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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 21.01.2009
Aktenzeichen: 14 K 2020/08
Rechtsgebiete: VO (EWG) 1408/71, DVO (EWG) 574/72, EStG


Vorschriften:

VO (EWG) 1408/71
DVO (EWG) 574/72
EStG § 32
EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63
EStG § 65 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Aufhebung des Bescheids vom 28.2.2008 und der Einspruchsentscheidung vom 14.5.2008 wird die Beklagte verpflichtet, Kindergeld für das Kind T, geb. 25.4.1997 ab Oktober 2004 bis Mai 2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren und für den Zeitraum danach über den Anspruch auf Kindergeld unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der seit 1983 verheiratete Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er ist in Deutschland selbständig erwerbstätig und seit dem 15.10.2004 in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (Bescheinigung des Finanzamtes L vom 16.11.2007, Bl. 26 der KiG-Akte; Bescheinigung der ausländischen polnischen Steuerbehörde, Bl. 26, 37 nach der in Polen keine Einkünfte bestehen). In Polen unterliegt er der Sozialversicherung für Landwirte (Bl. 27 der KiG-Akte). In Deutschland ist er nicht sozialversicherungspflichtig.

Er stellte am 15.1.2007 einen Antrag auf Kindergeld ab Oktober 2004 bei der zuständigen Familienkasse für seinen in Polen lebenden und am 25.4.1997 geborenen Sohn T. In Polen erhalten weder er noch seine dort lebende Frau, die nicht erwerbstätig ist, Kindergeld für den Sohn (Formulare E 411, E 401, Bl. 17ff. der KiG-Akte), da die dortigen Einkommensgrenzen für einen Kindergeldanspruch überschritten sind (s. Vermerk Bl. 19 der KiG-Akte). Die Formulare E 411 und E 401 sind von der polnischen Behörde am 30.5.2007 ausgestellt.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Kindergeld mit Bescheid vom 28.2.2008 ab. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 14.5.2008 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf Kindergeld ab Oktober 2004 weiter. Seiner Ansicht nach sei der Anspruch in Deutschland gegeben, da der Kläger hier erwerbstätig sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.2.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14.5.2008 zu verpflichten, Kindergeld für den Sohn T in gesetzlicher Höhe ab Oktober 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zwar seien grundsätzlich die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG erfüllt. Ob deutsches Kindergeldrecht jedoch überhaupt anwendbar sei, bestimme sich im Verhältnis zu anderen Staaten der EU nach den Regelungen der Verordnung (EWG) 1408/71 bzw. der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72 (DVO). Diese Verordnungen würden als überstaatliche Vorschriften der deutschen Rechtsordnung vorgehen und seien in Deutschland unmittelbar geltendes Recht (vgl. Art. 249 Abs. 2 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft).

Der Kläger unterliege weiterhin in Polen der Sozialversicherung. Dies ergebe sich aus der entsprechenden Bestätigung der polnischen Sozialversicherungsbehörde (Bl. 27 der KiG-Akte) und den Angaben des Klägers. Danach werde eine landwirtschaftliche Sozialversicherung durchgeführt. Daher gelte im Streitfall polnisches Recht. Die Frage, ob im vorliegenden Fall polnisches oder deutsches Recht anwendbar sei, ergebe sich zwar nicht aus einer bestimmten Vorschrift der EGVO 1408/71. Die vertretene Rechtsansicht gebe die Lesart der VO seitens der Familienkasse Direktion wieder. Die Art. 13 bis 17 VO sollen verhindern, dass eine Person gleichzeitig den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten unterliege und deshalb mehrfach Leistungen gleicher Zweckbestimmungen beziehe. Eine entsprechende Prüfung der Kollisionsnormen erübrige sich aber, wenn eine Bestätigung eines anderen Mitgliedstaates vorliege, wonach die betreffende Person auf Grund einer selbständigen oder unselbständigen Tätigkeit dort in das soziale Sicherungssystem integriert sei und Beiträge zahle. In diesen Fällen werde unterstellt, dass der Träger des anderen Mitgliedstaates die Art. 13 bis 17 VO geprüft habe und die betreffende Person den Rechtsvorschriften dieses anderen Mitgliedstaates unterliege.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn T gemäß §§ 62, 63, 32 EStG für die Zeit Oktober 2004 bis Mai 2007. Für den Zeitraum ab Juni 2007 ist die Klage begründet, soweit die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld mit der Begründung, deutsches Recht sei nicht anwendbar, abgelehnt hat. Insoweit ist der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung). Hinsichtlich des weiter gehenden Verpflichtungsbegehrens, Kindergeld für den Kläger auch ab Juni 2007 festzusetzen, ist die Klage unbegründet.

1. Gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Kläger wird seit dem 15.10.2004 vom zuständigen Finanzamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht tatsächlich vorgelegen haben, wird von der Beklagten auch nicht bestritten. Selbst wenn der Kläger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland erst nach dem 15.10.2004 begründet haben sollte, besteht ein Anspruch nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) EStG. Hiernach hat jemand einen Anspruch, wenn er nach § 1 Abs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Die Feststellungen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht sind für das Kindergeldverfahren grundsätzlich bindend (Pust in Littmann/Bitz/Pust, Kommentar, § 62 EStG Rn. 64; s. auch DA 62.1.Abs. 3).

2. Der Sohn T ist auch nach § 63 EStG i.V. mit § 32 EStG als Kind berücksichtigungsfähig. Er hat seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG), ist leibliches Kind des Klägers i.S. des § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG und hat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet.

3. Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 EStG wird für den Zeitraum Oktober 2004 bis Mai 2007 weder durch die Verordnung (EWG) 1408/71 noch durch § 65 EStG ausgeschlossen. Ob ein Ausschluss des Anspruchs für den Zeitraum ab Juni 2007 über § 65 EStG in Betracht kommt, ist noch nicht abschließend geprüft (Pkt. 5.).

a. Richtig ist zwar, dass die von der Beklagten genannte EU-VO Nr. 1408/71 im Einzelfall die Anwendung deutscher Rechtsvorschriften ausschließen kann. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen aber nicht vor, da der Kläger nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der VO für Familienleistungen fällt.

Die VO gilt grundsätzlich auch für Selbständige (Art. 1 Buchstabe a, Art. 2 und Art. 73 der EU-VO Nr. 1408/71), die gegen mindestens ein Risiko der Sozialversicherung versichert sind. Die Mitgliedstaaten haben aber in Anhang I zu der VO den persönlichen Geltungsbereich für Selbständige i.S. von Art. 1 Buchst. a der VO näher geregelt. In Anhang I Teil I. unter E. Buchstabe b) wird ausgeführt, dass wenn ein deutscher Träger für die Gewährung der Familienleistungen zuständig ist, als Selbständiger nur gilt, wer eine Tätigkeit als Selbständiger ausübt und in einer Versicherung der selbständig Erwerbstätigen für den Fall des Alters versicherungs- und beitragspflichtig ist oder in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nach Aktenlage nicht.

aa. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass die Regelung in Anhang I Teil I den allgemeinen persönlichen Anwendungsbereich der VO 1408/71 ausschließt (FG Düsseldorf Urteile vom 11. Februar 2008, 10 K 2579/06 Kg und vom 2. Januar 2008 14 K 2546/07 Kg [...] ; FG München Urteil vom 28. Februar 2008, 5 K 1582/06 [...]; FG Baden-Württemberg Urteil vom 18. November 2008, 4 K 4293/08 [...] mwN). Ein Ausschluss des inländischen Kindergeldanspruchs kommt nach dieser Ansicht mangels Anwendbarkeit der VO nicht in Betracht.

bb. Soweit die Ansicht vertreten wird, dass die Vorschrift lediglich eine Einschränkung ihres persönlichen Anwendungsbereichs hinsichtlich der Familienleistungen darstellt (FG Düsseldorf Urteil 22. Dezember 2008 10 K 404/08 Kg, www.fg-duesseldorf.nrw.de) und insoweit die Frage, welche Rechtsvorschriften nach den Art. 13 ff. VO 1408/71 anzuwenden sind, vorrangig zu prüfen sei, kommt auch diese Ansicht zu der Anwendbarkeit deutschen Rechts. Nach Art. 13 Abs. 2 Buchstabe b) VO 1408/71 gilt bei Selbständigen das Recht des Tätigkeitsstaats, mithin deutsches Recht.

Der Senat teilt hingegen nicht die Rechtsauffassung, dass die Vorschrift in Anhang I Teil E einen in Deutschland tätigen Selbständigen, der die genannten Voraussetzungen (z.B. Pflichtversicherung) nicht erfüllt - wie der Kläger -, vom Zugang zu deutschen Familienleistungen vollständig ausschließt (so wohl FG Düsseldorf 10 K 404/08 Kg aaO). Die Bestimmungen der Begriffe "Arbeitnehmer" und "Selbständiger" in Art. 1 V0 1408/71 werden durch den Anhang I Teil I Buchstabe E VO 1408/71 nach seinem Wortlaut für die "Familienleistungen gemäß Titel III Kapitel 7" und damit überwiegend für die Konkurrenzregeln eingeschränkt (vgl. BFH Vorlagebeschluss vom 30. Oktober 2008 III R 92/07 [...]). Die Konkurrenzregelungen sollen Fälle des Zusammentreffens von Ansprüchen auf Familienleistungen regeln. Die Begriffsbestimmungen können aber nicht dazu führen, dass in Fällen, in denen es nicht zu einem Zusammentreffen von Leistungen kommt, ein bestehender Anspruch vollständig ausgeschlossen wird. Darüber hinaus trifft die VO 1408/71 in erster Linie eine Koordinierungsregelung, die lediglich bestimmt, welche Rechtsvorschriften auf verschiedene Fälle anzuwenden sind. Die VO 1408/71 darf zudem nicht zum Verlust von Ansprüchen führen, die jemand aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unabhängig von der Anwendung des Gemeinschaftsrecht erworben hat (vgl. Schlussanträge im Vorabentscheidungsverfahren C-153/03 vom 15. Juli 2004; Sammlung der Rspr. 2005 Seite I-06017). Zwar betrifft dieser zuletzt genannte Grundsatz nicht die in Titel II der Verordnung 1408/71 niedergelegten Regeln über die anwendbaren Rechtsvorschriften (EuGH-Urteil vom 10 Juli 1986 C-60/85, Sammlung der Rspr. 1986 Seite 02365). Würde man aber diejenigen, die nicht die in Anhang I Teil I Buchst. E geregelten Voraussetzungen erfüllen, vom Zugang zu deutschen Familienleistungen ausschließen, obwohl das deutsche Recht auf sie anwendbar ist und der Anspruch nach deutschem Recht gegeben ist, so wäre dies nach Ansicht des Senats ein Verstoß gegen den o.g. Grundsatz. Denn der Grundsatz der auf nationaler Ebene erworbener Ansprüche ist im Hinblick auf die in Titeln I und III der Verordnung enthaltenen Vorschriften über die materielle Koordinierung anerkannt. Der Anhang I Teil I Buchst E. enthält aber nur eine Einschränkung hinsichtlich der Gewährung von Familienleistungen gemäß Titel III und kann daher nicht die Aushebelung des anerkannten Grundsatzes bewirken.

cc. Der Senat teilt auch nicht die Rechtsansicht der Beklagten, dass allein die bestehende Mitgliedschaft in der polnischen Sozialversicherung das deutsche Recht ausschließen würde. Ein nach § 62 EStG bestehender Kindergeldanspruch kann nicht allein durch die Mitgliedschaft in einer ausländischen Sozialversicherung ausgeschlossen. Hierfür fehlt es an einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage. Weder EU-VO Nr. 1408/71 noch das deutsche Recht enthalten für diese von der Beklagten vertretenen "Lesart" Anhaltspunkte.

Die Ansicht der Beklagten, nach der sich eine entsprechende Prüfung der Art. 13 bis 17 der VO Nr. 1408/71 erübrige, wenn eine Bestätigung eines anderen Mitgliedstaates vorliege, wonach die betreffende Person auf Grund einer selbständigen Tätigkeit dort in das soziale Sicherungssystem integriert sei und in diesen Fällen zu unterstellen sei, dass der Träger des anderen Mitgliedstaates die Art. 13 bis 17 VO geprüft habe und die betreffende Person daher den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaates unterliege (Hinweise zur Anwendung der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 (VO) und 574/72 (DVO) im Bereich der Familienleistungen, Familienkasse Direktion RV 11 - 7504.1) kann der Senat ebenfalls nicht teilen. Es ist vielmehr Pflicht der deutschen Behörden und der deutschen Gerichte eigenständig zu überprüfen, welches Recht nach den Regelungen der VO anwendbar ist. Insoweit besagt Art. 13 Buchst. b) eindeutig, dass bei Selbständigen das Recht des Tätigkeitsstaates anwendbar ist. Da keine Ausnahme nach Art. 14 a der VO Nr. 1408/71 vorliegt, bleibt es, sofern man die VO für anwendbar hält, bei der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften.

Im Streitfall ist daher der nach deutschem Recht bestehende Kindergeldanspruch nicht durch das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen.

b. Ein Ausschluss des Kindergeldanspruchs nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für den Zeitraum bis Mai 2007 besteht nicht, da der Kläger keine Familienleistungen in Polen erhält.

4. Der Senat weist abschließend darauf hin, dass im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20.05.2008 C-352/06 in der Sache Bosmann letztlich die Anwendbarkeit des EU-VO Nr. 1408/71 und damit ein etwaiger Ausschluss des deutschen Rechts, soweit im Streitfall feststeht, dass der Kläger keine polnischen Familienleistungen erhalten hat, dahinstehen kann. Denn der EuGH hat in der vorgenannten Entscheidung klar gestellt, dass allein der Umstand, dass eine Person aufgrund der in der VO Nr. 1408/71 getroffenen Zuweisungsentscheidung den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterliegt, einen anderen Mitgliedstaat nicht daran hindert, dieser Person nach seinem Recht Familienbeihilfen, zu denen auch das Kindergeld rechnet, zu gewähren. Damit wird klargestellt, dass zumindest in den Fällen, in denen der ausländische europäische Staat kein Kindergeld gewährt, es insoweit nicht zu einer Kollision kommt, dem deutschen Staat nicht die Befugnis abgesprochen werden kann, einen unstreitig bestehenden innerstaatlichen Kindergeldanspruch auch unter Berücksichtigung der EU-VO Nr. 1408/71 zu gewähren (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 31. Juli 2008 15 K 4375/07 Kg; FG Köln Urteil vom 25.9.2008 10 K 4830/05 ("Bosmann"). Solange es im nationalen Recht keinen Ausschlusstatbestand gibt, steht dem Kläger Kindergeld für den Zeitraum ab Oktober 2004 bis Mai 2007 zu.

5. Ob der Kläger polnische Familienleistungen ab Juni 2007 erhalten hat, ist noch nicht geklärt. Die Bestätigungen der polnischen Behörden über die Formulare E 411 und E 401 datieren vom 30.5.2007.

Das Gericht ist nicht verpflichtet, bis zur Spruchreife aufzuklären, ob der Kläger auch nach Mai 2007 einen Kindergeldanspruch hat. Es darf sich vielmehr darauf beschränken, die von der Beklagten für die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung angeführten Gründe auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (BFH-Urteil vom 2. Juni 2005 III R 66/04, BStBl II 2006, 184). Das Gericht macht von dieser Befugnis Gebrauch, weil es weiterer Aufklärung bedarf, ob der Kläger oder seine Ehefrau auch nach Ausstellung des Bescheinigungen E 401 und E 411 (30.5.2007) keine polnischen Familienleistungen erhalten haben. Sollte er ab Juni 2007 Familienleistungen in Polen erhalten oder einen Anspruch in Polen haben, wäre der inländische Anspruch nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen. Die Begründung der Beklagten, deutsches Recht sei vorliegend durch das polnische Recht ausgeschlossen, ist hingegen nach Ansicht des Senats unrichtig. Somit waren der angefochtene Bescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Beklagte hat gemäß § 101 Satz 2 FGO über den Antrag des Klägers ab Juni 2007 nach Maßgabe der aufgeführten Gründe erneut zu entscheiden.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1 FGO, 136 Abs. 1 Satz 3 FGO analog. Zwar ist der Kläger insoweit teilweise unterlegen, als nicht das beantragte Verpflichtungsurteil, sondern teilweise ein Bescheidungsurteil ergangen ist. Da der Kläger eine gebundene Entscheidung mit seiner Klage verfolgt und die Entscheidung, ob Spruchreife herbeigeführt wird oder nicht, beim Gericht liegt, ist das teilweise Unterliegen nicht dem Kläger zuzurechnen. Deshalb ist es entsprechend dem Rechtsgedanken des § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO nicht gerechtfertigt, ihn mit Kosten zu belasten (BFH-Urteil vom 2. Juni 2005 III R 66/04 BStBl II 2006, 184).

7. Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Ende der Entscheidung

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