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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: 4 K 3560/07
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 172 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, auf einen Antrag des Klägers auf "schlichte" Änderung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a der Abgabenordnung (AO), den Feststellungsbescheid 2000 vom 22.02.2007 zu ändern.

Der Kläger, der in C wohnt, betrieb im Streitjahr bis zur Einstellung seiner freiberuflichen Tätigkeit am 31.12.2003 ein Konstruktionsbüro in gemieteten Räumen in A. Für das Streitjahr wurde er mit Feststellungsbescheid vom 17.09.2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt. In der Gewinnermittlung 2000 erklärte der Kläger aus dem Verkauf des Objektes F, B-Straße, einen Veräußerungsverlust in Höhe von ... DM und verbuchte einen entsprechenden Abgang des Grundstücks im Anlagevermögen. Aufgrund Prüfungsanordnung vom 24.03.2005 führte das Finanzamt ... eine Betriebsprüfung für das Ingenieurbüro des Klägers für die Jahre 2000 bis 2002 durch, die zunächst mit Prüfungsbericht vom 15.06.2005 endete. Mit Datum vom 02.01.2006 erließ der Beklagte nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Feststellungsbescheide für die Jahre 2000 bis 2002, wobei er für das Jahr 2000 einen Gewinn in Höhe von ... DM feststellte. Darin enthalten war ein Erlös aus der Veräußerung des - zwangsverwalteten - Grundstücks F, B-Straße in Höhe von ... DM (60 % - Anteil der betrieblichen Nutzung - des gesamten Erlöses in Höhe von ... DM). Gegen diese Gewinnfeststellungsbescheide legte der Kläger mit Schreiben vom 03.01.2006 Einsprüche ein und begehrte für das Streitjahr 2000 insbesondere die Nichterfassung des Veräußerungsgewinns mit der Begründung, dass dieses Grundstück bereits vor 1997 entnommen worden sei, indem der Kläger das Grundstück in der erstmals von ihm selbst erstellten Bilanz und Gewinnermittlung 1997 nicht mehr aufgeführt habe. Den Einsprüchen hinsichtlich der gesonderten Gewinnfestsstellungen der Jahre 2001 und 2002 gab der Beklagte mit Abhilfebescheiden vom 22.02.2007 in vollem Umfang statt. Hinsichtlich des Gewinnfeststellungsbescheides 2000 gab der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 22.02.2007, in der er auch den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob, nur teilweise statt; insbesondere behielt er die grundsätzliche Erfassung des Veräußerungsgewinns bei, änderte allerdings die zugrunde liegende Berechnung, so dass er einen geänderten Gewinn in Höhe von ... DM unter Berücksichtigung eines darin enthaltenen Veräußerungsgewinnes aus dem Verkauf des Grundstücks in Höhe von ... DM feststellte. Zur Begründung führte er aus, dass eine eindeutige Entnahmeerklärung nicht vorliege.

Mit Schreiben vom 15.03.2007, beim Beklagten eingegangen am 16.03.2007 - also noch innerhalb der laufenden Klagefrist -, stellte der Kläger einen Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AO und begehrte erneut die vollständige Nichterfassung des Veräußerungsgewinns, hilfsweise einen zu erfassenden Veräußerungsvorgang als steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung nach §§ 16, 34 EStG zu behandeln. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 20.03.2007 ab und stellte dem Kläger anheim, Klage zu erheben. Zur Begründung verwies er bezüglich der begehrten vollständigen Nichterfassung auf die Einspruchsentscheidung vom 22.02.2007. Bezüglich des Antrages, die Veräußerung des Grundstücks als steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung i.S.v. §§ 16, 34 EStG zu erfassen, war er der Ansicht, dass es sich nicht um eine Veräußerung, sondern lediglich eine Verlegung des Betriebes handele. Gegen diese Ablehnung der Änderung nach § 172 AO legte der Kläger am 20.04.2007 Einspruch ein, den er am 19.06.2007 begründete. Das Finanzamt wies den Einspruch vom 20.04.2007 mit Einspruchsentscheidung vom 17.08.2007 als unbegründet zurück. Gegen diese Einspruchsentscheidung wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage.

Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, dass ein Veräußerungsgewinn aus dem - zwangsverwalteten - Grundstück F, B-Straße vollständig nicht zu erfassen sei. Hilfsweise trägt er vor, für den Fall dass ein Veräußerungsgewinn zu erfassen sein sollte, sei dieser als steuerbegünstigte Veräußerung, wenigstens Teilbetriebsveräußerung, nach §§ 16, 34 EStG zu behandeln.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2007 und des Ablehnungsbescheids vom 20.03.2007 das beklagte Finanzamt zu verpflichten, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns 2000 vom 22.02.2007 dergestalt zu ändern, dass kein Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung des Grundstücks F, B-Str. berücksichtigt wird,

hilfsweise,

dass der Veräußerungsgewinn in Höhe von ... DM als tarifbegünstigt i.S.d. §§ 16, 34 EStG ausgewiesen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger nichts Neues vorgetragen habe, was nicht bereits Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen die gesonderte Gewinnfeststellung 2000 gewesen sei. Dort sei die Nichtberücksichtigung des Veräußerungsgewinns mit ausführlicher und weiterhin zutreffender Begründung abgelehnt worden. Ein nach Ergehen der Einspruchsentscheidung, aber vor Ablauf der Klagefrist gestellter Antrag auf schlichte Änderung eröffne aber keinen neuen Rechtsweg mit dem Ziel einer erneuten umfassend wiederholenden sachlichen Überprüfung der im Einspruchsverfahren streitigen Punkte. Unabhänging davon sei der Veräußerungsgewinn weiterhin aus den mehrfach dargelegten Gründen zu erfassen. Eine Tarifbegünstigung komme auch nicht in Betracht, da der Kläger den Betrieb in A fortgeführt und nur ein Grundstück, nicht aber etwa den Betrieb (vollständig) veräußert habe, so dass es sich lediglich um eine Betriebsverlegung handele.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der ablehnende Bescheid ist rechtmässig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 S. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Änderung des bestandskräftigen Feststellungsbescheides 2000. Gegenstand des Klageverfahrens ist allein die Frage, ob die Ablehnung des Änderungsantrages ermessensfehlerhaft war. Das beklagte Finanzamt hat mit der Ablehnung der Änderung die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens aber nicht überschritten und von seinem Ermessen auch nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht.

Zutreffend gehen beide Beteilgte davon aus, dass als Berichtigungsvorschrift für die vom Kläger begehrte Änderung nur § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO in Betracht kommt. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt.

Zwar ist durch § 172 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO klargestellt worden, dass Einspruchsentscheidungen auch nach ihrer Bekanntgabe grundsätzlich aufgrund eines "schlichten" Antrags nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO zugunsten des Steuerpflichtigen geändert werden können, wenn ein solcher Antrag vor Ablauf der Klagefrist gestellt wird. Es bleibt aber dabei, dass auch dann - wie auch sonst - der Antrag auf schlichte Änderung nicht zur Gesamtaufrollung des Falles führt. Die Tatbestände des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind durch ein "soweit" begrenzt. Auf der anderen Seite kann die bloße Zustimmung und die Antragstellung durch den Steuerpflichtigen genauso wenig ohne weiteres zur Überprüfung der materiell-rechtlichen Bewertung des Finanzamts führen. Eine Ablehnung des Änderungsantrages eröffnet dem Steuerpflichtigen damit keinen neuen Rechtsweg zur sachlichen Überprüfung der vorgebrachten Streitpunkte (vgl. z.B. FG München v. 21.03.1995 1 K 3248/94, EFG 1995, 787; ebenso FG Köln v. 14.11.1991 5 K 1078/90, EFG 1992, 246 "kein zweites allumfassendes Rechtsbehelfsverfahren").

Gegenstand des Verfahrens kann vielmehr nur die Frage sein, ob das Finanzamt von dem ihm in der Vorschrift eingeräumte Ermessen sachgerechten Gebrauch gemacht hat, ob also der schlichte Änderungsantrag bei Würdigung der Umstände des Falles ganz oder teilweise abgelehnt werden durfte. Insoweit ist es ganz allgemein aber nicht (ermessens-)fehlerhaft, wenn das Finanzamt einen Steuerpflichtigen, der sachliche Einwendungen gegen Streitpunkte erhebt, über die in einer Einspruchsentscheidung entschieden worden ist, auf eine dort geäußerte Rechtsauffassung und die dortige Rechtsbehelfsbelehrung verweist.

Dies gilt für den Streitfall jedenfalls hinsichtlich der wiederholt begehrten vollständigen Nichterfassung des Veräußerungsgewinns, da sich das Finanzamt hiermit bereits in dem ersten Einspruchsverfahren beschäftigt hat und Übereinstimmung nicht hergestellt werden konnte. Aber auch hinsichtlich der nunmehr erstmals begehrten Erfassung des Veräußerungsgewinns als - teilweise oder vollständig - tarifbegünstigt nach §§ 16, 34 EStG kann nichts anderes gelten. Denn erstens musste sich der Beklagte bei der erstmaligen Erfassung eines Veräußerungsgewinns auch mit der Frage befassen, ob dieser begünstigt war und zweitens wurde in dem Ablehnungsbescheid vom 20.03.2007 bereits eine tragfähige, jedenfalls vertretbare Begründung hinsichtlich dieses Punktes gegeben, die damit auch von dem durch den Wortlaut der Vorschrift des § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AO ("kann") eröffneten Ermessenspielraum umfasst ist. Damit ist jedenfalls das materiell-rechtliche Änderungsbedürfnis streitig und lag nicht offenkundig vor.

Zudem ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass es dem Kläger unbenommen war - wie vom Beklagten im Ablehnungsbescheid vom 20.03.2007 ausdrücklich anheimgestellt - , rechtzeitig Klage gegen die erste Einspruchsentscheidung zu erheben. Diese hätte noch bis zum 25.03.2007 fristgerecht erhoben werden können. Angesichts der geäußerten Rechtsauffassung des Beklagten im Ablehnungsbescheid wäre dies auch der sicherste und vom Gesetz für Streitfälle vorgesehene Weg gewesen, um Rechtsschutz zu erlangen. Wählt der Steuerpflichtige stattdessen den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid - wohlmöglich aus Kostengründen - und geht damit gleichzeitig das Risiko ein, dass die Änderung von der Finanzbehörde nicht seinem Begehren entsprechend vorgenommen wird und er sich dann in der Folge gegen den Bescheid mit einem Rechtsbehelf nicht mehr wenden kann, geht dies zu seinen Lasten (vgl. insoweit auch Klein, § 172 AO Rn. 40 letzter Absatz sowie 69).

Der Gesetzgeber hat einen solchen "schlichten Antrag" zugelassen, weil er sich davon versprach, es werde "in Zukunft in vielen Fällen auf die Durchführung eines förmlichen Rechtsbehelfsverfahrens verzichtet" werden (2. Berichts des Finanzausschusses, Bundestagsdrucksache - BT-DruckS. 10/4513, 16; ebenso wohl auch BFH vom 27.09.1994 VIII R 36/89 BStBl II 1995, 353, 356). Tatsächlich hat sich diese Erwartung in der Folgezeit nicht erfüllt. Die Steuerpflichtigen und ihre Berater stellen kaum "schlichte Anträge" im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO. Das ist verständlich, weil jeder steuerlich kundige Berater weiß, dass der "schlichte Antrag" gegenüber dem Einspruch keinerlei Vorteile, allenfalls Nachteile und Risiken hat: Die Änderung des Bescheids aufgrund des "schlichten Antrags" steht im Ermessen der Finanzbehörde. Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO, § 69 FGO) ist aufgrund des "schlichten Antrags" nicht möglich, allenfalls Stundung. Auf den "schlichten Antrag" wird die Sache nicht in vollem Umfang erneut überprüft, sondern nur der Antrag selbst. Das Verfahren über den "schlichten Antrag" ist kein Vorverfahren, dass den Finanzrechtsweg eröffnet (§ 44 Abs. 1 FGO). Der Antrag verhindert also nicht, dass der Bescheid mit Ablauf der Einspruchsfrist unanfechtbar wird. Der einzige Vorteil bei einem Antrag nach Ergehen der Einspruchsentscheidung besteht darin, dass er kostenlos ist im Gegensatz zur Klageerhebung, die nach neuerem Kostenrecht auf jeden Fall kostenpflichtig ist.

Mit anderen Worten: Die Beschränkung auf einen derartigen "schlichten Antrag" kann nur riskiert werden, wenn der Steuerpflichtige - ggfs. nach vorheriger Absprache mit dem Finanzamt - sicher sein kann, dass die vom Finanzamt zu treffende Ermessensentscheidung nur im Sinne seines Antrags ausfallen kann. Das kann in Schätzungsfällen so sein, wenn eine Erklärung mit sämtlichen hieb- und stichfesten Unterlagen dazu eingereicht wird. Das kann genauso der Fall sein, wenn der Anspruch abgelehnt worden war aufgrund eines ganz bestimmten und schon vorher bezeichneten Nachweises, der jetzt nachgeliefert wird. Das ist aber natürlich nicht der Fall, wenn wie im Streitfall die Berücksichtigung eines Veräußerungsvorgangs zwischen den Beteiligten in einem umfassenden Einspruchsverfahren streitig war. Das Finanzamt hat seine Auffassung im vorliegenden Fall auch nicht nur einfach behauptet, sondern in der den Einspruch in der Sache zurückweisenden Entscheidung vom 22.02.2007 ausführlichst begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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