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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 6 K 2496/06
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 157 Abs. 2
AO § 179 Abs. 2
AO § 180 Abs. 2
FGO § 65 Abs. 1
FGO § 68
FGO § 96 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der in einem Klageverfahren erlassene Änderungsbescheid außergerichtlich mit dem Einspruch angefochten werden kann.

Die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) sind Eheleute und beide Diplom-Pädagogen. Zusammen mit dem Kläger zu 4), dem Sonderschullehrer S, erwarben sie als Miteigentümer 1988 das Grundstück "... " in C und gründeten für das Objekt die Klägerin zu 1) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie richteten das Objekt als Tagungshotel her und führten dort gegen Entgelt verschiedenste Aus- und Fortbildungsveranstaltungen durch. Der Beklagte stellte die Einkünfte der Klägerin zu 1) jeweils einheitlich und gesondert fest.

Seit 1990 erwirtschaftete die Klägerin zu 1) durchgehend Verluste. Für das Streitjahr 1999 ermittelte die Klägerin einen laufenden Verlust von x DM. Am 21. Oktober 1999 wurde das Grundstück für x DM einer fremden - GbR zugeschlagen. Die Klägerin zu 1) war mit x DM bilanziell überschuldet. Hauptgläubiger waren die Bank T und die Eheleute D, die Erwerb und Umbau des Objektes finanziert hatten. Von den x DM Verbindlichkeiten konnten nur x DM durch den Versteigerungserlös getilgt werden, der den Buchwert des Grundstückes (x DM) deutlich unterschritt. In der Folgezeit schlossen die Kläger zu 2) bis 4) mit den beiden Hauptgläubigern der GbR Vergleichsvereinbarungen. Danach sollten mit der Zahlung näher bestimmter Beträge alle Ansprüche im Wege des Verzichtes abgegolten sein. Im Ergebnis wurden von den x DM Verbindlichkeiten x DM gezahlt oder von anderen Gläubigern weiterhin kreditiert. Die restlichen x DM erloschen Anfang 2002 aufgrund der Vergleichsvereinbarungen. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die Gläubiger die Schulden im Sinne des § 397 Abs. 1 BGB erlassen haben.

Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der Klägerin zu 1) aus Gewerbebetrieb für 1999 folgte der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 26. Oktober 2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Wesentlichen der Erklärung der GbR. Den laufenden Verlust stellte der Beklagte mit x DM fest. Außerdem nahm der Beklagte an, dass die Versteigerung am 00.00.0000 als Betriebsveräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu behandeln sei und legte dafür im Wesentlichen den Verlust aus der Aufgabeschlussbilanz (x DM) zugrunde.

Nach späterer Überprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, dass sich aufgrund des nachträglichen Erlasses der Verbindlichkeiten durch die Bank T und der Eheleute D per Saldo für die Klägerin zu 1) im Jahr 1999 rückwirkend ein Veräußerungsgewinn ergeben habe und stellte diesen unter Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung durch Bescheid vom 15. März 2004 mit x DM fest.

Dagegen hat die Klägerin zu 1) hat am 6. April 2004 durch den Prozessbevollmächtigten mit Zustimmung des Beklagten die unter dem Aktenzeichen 6 K 1864/04 geführte Sprungklage erhoben und beantragt, in dem vorgenannten Bescheid einen Veräußerungsgewinn nicht zu berücksichtigen, hilfsweise gemäß § 163 Satz 1 AO von dem Veräußerungsgewinn x DM bei der Feststellung unberücksichtigt zu lassen und mithin nur x DM als Veräußerungsgewinn festzustellen. Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2004 hat die Klägerin die Klage dahin erweitert, dass der Beklagte verpflichtet werde, nach § 163 AO aufgrund sachlicher Unbilligkeit gemäß dem BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) einen Sanierungsgewinn in Höhe von insgesamt x DM festzustellen.

Zur Begründung hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Feststellung eines Veräußerungsgewinns für 1999 bereits deshalb nicht rechtens sei, weil sie den Betrieb bereits in 1998 aufgegeben habe und allenfalls dort ein Betriebsaufgabegewinn verwirklicht worden sei. In 1998 sei der letzte Versuch einer Verpachtung gescheitert. Jedenfalls sei der vom Beklagten für 1999 ermittelte Veräußerungsgewinn aus Rechtsgründen auf x DM herabzusetzen. Die Feststellung eines Veräußerungsgewinnes von über x DM sei aus persönlichen und sachlichen Gründen unbillig, da ein Sanierungsgewinn vorliege.

Der Beklagte hat sich der Auffassung der Klägerin zu 1) angeschlossen, dass der Gewerbebetrieb bereits 1998 - nämlich mit dem Antrag der Bank T vom 24. November 1998 auf Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens - aufgegeben worden sei. Ferner hat er angenommen, dass dies zu einer neuen rechtlichen Beurteilung der bisher berücksichtigten laufenden Einkünfte führe. Sie seien als nachträgliche Einkünfte zu berücksichtigen, sofern die Klägerin zu 1) den Abfluss nachweise.

Am 4. April 2005 hat der Beklagte den Bescheid für 1999 insgesamt geändert. Unter Hinweis auf § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO hat er den Veräußerungsgewinn mit 0 DM und gestützt auf § 174 AO hat er die laufenden Einkünfte nunmehr mit 0 DM festgestellt. In den Erläuterungen heißt es, dass aufgrund der nachgewiesenen Betriebsaufgabe zum 24. November 1998 für 1999 kein Veräußerungsgewinn mehr anzusetzen sei.

Die Klägerin zu 1) meint, dass infolge der Aufhebung des Veräußerungsgewinns das Klageverfahren 6 K 1864/04 in der Hauptsache erledigt sei. Es habe sich nämlich nicht gegen den Bescheid insgesamt, sondern nur gegen die inzwischen aufgehobene Feststellung des Veräußerungsgewinnes gerichtet. Mangels Anfechtung der Feststellung der laufenden Einkünfte könne insoweit der Änderungsbescheid nicht nach § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens werden.

Ausgehend von diesem Rechtsstandpunkt legten die Kläger gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 1999 vom 4. April 2005 durch den Prozessbevollmächtigten am 15. April 2005 beim Beklagten Einspruch ein, soweit im Bescheid die laufenden Einkünfte von x DM aufgehoben worden waren. Diesen Einspruch verwarf der Beklagte am 11. Mai 2006 unter Hinweis auf § 68 Satz 2 FGO als unzulässig. Am 14. Juni 2006 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid für 1999 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 4. April 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 insoweit zu ändern, als laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus § 15 EStG mit einem Verlust von x DM berücksichtigt werden,

hilfsweise,

die vorgenannten Verwaltungsentscheidungen aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, einen negativen Feststellungsbescheid für 1999 zu erlassen,

im Unterliegensfall

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat mit keinem der gestellten Anträge Erfolg.

I. Der Hauptantrag ist zulässig, aber nicht begründet.

Der angefochtene Feststellungsbescheid vom 4. April 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 ist im Sinne von §§ 100 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 2 FGO nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Denn der Beklagte hat den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen.

Die Zulässigkeit des Einspruches ist Voraussetzung für eine inhaltliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes durch das Finanzgericht. Wenn der Einspruch unzulässig ist, ist die gegen den Verwaltungsakt gerichtete Klage ohne weitere Sachprüfung abzuweisen (vgl. BFH, Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BStBl II 1984, 791 [793]; Beschluss vom 1. April 1992 VII S 15/92, BFH/NV 1993, 173).

Die Verwerfung des Einspruches beruht im Streitfall auf § 358 Satz 2 AO in Verbindung mit § 68 Satz 2 FGO. Nach der letztgenannten Vorschrift ist der Einspruch gegen einen neuen Verwaltungsakt insoweit ausgeschlossen, als dieser nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand eines laufenden Klageverfahrens wird. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Feststellungsbescheid vom 4. April 2005 hat den Feststellungsbescheid vom 15. März 2004 geändert, der mit der Klage zu Aktenzeichen 6 K 1864/04 angefochten ist.

Entgegen der Auffassung der Kläger umfasste das Klagebegehren von Anfang an die im Bescheid vom 15. April 2004 durchgeführte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von x DM für das Jahr 1999 insgesamt, bestehend aus dem laufenden Verlust von x DM und dem Veräußerungsgewinn von x DM. Dieses Klagebegehren ist durch den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 mit einer Feststellung von 0 DM Einkünfte aus Gewerbebetrieb - laufender Verlust und Veräußerungsgewinn beide 0 DM - nicht gegenstandslos geworden. Gegen diese gesamte Feststellung der Einkünfte wendet sich nach wie vor auch die Klägerin.

Das Klagebegehren, dessen Gegenstand die Klage nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO bezeichnen muss, ist nicht identisch mit dem bestimmten Antrag, der gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 FGO nur ein Sollerfordernis darstellt. Der Unterschied wird auch in § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO deutlich. Danach darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, es ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Das verkennt die Klägerin, soweit sie einwendet, nur die Aufhebung des Veräußerungsgewinns beantragt zu haben.

Bei einer Anfechtungsklage (§§ 40 Abs. 1, 100 Abs. 2 FGO) wie im Streitfall wird der Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnet, indem der Kläger darlegt, ob das Gericht den Verwaltungsakt aufheben oder - in hinreichend bestimmtem Umfang - ändern soll (vgl. BFH-Beschluss vom 16. August 2005 XI B 235/03, BFH/NV 2005, 2239). Dazu muss das Gericht in entsprechender Anwendung von § 133 BGB im Wege der Auslegung den wirklichen Willen des Klägers erforschen und darf nicht beim buchstäblichen Text der Klageschrift stehen bleiben. Deshalb spielt es keine Rolle, dass die Klägerin dort auf den laufenden Gewinns nicht eingegangen ist.

Ein Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von einkommensteuerpflichtigen Einkünften mehrerer Personen nach §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a AO enthält eine Zusammenfassung einzelner Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen. Der Bescheid muss nicht notwendig insgesamt angefochten werden. Nach § 157 Abs. 2 AO können auch die Besteuerungsgrundlagen jeweils einzeln angefochten werden, was zu einer Teilbestandskraft führen kann. Das gilt allerdings nur, wenn eine Besteuerungsgrundlage eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig ist. Daran fehlt es, wenn eine Besteuerungsgrundlage mit einer anderen in einem Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit steht und deshalb die Änderung der einen zwangsläufig Auswirkung auf die andere hat. In diesem Fall erstreckt sich die Anfechtung immer auf beide Besteuerungsgrundlagen und eine Teilbestandskraft ist ausgeschlossen (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 180 Rn. 11 m.w.N.).

Für das im Streitfall interessierende Verhältnis von laufendem Gewinn und Gesamtgewinn hat der BFH entschieden, dass eine Teilbestandskraft möglich ist, wenn die Höhe des gesamten Gewinns fest steht und nur um die Qualifizierung als laufender Gewinn oder Veräußerungsgewinn gestritten wird (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2000 VIII R 21/00, BStBl II 2003, 194). Ist dagegen die Höhe von laufendem Gewinn und Veräußerungsgewinn untrennbar miteinander verbunden, schließt die Anfechtung des Veräußerungsgewinns die des laufenden Gewinns ein. Im Urteil vom 8. Juni 2000 (IV R 65/99, BStBl II 2001, 89) hat der BFH entschieden, dass die Anfechtung des Aufgabegewinns für ein bestimmtes Streitjahr durch den dortigen Kläger mit der Begründung, der Betrieb sei bereits im Vorjahr aufgegeben worden, nicht isoliert von den Feststellungen des laufenden Gewinns für das Streitjahr anfechtbar sei. So liegt auch der vorliegende Sachverhalt. Die Klägerin hat die Feststellung der x DM Veräußerungsgewinn für 1999 im Bescheid vom 15. März 2004 in erster Linie darauf gestützt, dass sie ihren Betrieb bereits 1998 aufgegeben habe und allenfalls dort der Betriebsaufgabegewinn verwirklicht worden sei. Ist nach dem zitierten BFH-Urteil - dem der Senat folgt - deshalb die isolierte Anfechtung des Veräußerungsgewinns 1999 rechtlich nicht möglich, entspricht es dem wirklichen Willen der Klägerin, die Anfechtung mit der Klage auf den laufenden Gewinns zu erstrecken. Nur auf diesem Weg kann der Senat seine Verpflichtung aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG erfüllen, der Klägerin Schutz gegen eine etwaige Rechtsverletzung durch den Beklagten zu gewähren.

II. Der Hilfsantrag ist aus dem gleichen Grund unbegründet wie der Hauptantrag.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil dafür kein Grund gemäß § 115 Abs. 2 FGO ersichtlich ist.

Ende der Entscheidung

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