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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 2 K 3126/04
Rechtsgebiete: UStG, UStDV, Richtlinie des Rates vom 17. 11. 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern m Zusammenspiel mit der Meistbegünstigungsklausel (RL 86/560/EWG), FGO, GATS


Vorschriften:

UStG § 3a Abs. 1
UStG § 13b
UStG § 18 Abs. 9 S. 6
UStDV §§ 59 ff.
Richtlinie des Rates vom 17. 11. 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern m Zusammenspiel mit der Meistbegünstigungsklausel (RL 86/560/EWG) Art. 2 Abs. 2
FGO § 101 S. 1
GATS Art. II Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

2 K 3126/04

Tenor:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein in der Tschechischen Republik ansässiges Unternehmen. Unternehmensgegenstand ist die Flugsicherung im ... . Zusätzlich bietet die Klägerin Flugtrainings an, die ausschließlich in Tschechien durchgeführt werden.

Mit beim Beklagten am 7. Juli 2003 eingegangenen Antrag beantragte die Klägerin im Rahmen eines Verfahrens nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV und unter Beifügung der Rechnungen sowie einer tschechischen Unternehmerbescheinigung im Original die Vergütung von Vorsteuern in Höhe von 29.013,60 € für den Zeitraum 01-12/2002. Die Vorsteuern waren für in Deutschland bezogene Trainings am Flugsimulator bzw. Schulungen angefallen. Ausweislich eines tschechischen Einlieferungsbeleges hatte die Klägerin den Vergütungsantrag am 25. Juni 2003 der tschechischen Post übergeben.

Mit Bescheid vom 12. Februar 2004 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Klägerin mangels Gegenseitigkeit i.S.d. § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG nicht berechtigt sei, am Vergütungsverfahren teilzunehmen.

Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 27. April 2004 als unbegründet zurückgewiesen.

Daraufhin erhob die Klägerin Klage.

Der erkennende Senat hat das Streitverfahren ausgesetzt (§ 74 FGO) und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Beschluss vom 24. August 2005 nach Art. 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 86/560/EWG) einschränkend dahingehend auszulegen, dass die dort den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, die Mehrwertsteuererstattung von der Gewährung vergleichbarer Vorteile im Bereich der Umsatzsteuern durch Drittländer abhängig zu machen, sich nicht auf solche Staaten bezieht, die sich als Vertragsparteien des General Agreement on Trade in Services - GATS (BGBl. II 1994, 1473, 1643) auf dessen Meistbegünstigungsklausel (Art. II Abs. 1 GATS) berufen können ?

Mit Urteil vom 7. Juni 2007 (C-335/05, Slg. 2007 Seite I-04307) hat der EuGH die Vorlagefrage wie folgt beantwortet:

Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige - ist dahin auszulegen, dass der dort verwendete Begriff "Drittländer" alle Drittländer umfasst und dass diese Bestimmung die Befugnis und die Verantwortung der Mitgliedstaaten unberührt lässt, ihren Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen wie dem Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen nachzukommen. Das Erfordernis, das abgeleitete Gemeinschaftsrecht nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit den von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträgen auszulegen, gebiete es nicht, dass der Begriff "Drittländer" in Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie dahin gehend ausgelegt werde, dass er auf Drittländer beschränkt sei, die sich nicht auf die Meistbegünstigungsklausel nach Art. II Abs. 1 des Allgemeinen Übereinkommens über den Handel mit Dienstleistungen berufen können.

Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagte im Jahre 2002 trotz fehlender Gegenseitigkeit an mehrere tschechische Firmen Vorsteuern vergütet habe, soweit sie ihre Dienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland erbracht hätten. Dies treffe auch auf sie, die Klägerin, zu. Denn sie habe Leistungen an deutsche Kunden erbracht, für die der jeweilige Leistungsempfänger die Steuer nach § 13 b UStG schulde. Sie habe für deutsche Abnehmer Dienste im Bereich des Luftverkehrs geleistet. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin an deutsche Kunden gerichtete Ausgangsrechnungen über Start- und Landegebühren bzw. Flugtrainings vorgelegt. Dass die Voraussetzungen des § 13 b UStG erfüllt seien, ergebe sich auch daraus, dass ihre Radaranlagen den tschechischen Grenzbereich überschritten. Die tschechische Luftverkehrssteuerung beschränke sich nicht nur auf den tschechischen Luftraum, sondern auch auf den deutschen. Auf die echte Erdgrenze könne es insoweit wegen der Sicherheit für die Reisenden nicht ankommen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12. Februar 2004 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung dazu zu verpflichten, die Vergütung von Vorsteuer für 2002 i.H.v. 29.013,60 € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass es an der Gegenseitigkeit i.S.d. § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG mangele. Auch aus dem Urteil des EuGH vom 7. Juni 2007 ergebe sich nichts anderes. Es habe bestätigt, dass die Vorsteuervergütung nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit auch gegenüber Drittstaaten angewendet werden dürfe, die dem GATS angehörten.

Es liege auch kein Fall des § 13b UStG vor, weil keine Leistungen im Inland erbracht worden seien. Nach § 3a Abs. 1 UStG seien die Navigations- bzw. Trainingsleistungen in Tschechien steuerbar und es komme eine Verlagerung des Leistungsortes nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 12. Februar 2004 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Der Klägerin steht mangels Gegenseitigkeit kein Anspruch auf Erlass der begehrten Maßnahme aus § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV zu.

I. Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG kann zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 UStG und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG, in einem besonderen Verfahren regeln. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber in §§ 59 ff. UStDV Gebrauch gemacht.

Die nationalen Vorschriften beruhen für Steuerpflichtige, die - wie die Klägerin - nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, auf den Vorgaben der Dreizehnten Richtlinie des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 86/560/EWG, ABl.EG Nr. L 326/1986, 40). Diese europarechtlichen Vorgaben für Anträge von im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen hat der deutsche Gesetzgeber in den Vorschriften des § 18 Abs. 9 Sätze 3 ff. UStG umgesetzt.

II. Nach § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG wird einem Unternehmer, der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist, die Vorsteuer allerdings nur vergütet, wenn in dem Land, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, keine Umsatzsteuer oder ähnliche Steuer erhoben oder im Fall der Erhebung im Inland ansässigen Unternehmern vergütet wird. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.

1. Tschechien erhob im Vergütungszeitraum 2002 zwar eine Umsatzsteuer, es gewährte aber zu dieser Zeit inländischen Unternehmern keine Vorsteuervergütung (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen -BMF-- vom 13. Februar 2002, BStBl I 2002, 270, dort Anlage 2; auch Kraeusel in Reiss/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz, § 18 UStG Rz. 677.3). Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob die vorgenannte Aufstellung des BMF verbindlich ist (so Kraeusel, a.a.O., § 18 UStG Rz. 677.1) oder ob es sich um eine uneingeschränkt justiziable Behauptung handelt (so Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 18 UStG Rz. 876.1), da die Nichtgewährung einer entsprechenden Vorsteuervergütung an Deutsche zur Überzeugung des Senats feststeht.

2. Der Anwendung der hier streitentscheidenden Vorschrift des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG steht nicht Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie entgegen. Es besteht keine EG-Rechtsverletzung.

Gemäß Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie können die Mitgliedstaaten die Erstattung nach Absatz 1 von der Gewährung vergleichbarer Vorteile im Bereich der Umsatzsteuern durch die Drittländer abhängig machen.

a. § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG steht dabei nicht nur im Einklang mit den Vorgaben des reinen Wortlauts des Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie (vgl. bereits Senatsurteil vom 16. Februar 2001 2 K 4913/98, EFG 2001, 789; ebenso Stadie, a.a.O., § 18 UStG Rz. 876), sondern widerspricht auch nicht dem Verständnis des Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie im Zusammenspiel mit der Meistbegünstigungsklausel nach Art. II Abs. 1 GATS.

b. Tschechien wie auch die Europäischen Gemeinschaften sind seit dem 1. Januar 1995 Mitgliedstaaten der WTO und damit Vertragspartner des GATS. Nach Art. II Abs. 1 GATS gewährt jedes Mitglied hinsichtlich aller Maßnahmen, die unter das GATS fallen, den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds sofort und bedingungslos eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als diejenige, die es den gleichen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Landes gewährt.

c. Die Frage, ob Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie im Verhältnis zu Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) und damit Vertragsparteien des GATS (BGBl II 1994, 1473, 1643) nach Maßgabe der in Art. II Abs. 1 GATS geregelten Meistbegünstigungsklausel einengend ausgelegt werden muss, ist zu verneinen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juni 2007 C-335/05, Slg. 2007 Seite I-04307).

Die in Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie eröffnete Möglichkeit, die Vorsteuervergütung von einem Gegenseitigkeitserfordernis abhängig zu machen, nimmt die WTO-Mitgliedstaaten wegen Art. II Abs. 1 GATS nicht aus. Der in Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie verwendete Begriff "Drittländer" umfasst auch solche Drittländer, die sich auf die Meistbegünstigungsklausel nach Art. II Abs. 1 GATS berufen können (EuGH, Urteil vom 7. Juni 2007 C-335/05, a.a.O.).

Denn da Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie jedem Mitgliedstaat für die einzelnen Drittländer die Entscheidung darüber überlässt, ob jeweils ein Gegenseitigkeitserfordernis vorzusehen ist oder nicht, erlaubt er es den Mitgliedstaaten, ihre Gesetzgebung in dem Maße, in dem diese Entscheidungsfreiheit durch mit bestimmten Drittländern geschlossene Verträge beschränkt wird, an die entsprechenden Verträge anzupassen (EuGH, Urteil vom 7. Juni 2007 C-335/05, a.a.O.). Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie lässt die Befugnis und die Verantwortung der Mitgliedstaaten unberührt, ihren Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen wie dem GATS nachzukommen (EuGH, Urteil vom 7. Juni 2007 C-335/05, a.a.O.).

3. Auch der Gesichtspunkt, dass § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG gegen Art. II Abs. 1 GATS verstoßen könnte, führt nicht zur Nicht-Anwendbarkeit der Norm. Denn das GATS ist ein rein völkerrechtliches Abkommen, das nur zwischen den Mitgliedern (= Vertragsstaaten) Rechte und Pflichten begründet. Weder seinem Wortlaut noch seinem Zweck nach zielt es darauf ab, einzelnen Personen Rechte zu verleihen ( BFH, Beschluss vom 17. November 2004, I R 75/01, BFH/NV 2005, 690). Deshalb sind Verstöße gegen das GATS grundsätzlich alleine nach der im Rahmen der WTO getroffenen Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (BGBl II 1994, 1749) zu behandeln, welche ausschließlich den Mitgliedstaaten der WTO offen steht (vgl. Keil, IStR 1996, 561, 564).

III. Entgegen der Annahme der Klägerin liegt kein Fall des § 13 b UStG, in dem die jeweiligen Leistungsempfänger Steuerschuldner wären, vor, weil die Klägerin keine im Inland steuerpflichtigen Umsätze erbracht hat. Für den maßgeblichen Leistungsort i.S. des § 3a Abs. 1 UStG kommt es alleine auf die Frage an, von wo aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Darauf, ob im Bereich von Flugsicherungsleistungen ggf. auch jenseits der Landesgrenzen belegener Luftraum mitüberwacht wird, kommt es danach nicht an. Letzteres ergibt sich letztlich auch schon daraus, dass die Klägerin Leistungsentgelte nur für die Überwachung des tschechischen Luftraums abgerechnet hat.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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