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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: 3 K 5200/04
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 129
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Es ist strittig, ob der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 nach § 129 Abgabenordnung (AO) geändert werden kann.

Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin hatte seit 1994 Herstellungs- und Anschaffungskosten für Grund und Boden und Gebäude eines in der ... in ... gelegenen Grundstückes.

Die Anschaffungskosten des Jahres 1999 für das Gebäude betrugen brutto 112.770,64 DM (dies entspricht einem Nettobetrag von 97.733,17 DM), im Streitjahr 2000 netto 332.020,70 DM und 52.875,83 DM Vorsteuern.

Im Streitjahr vermietete die Klägerin das Grundstück mit aufstehendem Gebäude umsatzsteuerpflichtig an den von ihrem Ehemann betriebenen Gewerbebetrieb.

Die Eheleute reichten am ... 2001 ihre gemeinsame Einkommensteuererklärung mit einer Anlage V für das Objekt ... beim Beklagten ein, mit der die Klägerin, bei Einnahmen in Höhe von 54.696,- DM (einschließlich "Erstattung Umsatzsteuer 1999" 15.096,40DM) und Werbungskosten in Höhe von 30.358,- DM, einen Überschuss in Höhe von 24.338,- DM erklärte. Als Anlage war eine Überschussrechnung beigefügt, die als Bemessungsgrundlage der Abschreibungen Herstellungskosten in Höhe von 441.969,63 DM netto auswies. Neben dem Herstellungskostenbetrag ist vermerkt: "siehe Anlage". Eine Anlage zu Herstellungskosten wurde allerdings ausweislich der Akten nicht zur Einkommensteuererklärung, bei deren Anfertigung die Bevollmächtigten mitgewirkt hatten, sondern mit der ebenfalls von diesen am ... 2001 eingereichten Umsatzsteuererklärung 2000 eingereicht (vgl. Kopfzeile der Anlage; "Herstellungskosten - Umsatzsteuererklärung 2000 - ..."). In dieser Anlage sind die Herstellungskosten 2000 in folgender Höhe ermittelt: 332.020,70 DM netto, 52.875,83 DM Vorsteuer, 387.415,03 DM brutto.

Der Beklagte erließ am ... 2002 einen im Wesentlichen antragsgemäßen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid. Am ... 2003 wurde im Anschluss an eine Betriebsprüfung, welche die Einkommensteuer 1998 bis 2000 umfasste, ein Änderungsbescheid erlassen und der Vorbehalt der Nachprüfung ohne Änderungen bei den Vermietungseinkünften der Klägerin, die auch nicht der Prüfung unterlegen hatten, aufgehoben.

Am ... 2004 beantragten die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 vom ... 2003 nach § 129 AO. Sie begehrten, die im Jahr 2000 gezahlte Umsatzsteuer aus den Herstellungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen. In der Nichtberücksichtigung der Vorsteuerbeträge als Ausgabe läge eine offenbare Unrichtigkeit. Die Vorsteuerbeträge seien versehentlich nicht in die Anlage V übertragen worden. Eine Abstimmung der Anlage V mit den dazugehörigen Anlagen hätte diesen Fehler sofort aufgedeckt. Die Gesamtsumme der als Werbungskosten abzugsfähigen Vorsteuerbeträge hätte sich außerdem aus der zeitgleich mit der Einkommensteuererklärung eingereichten Umsatzsteuererklärung der Klägerin ergeben.

Das Fehlen der abzugsfähigen Vorsteuern bei den in der Anlage V aufgeführten Werbungskosten hätte dem Finanzamt bei der Veranlagung auffallen müssen. Da das Finanzamt den Fehler übernommen habe, müsse dieser nun nach § 129 AO korrigiert werden.

Am ... 2004 lehnte der Beklagte die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 nach § 129 AO ab, da falsche Schlussfolgerungen oder eine unrichtige Rechtsanwendung nicht ausgeschlossen werden könnten. Den deshalb erhobenen Einspruch der Kläger vom ... 2004 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom ... 2004 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, bereits in der Einkommensteuererklärung für das Vorjahr seien gezahlte Vorsteuerbeträge nicht als (vorweggenommene) Werbungskosten geltend gemacht worden. Der Umstand, dass derselbe Fehler gleich zwei Mal hintereinander unterlaufen sei, müsse als Indiz dafür gewertet werden, dass dem Steuerberater die ertragssteuerliche Beurteilung gezahlter Vorsteuern im Fall der Umsatzsteueroption nicht geläufig gewesen sei, was die Anwendung des § 129 AO ausschließe.

Die Kläger sind der Ansicht, mit der Abschreibung von den Nettoherstellungskosten sei dokumentiert, dass ihnen die Regelung des § 9b EStG mit der Folge, die Vorsteuern als Werbungskosten zu berücksichtigen, bekannt gewesen sei. Dies sei auch aus den der Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärung beigefügten Anlagen für den Beklagten erkennbar gewesen.

Ein Rechtsirrtum, wie vom Beklagten unterstellt, sei auszuschließen. Ein solcher hätte nur dann angenommen werden können, wenn als AfA-Bemessungsgrundlage von den Bruttoherstellungskosten ausgegangen worden wäre. Die Kläger sehen sich durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 02.04.1987 IV R 255/84, BStBl II 1987, 762 in ihrer Rechtsansicht bestätigt.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom ... 2004 und die ablehnende Einspruchsentscheidung vom ... 2004 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid vom ...2003 gemäss § 129 AO dahingehend zu berichtigen, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Ehefrau in Höhe von 52.875,83 DM berücksichtigt werden,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, ein Rechtsirrtum könne im Streitfall nicht ausgeschlossen werden.

Auf die Einspruchsentscheidung sowie die Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen 2000 mit Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte die begehrte Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 129 AO abgelehnt.

1. Nach dieser Vorschrift kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sind solche, die auf einem mechanischen Versehen beruhen und bei denen die Möglichkeit eines Fehlers in der Tatsachenwürdigung oder Rechtsanwendung ausgeschlossen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539). Aus der Formulierung, dass der Fehler beim Erlass des Verwaltungsaktes unterlaufen sein muss, ergibt sich, dass grundsätzlich nur Fehler des Finanzamtes gemeint sind, nicht dagegen Fehler des Steuerpflichtigen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung findet § 129 AO aber auch Anwendung, wenn die Fehlerhaftigkeit von Angaben des Steuerpflichtigen für das Finanzamt ohne weiteres erkennbar war und das Finanzamt damit eine offenbare Unrichtigkeit des Steuerpflichtigen als eigene übernommen hat (BFH-Urteil vom 02.04.1987 IV R 255/84, BStBl II 1987, 762 m.w.N.). Voraussetzung ist jedoch, dass auch auf Seiten des Steuerpflichtigen eine offenbare Unrichtigkeit gegeben ist. Besteht beim Steuerpflichtigen oder beim Finanzamt auch nur die ernsthafte Möglichkeit, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- und Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachaufklärung beruht, scheidet die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO aus (vgl. BFH-Urteil vom 23.10.2001 IX R 75/98, BFH/NV 2002, 467 m.w.N.).

2. Im Streitfall ist der Einkommensteuerbescheid 2000 vom ... 2003 fehlerhaft, weil die Vorsteuern aus den in 2000 aufgewandten Herstellungskosten nicht nach § 9b EStG als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt worden sind. Der mangels Anfechtung bestandskräftig gewordene Bescheid kann jedoch nicht gemäß § 129 AO geändert werden. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass dem Steuerberater oder dessen Angestellten - was den Klägern zuzurechnen ist - bei Erstellung der Einkommensteuererklärung ein Rechtsfehler oder dem Beklagten ein Aufklärungsfehler unterlaufen ist.

a) Es lässt sich nicht ausschließen, dass der Steuerberater oder der mit der Erstellung der Steuererklärung beauftragte Angestellte, die sich aus § 9 b Einkommensteuergesetz (EStG) ergebenen Rechtsfolgen nicht beachtet oder verkannt haben. Es besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass dem Bearbeiter ein Fehler unterlaufen ist dergestalt, dass er bei der rechtlichen Beurteilung der im Streitjahr auf Herstellungskosten gezahlten Umsatzsteuer davon ausging, diese sei zwar bei der Umsatzsteuer als Vorsteuer, nicht aber als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, oder aber dass er die für den Ansatz der Vorsteuer als Werbungskosten notwendige Überlegung, dass die Steuern nicht nur als Erstattungsbetrag bei der Umsatzsteuererklärung, sondern daneben als Ausgabeposten in der ertragsteuerlichen Einnahmeüberschussrechnung anzusetzen sind, nicht angestellt hat. Dann aber kann von einem mechanischen, d.h. außerhalb der Entscheidungsbildung liegenden Fehler i.S.d. § 129 AO nicht die Rede sein. Zwar sind in der Anlage V zur Einkommensteuererklärung bzw. in der Anlage Herstellungskosten zur Umsatzsteuererklärung Vorsteuern separat ausgewiesen und die Abschreibungen in der Einnahme-Überschussrechnung lediglich vom Nettobetrag der Herstellungskosten 1998 - 2000 errechnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2000 die Anwendung des § 9 b EStG hinreichend präsent gewesen ist. Dagegen dass die erforderlichen Überlegungen speziell zur ertragsteuerlichen Behandlung der Vorsteuern als Werbungskosten angestellt worden sind, spricht aber, dass bereits im Vorjahr Vorsteuern auf Herstellungskosten angefallen waren, ohne dass diese Vorsteuern als (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht worden waren. Da dieser Fehler in zwei aufeinanderfolgenden Jahren bei der Erstellung der Einkommensteuererklärungen unterlaufen ist, lässt sich eine falsche Rechtsanwendung oder ein sonstiger sachverhaltsbezogener Denk- und Überlegungsfehler bei der Erstellung der Steuererklärung nicht ausschließen.

b) Zudem ist nicht auszuschließen, dass beim Beklagten fehlerhafte Vorgänge aus dem Bereich des Denkens, Überlegens, Schlussfolgerns oder eine fehlerhafte Sachverhaltsermittlung bzw. fehlerhafte Gesetzesanwendung Ursache des Veranlagungsfehlers sind, was ebenfalls einer Anwendung des § 129 AO entgegensteht.

Alleine aus den Angaben in der Einkommensteuererklärung war nicht ohne weitere Überlegungen auf einen als Werbungskosten abzuziehenden Vorsteuerbetrag auf Herstellungskosten in Höhe von 52.875,83 DM zu schließen. Denn dieser Betrag war nicht in der Anlage V oder den der Einkommensteuererklärung beigefügten Anlagen enthalten.

Zwar war der zeitgleich demselben Bearbeiter vorliegenden Umsatzsteuererklärung 2000 ein Verzeichnis der Herstellungskosten des Jahres 2000 beigefügt, welches Bruttobeträge sowie Nettobeträge und Vorsteuern ausweist. Der dort ermittelte Gesamtbetrag der Vorsteuern hätte lediglich in die Anlage V als Ausgabeposten übernommen werden müssen. Dass dies unterblieben ist, kann aber auch auf nicht hinreichender Sachaufklärung beruhen bzw. auf dem Umstand, dass sich der Beamte (ebenso wie der Angestellte des Steuerberaters) keine hinreichenden Gedanken zu den ertragssteuerlichen Auswirkungen der in der Anlage zur Umsatzsteuererklärung aufgeführten Beträge gemacht hat. Dann handelt es sich aber um einen Fehler in der Gesetzesanwendung bzw. der Sachverhaltsermittlung, der eine Änderung nach § 129 AO ausschließt. Zudem führt es nicht zu einer offenbaren Unrichtigkeit, wenn der Beklagte keine Folgerungen aus Angaben in einer anderen Steuererklärung, sei es auch für dasselbe Jahr und denselben Steuerpflichtigen, zieht. In einem solchen Fall ist ein Fehler in der rechtlichen Beurteilung oder eine mangelhafte Sachaufklärung, welche auch in einem Nichtbeachten rechtlicher Auswirkungen bei einer anderen Steuerart vorliegen kann, gegeben. Insofern ist der Streitfall auch nicht mit dem Fall des BFH-Urteils IV R 255/84 vergleichbar, da dort die steuerlichen Auswirkungen der für die Ertragsteuer erstellten Unterlagen zu beachten waren, während sich im vorliegenden Ertragsteuer-Fall die fehlenden Angaben aus den Anlagen zur Umsatzsteuererklärung ergeben. Die Übertragung des in der Anlage zur Umsatzsteuererklärung ermittelten Vorsteuerbetrages in die Überschussrechnung der Einkommensteuererklärung hätte weitere (rechtliche) Überlegungen zur Anwendung des § 9b EStG vorausgesetzt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese unterblieben sind.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es sich um die Anwendung feststehender Rechtssätze auf einen unstreitigen Sachverhalt handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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