Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 12.05.2006
Aktenzeichen: 14 K 4247/03
Rechtsgebiete: AO, GmbHG, BGB


Vorschriften:

AO § 34 Abs. 1
AO § 37 Abs. 1
AO § 69 S. 1
AO § 191 Abs. 1 S. 1
GmbHG § 35 Abs. 1
GmbHG § 64
BGB § 823 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

14 K 4247/03

Tenor:

Der Haftungsbescheid vom 26.08.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2003 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger als Geschäftsführer für Umsatzsteuerschulden der Firma Q GmbH (nachfolgend GmbH) haftet.

Gegenstand der mit Gesellschaftsvertrag vom 03.07.1991 gegründeten GmbH waren die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von elektronischen und sonstigen elektronischen Geräten sowie alle artverwandten Geschäfte, die dem Gesellschaftszweck dienlich sind. An der GmbH waren zuletzt der Kläger, die Firma T GmbH und ein Herr C beteiligt. Geschäftsführer der GmbH war zuletzt der Geschäftsführer der Firma T GmbH, ein Herr D T.

Der Kläger hatte sein Amt als Geschäftsführer durch notariell beglaubigte Erklärung vom 18.08.1999 mit Wirkung zum Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister niedergelegt. Nachdem es am folgenden Tag zu einer Auseinandersetzung mit dem Mitgeschäftsführer T gekommen war, erklärte der Kläger diesem gegenüber die sofortige Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer. Die Erklärung wurde im Anschluss an die Auseinandersetzung schriftlich fixiert und am 20.08.1999 sowohl Herrn T in seiner Funktion als Geschäftsführer der Firma T GmbH als auch Herrn C persönlich übergeben. Die Eintragung der Amtsniederlegung in das Handelsregister erfolgte am 15.10.1999.

Die GmbH stellte Ende Januar 2000 den Geschäftsbetrieb ein. Bereits am 06.01.2000 war erstmals durch einen der Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beantragt worden. Mit Beschluss vom 05.05.2000 - ... - eröffnete das Amtsgericht L das Insolvenzverfahren gegen die GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren wegen verspäteter Insolvenzanmeldung wurde am 15.04.2002 gemäß § 153 Strafprozessordnung eingestellt.

Der GmbH war für die Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen Dauerfristverlängerung von einem Monat gewährt worden. Für den Monat 07/1999 reichte die GmbH am 22.09.1999 die Umsatzsteuer-Voranmeldung ein. Aus der Voranmeldung ergaben sich folgende Umsätze, Vorsteuer- und Steuerbeträge:

 Zeitraum Umsätze Vorsteuer USt-VZ
 DM DM DM
07/1999486.61229.077,0648.551,07

Die Umsatzsteuer-Vorauszahlung 07/1999 wurde in Höhe von 29.664,17 DM getilgt. In der Summe ergab sich für 07/1999 ein rückständiger Betrag von 18.886,90 DM (9.656,72 EUR).

Im Rahmen des Insolvenzverfahrens der GmbH übersandte der Beklagte dem Insolvenzverwalter am 23.06.2000 eine Umsatzsteuerberechnung für das Kalenderjahr 1999 als Grundlage für die Anmeldung zum Forderungsverzeichnis. Dabei hatte er eine Erhöhung um die nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) rückgängig gemachten Vorsteuerbeträge i.H.v. 134.344,-- DM vorgenommen.

Mit Haftungsbescheid vom 26.08.2002 nahm der Beklagte den Kläger neben dem Mitgeschäftsführer T für Umsatzsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 23.067,95 EUR nach § 191 i.V.m. §§ 34, 69 AO in Haftung. Die der Haftung zugrunde liegenden Steuerschulden gliederten sich wie folgt auf:

 Steuerart/-abschnittfällig amBetragSäumniszuschläge
  EUREUR
Umsatzsteuer 07/199922.09.19999.656,72 EUR1.443,35 EUR
Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 07/199918.10.19992.280,36 EUR 
Umsatzsteuer 05/1999 1.151,94 EUR 
Umsatzsteuer 06/1999 63,91 EUR 
Vorsteuerkorrektur laut Umsatzsteuerberechnung Haftungsrechtlich zuzuordnen der Umsatzsteuer 07/1999 Umsatzsteuer 06/1999 8.471,67 EUR 
Summe: 21.624,60 EUR1.443.35 EUR

Zur Begründung des Haftungsbescheides führte der Beklagte aus, dass der Kläger bis zur Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer am 20.08.1999 verpflichtet gewesen sei, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen. Dies sei nicht geschehen. Denn der Kläger habe seine Mittelvorsorgepflicht grob fahrlässig verletzt, weil er die Geschäfte der GmbH fortgeführt habe, obwohl diese überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei. Wer wisse, dass er keine Zahlungsmittel mehr habe oder Verbindlichkeiten eingehe, die er nicht werde begleichen können, müsse für den Schaden, der durch die weitere Geschäftstätigkeit entstehe, in vollem Umfang einstehen. Der Geschäftsführer einer GmbH, der trotz Kenntnis der Insolvenzreife der Gesellschaft deren Geschäfte weiter betreibe, könne dem Risiko einer Haftungsinanspruchnahme nur dann entgehen, wenn er die aus diesen Geschäften resultierenden Steuern bezahle (Hinweis auf Bundesfinanzhof - BFH - in BFH/NV 1997, 7). Bei der GmbH müsse davon ausgegangen werden, dass sie spätestens seit Ende April 1999 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei.

Für die Umsatzsteuer, die aus den trotz vorliegender Insolvenzreife im Zeitraum Mai bis Juli 1999 geführten Geschäften resultiere, hafte der Kläger in voller Höhe, da er durch die Fortführung der Geschäfte ohne Vorhandensein ausreichender Mittel seine Pflicht zur Mittelvorsorge zumindest grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich verletzt habe. Die Kausalität der Pflichtverletzung für den Steuerausfall (Haftungsschaden) ergebe sich daraus, dass bei der im Fall der Insolvenzreife grundsätzlich gebotenen Einstellung jeder weiteren Geschäftstätigkeit die betreffenden Umsatzsteuerrückstände nicht entstanden wären. Jedenfalls sei die Fortführung der Geschäfte ohne Sicherstellung der zur Tilgung aus den Geschäften resultierenden Steuern erfolgt und damit ursächlich für den eingetretenen Steuerausfall. Im Juli 1999 habe die GmbH Umsätze in Höhe von 486.612,-- DM mit einer daraus resultierenden Umsatzsteuer von 77.857,92 DM erzielt. Nach Abzug bereits geleisteter Zahlungen in Höhe von 29.664,17 DM verbleibe ein rückständiger Betrag von 48.193,75 DM. Hierfür, so der Beklagte, hafte der Kläger in voller Höhe.

Daneben hafte der Kläger für den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 07/999 in Höhe von 2.280,36 EUR.

Des Weiteren hafte der Kläger für die aus den innergemeinschaftlichen Lieferungen der Monate Mai und Juni resultierenden Umsatzsteuern in Höhe von insgesamt 1.215,85 EUR.

Die bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung 07/1999 berücksichtigten Vorsteuerbeträge seien zu korrigieren gewesen, da der Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft ab dem Zeitpunkt der Insolvenzreife nicht mehr berechtigt sei, Vorsteuern für empfangene Leistungen in Abzug zu bringen, soweit die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht umgehend getilgt würden. Für geltend gemachte Vorsteuern aus Rechnungen nach Insolvenzreife, die bis Insolvenzeröffnung nicht beglichen worden seien, hafte der Geschäftsführer im Rahmen der im Fall der Insolvenzreife bestehenden erhöhten Mittelvorsorgepflicht. Der Steuerschaden liege darin, dass der Leistende seine Umsatzsteuerschuld wegen Forderungsausfalls berichtigen könne, während die Umsatzsteuerschuld des insolventen Leistungsempfängers gemindert worden und die steuerschulderhöhende Korrektur nicht mehr realisierbar sei. Die Pflichtverletzung sei auch ursächlich für den dem Fiskus entstandenen Schaden, denn der Schaden wäre nicht entstanden, wenn das entsprechende Geschäft unterlassen worden wäre. Es sei Sache des potentiellen Haftungsschuldners, nachzuweisen, welche Schulden getilgt worden seien. Zur Begründung des Haftungsbetrages von 8.471,67 EUR führte der Beklagte aus, dass in den Voranmeldungszeiträumen von August 1999 bis zur Insolvenzeröffnung Vorsteuern in Höhe von insgesamt 117.774,85 DM geltend gemacht worden seien. In Anbetracht dessen sei davon auszugehen, dass von dem in der Umsatzsteuerberechnung 1999 rückgängig gemachten Vorsteuerabzug in Höhe von 134.344,-- DM auf den Haftungszeitraum Mai bis Juli 1999 ein Betrag von 16.569,14 DM (8.471,67 EUR) entfalle. Dieser Betrag, der die Obergrenze für die Haftung darstelle, werde aus Vereinfachungsgründen dem Monat Juli 1999 zugeordnet, in dem ursprünglich Vorsteuern von 29.077,06 DM erklärt worden seien.

Der Einspruch, mit dem der Kläger bezüglich der Inanspruchnahme für die Umsatzsteuer-Vorauszahlung Juli 1999 vor allem geltend machte, dass der Anspruch erst nach seiner Amtsniederlegung fällig geworden sei, führte zu einer Herabsetzung der Haftungssumme betreffend der in der Umsatzsteuerberechnung 1999 für die innergemeinschaftlichen Lieferungen enthaltenen Beträge von 1.151,94 EUR bzw. 63,91 EUR (insgesamt 1.215,85 EUR) und betreffend des Verspätungszuschlages in Höhe von 2.280,36 EUR durch die Einspruchsentscheidung vom 18.07.2003. Ergänzend stützte der Beklagte den Haftungsanspruch auf eine Haftung wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht gemäß § 191 AO i.V.m. §§ 64 GmbHG, 823 BGB. § 64 Abs. 1 GmbHG räume den Neugläubigern nach der Rechtsprechung des BGH einen Schadensersatzanspruch gegen die Geschäftsführer in voller Höhe bei Verletzung der Insolvenzantragspflicht ein.

Mit der am 06.08.2003 beim Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger in vollem Umfang gegen den Haftungsbescheid. Er weist im Wesentlichen darauf hin, dass die Mittelverwaltungspflicht keine erhöhte Mittelvorsorgepflicht sei, wie vom Beklagten vertreten werde, sondern sich nur auf die sachgerechte Verwendung der vom Geschäftsführer verwalteten Mittel beziehe. Die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass aus den verwalteten Mitteln auch die - zukünftig fällig werdenden - Steueransprüche beglichen werden können, werde nicht allein dadurch verletzt, dass im Falle einer Unternehmenskrise noch Geschäfte getätigt werden, die Umsatzsteuer auslösen, die dann zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr beglichen werden könne. Eine Verletzung der Mittelverwaltungspflicht werde nur dann bejaht, wenn sich der gesetzliche Vertreter durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder etwa durch Entnahme liquider Mittel außerstande setze, die Steuerschulden zu tilgen (Hinweis auf BFH in Bundessteuerblatt - BStBl - II 1984, 776; in BFH/NV 1997, 728; in BStBl II 2003, 337). Der BFH führe in aller Deutlichkeit aus, dass der Geschäftsführer in seiner unternehmerischen Disposition auch in Krisenzeiten frei bleibe und nicht verpflichtet sei, von Geschäften Abstand zu nehmen, weil diese Umsatzsteuer auslösen, die voraussichtlich nicht beglichen werden können (Hinweis auf BFH in BStBl II 2003, 337). Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass bereits bei Geschäftsabschluss für ihn ersichtlich gewesen sei, dass bis zum Fälligkeitszeitpunkt der Umsatzsteuer keine Zahlungseingänge zu erwarten gewesen seien, mit denen später fällige Umsatzsteuern hätten bezahlt werden können. Er habe sich nicht durch schuldhaftes Verhalten außerstande gesetzt, später fällig werdende Steuern zu begleichen. Des Weiteren spreche die am 10.08.1999 beschlossene Erhöhung des Stammkapitals um 200.000 DM gegen eine Pflichtverletzung, da die Steuerschulden dann zum Fälligkeitszeitpunkt hätten gezahlt werden können. Dass die Kapitalerhöhung nicht durchgeführt worden sei, sei allein dem Geschäftsführer T anzulasten. Hinsichtlich der Haftung für die später korrigierten Vorsteuerabzugsbeträge sei anzumerken, dass die Korrekturen die Voranmeldungszeiträume Juli bis Dezember 1999 beträfen, und dass er für den Inhalt dieser Voranmeldungen, die erst nach Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer am 20.08.1999 hätten abgegeben werden müssen, nicht mehr verantwortlich gewesen sei. Die Haftung könne im Übrigen auch nicht über den Umweg einer Haftung wegen angeblicher Insolvenzverschleppung begründet werden. Zunächst habe der beweispflichtige Beklagte nicht dargelegt, dass eine Insolvenzverschleppung vorgelegen habe. Darüber hinaus sei die Pflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags keine steuerliche, sondern eine zivilrechtliche Pflicht. Der Haftungsbescheid sei jedoch ausdrücklich auf die Verletzung der vermeintlichen steuerlichen Mittelvorsorgepflicht gestützt worden. Dass der Beklagte den Haftungsbescheid nun auf eine Pflichtverletzung aus dem gesellschafts- bzw. insolvenzrechtlichen Bereich stütze, sei eine unzulässige Wesensänderung. Darüber hinaus verkenne der Beklagte, dass sich auf die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers bei einer Insolvenzverschleppung nur die vertraglichen Neugläubiger berufen können und nicht Gläubiger, deren Anspruch auf einem gesetzlichen oder öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis beruhe. So führe der BGH explizit in seiner Grundsatzentscheidung vom 06.06.1994 (in Deutsches Steuerrecht - DStR - 1994, 1054) aus, dass der Schaden ersetzt werden solle, der den vertraglichen Neugläubigern dadurch entstehe, dass sie bereits im Zeitpunkt des Vertrages mit der schon insolvenzreifen GmbH einen nicht werthaltigen Gegenanspruch erlangen und im Vertrauen auf die Solvenz der Gesellschaft Leistungen erbringen, die am Ende nicht vergütet werden (Hinweis auf BGH-Urteile vom 08.03.1999 in DStR 1999, 988 ; vom 07.07.2003 in DStR 2003, 1672 ). Von diesem Schutzzweck der zivilrechtlichen Insolvenzverschleppungshaftung werde der Fiskus nicht erfasst. Selbst dann, wenn man mit dem Beklagten davon ausgehe, dass eine Insolvenzverschleppung vorgelegen habe und dass die zivilrechtliche Haftung auch auf gesetzlich begründete Beziehungen eines Gläubigers zu der Gesellschaft Anwendung finde, scheitere eine Haftung daran, dass der Beklagte keinen im Rahmen von §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 823 Abs. 2 BGB ersatzfähigen Schaden erlitten habe. Ersetzt werden müsse im Rahmen dieser Haftung nur das negative Interesse (Hinweis auf BGH-Urteile in DStR 1999, 988 ; in DStR 2003, 1672 ). Der Beklage mache mit dem Haftungsbescheid jedoch das positive Interesse geltend. Bei Zugrundelegung der Auffassung des Beklagten, dass bereits im April 1999 Insolvenzreife vorgelegen und die Geschäftstätigkeit habe eingestellt werden müssen, wären die Steuerschulden für die Voranmeldungszeiträume Juni und Juli 1999 nicht entstanden, dem Beklagten wären also ebenfalls keine Mittel zugeflossen.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 26.08.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2003 aufzuheben,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte macht keine Bedenken gegen die Annahme geltend, dass der Kläger sein Amt als Geschäftsführer am 20.08.1999 wirksam niedergelegt habe. Im übrigen hält er der Klage weiterhin entgegen, der Kläger sei seiner Pflicht zur Mittelvorsorge nicht nachgekommen, da er in Kenntnis der Insolvenzreife der GmbH die Geschäftstätigkeit fortgeführt und neue Umsatzsteuerschulden begründet habe. Der vollen Haftung wegen Verletzung der Mittelvorsorgepflicht stünden die Urteile des BFH vom 25.4.1995 (in BFH/NV 1996, 97), vom 28.11.2002 (in BStBl II 2003, 337) und vom 16.12.2003 (in BStBl II 2005, 249) nicht entgegen. Zwar habe der BFH ausgeführt, dass die Verletzung von gesellschafts- oder insolvenzrechtlichen Regeln eine Haftung nach §§ 34, 69 AO nicht begründen könne. Das bedeute allerdings nicht, dass konkursrechtliche Regelungen keinen Einfluss auf den Umfang der steuerlichen Haftung hätten. So leite der BFH selbst aus dem Konkursrecht die Höhe des Haftungsschadens her, wenn er im Urteil vom 28.11.2002 für den Haftungsschaden auf die Konkursquote abstelle, die in aller Regel einen Zeitraum betreffe, der weit über den eigentlichen Haftungszeitraum hinausgehe. Die Entscheidungen des BFH zur anteiligen Tilgung ließen die Rechtsprechung des BGH zu § 64 GmbHG außer Betracht wie etwa die volle Haftung für Schulden gegenüber vertraglichen Neugläubigern bei Konkursverschleppung (BGH-Urteil in DStR 1994, 1954). Nachdem der BGH inzwischen die gesetzlichen Gläubiger den Gläubigern vertraglicher Ansprüche gleichgestellt habe (BGH-Urteil in DStR 2003, 747 ), bestehe für die Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung in den Fällen der Insolvenzverschleppung kein Raum mehr. Die Entscheidungen des BFH zur Dispositionsfreiheit des Geschäftsführers hätten im Übrigen nur Fälle betroffen, in denen das Konkursverfahren bereits eröffnet gewesen (BFH-Urteil in BStBl II 2003, 337), der Konkurs mangels Masse abgelehnt worden (BFH-Urteil in BStBl II 2005, 249), es um die Rangfolge bei der Befriedigung von Konkursforderungen (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 97) gegangen sei, so dass für den BFH keine Veranlassung bestanden habe, sich näher mit der Rechtsprechung des BGH zu befassen. Im Falle der Insolvenzreife sei es gerechtfertigt, den für den Schuldner handelnden Personen das volle Haftungsrisiko für die Nichtzahlung neu entstehender Steueransprüche aufzuerlegen. So habe der BFH bereits mit Urteil vom 21.06.1994 (in BStBl II 1995, 230) zu § 14 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) entschieden, dass die Haftung des Konkursverwalters wegen für ihn erkennbarer Masseunzulänglichkeit trotz fehlender Zahlungsmittel nicht ausgeschlossen sei. Dem sei die Erkennbarkeit der Insolvenzreife durch den Geschäftsführer gleichzusetzen. Im Urteil vom 26.04.1984 (in BStBl II 1984, 776) habe der BFH die Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung auf den Zeitraum bis zum Eintritt der Verpflichtung, die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen, beschränkt. Die Feststellung, dass bei Insolvenzreife der Zeitraum der anteiligen Tilgung ende, und die Aussage, dass nach Insolvenzreife keine Zahlungen mehr geleistet werden dürften, rechtfertige weder den Schluss, dass der Geschäftsführer hinsichtlich neu entstehender Steueransprüche nur anteilig hafte, noch den, dass für ihn überhaupt keine Haftung in Betracht komme. Die Urteile vom 28.11.2002 (in BStBl II 2003, 337) und vom 16.12.2003 (in BStBl II 2005, 249) seien daher unter dem Vorbehalt der rechtzeitigen Erfüllung der Insolvenzantragspflichten zu sehen.

Hinsichtlich der Haftung nach § 191 AO i.V.m. §§ 64, GmbHG, 823 BGB führt der Beklagte an, dass die Rechtsprechung des BGH (in DStR 1999, 988 ; in DStR 2003, 1672 ) einer Haftung nicht entgegenstehe. Zum Einen sei es dort um die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen gegangen, für die das Vorliegen eines äquivalenten Schadens in Form von künftigen Rentenzahlungen oder Alternativbeiträgen verneint worden sei. Darüber hinaus lasse sich die Aussage, dass der öffentlich-rechtliche Gläubiger wegen des gesetzlichen Charakters seiner Forderung anders zu behandeln sei als der vertragliche Gläubiger, nach den neueren Erkenntnissen des BGH nicht mehr aufrecht erhalten. Die Insolvenzverschleppung sei ursächlich für den eingetretenen Schaden (negatives Interesse), der in dem Vorsteuerabzug bei den Rechnungsempfängern zu sehen sei, bzw. darin, dass bei der GmbH eine Vorsteuerkorrektur nicht realisierbar sei, die betroffenen Unternehmen ihren Forderungsausfall aber steuermindernd berücksichtigen könnten. Bei rechtzeitiger Insolvenzanmeldung hätte kurzfristig mit einer Insolvenzeröffnung gerechnet werden können, so dass voll aus der Masse zu bedienende Steuerforderungen entstanden wären oder die GmbH bei Ablehnung der Eröffnung des Konkurses mangels Masse aus dem Geschäftsverkehr entfernt worden wäre.

Ergänzend stützt der Beklagte den Haftungsanspruch nunmehr zusätzlich auf eine Haftung wegen sittenwidriger Schädigung nach § 191 AO i.V.m. §§ 64 GmbHG, 826 BGB, weil der Kläger den Insolvenzantrag schuldhaft verzögert und die daraus entstehende Schädigung des Fiskus zumindest billigend in Kauf genommen habe (Hinweis auf Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in Der Betrieb 2002, 1011). Für das Vertrauen, eine Insolvenz vermeiden zu können, habe spätestens seit Ende April 1999 keine Grundlage mehr bestanden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Haftungsbescheid 26.08.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

I. Der Beklagte hat den Kläger zu Unrecht für die Umsatzsteuervorauszahlung 07/1999 (zzgl. Säumniszuschlägen) und die Vorsteuerbeträge für diesen Monat in Anspruch genommen. Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Nach § 69 Satz 1 AO haften die in § 34 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge (§ 69 Satz 2 AO). Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind nach § 37 Abs. 1 AO unter anderem der Steueranspruch, der Haftungsanspruch sowie der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung. Nach § 34 Abs. 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Gesetzliche Vertreter einer GmbH sind nach § 35 Abs. 1 GmbHG der oder die Geschäftsführer.

Im Streitfall kann die Haftung nicht auf § 191 AO i.V.m. §§ 34, 69 AO gestützt werden, da der Kläger den geltend gemachten Haftungsschaden nicht durch eine zumindest grob fahrlässige Verletzung steuerlicher Pflichten verursacht hat.

1. Eine Verletzung der Zahlungspflicht bezüglich der Umsatzsteuer 07/1999 in Höhe von 9.656,72 EUR liegt nicht vor. Für den Monat 07/1999 war die Umsatzsteuer-Vorauszahlung unter Berücksichtigung der gewährten Dauerfristverlängerung am 10.09.1999 fällig (s. § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 UStDV). Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger nicht mehr Geschäftsführer der GmbH, so dass ihm die Nichtzahlung auch nicht als schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Er hatte sein Amt als Geschäftsführer - wovon auch der Beklagte im Haftungsbescheid ausgegangen ist - am 20.08.1999 wirksam niedergelegt. Es ist allgemein anerkannt, dass das Organschaftsverhältnis auch durch einseitige Erklärung des Geschäftsführers beendet werden kann. Die Niederlegung des Amtes als Geschäftsführer ist gegenüber dem für die Bestellung zuständigen Organ der Gesellschaft, in der Regel also gegenüber der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) zu erklären. Der Zugang der Erklärung ist unproblematisch, wenn diese gegenüber allen Gesellschaftern erfolgt oder doch jedenfalls allen nachrichtlich übersandt wird (Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 03.06.2005 I-3 Wx 118/05, Der Betrieb 2005, 1451). Im Streitfall hatte der Kläger die Amtsniederlegung am 19.08.1999 gegenüber dem Mitgeschäftsführer T erklärt und die beiden Mitgesellschafter, die T GmbH und Herrn C, am 20.08.1999 schriftlich benachrichtigt. Die Amtsniederlegung ist damit allen Gesellschaftern zur Kenntnis gelangt. Ob die Amtsniederlegung durch wichtige Gründe gerechtfertigt war, ist unerheblich (vgl. BGH-Urteil vom 8.2.1993 II ZR 58/92, DStR 1993, 485).

Die vorangegangenen Ausführungen gelten entsprechen, soweit sich der angefochtene Haftungsbescheid auf die spätere Vorsteuerkorrektur in Höhe eines Gesamtbetrages von 8.471,67 EUR erstreckt, die der Beklagte dem Monat 07/1999 zugeordnet hat. Selbst wenn möglicherweise eine Verletzung der Erklärungspflicht vorgelegen hätte, war schon objektiv eine Pflichtverletzung des Klägers nicht gegeben, da die Umsatzsteuer-Voranmeldung 07/1999 im Hinblick auf die gewährte Dauerfristverlängerung erst am 10.09.1999 abzugeben war (s. § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 UStDV). Zu diesem Zeitpunkt hatte er sein Amt als Geschäftsführer bereits niedergelegt. Überdies entfällt der Betrag von 8.471,67 EUR auf den Zeitraum Mai bis Juli 1999 und wurde, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, nur aus Vereinfachungsgründen dem Monat Juli zugeordnet. Da nicht erkennbar ist, wie hoch der Haftungsbetrag für den Voranmeldungs- bzw. Vorauszahlungszeitraum Juli tatsächlich ist, wäre der Haftungsbescheid auch unter diesem Gesichtspunkt rechtswidrig. Eine Schätzung des auf diesen Monat entfallenden Betrages war nicht erforderlich, da eine Haftung des Klägers ohnehin nicht in Betracht kam.

2. Eine Verletzung der Zahlungspflicht des Klägers bezüglich der Umsatzsteuer 07/1999 kann auch nicht unter dem Aspekt der Mittelvorsorge begründet werden. Zwar schließt die gesetzliche Verpflichtung, die Verpflichtungen aus dem Steuerschuldverhältnis rechtzeitig zu erfüllen (vgl. § 69 Satz 1 AO), auch die Verpflichtung ein, die erforderlichen Zahlungsmittel zum Fälligkeitszeitpunkt bereitzustellen. Soweit dem gesetzlichen Vertreter steuerliche Pflichten bereits vor der Fälligkeit der Steuer obliegen, beziehen sich diese indes auf die zukünftige Erfüllung der Ansprüche des Fiskus, nicht auf die Begründung solcher Ansprüche (BFH-Urteile vom 28.11.2002 VII R 41/01, BStBl II 2003, 337;vom 16.12.2003 VII R 77/00, BStBl II 2005, 249). Erst recht traf den Kläger keine Mittelvorsorgepflicht im Hinblick auf später rückgängig gemachte Vorsteuerbeträge für 07/1999.

Aus den beiden genannten Entscheidungen folgt ganz eindeutig, dass eine Haftung des Geschäftsführers nicht damit begründet werden kann, er habe aufgrund seiner Mittelvorsorgepflicht zu einem früheren Zeitpunkt den Geschäftsbetrieb einstellen bzw. die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragen müssen, mit der Folge, dass die konkrete Steuerschuld erst gar nicht entstanden wäre. Der gesetzliche Vertreter bleibt vielmehr auch in Zeiten der Krise in seinen unternehmerischen Dispositionen und in der Vertragsgestaltung frei. Eine die Haftung nach § 191 i.V.m. §§ 34, 69 AO begründende Pflichtverletzung liegt selbst dann nicht stets vor, wenn ein Vermögensverwalter - wie der Konkursverwalter bzw. der Liquidator in den beiden Urteilsfällen - für einen Grundstücksumsatz auf die Umsatzsteuerfreiheit verzichtet (§ 4 Nr. 9 Buchst. a i.V.m. § 9 UStG), obwohl er weiß, dass er infolge nicht ausreichender Zahlungsmittel die daraus resultierende Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt entrichten kann. Der BFH hat ausdrücklich klargestellt, dass ebenso wie der Geschäftsführer in Zeiten der Krise unbeschadet gesellschafts- und/oder insolvenzrechtlicher Regelungen, deren Verletzung eine steuerliche Haftung nicht begründen können, nicht verpflichtet ist, von Geschäften Abstand zu nehmen, weil diese Umsatzsteuer auslösen, die voraussichtlich nicht beglichen werden kann, es auch dem Vermögensverwalter grundsätzlich nicht verwehrt werden kann, in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft in den Grenzen der gesetzlichen Regelungen steuerliche Gestaltungsrechte wie eine Option nach § 9 UStG auszuüben (BFH-Urteil in BStBl II 2003, 337).

Der Vorwurf einer Mittelvorsorgepflichtverletzung kann dem Geschäftsführer nur im Zusammenhang mit der Erfüllung der Steuerschuld gemacht werden, d. h. insbesondere dann, wenn er - wie der Konkursverwalter bzw. der Liquidator in den beiden Urteilsfällen - eine Vertragsgestaltung wählt, die ihm die Begleichung der Umsatzsteuer unmöglich macht, während bei einer anderen, rechtlich möglichen und zumutbaren Gestaltung die Steuer hätte entrichtet werden können. In den beiden Urteilsfällen hat der BFH eine haftungsbegründende Pflichtverletzung darin gesehen, dass der Vermögensverwalter, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre, nicht durch eine Nettokaufpreisvereinbarung mit der absonderungsberechtigten Bank dafür Sorge getragen hat, dass die GmbH über den der Umsatzsteuer entsprechenden Anteil des vom Erwerber gezahlten Kaufpreises verfügen konnte. Auf diese Weise gelangte er zu einer Haftung des Vermögensverwalters für die Umsatzsteuer, die allerdings nach Maßgabe der konkursrechtlichen Bestimmungen der Höhe nach gemindert war. In einem solchen Fall ist der maßgebliche Grund für den Steuerausfall nicht die Begründung einer Steuerschuld, sondern der Umstand, dass sich der Vermögensverwalter durch sonstige Maßnahmen außerstande gesetzt hat, die Steuer im Fälligkeitszeitpunkt zu begleichen. Im Streitfall ist ein solches Verhalten des Klägers jedoch nicht erkennbar.

Die im BGH-Urteil vom 06.06.1994 (II ZR 292/91, DStR 1994, 1054) entwickelten Grundsätze zur Haftung des Geschäftsführers einer GmbH gegenüber vertraglichen Neugläubigern gemäß §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 823 Abs. 2 BGB sind auf den Bereich der Haftung für Umsatzsteuerschulden nicht übertragbar. Nach Auffassung des BGH sollen durch die Vorschrift des § 64 Abs. 1 GmbHG, nach der der Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet ist, im Falle der Insolvenz der Gesellschaft, unverzüglich, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, Insolvenzantrag zu stellen, Dritte davor bewahrt werden, mit einer insolvenzreifen Gesellschaft in Geschäftsbeziehungen zu treten, und einen Schaden dadurch zu erleiden, dass diese die eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllen kann. Diese Gläubiger werden als sog. Neugläubiger dadurch geschützt, dass sie ihre auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzansprüche, soweit diese nicht durch die Insolvenzquote gedeckt sind, gegen den Geschäftsführer verfolgen dürfen. Im Bereich der Haftung für Umsatzsteuerschulden geht es jedoch um kraft Gesetzes entstandene Zahlungspflichten. Ob es eine Konkursverschleppungshaftung auch für gesetzliche Ansprüche gibt, ist - entgegen der Annahme des Beklagten - durch den BGH noch nicht entschieden (vgl. BGH-Urteil vom 07.07.2003 II ZR 241/02, DStR 2003, 1672).

Selbst wenn man mit dem Beklagten annehmen wollte, dass sich die Insolvenzverschleppungshaftung nach ihrem Sinn und Zweck auch auf gesetzlich begründete Beziehungen eines Gläubigers zu einer insolvenzreifen GmbH erstrecken kann, käme eine entsprechende Anwendung des § 64 Abs. 1 GmbHG im Bereich der Haftung für Umsatzsteuerschulden nicht in Betracht. Denn die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers ist keine steuerliche Pflicht im Sinne des § 69 AO, es handelt sich um eine allgemeine handelsrechtliche Pflicht des Geschäftsführers der GmbH. Die Verletzung einer handelsrechtlichen Pflicht kann aber eine Haftung nach §§ 34, 69 AO nicht begründen, noch kann sie deren Umfang in irgendeiner Weise beeinflussen (vgl. BFH-Urteil vom 25.5.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97; BFH-Urteil in BStBl II 2003, 337).

3. Bestehen schon im Hinblick auf die nicht mehr fortbestehende Dispositionsbefugnis des Klägers als Geschäftsführer Bedenken dagegen, eine schuldhafte Verletzung der Zahlungspflicht durch eine Verletzung der Mittelvorsorgepflicht anzunehmen, scheidet eine schuldhafte Pflichtverletzung für den Monat 07/1999 jedenfalls deshalb aus, weil eine entsprechende Pflichtverletzung nicht kausal für den eingetretenen Haftungsschaden durch Ausfall der entsprechenden Umsatzsteuer gewesen wäre. Denn selbst wenn der Kläger die entsprechenden Mittel für die Zahlung dieser Umsatzsteuerbeträge bereitgestellt hätte, wäre er wegen der zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr bestehenden Verfügungsberechtigung nicht mehr berechtigt gewesen, entsprechende Zahlungen an den Beklagten zu leisten.

4. Selbst wenn eine objektive Verletzung der Zahlungspflicht angenommen würde, träfe den Kläger im Übrigen nur ein eingeschränktes Verschulden an der Nichtzahlung. Denn der Kläger wäre nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung angesichts der zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichenden Geldmittel nur verpflichtet gewesen, den Fiskus in gleichem Maße wie die übrigen Gläubiger zu befriedigen (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteil in BStBl II 2005, 249). Im Streitfall hat der Beklagte in der Einspruchsentscheidung eine Haftungsquote von 40,07 % ermittelt. Der sich daraus ergebende Haftungsbetrag hätte ausgehend von einem Umsatzsteuerbetrag für 11/1995 von 18.000 DM lediglich 7.212,60 DM betragen. Da der Konkursverwalter vor Ergehen der Einspruchsentscheidung einen Betrag von 5.141,55 DM gezahlt hat, wäre noch ein Betrag von 2.071,25 DM offen.

Entgegen der Ansicht des Beklagten gibt es keinen Grundsatz des Inhalts, dass für Zeiten, in denen trotz Insolvenzreife die Geschäfte fortgeführt werden, der Grundsatz der anteiligen Tilgung nicht gilt und stattdessen stets eine Vollhaftung für Umsatzsteuer eingreift. Zwar gilt der Gedanke der anteiligen Tilgung grundsätzlich nicht, wenn der gesetzliche Vertreter seine Mittelvorsorgepflicht verletzt. Wie bereits ausgeführt, liegt eine Verletzung der Mittelvorsorgepflicht aber nicht vor, wenn der Vertreter die Geschäfte der Gesellschaft fortführt, obwohl Liquiditätsprobleme bestehen, die später zur Insolvenz führen. Selbst in den beiden oben genannten Entscheidungen (BFH-Urteile in BStBl II 2003, 337 und in BStBl II 2005, 249), in denen der BFH eine haftungsrelevante Pflichtverletzung darin gesehen hat, dass der Konkursverwalter bzw. der Liquidator den der Umsatzsteuer entsprechenden Teil des Kaufpreises nicht der Masse hat zukommen lassen, führte dies nicht zu einer uneingeschränkten Haftung, vielmehr war die Haftung - entsprechend dem Grundsatz der anteiligen Tilgung - auf die Konkursquote beschränkt. Daraus folgt, dass die Fälle, in denen die Rechtsprechung abweichend von dem Grundsatz der Quotenhaftung die Vollhaftung angenommen hat, besonders gelagerte Ausnahmefälle sind, in denen die Vollhaftung allein auf den besonderen Umständen beruht (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2005, 249 unter besonderer Erwähnung des Vollhaftungsfalls des BFH-Urteils vom 05.02.1985 VII R 124/80, BFH/NV 1987, 2).

Nichts anderes gilt für die übrigen vom Beklagten erwähnten Entscheidungen des BFH. So betrifft das BFH-Urteil vom 09.01.1997 VII R 51/96 (BFH/NV 1997, 324) die Haftung eines Liquidators für Umsatzsteuer bei Ausübung der Umsatzsteueroption trotz fehlender Mittel und gleichzeitigem Vorsteuerabzug für sich persönlich, also einen Fall der Eigenbegünstigung. DasUrteil vom 21.06.1994 VII R 34/92 (BStBl II 1995, 230) betrifft die Haftung eines Konkursverwalters für offen ausgewiesene Umsatzsteuer trotz fehlender Mittel und fehlender Berechtigung zum Steuerausweis (§ 14 Abs. 3 Satz 2 UStG). Für einen daraus dem Steuergläubiger entstehenden Schaden haftet der Konkursverwalter uneingeschränkt; der haftungsbegrenzende Grundsatz der anteiligen Tilgung kommt ihm unter diesen Umständen nicht zugute. Denn hier hat der unberechtigte Ausweis der Umsatzsteuer zur Entstehung der Steuerschuld geführt, während in den Fällen der Konkursverschleppung wie auch in den Optionsfällen ein pflichtwidriges Verhalten im Zusammenhang mit der Entstehung der Steuerschuld nicht erkennbar ist, so dass es - eine Haftung dem Grunde nach unterstellt - bei dem Grundsatz der Quotenhaftung verbliebe.

Dem BFH-Urteil vom 26.04.1984 V R 128/79 (BStBl II 1984, 776) ist - entgegen der Ansicht des Beklagten - nichts anderes zu entnehmen. Der BFH führt in dem Urteil aus, dass bei Fehlen ausreichender Mittel für den Zeitraum bis zum Eintritt der Verpflichtung, die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen, vom Geschäftsführer nur eine angemessene Tilgung der Umsatzsteuerschulden verlangt werden könne. Der BFH hat jedoch nicht angenommen, dass ab dem Zeitpunkt der Konkursantragspflicht stets eine Vollhaftung anzunehmen sei. Die Ausführungen des BFH zur Höhe der Haftung, dass nämlich der Geschäftsführer für den nicht abgeführten Umsatzsteuerbetrag nicht in voller Höhe haftet, sondern entsprechend dem Grundsatz der anteiligen Tilgung nur insoweit, als das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt worden ist, sind die Konsequenz daraus, dass der BFH die haftungsbegründende Pflichtverletzung nicht in dem zur Entstehung der Steuerschuld führenden Handeln sieht, sondern darin, dass der Geschäftsführer nicht dafür Sorge getragen hat, dass das Finanzamt in gleicher Weise wie andere Gläubiger aus den vorhandenen Mitteln befriedigt wurde.

II. Die Haftung kann auch nicht auf § 191 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG, § 823 Abs. 2 BGB gestützt werden.

Neben der Haftung wegen Verletzung steuerlicher Vorschriften nach § 69 ff. AO und ggf. anderen steuerlichen Bestimmungen kann sich eine Haftung auch aus außersteuerlichen Rechtsnormen, insbesondere solchen des Zivilrechts, ergeben. Voraussetzung für eine Haftung nach außersteuerlichen Vorschriften ist indes, dass die betreffende Haftungsnorm sich auf die Haftung "für eine Steuer" im Sinne des § 191 Abs. 1 Satz 1 AO erstreckt. Dabei ist nicht erforderlich, dass Steuern in der betreffenden Haftungsnorm ausdrücklich erwähnt werden. Vielmehr genügt es, wenn sich dies aus der Auslegung der Norm ergibt (BFH-Urteil vom 23.10.1985 VII R 187/82, BStBl II 1986, 156).

Durch die Bestimmungen der §§ 64 GmbHG, 823 Abs. 2 BGB wird aber keine Haftung "für eine Steuer" im Sinne des § 191 Abs. 1 Satz 1 AO begründet. Der Haftungsanspruch nach diesen Normen ist nach gefestigter Rechtsprechung (BGH-Urteile vom 8.3.1999 II ZR 159/98, DStR 1999, 988;vom 07.07.2003 II ZR 241/02, a.a.O.) lediglich auf das negative Interesse gerichtet. Eine Haftung für die ausgefallenen von der GmbH geschuldeten Steuern entspräche aber dem positiven Interesse. Insoweit ist die Rechtslage derjenigen, die für Beiträge zur Sozialversicherung gilt, vergleichbar. Hierzu hat der BGH einen Ersatzanspruch für einen Beitragsausfall auch deshalb verneint, weil es sich um das positive nicht ersatzfähige Interesse handele (BGH-Urteil vom 07.07.2003 II ZR 241/02, a.a.O.). Hiervon geht im Ergebnis auch der Beklagte aus, wenn er ausführt, dass der Schaden darin begründet sei, dass Dritte aus Leistungen der GmbH Vorsteuern in Anspruch genommen hätten, während diese die Umsatzsteuer aus den betreffenden Rechnungen nicht beglichen habe.

Selbst wenn man - wie der Beklagte - den Haftungsschaden in dem Vorsteueranspruch sieht, scheidet eine Haftung aus, weil es sich bei diesem Schaden nicht um die Steuer im Sinne des § 191 AO handelt, für die der Kläger in Anspruch genommen wird, nämlich die Umsatzsteuer der GmbH für 07/1999. Überdies wäre für die Umsatzsteuer 07/1999, worauf auch der Kläger hingewiesen hat, eine - unterstellte - Verletzung der Insolvenzantragspflicht nicht kausal, da eine Zahllast angemeldet worden war. Denn der Umsatzsteueranspruch wäre bei früherer Antragstellung und damit ggf. verbundener früherer Einstellung der Geschäftstätigkeit gar nicht erst entstanden (vgl. entsprechend BGH-Urteil in DStR 1999, 988 ).

Schließlich ist ein konkreter im negativen Interesse liegender Schaden nicht dargelegt und festgestellt. Es steht schon nicht fest, dass die GmbH überhaupt an zum Vorsteuerabzug berechtigte Nachunternehmer Lieferungen oder Leistungen erbracht hat. Insoweit trifft den Beklagten die Feststellungslast (Beweislast), da es sich um einen haftungsbegründenden Umstand handelt. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, dürfte dies kaum den gesamten Umsatz betroffen haben.

III. Die Ausführungen unter II. gelten entsprechend, soweit sich der Beklagte im Klageverfahren auf die Vorschriften der § 191 i.V.m. §§ 64 GmbHG, 826 BGB als weiteren Haftungsgrund beruft. Damit kann dahinstehen, ob die Erweiterung der Haftungsgrundlage um einen zusätzlichen Haftungstatbestand überhaupt zulässig war.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision war nicht zuzulassen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da die vom Beklagten aufgeworfene Frage, ob das Finanzamt zur Begründung der Haftung anführen kann, der Unternehmer habe trotz Insolvenzreife die Geschäfte fortgeführt, durch die Rechtsprechung, zuletzt durch das BFH-Urteil in BStBl II 2005, 249, hinreichend geklärt ist. Die vom Beklagten als bedeutsam angesehene Frage, ob ein Schadensersatzanspruch nach §§ 64 GmbHG, 823 Abs. 2 BGB im Wege des Haftungsbescheids nach § 191 AO geltend gemacht werden kann, ist unter Berücksichtigung der gefestigten BGH-Rechtsprechung ohne weiteres verneinend aus dem Gesetz zu beantworten. Überdies wird die gegenteilige Auffassung des Beklagten - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum vertreten.

Ende der Entscheidung

Zurück