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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 01.10.2003
Aktenzeichen: 6 K 1866/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

6 K 1866/03

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Tatbestand:

Der Kläger ist nichtselbständig als Bürokaufmann tätig. Er ist geh- und stehbehindert. In seinem Schwerbehindertenausweis sind der Grad der Behinderung mit 90 und die Merkmale "G" sowie "RF" eingetragen. Ein im Jahre 2000 gestellter Antrag, einen Behinderungsgrad von 100 anzuerkennen und das Merkmal "aG" zu erteilen, wurde vom Versorgungsamt bestandskräftig abgelehnt. Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (einschließlich behinderungsbedingter "Leerfahrten") und für seine anderen Fahrten benutzte der Kläger ein ihm gehörendes Kraftfahrzeug. Zwischen den Beteiligten ist für das Streitjahr 2001 streitig, inwieweit die Fahrtaufwendungen des Klägers als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG anzuerkennen sind. Streitig ist dabei sowohl die zu berücksichtigende Kilometerzahl als auch die Höhe des zu berücksichtigenden Aufwands pro Kilometer.

Nach den Angaben in der Einkommensteuererklärung setzte sich (bei Verdoppelung der Entfernungsangabe für die "einfache Entfernung") die Gesamtfahrleistung im Jahre 2001 wie folgt zusammen:

 1. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte  
a) "Normalfahrten" lt. Steuererklärung: 185 (Tage) x 15 km x 2 = 5.550,0 km
b) "Leerfahrten" laut Steuererklärung 30 (Tage) x 15 km x 2 = 900,0 km (lt. "Jahresübersicht 2001" 691,3 km)
Summe a) und b) 6.450,0 km
2. "Fahrten wegen Behinderung" 10.833,2 km
davon a) Fußreflexzonenbehandlung906,8 km 
b) Physikalische Behandlung290,1 km 
c) Dr. Egenolf340,3 km 
d) Einkaufsfahrten9.296,0 km 
3. Reha-Maßnahme/Bäder (Bad ...) 4.193,6 km
davon a) Hin- und Rückfahrt1.172,9 km 
b) Fahrten am Ort3.020,7 km 
4. "Privatfahrten" 2.577,7 km
Summe 2) bis 4) 17.604,5 km

Nach dem vom Kläger vorgelegten Einzelnachweis der tatsächlichen Autokosten für das Jahr 2001 betrug die Gesamtfahrleistung 20.922,8 km, davon 3.318,3 km für Fahrten und Leerfahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Die Berechnung des Beklagten unter Berücksichtigung der Kilometerstände laut Fahrtenbüchern Ende 2000 (44.889,7 km) und Ende 2001 (65.657,6 km) ergab eine Gesamtfahrleistung von 20.757,9 km.

In seiner Einkommensteuererklärung 2001 machte der Kläger die oben zu 1.) genannten Fahrten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, und zwar mit einem Kilometersatz laut "Einzelnachweis" von 1,352 DM.

Für die zu 2.) und 3.) genannten Fahrten sowie für 50 v.H. der zu 4.) genannten Fahrten, insgesamt danach für eine Fahrleistung von 16.315,65 km, beantragte der Kläger die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung mit einem Aufwandssatz von 1,23 DM/km.

Mit Einkommensteueränderungsbescheid vom 2.08.2002 berücksichtigte der Beklagte die zu 1.) genannten Fahrten mit der Abweichung als Werbungskosten, daß er die Leerfahrten entsprechend der "Jahresübersicht" mit nur 691,3 km berücksichtigte und pro gefahrenen Km einen Betrag von 1,214 DM ansetzte. Der Kläger selbst kam aufgrund neuer Berechnung auf einen um 0,014 DM/km höheren Satz von 1,228.

Fahrtaufwendungen für 70 km rechnete der Beklagte den Sonderausgaben zu.

Als außergewöhnliche Belastung erkannte der Beklagte im o.a. Einkommensteuerbescheid folgende Kilometerleistungen an:

von den "Fahrten wegen Behinderung" (oben zu 2.) die zu a), b) und c) angegebenen Fahrten von insgesamt 1.537,2 km; (nicht anerkannt danach die "Einkaufsfahrten" von 9.296,0 km)

von den "Reha/Bäder"-Fahrten (oben zu 3.) die Fahrten für An- und Abreise (1.172,9 km) und Fahrten am Ort von 1.764 km, insgesamt danach 2.936,9 km; (nicht anerkannt danach 1.256,9 km)

als "Privatfahrten" (vom Kläger mit 1.288,85 km als außergewöhnliche Belastung erklärt) pauschal eine Fahrleistung von 3.000 km.

Für die danach als außergewöhnliche Belastung anerkannte Fahrleistung von insgesamt 7.474,1 km berücksichtigte der Beklagte den angemessenen Aufwand nicht mit dem tatsächlichen Aufwand laut "Einzelnachweis", sondern mit mit dem Einzelkostenpauschbetrag bei Dienstreisen von 0,58 DM/km.

Insgesamt (als Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastung) berücksichtigte der Beklagte von der Gesamtfahrleistung von 20.922,8 km (laut Einzelkostennachweis des Klägers) bzw. 20.757,9 km (laut Fahrtenbüchern) Beklagtem) 13.786 km.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die steuermindernde Anerkennung auch der geltend gemachten Einkaufsfahrten sowie sämtlicher Reha/Bäder-Fahrten. Außerdem begehrt er die Berücksichtigung des entstandenen Aufwands entsprechend dem von ihm erstellten Einzelnachweis mit 1,228 DM/km. In der mündlichen Verhandlung auf die tatsächlichen oder vermeintlichen Widersprüche bei den Berechnungen der Gesamtfahrleistung hingewiesen erklärte der Kläger, nach Dienstschluß sei er nicht unmittelbar nach Hause gefahren, sondern habe zuerst Einkäufe erledigt. Diese Einkaufsfahrten habe er - zusammen mit den übrigen Einkaufsfahrten - bei den außergewöhnlichen Belastungen erfaßt. Eine Doppelerfassung dieser Fahrten sowohl bei den Werbungskosten als auch bei den außergewöhnlichen Belastungen führe zu einer unrichtigen Gesamtfahrleistung. Ein weiterer Grund für Differenzen sei, daß teilweise mit nicht gerundeten, teilweis mit gerundeten Beträgen gerechnet werde.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2001 dahingehend zu ändern, daß bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die für die "Normalfahrten" geltend gemachte Fahrleistung zur Hälfte angesetzt wird und bei den außergewöhnlichen Belastungen 16.315,65 km berücksichtigt werden, beide mit einem Kilometersatz von 1,228 DM.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt auf die angefochtene Einspruchsentscheidung vom 26.03.2003 Bezug. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

1. Werbungskosten

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Bei Fahrten mit einem eigenen Kraftfahrzeug sind die Aufwendungen mit 0,70 DM für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG). Anstelle des vorgenannten Pauschbetrages können Behinderte, deren Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt, für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die tatsächlichen Aufwendungen ansetzen. Ohne Einzelnachweis der tatsächlichen Aufwendungen können die tatsächlichen Aufwendungen auch mit pauschalen Kilometersätzen - wie bei Dienstreisen - angesetzt werden, und zwar bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs mit 0,58 DM je Fahrtkilometer (LStR 42 Abs. 7 Satz 1, LStR 38 Abs. 1 Satz 6). Wird ein behinderter Arbeitnehmer im eigenen Kraftfahrzeug von einem Dritten, z.B. dem Ehegatten, zu seiner Arbeitsstätte gefahren und wieder abgeholt, weil er von seiner Fahrerlaubnis aus Gründen, die mit seiner Behinderung im Zusammenhang stehen, keinen Gebrauch macht, so können auch die Kraftfahrzeugkosten, die durch die Ab- und Anfahrten des Fahrers - die sogenannten Leerfahrten - entstehen, in tatsächlicher Höhe oder in sinngemäßer Anwendung von LStR 38 Abs. 1 als Werbungskosten abgezogen werden (BFH-Urteil vom 2.12.1977 VI R 8/75, BStBl II 1978, 260). Nicht zu den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehören die Fahrten, bei denen nicht das Aufsuchen der Arbeitsstätte bzw. die Rückfahrt zur Wohnung im Vordergrund steht, sondern Gründe anderer Art. Wird eine Fahrt zur Arbeitsstätte oder zur Wohnung zur Erledigung einer privaten Angelegenheit mit oder ohne kleinen Umweg kurz unterbrochen, so ändert dies in der Regel nicht den im Vordergrund stehenden eigentlichen Zweck der Fahrt und damit ihren Charakter als Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (BFH-Urteil vom 17. Februar 1977 IV R 87/82, BStBl II 1977, 543). Anders ist es jedoch dann, wenn die Erledigung der privaten Angelegenheit erhebliche Zeit in Anspruch nimmt oder einen großen Umweg, möglicherweise sogar eine Fahrt in eine völlig andere Richtung erfordert. Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Da der Kläger nach eigenen Angaben nach Arbeitsende Einkaufsfahrten unternommen hat, die keine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind, können insoweit nur die Hinfahrten zur Arbeitsstätte als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berücksichtigt werden. Dies entspricht im übrigen auch dem klägerischen Antrag.

Danach ist bei den Werbungskosten von folgenden km-Leistungen auszugehen:

 Normalfahrten (185 x 15 x 1)2.775,0 km
Leerfahrten (laut "Jahresübersicht 2001")691,3 km
demnach zu berücksichtigen:3.466,3 km

Die tatsächlichen Autokosten pro gefahrenen km betragen 1,214 DM. Insoweit wird auf die Berechnung des Beklagten in dessen Schreiben an die Kläger vom 28.06.2002 Bezug genommen. Daraus ergibt sich für die Werbungskosten folgendes:

 Werbungskosten laut Urteil (3.466,3 x 1,214 DM =)4.208 DM
bisher berücksichtigt7.578 DM
Minderbetrag laut Urteil3.370 DM

2. Außergewöhnliche Belastungen

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind bei geh- und stehbehinderten Steuerpflichtigen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 (oder von mindestens 70 und Merkzeichen G) alle Aufwendungen für durch die Behinderung veranlaßte unvermeidbare Fahrten neben den Pauschbeträgen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG anzuerkennen, soweit sie nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden und angemessen sind. Dabei kann aus Vereinfachungsgründen im allgemeinen ein Aufwand für Fahrten bis zu 3.000 km im Jahr als angemessen angesehen werden. Bei außergewöhnlich gehbehinderten (Merkzeichen aG), blinden (Merkzeichen BI) und hilflosen (Merkzeichen H) Menschen kann ein Aufwand für Fahrten von mehr als 3.000 km als angemessen angesehen werden. Eine Fahrleistung von mehr als 15.000 km im Jahr liegt jedoch in aller Regel nicht mehr im Rahmen des Angemessenen. Die vorgenannten Begrenzungen auf jährlich 3.000 km und 15.000 km schließen nicht aus, daß nach den besonderen Umständen des Einzelfalles auch höhere Fahrleistungen angemessen und im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Urteil vom 23.02.1968 VI R 292/67, BStBl II 1968, 415).

Auch die Fahrzeugkosten können nur in den Grenzen der Angemessenheit berücksichtigt werden. Ein höherer Aufwand als 0.58 DM/km gilt dabei grundsätzlich als unangemessen und kann nur in krassen Ausnahmefällen berücksichtigt werden (H 186-189 - Fahrtkosten Behinderter - EStH 2001).

Hieraus ergibt sich für den Streitfall folgendes. Die Aufwendungen für die Fahrten zur Fußreflexzonenbehandlung (908,8 km), zur Physikalischen Behandlung (290,1 km) und zu Dr. Egenolf (340,3 km) sowie die Aufwendungen für die Fahrten im Zusammenhang mit der Reha-Maßnahme (4.193,6 km) - insgesamt danach für 5.730,8 km - stellen unmittelbare Krankheitskosten dar und sind bereits deshalb bei den außergewöhnlichen Belastungen zu berücksichtigen. Aufwendungen für sonstige behinderungsbedingte Fahrten, insbesondere die vom Kläger geltend gemachten Einkaufsfahrten, sind für eine Fahrleistung von 3.000 km als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger eine höhere behinderungsbedingte Fahrleistung durch die von ihm vorgelegten Aufzeichnungen nachgewiesen hat. Denn derartige Fahrleistungen können nur im Rahmen ihrer Angemessenheit berücksichtigt werden. Gründe, im Streitfall von dem in den Verwaltungsanweisungen genannten Regelbetrag abzuweichen, liegen nicht vor. Die gilt auch für den in den Verwaltungsanweisungen genannten Höchstaufwandssatz von 0,58 DM/km.

Die danach zu berücksichtigenden außergewöhnlichen Belastungen berechnen sich wie folgt:

 Fahrleistung:5.731 km + 3.000 km =8.731 km
Belastungsbetrag:8.731 x 0,58 DM =5.063,98 DM
bisher berücksichtigt 4.335,00 DM
Mehrbetrag lt. Urteil 728,98 DM

3. Eine Berichtigung des Bescheides auf der Grundlage der vorstehenden Entscheidungsgründe (Kürzung der Werbungskosten um 3.370 DM, Erhöhung der außergewöhnlichen Belastung um 729 DM, per Saldo demnach Kürzung der Abzugsbeträge um 2.641 DM) würde zu einer höheren als der bisher festgesetzten Steuer führen. Die auf Festsetzung einer niedrigeren Steuer gerichtete Klage war daher abzuweisen. Die Festsetzung einer höheren Steuer kommt wegen des sog. "Verböserungsverbotes" nicht in Betracht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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