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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 16.03.2006
Aktenzeichen: 2 K 1139/02
Rechtsgebiete: EStG 1990/1994


Vorschriften:

EStG 1990/1994 § 50d Abs 1a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin ist eine am 23. Dezember 1992 auf Veranlassung des in der Schweiz ansässigen A.X. gegründete und mit einem Stammkapital in Höhe von 1,5 Mio. luxemburgischen Francs ausgestattete Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts in Form einer société de participations financières (SOPARFI). Ihre Gründung erfolgte als Mantelgründung durch die Treuhandfirma Y & Y S.A. aus Luxemburg. Hauptgesellschafterin der Klägerin war danach eine in W (British Virgin Islands) ansässige Ltd., die 00 V A- Company Ltd., die dort aber weder in Verzeichnissen oder Registern geführt wurde noch Räumlichkeiten unterhielt oder sonst auffindbar war. Die vorgenannte Ltd. wurde durch einen der Gesellschafter der o.g. Treuhandgesellschaft, Herrn A.Y., vertreten, der daneben die restlichen Anteile an der Klägerin persönlich hielt. Herr A.Y. war im Zeitpunkt der Gründung der Klägerin neben weiteren in Luxemburg ansässigen und regelmäßig mit der Betreuung und Abwicklung von Treuhandgeschäften betrauten Personen auch Verwaltungsratsmitglied derselben. Im Rahmen einer bei einer Tochtergesellschaft der Klägerin, der U- GmbH in T, durchgeführten Betriebsprüfung wurde allerdings festgestellt, dass Herr A.X. von Anfang an wirtschaftlich Berechtigter der Anteile war und er die Anteile an der Klägerin inzwischen erworben hatte.

Die Klägerin verfügt in Luxemburg weder über eigene Büroräume bzw. einen eingerichteten Geschäftsbetrieb noch über eigenes Personal. Vielmehr war sie zunächst in den Räumlichkeiten der vorgenannten Treuhandgesellschaft ansässig, unter deren Geschäftsadresse eine Vielzahl weiterer Firmen ihren statuarischen Sitz hat. Inzwischen nutzt sie Räumlichkeiten eines Verwaltungsratsmitglieds, das ihr auch Telefon und Fax zur Verfügung stellt und - wie auch die übrigen Verwaltungstratsmitglieder - auf Honorarbasis für sie tätig ist.

Am 28. Dezember 1992 erwarb die Klägerin von Herrn A.X. dessen Beteiligung in Höhe von 70 vH (Nennwert DM 2 450 000) an der U-GmbH mit Sitz in T, wobei die Höhe des Kaufpreises nicht beurkundet (auf den Inhalt des Geschäftsanteils-Übertragungsvertrages vom 28. Dezember 1992, Bl. 140 der Verwaltungsakten, wird verwiesen) und der Kaufpreis gestundet wurde. Im Annex zur Jahresbilanz der Klägerin auf den 31. Dezember 1998 (Bl. 135 der Verwaltungsakten) ist insoweit eine Schuld zum 28. Dezember 1998 in Höhe von 297 551 900 Luxemburger Francs ausgewiesen, die zum 30. September 1994 zurückgezahlt wurde. Ausweislich dieses Annexes erwarb die Klägerin zum 30. September 1994 auch eine weitere Beteiligung in Höhe von 100 vH an der Z-AG mit Sitz in P (Schweiz). Die im Anteilsbesitz von Herrn A.X. stehende O-GmbH in O (Österreich) erwarb die Klägerin hingegen nicht. Sie erweiterte ihren Anteilsbesitz aber in den Folgejahren kontinuierlich und hält per 31. Dezember 2004 unmittelbar folgende vier Beteiligungen:

100 vH an der Z-AG, P (Schweiz)

100 vH an der R-AG, R (Schweiz)

100 vH an der M-AG, R (Schweiz)

70 vH an der Aoo Vermögensverwaltungs GmbH, B.

Mittelbar ist sie zum vorgenannten Stichtag über die schweizerischen Gesellschaften an neun weiteren Gesellschaften im In- und Ausland beteiligt. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Beteiligungen:

100 vH an derC-A (Santo Domingo)

100 vH an der D-mbH, T

100 vH an der C-mbH, Cc

80 vH an der E-Ltd, B

80 vH an der F-SRL. (Rumänien)

80 vH an der G-SR.L. (Rumänien)

80 vH an der H-SR. (Rumänien)

51 vH an der J-GmbH,K

51 vH an der N-SRL., Ü(Rumänien).

Über ihre deutsche Tochtergesellschaft ist sie an folgenden Gesellschaften beteiligt:

70 vH an der U-GmbH,T

56 vH an der Ö-GmbH,Öö

35 vH an der EU-KFT,EU(Ungarn)

70 vH an der Ä-SRL., ÖÄ(Rumänien).

Schriftliche Konzernrichtlinien existierten im vorgenannten Zeitraum nicht; stattdessen wurden die Beteiligungsgesellschaften jeweils mündlich von der Klägerin angewiesen. Die Klägerin gab insbesondere - jeweils nach Beratungen mit ihrem Hauptgesellschafter - vor, welche Beteiligungsgesellschaften zu erwerben und welche Aktivitäten von ihren Tochtergeselschaften zu entfalten waren. Sie nahm durch ihre Verwaltungsratsmitglieder auch an den Gesellschafterversammlungen ihrer Beteiligungsgesellschaften teil. Sie stellte darüber hinaus der U-GmbH in T von 1994 bis 2000 zunächst aufder Basis mündlicher Abreden, später auf Grund schriftlicher Verträge Darlehen zur Verfügung, welche auch wechselseitig bilanziert wurden. Im Einzelnenbeliefen sich die Darlehen auf folgende Höhe:

 1994 - 1995DM2 500 000
1996DM3 000 000
2000DM6 845 405
2001 - 2003EUR3 500 000
2004EUR500 000

In den Jahren 2002 bis 2003 gewährte sie auch weiteren Konzerngesellschaften Darlehen. Als Empfänger der Zinsen aus den Darlehen an die U-GmbH in Tfür den Zeitraum 1994 bis 1996 benannte diese im Jahr 1999 Herrn A.X.der die Anteile an der Klägerin inzwischen von der Treuhänderin erworben habe und von Anfang an der wirtschaftlich Berechtigte gewesen sei.

In den Jahren 1994 bis 1996 und 1998 (Streitjahre) bezog die Klägerin von der o.g. U-GmbH in T Dividenden in Höhe von insgesamt DM 13 160 000. Am 23. Februar 1998 beantragte sie beim Beklagten die Erstattung von auf die vorgenannten Dividenden angefallenen deutschen Abzugssteuern von Kapitalerträgen nach § 50d Abs. 1 i.V. mit § 44d des Einkommensteuergesetzes 1990/1994 (EStG 1990/1994) in folgender Höhe:

 1994DM1 176 000 (20 vH)
1995DM168 000 (20 vH)
1996DM875 000 (25 vH)
1998DM735 000 (25 vH)
SummeDM2 954 000

Da die Klägerin im Rahmen einer vom Beklagten durchgeführten Sachprüfung nach § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 trotz wiederholter Aufforderung keinerlei Angaben machte und die Informationszentrale Ausland (IZA) des Beklagten mitteilte, dass es sich bei ihr um eine Briefkastengesellschaft handele, lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 8. September 1999 ab.

Dagegen erhob die Klägerin am 1. Oktober 1999 Einspruch, den sie wie folgt begründete: Zwar sei sie aus einer Mantelgründung hervorgegangen, seither werde aber ein aktiver Geschäftsbetrieb unterhalten, indem sie, die Klägerin, zwischengeschaltet worden sei, um als Europa-AG den wesentlichen Beteiligungsbesitz des Herrn A.X. zu halten und zu verwalten bzw. weitere Beteiligungen in Ungarn und Tschechien zu erwerben. Dadurch sei auch die Erbfolge in der Familie X erleichtert worden. Hinzu komme, dass es sich bei ihrer Luxemburger Adresse um keine Domiziladresse handele, sondern sie bei einem Verwaltungsratsmitglied ansässig sei, welches auch die Kommunikationsmittel zur Verfügung stelle. Ihre Geschäfte würden - nach Beratung mit dem Hauptaktionär- durch den Verwaltungsratsvorsitzenden geführt, welcher ebenso wie die anderen Verwaltungsratsmitglieder auf Honorarbasis tätig werde.

Durch Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2002 wies der Beklagte den Einspruch mit der Begründung als unbegründet zurück, für die Zwischenschaltung der Klägerin seien keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe i.S. des § 50d Abs. 1a EStG 1990/994 erkennbar. Die Klägerin habe zum fraglichen Zeitpunkt nur zwei Beteiligungen gehalten und sei nicht in der Lage gewesen, weitere Beteiligungen zu erwerben. Einen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalte sie nicht, zumal sie weder über eigene Büros noch Kommunikationsmittel verfüge. Ganz offensichtlich führe auch der Verwaltungsratsvorsitzende die Geschäfte nicht autonom, sondern handele auf Anweisung von Herrn A.X., der auch nicht alle Beteiligungen auf die Klägerin übertragen habe.

Gegen den Ablehnungsbescheid vom 8. September 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2002 hat die Klägerin am 1. März 2002 Klage erhoben, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet: Sie verfüge in Luxemburg über einen eigenen Geschäftsbetrieb, indem sie sich der bekannten Kanzleiadresse sowie der dort vorgehaltenen Infrastruktur bediene. Ein größerer Betrieb durch die Vorhaltung eigener Kommunikationsmittel, eigenen Personals und eigener Büroräume sei für eine ihr vergleichbare Aktiengesellschaft nicht erforderlich und sinnvoll. Sämtliche Entscheidungen für den Konzern würden durch die Verwaltungsratsmitglieder in Luxemburg getroffen. Dass es insoweit Abstimmungen mit dem Hauptaktionär gebe, sei selbstverständlich und mache den Verwaltungsrat noch nicht zu einem ausführenden Organ.

Für ihre Zwischenschaltung sprächen folgende Gründe: Zunächst sei diese im Interesse einer straffen Konzernführung sinnvoll, um alle Aktivitäten innerhalb und außerhalb der EU zu bündeln. Insoweit sei Luxemburg attraktiv, weil eine der Amtssprachen Deutsch sei. Die Nutzung von Zwischenholdings sei seit 2001 auch in Deutschland privilegiert, weshalb für ausländische Konstruktionen nichts Abweichendes gelten könne. In Bezug auf die U-GmbH sei es darum gegangen, über Fragen der Finanzierung, der Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie den Erwerb weiterer Beteiligungen zu entscheiden. Auch der Ausbau der deutschen Aktivitäten sei von ihr, der Klägerin, in Abstimmung mit Herrn A.X. vorbereitet und durchgeführt worden. Sie könne auch eine einheitliche Absatzstrategie besser durchsetzen und finanziere diverse Tochtergesellschaften. Ihre Zwischenschaltung habe weiterhin der Gewinnthesaurierung gedient, um für den Hauptaktionär einen stetigen Dividendenfluss zu gewährleisten. Die Notwendigkeit dazu ergebe sich bereits daraus, dass auch die Interessen von anderen Anteilseignern bedacht werden müssten. Hinzu komme, dass sie, die Klägerin, inzwischen weitere Beteiligungen erworben habe und die Geschäftsaktivitäten der Gruppe sich zunehmend erweiterten. Insoweit habe Herr X, in sie, die Klägerin, alle seine deutschen und schweizerischen Beteiligungen samt der Aktivitäten in Rumänien und Griechenland unmittelbar oder mittelbar eingebracht. Schließlich sei zu beachten, dass auch sonstige Gründe die Zwischenschaltung rechtfertigten. Da Herr X gesundheitlich angeschlagen sei, sei es ihm darum gegangen, einen Aufsichtsrat zu installieren. Auch habe er den späteren Erbgang erleichtern und die Kontinuität in der Geschäftsführung sicherstellen wollen. Der Erwerb der U-GmbH sei im Übrigen per Darlehen finanziert worden, was nicht ungewöhnlich und mit der Vereinbarung einer ratenweisen Tilgung verbunden worden sei.

Ein Missbrauch könne nicht bejaht werden: So sei ein Steuervorteil weder erstrebt noch erreicht worden. Immerhin unterliege sie, die Klägerin, als SOPARFI der vollen luxemburgischen Ertragsbesteuerung und sei verpflichtet, auf Dividenden 25 vH Quellensteuer einzubehalten. Es könnten also zusammen mit der nach Auffassung des Beklagten nicht rückforderbaren deutschen Quellensteuer Doppelbesteuerungseffekte auftreten, die den Sinn einer Missbrauchsklausel ad absurdum führen und eine höhere Steuerbelastung von insgesamt mehr als 60 vH auslösen würden als bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner bzw. einem beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner mit unmittelbarer Beteiligung mit 47,5 bzw. 50 vH.

Dass Herr X ihr Gesellschafter sei, sei längst bekannt und spiele für die hier streitige Rechtsfrage keine Rolle, weil sie, die Klägerin, einen eigenen Erstattungsanspruch habe. Insoweit sei in 1999 zwar Herr X als Gesellschafter benannt und klar gestellt worden, dass dieser seinen Wohnsitz außerhalb Deutschlands habe, insofern sei es aber alleine um den Zinsabzug bei der Deutschen X-GmbH gegangen. Die Klage werde alleine auf die von ihr, der Klägerin, in Luxemburg wahrgenommene wirtschaftliche Tätigkeit gestützt. Der Beklagte übersehe, dass die für das Halten und Verwalten von Beteiligungen erforderliche Infrastruktur auch zugemietet werden könne, wie dies auch bei unzähligen anderen Konzern-Holdings der Fall sei. Auf die Zahl aufgestellter Schreibtische könne es in Zeiten moderner Kommunikationstechnik wohl kaum noch ankommen. Insoweit stehe fest, dass sie, die Klägerin, strategische Führungs- und Koordinierungsfunktionen im Konzern durch eine zentrale personelle Unterstützung und Steuerung der Tochtergesellschaften wahrnehme und diese wichtige Entscheidungen nur nach Rücksprache mit der Holding fällen könnten. Hinzu komme die Konzernfinanzierung. Auch die Zusammenfassung von Beteiligungen (Konzernverwaltung) sei damit ein i.S. des § 50d Abs. 1a EStG 1990/ 1994 beachtlicher Grund, ohne dass insoweit ein Produktionsbetrieb vorliegen müsse oder es auf den Verkauf von Waren oder sonstigen Leistungen ankomme. Die O-GmbH in Österreich sei absolut selbständig und es bestünden weder Kapitalverflechtungen noch solche rechtlicher Art, weil Eigentümer Herr B.X. sei. Nichts anderes ergebe sich daraus, dass zu Beginn ihrer Aktivitäten erst zwei Beteiligungen eingebracht worden seien, weil mehr Beteiligungen damals nicht vorhanden gewesen seien und fest geplant gewesen sei, weitere Beteiligungen zu erwerben. Letztlich ergebe sich dies alles auch aus dem Urteil des Bundesfinanzhof (BFH) vom 31. Mai 2005 (I R 74, 88/04, BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118), in dem es um einen vergleichbaren Fall gegangen sei und eine ebenfalls nur funktional eigenwirtschaftlich tätige Holding anerkannt worden sei. Dies habe der BFH getan, ohne (i.S. einer tragenden Erwägung) zu verlangen, dass im Holdingstaat weitere aktive Konzernaktivitäten vorgehalten werden müssten. Zwar bleibe § 42 der Abgabenordnung 1977 in der Fassung vor In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften, Steueränderungsgesetz 2001 ?StÄndG 2001? (vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3794; im Folgenden: AO 1977 aF) danach anwendbar, im Streitfall könne aber kein Gestaltungsmissbrauch vorliegen, weil wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorlägen. Es sei insoweit nochmals klarzustellen, dass sie, die Klägerin, ihre konzernstrategische Funktion nun bereits seit mehr als zehn Jahren unverändert ausübe.

Schließlich könne ihr, der Klägerin, der Erstattungsanspruch auch mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den Grundfreiheiten nicht verwehrt werden, da sie in Luxemburg voll steuerpflichtig und eben nicht zu Steuervermeidungszwecken gegründet worden sei. Werde dies nicht berücksichtigt, so komme es bei Weiterausschüttungen zu Doppelbesteuerungen. Nach der EuGH-Rechtsprechung dürfe ein Fall des Gestaltungsmissbrauchs im internationalen Kontext im Übrigen nicht anders behandelt werden als nach nationalem Recht. Weder drohe insoweit ein "Gesellschaftstourismus" noch handele es sich bei ihr, der Klägerin, um eine nur kurzfristig zwischengeschaltete Gesellschaft.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2002 den Beklagten dazu zu verpflichten, deutsche Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 i.V. mit § 43b EStG 1990/1994 wie folgt zu erstatten: 1994 DM 1 176 000, 1995 DM 168 000, 1996 DM 875 000 und 1998 DM 735 000; hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, dass für die Zwischenschaltung der Klägerin beachtliche wirtschaftliche oder sonstige Gründe nicht vorlägen: Sie verfüge bereits über keine eigene Geschäftsausstattung (Räume, Kommunikationsmittel, Personal). Soweit sie Darlehen an Gruppenunternehmen erbringe, sei ihr entgegenzuhalten, dass teilweise Herr A.X. als Empfänger der betroffenen Zinsen benannt worden sei. Sie halte auch nicht alle Beteiligungen der X-Gruppe, weil die österreichische Tochter nach wie vor selbständig sei. Auch weise der Kaufvertrag zwischen Herrn X. und der Klägerin über den Erwerb der Beteiligung an der U-GmbH keinen Kaufpreis aus und sei der Kaufpreis nach den Angaben der Klägerin gestundet worden. Neben dem Halten von Beteiligungen und der Übernahme von Finanzierungen übe die Klägerin keinerlei aktive Tätigkeit aus. Auch sonstige Gründe für die Zwischenschaltung seien nicht nachvollziehbar dargelegt. Nichts anderes ergebe sich aus dem genannten BFH-Urteil in BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118, welches nur im entschiedenen Fall wirke und in welchem das Gericht klargestellt habe, dass die Holdingaktivitäten in einem Staat angesiedelt sein müssten, in dem auch aktive Gesellschaften tätig seien. § 50d EStG 1990/1994 sei jedenfalls in seiner Anwendung auf den hiesigen Streitfall mit Europarecht vereinbar, weil sich die Sachbehandlung noch innerhalb der Grenzen bewege, welche das EU-Recht dem nationalen Gesetzgeber zur Missbrauchsbekämpfung zugestehe. Es sei nämlich gerade nicht so, dass das EU-Recht für vergleichbare Fälle einen Gesellschaftstourismus habe zulassen wollen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 8. September 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2002 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Rechtsanspruch auf die von ihr für die Streitjahre beantragte Kapitalertragsteuererstattung.

1. Nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 kann der Gläubiger von Kapitalerträgen die völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer verlangen, wenn diese Einkünfte gemäß § 44d EStG 1990/1994 nicht oder nur nach einem unter 25 vH liegenden Steuersatz besteuert werden dürfen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor, weil die Klägerin eine Muttergesellschaft i.S. des § 44d Abs. 2 EStG 1990/1994 ohne Sitz und Geschäftsleitung im Inland ist, sie unter den zeitlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift Mehrheitsgesellschafterin der U-GmbH mit Sitz in T war und damit die gesetzliche Mindestbeteiligungsquote gemäß § 44d Abs. 2 Satz 1 EStG 1990/1994 erfüllt. Der Senat geht insoweit davon aus, dass die Klägerin die Anteile an der U-GmbH in T im Jahr 1992 wirksam erworben hat. Zwar enthält der Geschäftanteils-Übertragungsvertrag vom 28. Dezember 1992 keine Angabe zum genauen Kaufpreis und hat der schweizerische Notar lediglich die Echtheit der Unterschriften beglaubigt, doch hat die Klägerin die Beteiligung sowie die Kaufpreisschuld seither in ihren Bilanzen ausgewiesen und hat auch der Beklagte nicht eingewandt, dass die Beteiligung wirtschaftlich Herrn X persönlich zuzurechnen wäre. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Übertragungsvertrag nur zum Schein abgeschlossen worden wäre.

2. Anders als der Beklagte meint, ist er nicht nach § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 an der Erstattung der Kapitalertragsteuer gehindert. § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 schließt den Anspruch einer ausländischen Gesellschaft auf Steuerbefreiung oder -ermäßigung nach § 44d EStG 1990/1994 oder nach einem DBA nur aus, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet.

a) Die vorgenannten Erfordernisse müssen dabei nach dem eindeutigen Wortlaut des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 kumulativ vorliegen, um die Steuerentlastung zu versagen (ebenso BFH in BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118). Soweit die Finanzverwaltung nunmehr durch das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen - BMF- vom 30. Januar 2006 (IV B 1 - S 2411 - 4/06, BStBl I 2006, 166) die Auffassung vertritt, die beiden letztgenannten Tatbestandsmerkmale müssten nur alternativ neben der fehlenden Entlastungsberechtigung vorliegen, verkennt sie die klare Wortlautgrenze in § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994. Dort wird der Anspruch einer ausländischen Gesellschaft auf Steuerbefreiung oder -ermäßigung nur ausgeschlossen, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen "und" sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet. Abgesehen davon, dass die von der Verwaltung vertretene Auffassung auf eine teleologische Extension der Norm hinausläuft, welche wegen des klaren Wortlauts alleine dem Gesetzgeber vorbehalten ist, ist sie auch weder von der Gesetzeshistorie noch dem Normzweck gedeckt. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT/Drs. 12/5630, S. 65) wollte sich der Gesetzgeber nämlich an die Rechtsprechung zu den sog. Basisgesellschaften anlehnen und hat den Wortlaut des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 ohne Veränderungen aus Urteilen des BFH entnommen. So hat etwa der BFH bereits durch Urteil vom 17. Juli 1968 (I 121/64, BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695; auch BFH-Urteil vom 29. Januar 1975 I R 135/70, BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553) wörtlich entschieden, dass "Basisgesellschaften im Ausland ... den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs vor allem dann (erfüllen), wenn für ihre Errichtung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und wenn sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten. Mit anderen Worten ist bereits der BFH davon ausgegangen, dass die sachlichen Tatbestandsmerkmale kumulativ vorliegen müssen.

b) Indem § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 ausdrücklich auf das (alternative) Erfordernis wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe abstellt, gibt er als gegenüber § 42 AO 1977 aF spezieller Vorschrift zur Vermeidung von Gestaltungsmissbräuchen den tatbestandlichen Rahmen auch für den daneben anzuwendenden § 42 AO 1977 abschließend vor. Die Vorschrift hat also zum Zweck, durch ergänzende tatbestandliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer möglichen Unvollständigkeit von § 42 AO 1977 aF zu begegnen (BFH-Urteil in BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118). Daran ändert auch § 42 Abs. 2 AO 1977 (in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001) nichts, weil in Fällen des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 AO 1977, auf die auch dessen Abs. 2 abstellt, infolge des spezialgesetzlichen Wertungsvorrangs verdrängt werden (Gosch in Kirchhof, Kompakt Kommentar EStG, 5. Aufl., § 50d EStG Rz. 43).

c) Durch sein Urteil in BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118 hat der BFH in Abgrenzung zu seinem Urteil vom 20. März 2002 (I R 38/00, BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819) zum Merkmal des Fehlens wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft entschieden, dass eine nicht mit eigenen Räumen und eigenem Personal ausgestattete ausländische Beteiligungsgesellschaft ausnahmsweise dann nicht als rechtsmissbräuchlich zwischengeschaltet zu werten ist, wenn die passiven Beteiligungsaktivitäten konzernintern durchgängig in selbständige Kapitalgesellschaften ausgegliedert wurden, die konzernstrategischen Ausgliederungen langfristig erfolgten und die Zwischenschaltung nicht nur zu dem Zweck erfolgte, abkommensrechtliche Erstattungsvorteile nach Maßgabe des § 50d Abs. 1 EStG 1990/1994 zu erlangen. Letzteres hat der BFH in dem von ihm zu entscheidenden Fall verneint, weil dort die betroffenen Gesellschaften jahrelang ihren Aufgaben nachgingen, in einem Staat domizilierten, in dem andere Konzerngesellschaften der Unternehmensgruppe ihr aktives europäisches Kerngeschäft konzentriert hatten und zudem mehrere Beteiligungen hielten. Für eine solche Sonderkonstellation (vgl. Buciek, INF 2005, 766; Gosch, BFH-PR 2005, 407, 408) hat das Gericht also angenommen, dass die ausgegliederten Kapitalgesellschaften ihre jeweiligen Unternehmenszwecke auf eigene Rechnung und funktional eigenwirtschaftlich erfüllten und es sich nicht um funktionslose "Briefkastengesellschaften" handelte, auf welche die Rechtsprechung zu den Basisgesellschaften vorbehaltlos anzuwenden wäre. Im Streitfall ist es allerdings -ganz unabhängig davon, dass das BMF die Urteilsgrundsätze nicht über den vom BFH entschiedenen Einzelfall hinaus anwenden will (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2006, 166) zweifelhaft, ob die Klägerin nach den vorgenannten Grundsätzen anzuerkennen wäre. Das ergibt sich zum einen daraus, dass die O-GmbH in Österreich nicht in die rechtliche Konstruktion eingebunden worden ist, wobei insoweit allerdings einzuräumen ist, dass ihre Anteile nicht dem hinter der Klägerin stehenden A.X. gehören und eine Einbringung ohne Zukauf von Anteilen also ausgeschlossen war. Anders als in dem vom BFH entschiedenen Fall unterhält die X-Gruppe aber in Luxemburg kein aktives Geschäft und existiert dort neben der Klägerin keine weitere Beteiligung.

d) Indessen kann die vorgenannte Frage hier deshalb offen bleiben, weil die Klägerin seit dem Jahr 1994 -dem ersten Jahr, für welches eine Kapitalertragsteuererstattung beantragt wurde- zwei aktive Beteiligungen hielt und diese seither durchgängig im Rahmen einer übergeordneten Konzernstrategie führt. Zwar hat der BFH in seinem Urteil in BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118 die Frage, ob nicht das Merkmal der "Entfaltung einer eigenen wirtschaftlichen Aktivität" bereits dadurch erfüllt sein könnte, dass eine Holdinggesellschaft nicht nur eine einzige Beteiligung, sondern mehrere Beteiligungen hält, offen gelassen. Der erkennende Senat hält es aber für geboten, diese Frage mit der Folge zu bejahen, dass im Streitfall eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin als geschäftsleitende Holding zu bejahen ist.

aa) Zu Recht wird mit Blick auf § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 vertreten, dass zwar das reine Halten von Beteiligungen nicht zur Annahme einer eigenen wirtschaftlichen Aktivität der zwischengeschalteten Gesellschaft ausreicht, dass aber die Übernahme von zusätzlichen Aufgaben als geschäftsleitende Holding oder als Finanzierungsgesellschaft insoweit ausreichen muss (Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 50d EStG Rz. 43; ders, BFH-PR 2005, 407, 408; Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, § 50d EStG Rz. G 15; vgl. auch Breuninger/Schade, GmbHR 2005, 1375, 1377; Ritzer/Stangl, FR 2005, 1063, 1067 mwN). Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich bereits daraus, dass die vorgenannten Tätigkeiten von der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon bisher als für die Annahme einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit hinreichend angesehen werden. So hat der BFH für Basisgesellschaften bereits (allerdings mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der beachtlichen wirtschaftlichen Gründe) entschieden, dass eine die Anwendung der Rechtsprechung zu den Basisgesellschaften ausschließende hinreichende Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegen kann, wenn die Zwischengesellschaft in ihrem Sitzstaat und/oder in Drittländern und im Inland Beteiligungen von einigem Gewicht erwerben soll (BFH-Urteile vom 29. Juli 1976 VIII R 41/74, BStBl II 1977, 261 und VIII R 142/73, BStBl II 1973, 263). Durch Urteil vom 9. Dezember 1980 (VIII R 11/77, BStBl II 1981, 339) hat das Gericht dies dahingehend präzisiert, dass die Zwischengesellschaft insoweit geschäftsleitende Funktionen wahrnehmen muss, wobei sie aber nicht - so wie die geschäftsleitende Holding als Organträger (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1969 I 252/64, BFHE 98, 152, BStBl II 1970, 257)- die umfassende Konzernleitung über mehrere abhängige Unternehmen ausüben muss. Ausreichend ist vielmehr die Wahrnehmung einzelner Funktionen einer geschäftsleitenden Holding, wie etwa die Finanzierung mehrerer Tochtergesellschaften (BFH-Urteil in BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553), solange diese Funktionen gegenüber mehreren Tochtergesellschaften ausgeübt werden (BFH-Urteil vom 15. April 1970 I R 122/66, BFHE 99, 123, BStBl II 1970, 554).

bb) Im Streitfall sind die vorgenannten Voraussetzungen nach der Überzeugung des erkennenden Senats erfüllt: Die Klägerin ist ganz offensichtlich für den Zweck gegründet worden, die Aktivitäten der X-Gruppe in Deutschland und der Schweiz dauerhaft zu bündeln und zum Ausbau dieser Aktivitäten Beteiligungen von einigem Gewicht hinzu zu erwerben. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass sie bis heute eine Vielzahl weiterer unmittelbarer und mittelbarer Beteiligungen in Europa erworben hat. Sie hat auch zunächst alleine der U-GmbH in T, ab dem Jahr 2002 aber auch weiteren Konzerngesellschaften Darlehen gewährt und diese also finanziert. Entscheidend ist aber, dass sie bereits in den Streitjahren in der Weise geschäftsleitend tätig geworden ist, dass sie die wesentlichen Konzernentscheidungen in Absprache mit ihrem Hauptaktionär traf und die Konzernstrategie für die Tochtergesellschaften verbindlich vorgab. Dass dies mündlich und nicht durch schriftliche Konzernrichtlinien geschah, ist unerheblich, da es alleine darauf ankommt, ob tatsächlich eine geschäftsleitende Funktion übernommen wurde.

cc) Die Anerkennung der Klägerin erscheint dem Senat auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitig eingetretenen Entwicklungen im Europarecht angezeigt. Durch Urteil vom 30. September 2003 C-167/01 "Inspire Art", GmbHR 2003, 1260) hat nämlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Gründe, aus denen eine ausländische Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat errichtet wurde, sowie der Umstand, dass sie ihre Tätigkeit ausschließlich oder nahezu ausschließlich im Mitgliedstaat der Niederlassung ausübt, ihr nicht das Recht nehmen, sich auf die Niederlassungsfreiheit zu berufen, wenn nicht im konkreten Fall ein Missbrauch nachgewiesen wird. Gerade wenn aber - wie bei inländischen geschäftsleitenden Holdinggesellschaften - in einem vergleichbaren Inlandsfall kein Mißbrauch anzunehmen wäre, darf für den grenzüberschreitenden Fall nichts anderes gelten (vgl. Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 50d EStG Rz. 42 mwN).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V. mit § 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung (analog).

4. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil zum einen das BMF das Urteil des BFH in BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118 mit einem Nichtanwendungsschreiben (BStBl I 2006, 166) belegt hat und zum anderen die Frage, ob eine im o.g. Sinne als geschäftsleitende Holding mit mehr als einer Tochtergesellschaft tätige Zwischengesellschaft eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 entfaltet, bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist.

Ende der Entscheidung

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