 2007, 1424, geändert hat, hat die Klägerin ihre Klage um den Ansatz der Erbbauzinsen beim Gewerbeertrag 1999 erweitert.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 den Körperschaftsteuerbescheid 1999 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes jeweils zum 31. Dezember 1999 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Abzinsung der Gesellschafterdarlehen und der Rückstellungen ... rückgängig gemacht wird und eine Hinzurechnung der Erbbauzinsen zum Gewerbeertrag unterbleibt.

Der Beklagte beantragt,

den Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31. Dezember 1999 mit der Maßgabe zu ändern, dass eine Hinzurechnung der Erbbauzinsen zum Gewerbeertrag unterbleibt und die weitergehende Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Wie bereits im Einspruchsverfahren vertritt er die Auffassung, dass die Gesellschafterdarlehen ohne Gegenleistung und mit einer über 12 Monate hinausgehenden Laufzeit gewährt worden sind. Der in der Literatur teilweise geäußerten Auffassung, Darlehen, die nach § 488 BGB jederzeit kündbar seien, hätten eine unterjährige Laufzeit, könne nicht gefolgt werden. Denn der Wortlaut der Ausnahmeregel in § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG stelle eindeutig auf eine "Laufzeit am Bilanzstichtag" von weniger als 12 Monaten ab, wodurch nicht allein die Restlaufzeit des Darlehens erfasst werde. Es sei vielmehr die gesamte Laufzeit zu betrachten. Hätte der Gesetzgeber lediglich auf die "Restlaufzeit" eines Darlehens zum jeweiligen Bilanzstichtag abstellen wollen, hätte er eine von der jetzigen Ausgestaltung der Vorschrift abweichende Formulierung gewählt. Übersteige die gesamte Laufzeit einen Zeitraum von 12 Monaten sei keine Ausnahme von der Abzinsung zu machen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei zu berücksichtigen, dass die Gelder der Klägerin seit den ..-er Jahren unverändert unverzinslich zur Verfügung stünden. Bei rückschauender Betrachtung könne auch von einer zukünftigen Laufzeit von mehr als 12 Monaten ausgegangen werden.

Soweit die Klägerin vortrage, die Darlehen seien zur Erfüllung einer öffentlich rechtlichen Daseinsvorsorgeverpflichtung gewährt worden, lasse sich ein solcher Finanzierungszusammenhang aus den im ... 1988 geschlossenen neuen Darlehensverträgen nicht ersehen.

Die Ansicht, § 4 Abs. 1 S. 5 EStG habe Vorrang vor § 6 EStG werde ebenso wenig geteilt wie die Auffassung der Klägerin, der aus der Unverzinslichkeit erwachsende Nutzungsvorteil sei ein einlagefähiges Wirtschaftsgut.

Rückstellungen

...

Hinsichtlich der Erbbauzinsen teilt der Beklagte die Auffassung der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet, soweit der Beklagte im Rahmen der dem Grunde nach rechtmäßig vorgenommenen Abzinsungen die einzelnen Abzinsungsbeträge für die Gesellschafterdarlehen und die ... fehlerhaft berechnet und bei der Gewerbesteuer die Erbbauzinsen dem Gewerbeertrag zugerechnet hat. Insoweit ist die Klägerin in ihren Rechten verletzt ( § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Im Wesentlichen ist die Klage aber unbegründet, insbesondere hat der Beklagte die Gesellschafterdarlehen und die Rückstellungen ... dem Grunde nach zu Recht nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 3a Buchst. e) EStG abgezinst.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen ( § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG). Rückstellungen für Verbindlichkeiten sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) ebenfalls mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen; § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG ist entsprechend anzuwenden.

Die Voraussetzungen dieser Abzinsungsvorschriften sind im Streitfall erfüllt.

1. Gesellschafterdarlehen

Bei den von den Hauptgesellschaftern gewährten Darlehen handelt es sich um Verbindlichkeiten im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Der Senat schließt sich der in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung an, dass diese Vorschrift auch auf Gesellschafterdarlehen Anwendung findet (vgl. insoweit FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2007 6 K 446/06, nicht veröffentlicht, [...]Dok.; FG Berlin-Brandenburg , Beschluss vom 8. September 2008 12 V 12115/07, EFG 2008, 1947, mit Anm. Bozza-Bodden, EFG 2008,1948; FG Köln, Urteil vom 12. Februar 2009 13 K 1570/06, noch nicht veröffentlicht; a. A. z.B. Stümper/Entenmann, "Ist das Abzinsungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf unverzinsliche Darlehen des GmbH-Gesellschafters an "seine" GmbH anwendbar?" GmbH-Rundschau -- GmbHR -- 2008, 312 ; offen gelassen in BFH-Urteil vom 10. November 2005 IV R 13/04, BStBl II 2006, 618).

Für diese Auffassung spricht der Umstand, dass sich weder in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG noch in den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 15/23, S. 170-172 und 14/443, S. 23) Hinweise dafür finden lassen, dass Gesellschafterdarlehen -- die handels- und steuerrechtlich Fremdkapital darstellen - unter Bewertungsgesichtspunkten anders zu behandeln sind als sonstige Verbindlichkeiten.

Entgegen der von Stümper und Entenmann geäußerten Rechtsauffassung führt diese Auslegung nicht zu sinnwidrigen, mit grundlegenden Prinzipien des deutschen Steuerrechts nicht in Einklang zu bringenden Ergebnissen. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift ist daher nicht geboten. Stümper und Entenmann sehen in der Einbeziehung der Gesellschafterdarlehen in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG einen Verstoß gegen das Realisationsprinzip, das Prinzip der Periodenabgrenzung und den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit - so zumindest die Klägerin - einen Verstoß gegen höherrangiges Verfassungsrecht. Denn hierdurch würden tatsächlich noch nicht realisierte Zinsvorteile bereits bei Aufnahme des Darlehens in steuerpflichtigen Ertrag umgewandelt werden. Diese Auffassung wird vom Senat nicht geteilt. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG trägt dem Umstand Rechnung, dass der tatsächliche Belastungswert einer längerfristig unverzinslich gewährten Verbindlichkeit deutlich unter ihrem Nominalwert liegt. Durch den Ansatz des Nominalwertes würde der Kaufmann daher ein zu niedriges Betriebsvermögen ausweisen. Über den Betriebsvermögensvergleich, der nach § 4 Abs. 1 EStG Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung ist, wird das steuerpflichtige Einkommen durch das zu niedrig angesetzte Betriebsvermögen geschmälert. Im Ergebnis wirkt sich der bewertungsrechtliche Belastungsüberhang daher wie Aufwand auf das Einkommen aus. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG korrigiert diesen Belastungsüberhang, indem er die Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung eines typisierten Zinssatzes von 5,5% für steuerliche Zwecke mit einem Wert ansetzt, der dem wahren Belastungswert zumindest näher kommt als der Nominalwert. Durch die anschließend ratierliche Aufzinsung der Schulden wird der Wertansatz - ebenfalls typisierend -- bis zum Rückzahlungszeitpunkt wieder an den Nominalwert angepasst. Durch die Abzinsung wird daher kein zukünftiger Ertrag vorweggenommen, sondern eine tatsächlich nicht vorhandene Betriebsvermögensminderung ausgeglichen. Ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip kann hierin nicht gesehen werden. Ein solcher Verstoß liegt auch nicht deshalb vor, weil § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG - so die Auffassung der Klägerin - dazu führen würde, dass sich das Einkommen der Kapitalgesellschaft aufgrund einer "Einlage" des Gesellschafters erhöht. Mit der Hingabe eines Darlehens entscheidet sich der Anteilseigner bewusst für die Gewährung von Fremdkapital und gegen die Erhöhung seiner Gesellschaftsseinlagen. Diesen Weg wird er wählen, weil er in dem Ansatz von Fremdkapital gesellschaftliche, steuerliche, handelsrechtliche oder sonstige Vorteile sieht. Der Grundsatz der Besteuerung nach der steuerlichen Leistungsfähigkeit zwingt weder den Gesetzgeber noch die Justiz dazu, diese Entscheidung punktuell außer Acht zu lassen und das Fremdkapital für Zwecke der Bewertung des Betriebsvermögens wie Eigenkapital zu behandeln.

Der Senat vermag auch nicht der von Stümper und Entenmann (a.a.O.) geäußerten Rechtsauffassung zu folgen, das Abzinsungsgebot entspreche bei Gesellschafterdarlehen nicht dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber bei der Einführung der Norm vor Augen gehabt habe. Die gegenteilige Auffassung stützt sich auf den ursprünglichen Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, der ein Abzinsungsgebot lediglich für Rückstellungen für Geldleistungsverpflichtungen vorsah. Ziel des Gesetzgebers - so Stümper/Entenmann - sei es gewesen, über die Berücksichtigung eines Zeitfaktors eine Aufwandsbeschränkung bei der Bildung von Rückstellungen zu erreichen. Es kann dahinstehen, ob dieses Ziel nicht auch bei den vorliegend in Streit stehenden Gesellschafterdarlehen erfüllt wird, weil der Ausweis eines Belastungsüberhangs das steuerliche Einkommen wie Aufwand mindert (s.o. 1.). Denn selbst wenn man das verneinen wollte, stünde § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG nur dem früheren Gesetzesentwurf entgegen. Die tatsächlich in Kraft getretene Fassung der Norm weicht hiervon ab und erfasst neben Rückstellungen auch Verbindlichkeiten. Der gesetzgeberische Wille hat sich gegenüber dem ursprünglichen Entwurf daher weiterentwickelt.

Auch der Umstand, dass der Gesellschafter über die unverzinsliche Kapitalgewährung ein erhöhtes Ausschüttungspotenzial schafft und eine Steigerung seines Anteilwertes herbeiführt (vgl. auch hierzu Stümper/Entenmann, a.a.O.), rechtfertigt nicht die Annahme, Gesellschafterdarlehen seien entgegen dem Wortlaut der Vorschrift vom Abzinsungsgebot auszunehmen. Diese mit der Unverzinslichkeit einhergehenden Vorteile könnten ausreichende rechtspolitische Gründe sein, "Gesellschafterfremdkapital" anders zu behandeln als sonstiges Fremdkapital. Solche rechtspolitischen Differenzierungen hat hingegen der Gesetzgeber und nicht die Justiz zu treffen (vgl. hierzu insbesondere FG Berlin-Brandenburg , Beschluss vom 8. September 2008 12 V 12115/07, a.a.O.)

Letztlich stehen auch die weit gehenden Gestaltungsmöglichkeiten der Überzeugung des Senats von der Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in Bezug auf Gesellschafterdarlehen, die Voraussetzung für eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wäre, entgegen. Denn der Gesellschafter hat es in der Hand, die Gesellschaft statt mit Fremdkapital mit Eigenkapital auszustatten oder aber seine Darlehen mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten zu gewähren und bei Bedarf zu prolongieren.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG liegen vor. Insbesondere waren die von den Hauptgesellschaftern gewährten Darlehen unverzinslich im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein unverzinsliches Darlehen vorliegt, sind nicht nur tatsächlich vereinbarte Zinsen zu berücksichtigen. Auch verdeckte Zinsleistungen wie etwa bewertbare Verwendungsauflagen können wirtschaftlich als Verzinsung angesehen werden. Die Erhöhung des Ausschüttungspotenzials stellt demgegenüber keine Gegenleistung dar (vgl. hierzu Glanegger in Schmidt, EStG 27. Aufl. 2008, § 6 Rz. 402 m.w.N.). Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der unverzinslichen Darlehensgewährung ein konkreter, bewertbarer Vorteil für die darlehensgewährenden Anteilseigner gegenüberstand. Die Klägerin sieht einen solchen in der Nutzung des ... als ...- und .... Sie hat aber nicht dargelegt, dass diese Nutzung zu einem über die Statusbezeichnung hinausgehenden messbaren Vorteil für zumindest einen der Anteilseigner (A) geführt hat. Auch der zu Gunsten der Klägerin als wahr zu unterstellende Umstand, dass die Anteilseigner mit ... eine Maßnahme der öffentlichen Daseinsvorsorge erfüllen wollten, lässt keinen messbaren Vermögensvorteil erkennen, der wirtschaftlich einer Verzinsung auch nur annähernd gleichzusetzen wäre.

Entgegen der Auffassung der Klägerin betrug die Laufzeit der Gesellschafterdarlehen im Streitfall nicht weniger als 12 Monaten. Dabei kann es dahinstehen, ob Darlehen, für die die dreimonatige gesetzliche Kündigungsfrist des § 488 Abs. 3 BGB gilt, zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG zählen. Denn im Streitfall richtete sich die Kündbarkeit der Darlehen nicht nach § 488 BGB, sondern nach der vertraglich vereinbarten Kündigungsklausel. Hierzu bestimmt § 4 der im Dezember 1988 neu gefassten Darlehensverträge, dass Kündigung, Verzinsung und Tilgung der Darlehen Verhandlungen zwischen den Gesellschaftern auf der Grundlage der ... vorbehalten sind. Die Kredite waren daher von keinem der darlehensgewährenden Gesellschafter jederzeit kündbar. Dass eine Kündigung vorherige vertragliche Verhandlungen zwischen allen darlehensgewährenden Gesellschaftern erforderte, unterstreicht gerade die Langfristigkeit der Darlehensgewährung. Dass sich die Klägerin und die Hauptanteilseigner dessen bewusst waren, zeigt sich insbesondere an der Tatsache, dass die in Streit stehenden Darlehen selbst im Geschäftsbericht 2005 noch mit einer Restlaufzeit von mehr als 5 Jahren ausgewiesen sind (S. 54 des Geschäftsberichts).

Der sich aus der Abzinsung ergebende Gewinn kann entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch nicht über eine Einlage nach § 4 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. mit § 8 Abs. 1 S. 1 KStG neutralisiert werden. Einlagefähig sind nur Wirtschaftsgüter, zu denen die unentgeltliche Überlassung von Kapital nach bisher ganz herrschender, auf der Rechtsprechung des GrS des BFH beruhender Meinung nicht gehört (vgl. Entscheidung vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BStBl II 1988, 348). Der erkennende Senat ist dem in seiner bisherigen Rechtsprechung stets gefolgt (so zuletzt Urteil vom 12. Februar 2009 13 K 1570/06, noch nicht veröffentlicht; vgl. auch die weiteren Nachweise bei FG Berlin-Brandenburg , Beschluss vom 8. September 2008 12 V 12115/07, a.a.O.). Hieran hat sich durch die Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG nichts geändert. Insbesondere kann sich der erkennende Senat nicht der Argumentation der Klägerin anschließen, der Nutzungsvorteil habe bei der Bilanzierung nach "altem" Recht nicht zu einer steuerlichen Vermögensmehrung geführt, so dass nach Ansicht des GrS des BFH auch keine Notwendigkeit für eine Gewinneliminierung bestanden habe. Die Klägerin gibt die Aussage des GrS insoweit fehlerhaft wieder. Der GrS spricht in Ziffer I. 3. c.) des vorgenannten Beschlusses nicht von einer "Vermögensmehrung" die über eine Einlage ausgeglichen werden müsste. Das Gericht führt vielmehr aus, die Nutzungsüberlassung führe nicht zu Einkünften des Gesellschafters, so das nicht erwogen werden müsse, ob ungeachtet der bilanzrechtlichen Grundsätze bei der Kapitalgesellschaft eine Einlage abgesetzt werden müsse. Die bei der Kapitalgesellschaft eintretende Vermögensmehrung führt auch unter der Geltung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht zu Einkünften des Anteileigners. Da sie bei ihr selbst durch eine ratierliche Aufzinsung wieder ausgeglichen wird, bedarf es keiner Gewinnneutralisierung durch eine Einlage. Wollte man die Gewinnerhöhung im ersten Jahr der Abzinsung über eine Einlage neutralisieren, müsste man zu Vermeidung eines fehlerhaften Totalgewinns den Aufzinsungsaufwand der nachfolgenden Jahre konsequenterweise durch eine Entnahme bzw. verdeckte Gewinnausschüttung ergebniserhöhend neutralisieren, obwohl beim Gesellschafter keine Einkünfte entstehen. Das Ergebnis zeigt die Fehlerhaftigkeit der Argumentation.

Nach alledem hat der Beklagte die Gesellschafterdarlehen dem Grunde nach zu Recht nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abgezinst. Der Höhe nach hat er den Abzinsungsgewinn jedoch nach einem falschen Faktor berechnet.

Die tatsächliche Laufzeit der Kredite war am Bewertungsstichtag 31. Dezember 1999 nicht bekannt. Da keine Anhaltspunkte für eine alsbaldige Kündigung der Verträge vorhanden waren, hat der Beklagte für die Berechnung der Verzinsung zu Recht den Faktor für Verbindlichkeiten mit unbestimmter Laufzeit herangezogen. Nach § 13 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes -- BewG -- sind Nutzungen und Leistungen von unbestimmter Dauer, die nicht vom Leben bestimmter Personen abhängen, mit dem 9,3-fachen des Jahreswertes zu bewerten. Der Vervielfältiger entspricht einer Laufzeit von 12 Jahren, 10 Monaten und 12 Tagen. Angesichts der Tatsache, dass die Darlehen im Geschäftsbericht 2005 noch mit einer Laufzeit von mehr als 5 Jahren ausgewiesen sind, begegnet der Ansatz einer ca. dreizehnjährigen Laufzeit zum 31. Dezember 1999 keinen Bedenken. Der Vervielfältiger für Tilgungsdarlehen mit unbestimmter Laufzeit beträgt allerdings nicht 0,512, sondern 0,503. Wie es zu dem Ansatz des fehlerhaften Vervielfältigers gekommen ist, konnte der Beklagte nicht mehr aufklären. Durch den Ansatz des zu hohen Faktors hat der Beklagte den Abzinsungsgewinn - vor Anwendung des § 52 Abs. 16 Satz 7 EStG - um ... DM zu niedrig angesetzt. Insoweit ist der Bescheid zu Gunsten der Klägerin rechtswidrig. Dem Ansatz des korrekten Gewinns steht das im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbot entgegen. Der zutreffende Gewinn ist jedoch -- worauf nachfolgend eingegangen wird -- fehlerkompensierend der Gewinnminderung, die sich aus dem zu hoch berechneten Abzinsungsgewinn für die ...rückstellungen gegen zu rechnen ( § 177 AO).

2. ...rückstellungen

...

3. vortragsfähiger Gewerbeverlust

...

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 155 FGO in Verbindung mit § 709 der Zivilprozessordnung.

Der Senat hat die Revision im Hinblick auf das bereits beim BFH unter dem Az. I R 4/08 anhängige Revisionsverfahren betreffend die Frage, ob unverzinsliche Gesellschafterdarlehen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen sind, wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen ( § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

Zurück