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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: 14 K 4225/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 22 Nr. 1a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

14 K 4225/06

Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25.09.2006 wird der Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 21.02.2006 dahingehend geändert, dass sonstige Einkünfte nicht mehr angesetzt werden. Die Errechnung des sich danach ergebenden Einkommensteuerbetrags wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Unterhaltsleistungen des dauernd getrennt lebenden Ehegatten der Klägerin bei dieser als sonstige Einkünfte anzusetzen sind, obgleich die Zahlungen sich beim Ehemann nicht steuermindernd ausgewirkt haben.

Die Klägerin erzielt als wissenschaftliche Angestellte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin und ihr Ehemann haben zwei Töchter. Seit dem 01.06.2000 leben die Ehegatten dauernd getrennt. Die Klägerin erhielt von ihrem Ehemann Ehegattenunterhalt, und zwar im Streitjahr (mindestens) 13.805 EUR. Die Klägerin hatte dem Realsplitting am 29.09.2002 mit der Anlage U für 2001 zugestimmt. Die Zustimmung widerrief sie am 30.12.2005. Der Ehemann machte die Unterhaltsleistungen im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2003 als Sonderausgaben geltend. Die Sonderausgaben wirkten sich aber bei der Besteuerung nicht aus. Die Einkommensteuer 2003 des Ehegatten betrug allein aufgrund der zu berücksichtigenden Einkünfte 0,00 EUR. Die Sonderausgaben wirkten sich auch nicht auf den verbleibenden Verlustabzug aus (s. Schreiben des für den Ehemann der Klägerin zuständigen Finanzamts B vom 30.03.2006).

Mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid berücksichtigte der Beklagte die Unterhaltszahlungen als Einnahmen nach § 22 Nr. 1a EStG. Nach Abzug des WerbungskostenPauschbetrags von 102 EUR ergaben sich Einkünfte nach § 22 Nr. 1a EStG in Höhe von 13.703 EUR.

Nach erfolglosem Einspruch macht die Klägerin unter Berufung auf das Urteil des FG Münster vom 12. April 2000 - 8 K 3457/96, EFG 2000, 1002, geltend, das Korrespondenzprinzip zwischen den Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG und den sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 1a EStG lasse eine Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen beim Unterhaltsempfänger als Einkünfte nur zu, wenn die Zahlungen sich beim Unterhaltsleistenden steuermindernd als Sonderausgaben ausgewirkt hätten.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25.09.2006 den Einkommensteuerbescheid vom 21.02.2006 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer um 4.855,00 EUR herabgesetzt wird,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er ist der Ansicht, dass es nicht darauf ankomme, dass der Sonderausgabenabzug tatsächlich zu einer Minderung der Steuer führe; entscheidend sei allein, dass die Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben abgezogen werden können.

Der Senat hat mit Gerichtsbescheid vom 25. Juni 2007 der Klage stattgegeben. Der Gerichtsbescheid ist dem Beklagten am 3.7.2007 zugegangen (Empfangsbekenntnis vom 3.7.2007, Bl. 40 der FG-Akte). Der Beklagte hat am 3.8.2007 Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

Zur Begründung trägt er vor, dass sich aus dem Wortlaut des § 22 Nr. 1 a EStG "als Sonderausgaben abgezogen werden können" keinesfalls die weitere Folge, dass der Sonderausgabenabzug auch zu einer steuermindernden Wirkung führen müsse, ergebe. So gehe der Gesetzgeber in den Gesetzesbegründungen davon aus, dass dies zwar regelmäßig, aber nicht in allen Konstellationen der Fall sein werde. Weder aus dem Wortlaut noch aus den Gesetzesmotiven ergebe sich ein für die Finanzverwaltung zu beachtendes Korrespondenzprinzip der steuerlichen Auswirkung. Die vom Senat im Gerichtsbescheid geäußerte korrespondierende Besteuerung werde von der Rechtsprechung des BFH nicht getragen. In seiner Entscheidung vom 14. April 2005 (XI R 33/03, BStBl II 2005, 825) führe der BFH aus, dass der Gesetzgeber wegen der Auswirkungen des Realsplittings auf die Besteuerung des Empfängers davon ausgehe, dass die Betroffenen ihr gemeinschaftliches Wahlrecht unter gleichzeitiger Berücksichtigung auch des Unterhaltsrechts treffen und dabei die Belastungsverschiebungen in angemessener Weise ausgleichen würden. Antrag und Zustimmung würden rechtsgestaltend wirken. Der BFH habe auch in seinem Urteil vom 13. Dezember 2005 (XI R 5/02, DStRE 2006, 769) dargelegt, dass es nur in "gewisser Weise" zu einer korrespondierenden Besteuerung komme. In dem Urteil vom 31. März 2004 (X R 18/03, BStBl II 2004, 1047) habe der BFH darauf hingewiesen, dass für die Auslegung des Gesetzeswortlauts nicht die subjektiven Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen maßgebend seien, sondern der im Gesetz zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Beim Spezialfall des Realsplittings handele es sich darum, dass eine beim Geber im Inland abziehbare Leistung beim Empfänger materiell-rechtlich korrespondierend der Besteuerung unterworfen werde. Die Korrespondenz entfalle, wenn es beim Geber an einem derartigen Abzugstatbestand fehle. Hieraus werde deutlich, dass allein eine materiell-rechtliche Korrespondenz gefordert werde, nicht aber eine Korrespondenz in der steuerlichen Auswirkung. Soweit das FG Münster in seiner Entscheidung vom 12. April 2004 (8 K 3457/96, EFG 2000, 1002) die Ansicht vertreten habe, dass der Sonderausgabenabzug auch zu einer Minderung der Einkommensteuer des Gebers führen müsse, sei diese Ansicht für den zu entscheidenden Fall nicht relevant gewesen, da bereits kein Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 gestellt worden sei.

Entgegen der im Gerichtsbescheid geäußerten Rechtsauffassung, widerspreche die Anwendung des Gesetzes nach Auslegung durch den Beklagten auch nicht der Schutzfunktion der Art. 6 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG. Denn der Steuergesetzgeber knüpfe die originäre Steuerpflicht an die gemeinsam getroffene und dokumentierte Entscheidung in der Anlage U und in der Steuererklärung des Unterhaltsgebers und nicht allein an den Bezug ehelicher Unterhaltsleistungen. Die sich aus der gemeinsam getroffenen Entscheidung anschließende Rechtsfolge unterliege darüber hinaus keiner weiteren Prüfung mehr. Die Steuerpflicht der empfangenen Leistungen erlösche auch nicht etwa dann, wenn im umgekehrten Fall später durch Zurechnung von z.B. erheblich steuerlichen Verlusten beim Geber die steuerliche Auswirkung des einmal beantragten Sonderausgabenabzugs entfalle.

Der Beklagte weist zudem darauf hin, dass auch in der Literatur die Meinung vertreten werde, dass eine verfahrensrechtliche Korrespondenz zwischen § 22 Nr. 1a und § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht erforderlich sei. So werde für die Besteuerung ein tatsächlicher Abzug aller Unterhaltszahlungen beim Geber nicht vorausgesetzt; auch widerspreche eine solche Korrespondenzregelung einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Individualbesteuerung (Fischer in Kirchhoff/Söhn EStG zu § 22 B 372, Söhn StuW 2005, 109 ff.). Die Korrespondenz müsse nur insoweit hergestellt werden, dass ein Antrag und eine Zustimmung vorlägen (Lindberg in Frotscher EStG zu § 22, Rz. 16; Stuhrmann NWB vom 18.4.2006 Fach 3, Seite 13695). Zudem werde es als besonders misslich angesehen, wenn eine ursprünglich angenommene günstige steuerliche Auswirkung des gestellten Antrags später wegen eines höheren Einkommens beim Empfänger insgesamt nicht mehr eintreten könne (Kulosa in H/H/R EStG zu § 10 Rz. 62). Es werde klargestellt, dass die steuerrechtliche Einordnung von Unterhaltsleistungen nicht an objektive Merkmale geknüpft werde, sondern dem Willen der Steuerpflichtigen durch einen Antrag und Zustimmung überlassen werde (Hutter in Blümich zu § 10 Rz. 73).

Auch nach der Verwaltungsauffassung (Bund/Ländererlass vom 27.3.2007 S 2221 a A-06-001-04-441; Vfg. OFD Koblenz vom 12.6.2003, DStZ 2003, 706) komme es für die Besteuerung der Unterhaltszahlungen allein auf die Zustimmung laut Anlage U und den gestellten Antrag nach § 10 Nr. 1 Satz 2 EStG an. Dem Antrag komme nicht nur eine deklaratorische, sondern eine konstitutive Wirkung zu. Durch die Antragstellung würden die Zahlungen zu Sonderausgaben werden. Allein ein derartiger, mit Zustimmung des Empfängers gestellter Antrag ändere den Rechtscharakter der Ausgaben und bewirke die Steuerpflicht beim Unterhaltsempfänger. Wenn der Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG gestellt worden sei, komme es damit für die Besteuerung beim Unterhaltsempfänger nicht mehr darauf an, ob sich die vom Unterhaltsgeber geltend gemachten Unterhaltsleistungen steuermindernd auswirken würden.

Der Kläger hat den verspäteten Eingang des Antrags auf mündliche Verhandlung gerügt. Mit Schreiben vom 16.8.2007 teilte das Gericht dem Kläger mit, dass dem Beklagten der Gerichtsbescheid am 3.7.2007 zugestellt worden sei.

Entscheidungsgründe:

I. Die Beteiligten können gemäß § 90a Abs. 2 FGO innerhalb eine Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids mündliche Verhandlung beantragen. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen ( § 90a Abs. 3 FGO).

Der Gerichtsbescheid ist dem Beklagten laut Empfangsbekenntnis am 3.7.2007 zugestellt worden (Bl. 40 der FG-Akte). Mit dem bei Gericht am 3.8.2007 eingegangenen Antrag auf mündliche Verhandlung hat der Beklagte den Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung und damit rechtzeitig gestellt. Das Verfahren geht daher weiter, und zwar so, als ob kein Gerichtsbescheid ergangen wäre.

II. Die Klage ist begründet.

Der Beklagte hat zu Unrecht die um den Werbungskostenpauschbetrag geminderten Unterhaltszahlungen als sonstige Einkünfte ( § 22 Nr. 1a EStG) der Klägerin berücksichtigt.

1. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da das Gericht der Begründung des Gerichtsbescheids vom 25.6.2007 folgt ( § 90a Abs. 4 FGO).

Auszug aus dem Gerichtsbescheid

1. Sonstige Einkünfte sind nach § 22 Nr. 1a EStG Einkünfte aus Unterhaltsleistungen, soweit sie nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG vom Geber abgezogen werden können. Nach letzterer Vorschrift sind Unterhaltsaufwendungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt, bis zu 13.805 EUR im Kalenderjahr Sonderausgaben. Der Antrag kann nach Satz der Vorschrift nur jeweils für ein Jahr gestellt und nicht zurückgenommen. Nach den Sätzen 3 und 4 ist die Zustimmung bis auf Widerruf, der vor Beginn des Kalenderjahres, für das die Zustimmung erstmals nicht gelten soll, gegenüber dem Finanzamt zu erklären ist, wirksam.

2. a) Im Streitfall sind die Voraussetzungen für den Abzug der Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben erfüllt. Die Leistungen sind vom Geber an die Klägerin als von ihm dauernd getrennt lebenden Ehegatten erbracht worden. Die Klägerin hat dem Abzug als Sonderausgaben beim Geber zugestimmt. Der von ihr Ende 2005 erklärte Widerruf entfaltet für das Streitjahr 2003 keine Rückwirkung.

b) Der Berücksichtigung als sonstige Einkünfte steht aber entgegen, dass die Unterhaltsleistungen vom Geber nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können. Dem Beklagten ist einzuräumen, dass der Wortlaut des Tatbestandsmerkmals "abgezogen werden können" nicht zu der Auslegung zwingt, dass tatsächlich ein Abzug mit steuermindernder Wirkung erfolgt sein muss. Nach der Systematik der Ermittlung der Einkommensteuer bewirkt der Sonderausgabenabzug, wie sich aus § 2 Abs. 4 EStG ergibt, unmittelbar nur eine Minderung des Gesamtbetrags der Einkünfte. Eine Minderung der Steuer ergibt sich daraus nur mittelbar. Sind die Einkünfte aber so niedrig, dass sich schon nach der Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte keine tarifliche Einkommensteuer ergibt, verbleibt es gleichwohl rechnerisch beim Sonderausgabenabzug, dieser bleibt aber grundsätzlich ohne steuerliche Auswirkung. Eine Auswirkung kann sich lediglich ausnahmsweise über den vorrangig vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehenden Verlustrücktrag oder -vortrag ergeben (s. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG). Es ist nach dem Gesetzeswortlaut auch nicht zwingend, dass bei Gesamtbetrachtung beider Ehegatten eine Steuerminderung erreicht wird. Die Gesetzesbegründung (Begründung des Regierungsentwurfs zum Steueränderungsgesetz 1979 vom 22. September 1978, BT-Drucks. 8/2118, S. 63 - Abs. 1 der Einzelbegründung zu § 22 Nr. 1a EStG) geht ausdrücklich davon aus, dass dies nur regelmäßig der Fall sein wird.

Allerdings ist eine Auslegung, dass das Merkmal "abgezogen werden können" schon mit dem rein rechnerischen Abzug ohne steuerliche Auswirkung erfüllt ist, auch nicht zwingend. Dies folgt schon daraus, dass sich dann kein Unterschied daraus ergäbe, ob die Aufwendungen abgezogen werden können oder nicht. Weiter hat die Rechtsprechung des BFH unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des zwischen § 22 Nr. 1a und § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG bestehenden Korrespondenzprinzips und der Entstehungsgeschichte angenommen, dass ein Ansatz der Unterhaltsleistungen als sonstige Einkünfte ausscheidet, wenn der Geber nicht subjektiv einkommensteuerpflichtig ist, obwohl sich dies aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht herleiten lasse (BFH-Urteil vom 16. März 2004 IX R 46/03, BFHE 206, 231, BStBl II 2004, 1046 m.w.N.). Dabei hat der BFH (unter II.2.d der Gründe) darauf hingewiesen, dass der in der Gesetzesbegründung (a.a.O., Abs. 2) geäußerte Gesichtspunkt, dass die Unterhaltszahlungen in vollem Umfang der Besteuerung als wiederkehrende Bezüge der Besteuerung unterlägen, im Gesetz keinen Ausdruck gefunden habe und deshalb bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden könne. Nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung (Begründung zum Entwurf eines REStG vom 29. November 1919, Drucksache der verfassunggebenden Nationalversammlung Nr. 1624, 43) bei Einführung der Vorläufernorm des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG ( § 11 Nr. 2 Satz 2 EStG 1920 vom 29. März 1920, RGBl. 1920, 359) diene die Regelung dazu, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, die sich daraus ergeben können, dass die Zuwendungen sowohl beim Geber als auch beim Empfänger besteuert werden. Der BFH hat aus dem ursprünglichen Regelungszweck hergeleitet, dass der Geber im Inland einen Steuervorteil erlangen müsse. Weiter hat der BFH darauf hingewiesen, dass Unterhaltsleistungen an sich nicht steuerbar seien. Auch die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern, mit dem eine Neuregelung der Besteuerung wiederkehrender Bezüge bezweckt gewesen sei (Regierungsentwurf vom 29. April 1954, BT-Drucks. II/481, S. 88), führe aus, dass die Besteuerung beim Berechtigten dem Abzug beim Verpflichteten entsprechen müsse.

Unter Beachtung des Korrespondenzprinzips und der Gesetzesgeschichte kann das Tatbestandsmerkmal des § 22 Nr. 1a EStG "abgezogen werden können" dahingehend ausgelegt werden, dass sich aus der Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen eine Steuerminderung beim Geber ergeben muss.

c) Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus der verfassungskonformen Auslegung des § 22 Nr. 1a EStG. Die steuerliche Berücksichtigung an sich nicht steuerbaren ehelichen Trennungsunterhalts ist Ausfluss des Art. 6 Abs. 1 GG, der den Schutz der Ehe auch gebietet, soweit Unterhaltsleistungen - und sei es nach Trennung der Ehegatten oder nachehelich - aufgrund ehelichem Unterhaltsrecht Unterhaltsleistungen erbracht werden. Es verstieße gegen die Schutzfunktion des Grundrechts, wenn der Steuergesetzgeber ohne entlastende Gegenwirkung bei einem Ehegatten beim anderen Ehegatten allein an den Bezug ehelicher Unterleistungen eine originäre Steuerpflicht knüpfte. Dies ist aber der Fall, wenn - wie im Streitfall - zwar die Unterhaltsleistungen beim Unterhaltsempfänger steuererhöhend berücksichtigt würden, beim Leistenden mangels Auswirkung aber keine Entlastungswirkung eintritt. Eine solche ausschließlich steuerbegründende Wirkung verstieße auch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da andere Unterhaltsleistungen in Gesamtbetrachtung des Gebers und Empfängers nicht steuerbegründend wirken, sondern sich entweder beim Geber steuermindernd auswirken oder gänzlich ohne steuerliche Auswirkung bleiben.

d) Aus der Verfügung der OFD Koblenz vom 12. Juni 2003 - Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 025/03 (DStR 2003, 1396 ) lässt sich nicht Gegenteiliges herleiten. Abgesehen davon, dass diese Verfügung den Senat nicht bindet, führt sie lediglich aus, dass eine Versteuerung beim Empfänger auch erfolgen müsse, wenn sich der Sonderausgabenabzug beim Geber nicht voll ausgewirkt habe. Zu den im Streitfall vorliegenden Sachverhalt, dass die Unterhaltsleistungen sich beim Geber überhaupt nicht steuerlich ausgewirkt haben, trifft die Verfügung keine Aussage. Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob es entgegen der Verfügung der OFD Koblenz und der Begründung des Regierungsentwurfs zum StÄndG 1979 verfassungsrechtlich geboten ist, eine in Gesamtbetrachtung der (getrennt lebenden oder geschiedenen) Ehegatten steuererhöhende Auswirkung des Realsplittings auszuschließen.

e) Dahingestellt bleiben kann auch, ob der Schutzzweck der Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG und der Sinn und Zweck des Korrespondenzprinzips zwischen § 22 Nr. 1a und § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG sogar weitergehend erfordern, dass ein steuermindernder Abzug als Sonderausgaben beim Geber stets zwingende Voraussetzung für den Ansatz sonstiger Einkünfte beim Empfänger ist (so Urteil des FG Münster vom 12. April 2000 - 8 K 3457/96, EFG 2000, 1002; Risthaus in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz - Körperschaftsteuergesetz, Loseblattkommentar, Stand 3.2007, § 22 EStG Anm. 373; Schmidt/Wacker, EStG, Kommentar, 26. Aufl. 2007, § 22 Rz. 90). Danach wären die Leistungen auch dann nicht als sonstige Einkünfte anzusetzen, wenn der Geber etwa versäumt hat, diese als Sonderausgaben geltend zu machen. Ein solcher Sachverhalt war im Streitfall nicht gegeben.

2. Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin:

Soweit der Beklagte unter Hinweis auf Meinungen in der Fachliteratur die Ansicht vertritt, dass das zwischen § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 22 Nr. 1a EStG unstreitig bestehende Korrespondenzprinzip einen tatsächlichen Sonderausgabenabzug nicht voraussetze, folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Durch diese Ansicht würde das Korrespondenzprinzip nur unzureichend umgesetzt (Bauschatz in Korn, EStG Kommentar § 22 Rn. 111). Der besondere Sinn und Zweck des sog. Realsplittings besteht -ähnlich wie beim Ehegattensplitting gemäß § 32a Abs. 5 i.V.m. §§ 26, 26b EStG- darin, dass eine Verteilung des Einkommens stattfindet. Der Teil des Einkommens, der zum Unterhalt des geschiedenen Ehegatten verwendet wird, wird dem anderen Ehegatten zugerechnet; es besteht eine unmittelbare Beziehung zwischen Steuerentlastung beim Verpflichteten und Steuerbelastung beim Empfänger (EuGH-Vorlage des BFH vom 22. Juli 2003 XI R 5/02, BFHE 202, 570, BStBl II 2003, 851; vgl. BFH-Urteil vom 25. März 1986 IX R 4/83, BFHE 146, 403, BStBl II 1986, 603). Fehlt es beim Geber an einem Abzugstatbestand zu Lasten des inländischen Steueraufkommens, so besteht nach Auffassung des Senats auch kein Grund für eine korrespondierende Erfassung der Bezüge beim Empfänger (so auch BFH-Urteil vom 31. März 2004 X R 18/03, BFHE 206, 68, BStBl II 2004, 1047; FG Hamburg, Urteil vom 13. Juni 1995 III 170/93, EFG 1995, 894; in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar, § 22 EStG Anm. 373; Weber-Grellet in Schmidt Kommentar zum EStG, § 22 Rn. 90).

Dabei ist auch zu beachten, dass der Unterhaltsgeber regelmäßig verpflichtet ist, die finanziellen Nachteile beim Unterhaltsempfänger auszugleichen, die dem Berechtigten aus der Zustimmung erwachsen (vgl. BGH-Urteil vom 11. Mai 2005 XII ZR 108/02, NJW 2005 2223). Würde allein die Zustimmung zur Steuerbarkeit der Unterhaltsleistungen führen, ohne dass diese sich beim Unterhaltsgeber ausgewirkt haben, so würde dies im Ergebnis eine einseitige Belastungsverschiebung beim Unterhaltsgeber bewirken. Es käme somit zu einer "doppelten Belastung" des Unterhaltsgewährenden, die zum einen in der Nichtabzugsfähigkeit der in Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht erbrachten Unterhaltsleistungen liegt und zum anderen in der Übernahme der beim Leistungsempfänger entstandenen Steuer, um dem ihm zustehenden Nettounterhalt zu gewährleisten.

Soweit der Beklagte unter Berufung auf die Ausführungen von Söhn in seinem Aufsatz StuW 2005, 109 ff. darauf hinweist, dass das Korrespondenzprinzip einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Individualbesteuerung widerspreche, ändert diese Auffassung nichts an der hier vorliegenden Meinung des Senats. Es ist zwar richtig, dass das Einkommensteuerecht kein allgemeines Korrespondenzprinzip kennt, demzufolge der Empfänger einer Leistung nicht zu versteuern braucht, was der Geber nicht abziehen darf, und - umgekehrt - der Empfänger versteuern muss, was der Leistende von der Besteuerung abziehen darf. Denn eine derart unbedingte wechselseitige Abhängigkeit wäre mit dem Grundsatz der Individualbesteuerung unvereinbar (BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597). Der Gesetzgeber hat aber eine vom Grundsatz der Individualbesteuerung abweichende Korrespondenz gerade in § 10 Abs. 1 Nr.1 und § 22 Nr. 1a EStG geregelt, die vor dem Hintergrund seiner Einführung auch nicht unbeachtet bleiben darf. Er wollte den Wegfall des Ehegattensplittings abmildern, da die Auflösung der Ehe zu einem tiefgreifenden Wechsel der gesamten Lebensverhältnisse und im Regelfall auch zu einer Vermögensumschichtung führe (BT-Drucks. 8/2118 S. 62). Durch die Einführung des Realsplittings kann damit der Transfer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit durch zwangsläufige Unterhaltsleistungen sachgerecht berücksichtigt werden. Eine umfassende sachgerechte Berücksichtigung ist aber nach Auffassung des Senats nur dann gewährleistet, wenn es für die Besteuerung auf der Seite des Leistungsempfängers nicht nur auf die Möglichkeit zum Sonderausgabenabzug ankommt, sondern auf den beim Verpflichteten tatsächlichen steuermindernden Sonderausgabenabzug.

Der Klage war daher stattzugeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Übertragung der Betragberechnung auf den Beklagten folgt aus § 100 Abs. 2 FGO.

4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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