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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 24.06.2009
Aktenzeichen: 4 K 102/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 1
EStG § 6 Abs. 1
EStG § 7 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 vom 31.05.2005 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung werden geändert und eine AfA für den betrieblich genutzten Teil des Gebäudes in Höhe von 3.150 € (= 2% von (225.000 € - 35.964 €)* 10/12) im Jahr 2002 und in Höhe von 3.780 € (= 2% von (225.000 € - 35.964 €)) im Jahr 2003 steuermindernd berücksichtigt. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 4/5 und die Kläger zu 1/5.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Absetzung für Abnutzung (AfA) für den eigenbetrieblich genutzten Gebäudeteil des Grundstücks I-Str. in der Stadt H.

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betreibt in der Stadt H eine Apotheke. Ursprünglich hatte er die Räumlichkeiten der Apotheke von seinem Vater gemietet. Der Vater starb am 26.09.2001. Das Vermögen ging auf den Kläger und dessen Schwester über. Die Erbengemeinschaft setzte sich mit Vertrag vom 17.05.2002 in der Weise auseinander, dass der Kläger das Hausgrundstück, in dem die Apotheke betrieben wird, und die Schwester den übrigen Grundbesitz jeweils zu Alleineigentum erhielten. Die Übertragung erfolgte rückwirkend auf den Todeszeitpunkt des Vaters.

In der Einkommensteuererklärung 2002 beantragten die Kläger, den durch die Apotheke betrieblich benutzen Gebäudeteil mit einem Einlagewert von 135.240,- € zu berücksichtigen. Dieser Wert sollte zugleich die AfA - Bemessungsgrundlage (BMG) bilden, so dass sich bei einem AfA - Satz von 2% eine Jahres - AfA von 2.705,- € ( 2002 zeitanteilig für 10 Monate: 2.254,- € - der Kläger bilanziert zum 30.06. eines Jahres -) ergab.

In dem Einkommensteuerbescheid 2002 vom 08.11.2004 ermittelte der Beklagte die AfA anhand der fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten (AK/HK) des Erblassers (entsprechend R 43 Abs. 6 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) und H 43 der Einkommensteuerhinweise (EStH) lediglich in Höhe von 909,- € (zeitanteilig 682,- €).

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erzielten die Beteiligten Einigkeit darüber, dass der Teilwert des gesamten Gebäudes 500.000,- € und der betriebliche Anteil der Apotheke 225.000,- € (45 %) beträgt.

Mit Bescheid vom 31.05.2005 wurden die Kläger zur Einkommensteuer 2003 veranlagt. Auch hier ermittelte der Beklagte die AfA für das Betriebsgrundstück nach den fortgeführten AK/HK des Erblassers.

Mit Einspruchsentscheidung vom 19.12.2005 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Steuerfestsetzungen der Jahre 2002 und 2003 zurück. Er vertrat darin die Auffassung, dass sich der Einlagewert des Betriebsgrundstücks gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach dem Teilwert bemesse. Dieser betrage unstreitig 225.000,- €. Dieser Wert sei jedoch nicht zugleich der Wert der AfA- BMG. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F des StEntlG 1999/2000/2001 (§ 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F.) - jetzt § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des Art. 9 Nr. 7 HBeglG 2004 vom 29.12.2003 - bestimme, dass sich bei Wirtschaftsgütern, die nach einer Verwendung zur Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 - 7 EStG in ein Betriebsvermögen eingelegt worden sind, die AK/HK um die Abschreibungen mindern, die bis zum Zeitpunkt der Einlage vorgenommen worden sind. Diese Regelung gelte auch für Gebäude. Zur Anwendung dieser Vorschrift sei in Abschnitt 43 Abs. 6 EStR 2002 ausgeführt, dass sich die AfA nach den fortgeführten AK/HK bemesse. Die Summe der insgesamt in Anspruch genommenen Abschreibungen dürfe die AK/HK nicht übersteigen. Demzufolge dürften die Kläger lediglich bis zur Höhe der zum 30.09.2001 ermittelten BMG (45.903,- €) Abschreibungen vornehmen. Der Differenzbetrag zwischen der BMG und dem Einlagewert von 225.000,- € wirke sich dagegen erst bei einer späteren Grundstücksveräußerung oder Betriebsaufgabe gewinnmindernd aus.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit der vorliegenden Klage. Der Kläger habe das Grundstück nicht als Gesamtrechtsnachfolger seines Vaters erworben. Erbfall und Erbauseinandersetzung seien selbständige und keine rechtliche Einheit bildende Vorgänge. Zudem handele es sich bei der Einlage des Klägers nicht um eine freiwillige Einlage. Die Einlage erfolge allein deshalb, weil das Grundstück im Zeitpunkt des Erbanfalls und der Erbauseinandersetzung bereits betrieblich genutzt worden sei. Auch aus wirtschaftlicher Sicht ergebe sich keine andere Betrachtung, denn ein fremder Einzelrechtsnachfolger wäre auch nicht an die Buchwerte des Vorgängers gebunden. Zudem sei weiterhin ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO ausgeschlossen. Die Einlage in einen bestehenden Betrieb sei ein "anschaffungsähnlicher Vorgang", bei dem der bei der Einlage anzusetzende Wert (hier: 225.000,- €) die BMG bilde. Diese sei nur in den Fällen des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. zu kürzen, d.h. wenn das Grundstück zuvor zur Erzielung von Überschusseinkünften verwendet worden sei. Der Kläger habe das Grundstück aber vor der Einlage in das Betriebsvermögen nicht in dieser Form genutzt. Die Nutzung des Erblassers könne dem Kläger nicht zugerechnet werden, da keine Gesamtrechtsnachfolge vorliege. Für eine Anwendung dieser Grundsätze auch auf die Einzelrechtsnachfolge gebe es keine Anhaltspunkte. Die insoweit zu § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG ergangene Rechtsprechung müsse auch auf § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. angewandt werden, da es sich um grundlegende Wertungen des Steuerrechts handele und die Norm selbst keinen Anhaltspunkt für eine andere Auslegung enthalte. Weder aus § 11 d EStDV noch aus der Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. ließe sich etwas anderes ableiten. Für den Fall, dass das Gericht dieser Auffassung nicht folge, sei die BMG nicht die fortgeführten AK/HK des Erblassers, sondern der Einlagewert von 225.000,- € abzüglich der aufgelaufenen Abschreibungen. Dies entspreche auch dem Gesetzeszweck, doppelte Abschreibungen zu vermeiden; denn es werde nirgendwo erwähnt, dass auch die Wertsteigerungen im Privatvermögen der Abschreibung entzogen werden sollten. Letztlich sei der Wortlaut der Sätze 5 und 1 in § 7 Abs. 1 EStG vergleichbar, so dass es zu keiner unterschiedlichen Interpretation kommen dürfe. Mithin ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die von dem Beklagten vertretene Ansicht.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 vom 31.05.2005 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung zu ändern und eine AfA für den betrieblich genutzten Teil des Gebäudes in Höhe von 3.750 € (= 2% von 225.000 € * 10/12) im Jahr 2002 und in Höhe von 4.500 € (= 2% von 225.000 €) im Jahr 2003 steuermindernd zu berücksichtigen,

hilfsweise,

die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 vom 31.05.2005 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung zu ändern und eine AfA für den betrieblich genutzten Teil des Gebäudes in Höhe von 3.150 € (= 2% von (225.000 € - 35.964 €)* 10/12) im Jahr 2002 und in Höhe von 3.780 € (= 2% von (225.000 € - 35.964 €)) im Jahr 2003 steuermindernd zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die von den Klägern zitierte zu § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG ergangene Rechtsprechung sei auf diesen Fall nicht anzuwenden, da sie nicht zu § 7 Abs. 1 Satz 4 EStGa.F. ergangen sei. Eine entsprechende Anwendung komme nicht in Betracht, da die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. objektbezogen sei und nicht subjektbezogen. Dafür spreche schon der Wortlaut der Regelung, "bei Wirtschaftsgütern, die ...". Demnach sei nicht entscheidend, ob der Steuerpflichtige oder ein Rechtsvorgänger das Wirtschaftsgut vor der Einlage in das Betriebsvermögen zur Erzielung von Einkünften verwendet habe. Nur so könne der gesetzgeberische Zweck der Vorschrift erreicht werden, eine doppelte Abschreibung ohne zusätzlichen Aufwand zu vermeiden. Weiterhin habe der Gesetzgeber bewusst zwischen der Ermittlung des Einlagewerts in § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG und der Ermittlung der BMG in § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. unterschieden. Es sei auch nicht ersichtlich, warum Wirtschaftsgüter, die im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen werden, von der Regel des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. ausgenommen werden sollen. In diesem Zusammenhang sei schon höchstrichterlich entschieden, dass der Begriff "Anschaffung" im Einkommensteuerrecht unterschiedliche Bedeutung habe und dass er jeweils aus seinem Sinnzusammenhang heraus und nach dem Zweck der Vorschrift auszulegen sei. Letztlich sei dem Einwand der Kläger, es handele sich hier nicht um eine freiwillige Einlage nicht zu folgen. Insoweit hätte derselbe Sachverhalt im Fall einer Gesamtrechtsnachfolge ebenfalls zu einer unfreiwilligen Einlage geführt. Daher sei an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung, den Kläger im vorliegenden Fall wie einen Gesamtrechtsnachfolger zu behandeln festzuhalten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist überwiegend begründet.

Der Beklagte hat zu Unrecht bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die AfA die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers/der Rechtsvorgänger zugrunde gelegt.

Gem. § 7 Abs. 1 S. 1 EStG ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung entfällt. Da die Bemessungsgrundlage zeitanteilig auf den gesamten Abschreibungszeitraum zu verteilen ist, bedeutet dies, dass die Abschreibung in einem Kalenderjahr für so viele Monate erfolgen kann, wie sich das Wirtschaftsgut im Betriebsvermögen befindet (pro rata temporis). Maßgebliche Bemessungsgrundlage sind die Anschaffungskosten. Bei Gebäuden sind abweichend von § 7 Abs. 1 EStG die Abschreibungsbeträge nach § 7 Abs. 4 EStG zu bemessen. Da das Gebäude nach dem 31.12.1924 fertiggestellt wurde, beträgt der Abschreibungssatz nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 a) EStG jährlich 2 vom Hundert der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. gilt nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG entsprechend.

Gem. § 7 Abs. 1 Satz 4 a.F. EStG sind bei Wirtschaftsgütern, die nach einer Verwendung zur Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG in ein Betriebsvermögen eingelegt worden sind, die Anschaffungskosten um die Absetzungen für Abnutzungen oder Substanzverringerung, Sonderabschreibungen oder erhöhte Absetzungen, die bis zum Zeitpunkt der Einlage vorgenommen worden sind, zu mindern.

Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 4 a.F. EStG wurde eingeführt, um eine doppelte Inanspruchnahme von AfA zu verhindern. Denn vor der Einführung des § 7 Abs. 1 Satz 4 a.F. EStG war, wenn die 3-Jahresfrist des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG überschritten war, der Teilwert des eingelegten Wirtschaftsgutes Bemessungsgrundlage für die AfA, auch wenn bereits für das gleiche Wirtschaftsgut AfA berücksichtigt worden war und die Einlage des Wirtschaftsgutes nicht zu einer Realisierung der stillen Reserven führte (vgl. Urteil des BFH vom 27.01.1994, IV R 101/92, BStBl II 1994, 638). Das wollte der Gesetzgeber verhindern, da es keinen sachlichen Grund für einen solchen Steuervorteil gab und die doppelte Abschreibung von der Gestaltungspraxis häufig genutzt worden ist (siehe BT-Drucksache 14/23, 172; Nolde in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 7 EStG Rn. 218).

Durch den Erbfall und die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ist es zu einer Einlage in das Betriebsvermögen des Klägers gekommen (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG). Der ursprünglich von dem Vater des Klägers an den Kläger vermietete Gebäudeteil wurde unstreitig notwendiges Betriebsvermögen des von dem Kläger geführten Betriebs.

Der streitige Gebäudeteil ist auch nach einer Verwendung zur Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG in das Betriebsvermögen eingelegt worden,denn dem Kläger ist die Verwendung des Vaters zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist es zwar nicht Voraussetzung, dass die Verwendung zur Erzielung von Überschusseinkünften durch denselben Steuerpflichtigen erfolgen muss, der das Wirtschaftsgut anschließend in sein Betriebsvermögen einlegt. Die Vorschrift soll aber nach ihrem Sinn und Zweck eine "Doppelabschreibung" desselben Wirtschaftsguts bei den Überschusseinkünften und anschließend - nach erfolgter Einlage zum Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG) - bei den Gewinneinkünften vermeiden (BT-Drucks 14/23 S. 172). Die "doppelte" Abschreibung derselben Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist aber nur denkbar, wenn der Steuerpflichtige die Anschaffungs- oder Herstellungskosten einerseits im Rahmen der Überschusseinkunftsarten abgeschrieben hat und dann - nach Einlage des Wirtschaftsguts zum Teilwert - dieselben Anschaffungs- oder Herstellungskosten noch einmal abschreibt. Hat ein Dritter bei den Überschusseinkunftsarten die Abschreibung geltend gemacht, hat er seine Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgeschrieben. In diesen Fällen ist daher grundsätzlich für die einschränkende Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. kein Bedarf.

Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge gehen die Rechte und Pflichten aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Gesamtrechtsnachfolger über (§ 45 Satz 1 AO; vgl. auch § 1922 BGB). Der Gesamtrechtsnachfolger tritt in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Deshalb ist nach Auffassung des erkennenden Senats für die Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. sowohl die Anschaffung des Wirtschaftsguts als auch dessen Verwendung zur Erzielung von Überschusseinkünften durch den Erblasser dem Gesamtrechtsnachfolger zuzurechnen (ebenso: Tiedtke/Wälzholz DStR 2001, 1501 (1503); Kulosa in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, 27. Auflage, § 7 Rz. 80; Brandis in: Blümich, Einkommensteuer, § 7 Rz. 265; Handzik in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 7 Rz. 156; Nolde in Herrmann/ Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 7 Rz 225).

In der Literatur ist es umstritten, ob eine solche Zurechnung und damit eine Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. auch bei der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge in Betracht kommt (bejahend: Kulosa in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, 27. Auflage, § 7 Rz. 80; Brandis in: Blümich, Einkommensteuer, § 7 Rz. 265; Handzik in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 7 Rz. 156; verneinend: Tiedtke/Wälzholz DStR 2001, 1501 (1503); Nolde in Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 7 Rz 225). Begründet wird die ablehnende Haltung damit, dass auch im Geltungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG dem Einzelrechtsnachfolger nicht die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger zugerechnet wird (vgl. hierzu Urteile des BFH vom 14. Juli 1993 X R 74/90 und X R 75/90, BStBl II 1994, 15 und vom 5. Dezember 1996 IV R 83/95, BStBl II 1997, 287). Der erkennende Senat neigt der Auffassung zu, dass nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch im Fall der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge eine Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. in Betracht kommt.

Der erkennende Senat konnte die Entscheidung, ob im Falle der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. Anwendung findet, aber dahinstehen lassen, da nach Auffassung des Senats bei der im Streitfall gebotenen Gesamtbildbetrachtung ein Fall vorliegt, der dem einer Gesamtrechtsnachfolge zumindest gleichsteht.

Der Kläger ist zivilrechtlich mit dem Erbfall weder Einzel- noch Gesamtrechtsnachfolger seines Vaters geworden. Gesamtrechtsnachfolger ist die Erbengemeinschaft bestehend aus dem Kläger und seiner Schwester geworden. Durch die Erbauseinandersetzung mehrere Monate nach dem Erbfall auf den Zeitpunkt des Erbfalls ist der Kläger auch nicht Einzelrechtsnachfolger seines verstorbenen Vaters, sondern Einzelrechtsnachfolger der Erbengemeinschaft geworden. Erbfall und Erbauseinandersetzung sind grundsätzlich steuerlich zwei selbständige Rechtsvorgänge (vgl. z.B. Beschluss des BFH vom 05. Juli 1990, GrS 2/89, BStBl II 1990, 837), so dass der Miterbe bei einer Realteilung des Nachlasses grundsätzlich auch einkommensteuerlich nicht so gestellt wird, als habe er die ihm zugeteilten Wirtschaftsgüter unmittelbar vom Erblasser erworben. Die Erbengemeinschaft hätte sich als Gesamtrechtsnachfolgerin aber - wie oben dargestellt - bei einer Einlage in ein Betriebsvermögen die Inanspruchnahme der AfA durch den Vater des Klägers im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. zurechnen lassen müssen. Dadurch, dass dem Kläger Monate nach dem Erbfall anläßlich der Erbauseinandersetzung das Eigentum an dem Grundstück I-Str in der Stadt H rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls von der Erbengemeinschaft übertragen worden ist, kann sich aber keine andere AfA- Bemessungsgrundlage ergeben, als die, die die Erbengemeinschaft gehabt hätte; wenn sie eine Einlage getätigt hätte, denn durch die Auseinandersetzung wird der Kläger nicht rückwirkend unentgeltlicher Einzelrechtsnachfolger des Erblassers. Der "Durchgriff" durch die Erbengemeinschaft in einem Fall wie dem vorliegenden ist auch deshalb gerechtfertigt, weil der gesamthänderisch gebundene Miteigentumsanteil am betrieblich genutzten Grundstücksanteil vom Zeitpunkt des Erbfalls an zum Betriebsvermögen des Klägers gehörte.

Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. ist, dass die Bemessungsgrundlage für die AfA nicht nach dem Einlagewert gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, sondern nach einem eigenständig zu ermittelnden Wert zu bestimmen ist.

Die Finanzverwaltung versteht § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. so, dass sich die weitere AfA nach den fortgeführten historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten bemisst (R 43 Abs. 6 Satz 1 EStR). Dieser Auffassung folgt der erkennende Senat nicht, sondern schließt sich der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur an, wonach für die weitere AfA der Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG abzüglich der bereits im Bereich der Überschusseinkunftsarten in Anspruch genommenen AfA maßgeblich ist (vgl. Urteile des Schleswig-Holsteinischen FG vom 10. Juli 2008, 5 K 149/05, EFG 2008, 1610; des Niedersächsischen FG vom 05. September 2006, 13 K 537/05, EFG 2007, 112 m.w.N. aus der Literatur (Rev X R 40/06); des FG Münster vom 23. August 2006, 1 K 6956/03 F, EFG 2007, 178; des FG Münster vom 21. März 2007, 8 K 3908/04 F, EFG 2008, 32 (Rev XI R 13/07); Gröpl, Deutsches Steuerrecht 2000, S. 1285; Brandis in Blümich, Einkommensteuer, § 7 Rz. 265; Apitz in Herrmann/ Heuer/ Raupach, EStG und KStG, Band 20, Steuerreform 1999/2000/2002, § 7 R 10.; Stuhrmann, FR 2000, 511; Nolde in Herrmann/ Heuer/ Raupach, EStG und KStG, § 7 Rz. 225; Handzik in Littmann/ Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 7 Rz. 153; Lamprecht in Kirchhof, EStG Kompakt Kommentar, 5. Auflage, § 7 Rz. 88; Keller in Korn, EStG, § 7 Rz. 79; a.A.: Urteile des FG Hamburg vom 4. November 2005, I 296/04, EFG 2006, 324; des Niedersächsischen FG vom 6. April 2006, 11 K 449/03, EFG 2006 1239; vgl. auch die weiteren Literaturhinweise bei Kulosa in Schmidt, EStG, 27. Auflage 2008, Rz. 80).

Zwar deutet der Wortlaut der Vorschrift auf die von der Finanzverwaltung vertretene Auslegung hin. Denn die Regelung erwähnt nicht den Einlagewert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, sondern nur die Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Insoweit ist aber zu beachten, dass sich nach einer Einlage gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG die weitere AfA schon immer nach dem Einlagewert bemessen hat, obwohl nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 EStG eigentlich nur die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für die Bemessung der AfA maßgeblich sind (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 27. Januar 1994, IV R 101/92, BStBl II 1994, 638). Die Einlage wird für Zwecke der AfA als anschaffungsähnlicher Vorgang und der Einlagewert als "fiktive" Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewertet. Wird der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. im Kontext mit der herkömmlichen Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage bei Einlagen in das Betriebsvermögen gesehen, kann § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. auch so verstanden werden, dass lediglich die AfA, die bereits im Rahmen der Überschusseinkunftsarten vorgenommen worden ist, aus der AfA-Bemessungsgrundlage auszuklammern ist (so zutreffend Urteil des Niedersächsischen FG vom 05. September 2006, 13 K 537/05, 2, EFG 2007, 112 m.w.N.).

Aus der Entstehungsgeschichte der Norm lässt sich der gesetzgeberische Wille nicht eindeutig herleiten. Zwar war die Vorschrift in dem ursprünglichen Gesetzesentwurf als weiterer Satz in § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG geplant (BT-Drucksache 14/23, S. 7). In diesem Regelungszusammenhang hätte der Wortlaut für die Fortführung der historischen Anschaffungskosten gesprochen. Doch wurde die Regelung durch die Dritte Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 2. März 1999 (BT- Drucksache 14/442, S. 11) als § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. eingefügt. In dem Dritten Bericht des Finanzausschusses vom 3. März 1999 ist hierzu ausgeführt, dass die Neuregelung der AfA-Bemessungsgrundlage nicht bei den Vorschriften des § 6 EStG über die Bewertung, sondern systemgerecht bei den Vorschriften des § 7 EStG über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung eingefügt werden solle (BT- Drucksache 14/443, S. 25). Damit wurde die Vorschrift bewusst in einen neuen Regelungszusammenhang gestellt. Im Zusammenspiel mit den allgemeinen Grundsätzen über die AfA-Bemessungsgrundlage im Falle einer Einlage in ein Betriebsvermögen stellt § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. nunmehr eine Spezialregelung für den Sonderfall dar, dass mit dem Wirtschaftsgut zuvor Überschusseinkünfte erzielt worden sind. Angesichts dieser systematischen Umstellung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber nunmehr "systemgerecht" die allgemeinen Grundsätze der AfA-Gewährung bei Einlagen angewandt wissen wollte. Ihm ging es ausweislich der Gesetzesbegründung nicht darum, die bisher unbestrittene Maßgeblichkeit des Einlagewerts für die AfA-Bemessungsgrundlage weitgehend aufzugeben. Er wollte lediglich die "Doppelabschreibung" für einen besonderen Fall der vorherigen Verwendung des Wirtschaftsguts verhindern (vgl. BT-Drucksache 14/23, S. 172).

Der Senat teilt auch die weitere Argumentation des Niedersächsischen FG (vgl. Urteil vom 05. September 2006, 13 K 537/05, 2, EFG 2007, 112), wonach es nur dann, wenn lediglich die bereits im Bereich der Überschusseinkünfte vorgenommene AfA von dem Einlagewert abgezogen wird und es im Übrigen beim Einlagewert als AfA-Bemessungsgrundlage verbleibt, zu einem systematischen Gleichklang mit ähnlichen Fallgestaltungen kommt. So kann ein Steuerpflichtiger, der ein Wirtschaftsgut im Privatvermögen nicht zur Erzielung von Überschusseinkünften genutzt hat, dieses nach einer Einlage in ein Betriebsvermögen von dem hohen Einlagewert abschreiben. Wertsteigerungen, die im nicht steuerverhafteten privaten Bereich entstanden sind, werden über die Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts im Betrieb gewinnmindernd berücksichtigt. In den Fällen einer vorherigen Nutzung des Wirtschaftsguts für die Erzielung von Überschusseinkünften ist es daher systemgerecht, wenn die im Privatvermögen entstandenen Wertsteigerungen nach der Einlage in das Betriebsvermögen - mit Ausnahme der bereits im Bereich der Überschusseinkunftsarten erhaltenen AfA - ebenfalls über die Nutzungsdauer abgeschrieben werden können. Systemwidrig ist es dagegen, die Abschreibung auf die im Privatvermögen entstandenen Wertsteigerungen zu versagen und nur von den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten auszugehen. Folge einer solchen Auslegung wären weitgehend nicht abschreibbare Wirtschaftsgüter, obwohl sie in der wirtschaftlichen Realität einem Wertverzehr unterliegen.

Der Senat folgt zudem der Auffassung des Niedersächsischen FG (vgl. Urteil vom 05. September 2006, 13 K 537/05, EFG 2007, 112) und des FG Münster (vgl. Urteile vom 23. August 2006, 1 K 6956/03 F, EFG 2007, 178 und vom 21. März 2007, 8 K 3908/04 F, EFG 2008, 32 (Rev XI R 13/07)), dass auch der Gesetzeszweck für die oben dargestellte Auslegung spricht. In der Gesetzesbegründung ist als Grund für die Neuregelung angegeben worden, dass eine "doppelte" Abschreibung derselben Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowohl im Bereich der Überschusseinkunftsarten als auch im Betriebsvermögen verhindert werden solle (BT-Drucksache 14/23, S. 172). Dieser legitime Gesetzeszweck wird aber dadurch erreicht, dass die bereits im Rahmen der Überschusseinkunftsarten geltend gemachte AfA von dem Einlagewert abgezogen wird. Würde die Vorschrift dahingehend ausgelegt werden, dass für die weitere AfA die fortgeführten historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten maßgeblich wären, würde neben der Verhinderung der "Doppelabschreibung" außerdem noch bewirkt werden, dass die steuerfreien Wertsteigerungen im Privatvermögen nicht mehr zeitnah berücksichtigt werden könnten. Dass der Gesetzgeber ein solches - zweites - Ziel mit seinem Gesetzesvorhaben bezweckt hat, lässt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen. Dem Gesetzgeber ging es vielmehr nur darum, eine erneute Abschreibung ohne zusätzlichen Aufwand zu vermeiden. Mit der von dem Senat vertretenen Auslegung wird dieses gesetzgeberische Ziel erreicht. Eine darüber hinausgehende Auslegung, die die fortgeführten historischen Anschaffungskosten für die AfA-Bemessungsgrundlage zugrunde legt, entspricht nicht dem Sinn und Zweck der Regelung.

Die AfA für den betrieblich genutzten Anteil ist daher gem. §§ 7, 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1EStG mit 2 % von 189.036 € (=225.000 € abzüglich - unstreitig - bereits vom Rechtsvorgänger schon in Anspuch genommener AfA in Höhe von 35.964 €) pro Jahr vorzunehmen. Im Veranlagungszeitraum 2002 ist gem. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG die AfA nur für 10 Monate (September 2001 bis Juni 2002) zu gewähren.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 analog, 711 ZPO.

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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