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Gericht: Finanzgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.05.2007
Aktenzeichen: 2 V 1243/07
Rechtsgebiete: BGB, AO, DBA-Türkei


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1 S. 1
AO § 30
AO § 117 Abs. 2
DBA-Türkei Art. 26 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

2 V 1243/07

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsgegner berechtigt ist, der türkischen Steuerverwaltung eine Spontanauskunft über steuerliche Verhältnisse des Antragstellers zu erteilen.

Im Jahr 1999 wurde der Antragsteller im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in Untersuchungshaft genommen.

Am 19. November 1999 überwies die in der Türkei ansässige Rechtsanwaltskanzlei X als Treuhänder für den in der Türkei wohnhaften Herrn MY 500.000 DM auf ein Konto des Strafverteidigers des Antragstellers. Nach dem Vortrag des Antragstellers lag diesem Geldtransfer ein Privatdarlehen seines Schwagers, Herrn M.Y, zugrunde. Herr M.Y habe ihm das Darlehen zur Stellung einer Kaution sowie zur Abwicklung des steuerstrafrechtlichen Verfahrens gewährt. Am 11. April 2000 sei das Darlehen i.H.v. 300.000 DM zum Teil zurückgezahlt worden. Die Rücküberweisung sei auf ein Konto von Herrn M.Y erfolgt. Dieses Konto sei dann anschließend von Herrn A, dem Sohn von Herrn M.Y, aufgelöst worden. Herr A habe aus der Summe von 300.000 DM einen Betrag i.H.v. 270.000 DM auf seinem Konto bei der Finansbank in Z als Festgeld angelegt. Das Konto sei zeitweilig als DM-Konto unterhalten worden, später habe Herr A eine zinsgünstige Anlage in türkischer Lira gehabt.

Dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung liegt die "Mitteilung im zwischenstaatlichen Auskunftsverkehr in Steuersachen" der Oberfinanzdirektion - OFD - BB vom 6. November 2006 zu Grunde. Mit dieser dem Antragsgegner zugeleiteten Mitteilung will die OFD BB auf Gesuch des Finanzamtes C den türkischen Steuerbehörden eine Spontanauskunft über die beiden oben dargestellten Zahlungsvorgänge erteilen.

Mit Schreiben vom 23. März 2007 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass eine Weiterleitung der von der OFD BB übersandten "Spontanauskunft" an die türkische Steuerverwaltung beabsichtigt sei. Die türkischen Steuerbehörden sollten mit der Erteilung der Spontanauskunft in die Lage versetzt werden, die Mittelherkunft und -verwendung sowie deren ordnungsgemäße Versteuerung zu überprüfen. Gerade Darlehensgewährungen und deren Rückzahlungen seien für den Informationsaustausch geeignete Sachverhalte. Der Auskunftsaustausch sei daher nach Art. 26 Abs. 1 DBA-Türkei gestattet. Außerdem kündigte der Antragsgegner eine Weiterleitung der "Spontanauskunft" am 25. April 2007 an, wenn der Antragsteller nicht vor diesem Termin anzeige, dass er im Zusammenhang mit einer Unterlassungsklage einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Finanzgericht Köln gestellt habe.

Hiergegen hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, den er wie folgt begründet:

Ein Anlass für die Annahme, Herr M.Y sei in der Türkei seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen, existiere nicht. Herr M.Y besitze in der Türkei die Firmen D,E und F. Zusammen mit der türkischen Vertretung der Firma H.J., deren alleinige Gesellschafter Herr M.Y und Herr A seien, würden diese Firmen ca. EUR 150 Mio. jährlich umsetzen. Wenn das Finanzamt C behaupte, er, der Antragsteller, habe am 2. März 2006 an Amtstelle ausgesagt, dass Herr M.Y in der Türkei keine entsprechenden Mittel besitzen dürfe, um gewisse Steuervorteile zu erhalten, so stimme diese Aussage in dieser Form nicht. Es sei gemeint gewesen, dass Herr M.Y aus der türkischen Vertretung der Firma H.J. über seine Geschäftsführerbezüge hinaus, die steuerfrei zufließen würden, keine weiteren Einkünfte an dieser Gesellschaft haben dürfe. Außerdem müsse der türkische Rechtsanwalt und Notar X sämtliche Treuhandgelder den Finanzbehörden melden. Diese Meldungen habe er auch getätigt, da er sonst Gefahr liefe, sein Notariat zu verlieren.

Weiterhin handele es sich im Streitfall nicht um Unterlagen, die gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Abgabenordnung - AO - einem Amtsträger im Rahmen eines Rechnungsprüfungsverfahrens offiziell bekannt geworden seien. Vielmehr seien die Dokumente vom Antragsteller persönlich vorgelegt worden. Es könne sich daher allerhöchstens um Bescheinigungen über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c AO handeln. Diese dürften jedoch, wie § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zeige, nicht offenbart werden. Hinzu komme, dass eine Offenbarung gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO nur erfolgen könne, wenn der Betroffene zustimme. Eine solche Zustimmung habe er nicht erteilt.

Nach einem BFH-Beschluss vom 15. Februar 2006 I B 87/05 seien Spontanauskünfte nach dem EG-Amtshilfegesetz auch nur zulässig, wenn objektive Anhaltspunkte für eine mögliche oder tatsächliche Steuerverkürzung vorlägen. Solche objektiven Anhaltspunkte lägen im Streitfall schon deshalb nicht vor, weil es sich hier um eine reine Darlehensabwicklung handele, die weder in Deutschland noch in der Türkei ertrag- oder umsatzsteuerpflichtig sei. Es fehle insoweit überhaupt an einem konkreten Bezugspunkt zu einer möglichen unterlassenen Steuerfestsetzung in der Türkei.

Schließlich bestehe bei einer getätigten Spontanauskunft für ihn, den Antragsteller, die Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, den türkischen Finanzbehörden eine Spontanauskunft gemäß dem Ersuchen der OFD BB vom 6. November 2006 zu erteilen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Ansicht, dass er nach § 30 Abs. 4 Nr. 2, § 117 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 26 DBA-Türkei zur Weiterleitung der Spontanauskunft berechtigt sei.

Art. 26 Abs. 1 DBA-Türkei gestatte die Erteilung von sog. Spontanauskünften.

Die Weiterleitung der beabsichtigten Spontanauskunft diene der Durchführung des innerstaatlichen türkischen Rechts. Herr M.Y und Herr A seien beide in der Türkei wohnhaft und damit dort unbeschränkt steuerpflichtig. Herr M.Y sei somit verpflichtet, sein nach Aktenlage aus einer Geldanlage in Dubai stammendes Vermögen i.H.v. 500.000 DM sowie die daraus resultierenden Zinserträge gegenüber den türkischen Steuerbehörden zu erklären und die Zinseinkünfte hieraus in der Türkei zu versteuern. Herr A habe nach seinem eigenen Vortrag aus der Rückzahlung des Darlehens durch den Antragsteller i.H.v. 300.000 DM einen Teilbetrag i.H.v. 270.000 DM auf eigenen Namen als Festgeld angelegt. Soweit aufgrund dieses Vortrags die Geldanlage bei der türkischen Finansbank i.H.v. 270.000 DM nicht Herrn M.Y, sondern vielmehr Herrn A zuzurechnen sei, habe dieser die Zinseinkünfte aus dieser Geldanlage gegenüber den türkischen Steuerbehörden zu erklären und zu versteuern.

Die in der Türkei nach innerstaatlichem Recht zu erhebenden Steuern vom Einkommen und Vermögen unterfielen gemäß Art. 2 Abs. 1 DBA-Türkei unter das Abkommen mit der Türkei. Somit dürften im Rahmen des Art. 26 DBA-Türkei auch Informationen über die Steuern vom Einkommen und Vermögen an die türkische Steuerbehörde weitergeleitet werden.

Die Erteilung der Spontanauskunft sei auch erforderlich im Sinne des Art. 26 Abs. 1 DBA-Türkei. Die Weiterleitung der Auskünfte über die Geldanlage des türkischen Steuerpflichtigen M.Y werde die türkische Steuerbehörde in die Lage versetzen, überprüfen zu können, ob Herr M.Y mit seiner Geldanlage in Dubai in Höhe von 500.000 DM der türkischen Steuerpflicht unterlegen habe. Für die türkische Steuerbehörde könne insbesondere prüfungsrelevant sein, ob das in Dubai angelegte Vermögen aus ordnungsgemäß in der Türkei versteuerten Gewinnen stammt und ob Herr M.Y sein in Dubai angelegtes Vermögen sowie die daraus resultierenden Zinseinkünfte in der Türkei erklärt und versteuert hat. Ebenso werde die türkische Steuerbehörde bei Herrn A in die Lage versetzt, zu überprüfen, ob dieser das auf seinen Namen angelegte Tagegeld i.H.v. 270.000 DM ordnungsgemäß erklärt und versteuert hat.

Die beabsichtigte Weiterleitung der Spontanauskunft sei auch ermessensgerecht i.S. von § 117 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 26 DBA-Türkei. Hier sei zu berücksichtigen, dass die ausländischen Behörden bei diesem Sachverhalt wahrscheinlich keine ausreichenden eigenen Ermittlungsmöglichkeiten hätten. Die Kenntnis des Inhalts der Spontanauskunft sei mithin eine notwendige Voraussetzung für die Durchsetzung des Besteuerungsrechts. Darüber hinaus gebiete es auch die Gegenseitigkeit und Fairness, zu der sich die Vertragsparteien in Art. 26 DBA-Türkei implizit verpflichtet hätten, auf solche Sachverhalte hinzuweisen. Durch die Erteilung der Spontanauskunft werde auch nicht unverhältnismäßig in die Rechte des Antragstellers eingegriffen.

Schließlich fehle es für eine einstweilige Anordnung auch an dem nach § 114 FGO erforderlichen Anordnungsgrund. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft dargelegt, dass ihm wesentliche Nachteile i.S. des § 114 Abs. 1 FGO entstehen könnten, die durch eine einstweilige Anordnung abzuwenden wären.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.

1. Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern (Regelungsanordnung). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in jedem Fall, dass der im Hauptverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden ( § 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 1, 2 ZPO). Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs bedeuten, dass der Antragsteller den Anspruch rechtlich schlüssig darlegen und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft machen muss ( § 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO).

2. Vorliegend begehrt der Antragsteller den Erlass einer Regelungsanordnung, denn durch die gerichtliche Anordnung möchte er verhindern, dass der Antragsgegner ihn betreffende steuerliche Verhältnisse einer ausländischen Steuerbehörde mitteilt. Er möchte damit die Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erreichen.

3. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Dem Antragsteller fehlt der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch. Denn der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen den Antragsgegner, die beabsichtigte Auskunftserteilung zu unterlassen.

a) Nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung - welcher sich der beschließende Senat anschließt - ist als Grundlage für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch § 1004 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - in analoger Anwendung - i.V.m. § 30 AO anerkannt (BFHBeschluss vom 29. April 1992 I B 12/92, BFHE 167, 11; BStBl II 1992, 645). Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind vorliegend jedoch nicht erfüllt.

Der Antragsteller hat es analog § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden, dass sich der Antragsgegner an die ausländische Steuerbehörde wendet. Denn der Antragsteller kann sich gegenüber dieser Mitteilung nicht auf das Steuergeheimnis nach § 30 AO berufen, weil nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO die durch Gesetz ausdrücklich zugelassene Befugnis zur Offenbarung besteht. Eine ausdrückliche gesetzliche Zulassung in diesem Sinne enthält § 117 Abs. 2 AO, wonach die Finanzbehörden u.a. auf Grund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen sowie des EG-Amtshilfe-Gesetzes Amtshilfe leisten können. Durch eine Maßnahme, die sich in diesem Rahmen hält, wird deshalb das Steuergeheimnis nicht verletzt (BFHBeschluss vom 29. April 1992 I B 12/92, a.a.O.).

b) Im Streitfall leitet der Antragsgegner seine Befugnis zur Erteilung der beabsichtigten Spontanauskunft hiernach zu Recht aus Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Türkei ab. Nach dieser Vorschrift, die eine innerstaatlich anwendbare völkerrechtliche Vereinbarung i.S. des § 117 Abs. 2 AO enthält, können die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten diejenigen Informationen austauschen, die zur Durchführung des Abkommens und des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten betreffend die unter das Abkommen fallenden Steuern erforderlich sind, soweit die diesem Recht entsprechende Besteuerung mit dem Abkommen im Einklang steht.

aa) Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Türkei erlaubt den deutschen Behörden nicht nur die Beantwortung von Anfragen, sondern auch - wie im vorliegenden Streitfall - unaufgeforderte Spontanauskünfte an die zuständigen Dienststellen der Türkei. Für dieses Schlussfolgerung spricht zum einen, dass der Austausch einer Information nach dem Wortlaut des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Türkei kein Ersuchen des anderen Vertragsstaates voraussetzt (s.a. BFH-Beschluss vom 13. Januar 2006 I B 35/05, BFH/NV 2006, 922 zum DBA-Russland). Zum anderen kann für die Auslegung des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Türkei die zum Zeitpunkt der Vereinbarung dieses DBA geltende Fassung des Kommentars zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens 1977 (MA 1977) herangezogen werden. Nach Ziffer 9 Buchstabe c des Kommentars zu § 26 Abs. 1 MA 1977 ist auch der unaufgeforderte Informationsaustausch möglich (vgl. Engelschalk, in Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Art. 26 Rz. 19 ff.).

bb) Die streitige Spontanauskunft ist weiterhin auch "zur Durchführung des innerstaatlichen Rechts des Vertragsstaates Türkei betreffend die unter das Abkommen fallenden Steuern erforderlich" i.S. des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Türkei.

(1) Nach inzwischen gefestigter höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Mai 2005 - I B 218/04, BFH/NV 2005, 1503 und vom 13. Januar 2006 - I B 35/05, BFH/NV 2006, 922), welcher der beschließende Senat folgt, kommt es für das Merkmal der "Erforderlichkeit" nicht auf die Feststellung der deutschen Steuerbehörden an, dass der zur Mitteilung vorgesehene Sachverhalt in dem anderen Vertragsstaat mit hoher Wahrscheinlichkeit steuerpflichtig sein und demnach zu einer (höheren) Steuerfestsetzung führen wird.

Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Türkei verlangt daher nicht, dass ohne die Auskunft die Verfolgung von Steueransprüchen des anderen Vertragsstaats vereitelt würde oder konkret gefährdet wäre. Eine dahin gehende Auslegung der Vorschrift würde bedeuten, dass die inländischen Finanzbehörden im Vorfeld des Verfahrens nach Art. 26 DBA-Türkei zunächst den genauen Inhalt des ausländischen Steuerrechts ermitteln und die Auskunftserteilung vom Ergebnis dieser Ermittlung abhängig machen müssten; das würde das abkommensrechtliche Auskunftsverfahren unpraktikabel machen und kann deshalb nicht richtig sein.

Vielmehr ist eine Auskunftserteilung schon dann i.S. des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Türkei "erforderlich", wenn die ernstliche Möglichkeit besteht, dass der andere Vertragsstaat abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht hat und ohne die Auskunft von dem Gegenstand dieses Besteuerungsrechts keine Kenntnis erlangt.

(2) Die genannten Merkmale liegen im Streitfall beide vor.

alpha) Es besteht die ernstliche Möglichkeit, dass die Türkei aufgrund des vom Antragsteller vorgetragenen Sachverhalts ein Besteuerungsrecht an möglichen Zinseinkünften bzw. Geldvermögen der Herren M.Y und A hat. Insoweit weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass beide Herren in der Türkei wohnhaft und damit dort unbeschränkt steuerpflichtig sind. Damit besteht aber die ernstliche Möglichkeit, dass mögliche Zinserträge aus Geldanlagen i.H.v. 500.000 DM bzw. 270.000 DM in der Türkei einkommensteuerpflichtig sind. Ebenso ist es ernstlich möglich, dass die beiden nicht unerheblichen Geldbeträge in der Türkei einer Vermögensteuerpflicht unterliegen und die übermittelten Information auch insoweit für eine Besteuerung in der Türkei erheblich sein können.

beta) Weiterhin ist auch die ernstliche Möglichkeit gegeben, dass die Türkei ohne die beabsichtigte Spontanauskunft von dem Gegenstand ihres möglichen Besteuerungsrechts keine Kenntnis erlangt.

Der Antragsteller hat insoweit nicht unter Beibringung präsenter Beweismittel vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass die von der Auskunft betroffenen, in der Türkei wohnhaften Herren M.Y und A ihre steuerlichen Erklärungspflichten im Hinblick auf die Geldanlagen von 500.000 DM bzw. 270.000 DM und die daraus möglicherweise erzielten Zinserträge in der Türkei in vollem Umfang erfüllt haben.

Der Akteninhalt bietet auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die zuständigen Steuerbehörden der Türkei in anderer Weise von dem zur Mitteilung vorgesehenen Sachverhalt Kenntnis erlangt haben. Allein der vom Antragsteller vorgetragene Gesichtspunkt, der türkische Rechtsanwalt und Notar X müsse sämtliche Treuhandgelder den Finanzbehörden melden, reicht für eine solche Schlussfolgerung nicht aus. Der Antragsteller hat insoweit schon in keiner Weise dargelegt und mit präsenten Beweismitteln glaubhaft gemacht, dass Herr X einer solchen möglichen Verpflichtung im konkreten Fall nachgekommen ist und die türkischen Steuerbehörden damit von den Einzelheiten des Geldtransfers nach Deutschland und zurück in die Türkei auch tatsächlich Kenntnis erlangt haben.

cc) Der Antragsgegner handelt mit der Wahrnehmung seines ihm durch Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Türkei eingeräumten Auskunftsrechts auch nicht ermessenswidrig.

(1) Die vom Antragsgegner in diesem Zusammenhang vorgetragenen Gesichtspunkte - fehlende eigene Ermittlungsmöglichkeiten der türkischen Steuerbehörden sowie Gegenseitigkeit des Informationsaustausches - lassen keinen Ermessensfehler i.S. des § 102 FGO erkennen.

(2) Die beabsichtigte Spontanauskunft greift auch nicht unverhältnismäßig in die Rechte des Antragstellers ein.

alpha) Die Rechte des Antragstellers werden durch die Auskunft des Antragsgegner erkennbar nur insoweit berührt, als hierdurch den zuständigen türkischen Steuerbehörden der Vorgang des Geldtransfers zwischen den Herren M.Y bzw. A und dem Antragsteller bekannt wird. Die türkischen Steuerbehörden sind aber nach Art. 26 Abs. 1 Satz 2 DBA-Türkei ebenso wie die deutschen zur Einhaltung des Steuergeheimnisses verpflichtet. Dem Senat sind auch keine Umstände bekannt, die die Besorgnis rechtfertigen, dass die türkischen Steuerbehörden dieser Verpflichtung zu wider handeln könnten. Angesicht dessen steht die dem Antragsteller drohende Rechtsbeeinträchtigung in keinem unangemessenen Verhältnis zum Zweck der Auskunft (s.a. BFH-Beschluss vom 10. Mai 2005 I B 218/04, a.a.O.).

beta) Mit der Behauptung, es bestehe aufgrund der Auskunft die Gefahr, die eigene Existenzgrundlage zu verlieren, kann der Antragsteller keine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darlegen. Denn insoweit fehlt es schon an der Darlegung substantiierter Gründe, weshalb die Existenzgrundlage des Antragstellers durch die beabsichtigte Spontanauskunft gefährdet werden könnte.

c) Im Ergebnis ist die beabsichtigte Spontanauskunft damit nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO zulässig, da sie durch Gesetz ( § 117 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 26 Abs. 1 DBA-Türkei) ausdrücklich zugelassen ist. Der in diesem Zusammenhang vom Antragsteller erhobene Einwand, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 und 3 lägen im Streitfall nicht vor, geht daher fehl.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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