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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 15.02.2008
Aktenzeichen: 6 K 3162/07
Rechtsgebiete: VwZG, AO


Vorschriften:

VwZG § 9 Abs. 1 a.F.
VwZG § 15 Abs. 1 a.F.
AO § 122 Abs. 1 S. 3
AO § 157 Abs. 1
AO § 181 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

6 K 3162/07

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage der Nichtigkeit eines Gewinnfeststellungsbescheides aufgrund von Zustellungsmängeln.

Der Kläger betrieb im Streitjahr den An- und Verkauf von Automobilen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Seinen Wohnsitz hatte der Kläger im Bereich des Finanzamts A.

Am 03.03.2004 zeigte die WP/StB-Gesellschaft D dem Beklagten an, dass sie den Kläger nicht mehr vertreten. Auf Fax-Anfrage vom 14.06.2004 teilte die Stadt A dem Beklagten am 08.07.2004 mit, dass der Kläger nach unbekannt abgemeldet worden sei. Nachfolgend beauftragte der Beklagte am 12.07.2004 seinen Außendienst mit der Feststellung, ob das Unternehmen des Klägers an der Geschäftsadresse in B noch ansässig sei. Der Vollstreckungsbeamte teilte aufgrund einer Inaugenscheinnahme vom 23.07.2004 mit, dass an der Unternehmensanschrift keine Pkws mehr vorhanden seien und das Büro nicht besetzt sei. Die Telefonbuchrecherche des Beklagten vom 22.09.2004 ergab für den Kläger keinen Treffer. In A war lediglich eine Person mit dem Namen E eingetragen. Auf telefonische Anfrage des Beklagten teilte das ehemalige Wohnsitzfinanzamt des Klägers Aam 22.09.2004 mit, dass der Kläger dort nicht zu ermitteln sei und die letzten Bescheide öffentlich zugestellt worden seien.

Wegen Nichtabgabe der Feststellungserklärung schätzte der Beklagte mit Bescheid vom 05.04.2005 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2003 endgültig mit 80.000 Euro. Am 06.04.2005 verfügte der Sachbearbeiter C die öffentliche Zustellung des Gewinnfeststellungsbescheides 2003 nach § 15 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes alte Fassung --VwZG a.F.--, da der derzeitige Aufenthaltsort des Klägers unbekannt und Zustellungsversuche durch die Post und Ermittlungen über den Aufenthaltsort ergebnislos geblieben seien. Die Verfügung zur öffentlichen Zustellung benennt den Bescheid sowie den Ort der möglichen Aushändigung und wurde am 07.04.2005 beim Beklagte ausgehängt und am 21.04.2005 abgenommen. Der Aushang wurde durch eine Paraphe bestätigt, die an ein klein geschriebenes "h" erinnert, sowie die Abnahme durch einen unleserlichen Namenszug.

Am 14.12.2005 reichte der Kläger die ausstehende Feststellungserklärung nebst Gewinnermittlung ein, die einen Gewinn von 26.177 Euro ausweist. Die Erklärung ist von Herrn H mit dem Zusatz i.A. unterzeichnet und weist den Steuerberater K als Empfangsbevollmächtigten aus. Der Beklagte wertete dies als Einspruch. Auf Verfristungshinweis des Beklagten nahm der Steuerberater K den Einspruch zurück. Auf gleichzeitiges Verlangen des Herrn K übersendete der Beklagte diesem eine als Kopie bezeichnete Abschrift des Feststellungsbescheides am 23.03.2006, worauf Herr K gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2003 Einspruch erhob. Im Einspruchsverfahren legte der Kläger eine Vollmacht zu Gunsten von Herrn H vor, die als Datum X (im Ausland), den 17.05.2006 ausweist. Den Einspruch wies der Beklagte aufgrund Verfristung mit Entscheidung vom 22.11.2006 als unzulässig zurück.

Mit Schreiben vom 08.05.2007 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 der Abgabenordnung --AO-- und stellte nachfolgend seinen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des durch öffentliche Zustellung bekannt gegebenen Gewinnfeststellungsbescheides 2003 um. Mit Entscheidung vom 08.08.2007 lehnte der Beklagte den Feststellungsantrag ab, wogegen sich der Kläger mit der vorliegenden Klage wendet.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht erfüllt seien, so dass der Feststellungsbescheid nichtig und damit gemäß § 124 Abs. 3 AO unwirksam sei. Daher stünde ihm ein Anspruch auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 125 Abs. 5 Satz 2 AO zu.

Die öffentliche Zustellung sei "ultima ratio", so dass die Anordnung der öffentlichen Zustellung ohne vorherige Ausschöpfung sämtlicher Ermittlungsmöglichkeiten gegen das Verfassungsgebot des rechtlichen Gehörs verstoße und damit unwirksam sei. So hätte der Beklagte beim ehemaligen Bevollmächtigten des Klägers sich nach dessen Anschrift erkundigen müssen. Daneben hätte der Beklagte Erkundigungen bei in Awohnenden Angehörigen des Klägers einholen müssen. Auch hätten Ermittlungsversuche bei den Banken des Klägers aufgrund der dortigen Vollstreckungsmaßnahmen zum Erfolg geführt. Hiergegen sprächen auch keine Gesichtpunkte des Steuergeheimnisses nach § 30 AO. Auch habe der Kläger zeitnah der Deutschen Botschaft in X seine Wohnsitznahme angezeigt. Die Anfrage bei der Deutschen Botschaft in X habe sich aufgedrängt und sei für den Beklagten zumutbar gewesen. Auch seien am ehemaligen Ladenlokal des Klägers zwei Kontakttelefonnummern von Herrn H sowie des Maklerbüros ,.... Immobilien GmbH & Co.KG angebracht gewesen. Der Kläger legte eine eidesstattliche Versicherung des Herrn H vor, worin dieser dies sowie die Erreichbarkeit des Klägers über ihn bestätigt.

Daneben vertritt der Kläger die Ansicht, dass die öffentliche Zustellung unwirksam sei, da der Aushang sowie die Abnahme nicht vom zuständigen Bediensteten mit vollem Namen unterschrieben sei.

Schließlich ist der Kläger der Ansicht, dass keine Heilung durch Übersendung der Bescheidskopie in Betracht komme, da der Beklagte keinen (fortwirkenden) Bekanntgabewillen gehabt habe. So habe der Beklagte in einer handschriftlichen Zusammenstellung des Verfahrensablaufs ausgeführt, dass die Kopie des Schätzungsbescheides nur als Info dem Steuerberater zugesandt und am 5.4.2006 die erneute Bekanntgabe abgelehnt worden seien. Den Einspruch vom 8.4.2006 bezeichne der Beklagte als Einspruch II gegen Infoblatt. Daneben ergebe sich aus der Kommentierung von Sadler zum Verwaltungszustellungsgesetz, dass das Bundessozialgericht --BSG-- sowie der Bundesgerichtshof --BGH-- eine Heilung eines Zustellungsmangels durch Übersendung einer Bescheidkopie ablehnten. Zwar handele es sich hierbei um eine vom Bundesfinanzhof --BFH-- abweichende Meinung, doch sei insoweit zumindest für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt

festzustellen, dass der Gewinnfeststellungsbescheid vom 5.3.2003 nichtig und unwirksam ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Demgegenüber geht der Beklagte von einer wirksamen öffentlichen Bekanntgabe aus. Nach der Rechtsprechung des BFH seien die Ermittlungsanforderungen an die Behörde nicht zu überspannen. Er habe in diesem Sinne alle zumutbaren Adress-Ermittlungen unternommen. Daneben ist der Beklagte der Ansicht, dass durch die Übersendung der Bescheidskopie ein ggf. bestehender Zustellungsmangel geheilt worden sei.

Den vom Kläger gestellten gerichtlichen Aussetzungsantrag (Az.: 6 V 3157/07) hat der Senat mit Beschluss vom 11.01.2008 zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Gewinnfeststellungsbescheides 2003 ist weder nichtig noch unwirksam. Denn die bestehenden Zustellungsmängel sind durch Übersenden der Bescheidskopie am 23.02.2006 an Herrn Steuerberater K geheilt worden.

Nach § 9 Abs. 1 VwZG a.F. gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat. Eine Heilung nach § 9 VwZG a.F. kommt jedoch nur in Betracht, wenn der ursprüngliche Zustellungsversuch nicht bereits nichtig war.

Entgegen der Ansicht des Klägers führt ein Verstoß gegen die Zustellungsregeln des § 15 Abs. 1 VwZG a.F. nicht bereits zur Nichtigkeit des Bescheides (vgl. BFH-Urteile vom 23.02.1994 X R 27/92, BFH/NV 1994, 768;vom 28.08.1990 VII R 59/89, BFH/NV 1991, 215). Vielmehr führt eine eventuelle Verletzung der Ermittlungspflicht der Behörde über den Aufenthalt des Empfängers lediglich zur Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung, also zu einem nach § 9 VwZG a.F. heilbaren Mangel (vgl. BFH-Urteile vom 06.06.2000 VII R 55/99, BStBl II 2000, 506; BFH-Beschluss vom 14.03.200 V B 187/99, BFH/NV 2000, 1252; Linßen in Beermann/Gosch, AO, Stand 11/06, § 8 VwZG, Rdnr. 12). Dies gilt entsprechend für den Umstand, dass die Vermerke auf der Benachrichtigung über deren Aushängen und Abhängen entgegen § 15 Abs. 3 Satz 3 VwZG a.F. nicht mit vollem Namen bzw. unleserlich unterschrieben wurden. Denn insoweit handelt es sich um einen zwar offensichtlich vorliegenden, aber nach § 9 VwZG a.F. ebenfalls heilbaren Zustellungsmangel (vgl. BFH-Urteil vom 05.03.1985 VII R 156/82, BFHE 143, 220, BStBl II 1985, 597).

Der tatsächliche Zugang kann entgegen der Ansicht des Klägers auch durch eine Kopie des zuzustellenden Dokuments erbracht werden. Der Zweck der Bekanntgabe ist nämlich erreicht, wenn dem Adressaten eine zuverlässige Kenntnis des Inhalts des Bescheides verschafft wird. Diese Kenntnis vermittelt auch eine Fotokopie, wenn sie das Original vollständig wiedergibt (vgl. BFH-Urteil vom 19.05.1976 I R 154/75, BFHE 119, 219, BStBl II 1976, 785). Denn die Fotokopie stellt eine besondere Form der Abschrift dar (BFH-Urteil vom 04.10.1989 V R 39/84, BFH/NV 1990, 409).

Dem steht auch nicht eine dem Anschein nach abweichende Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 26.10.1989 12 RK 21/89, NVwZ 1990, 1108) und des BGH (Beschluss vom 24.03.1987 KVR 10/85, BGHZ 100, 234) entgegen. Denn es handelt sich insoweit nicht um vergleichbare Fälle. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 26.10.1989 die Heilung eines Zustellungsmangels mittels Fotokopie des Bescheides nicht ausreichen lassen, da es sich bei dem Original um eine beglaubigte Abschrift handelte und die Kopie keinen entsprechenden Beglaubigungsvermerk aufwies sowie teilweise unleserlich war. Dem Beschluss des BGH vom 24.03.1987 lag ein Sachverhalt zugrunde, indem es um den Zugang eines mangelhaften Originals ging (es fehlten Siegel und Unterschrift des Urkundsbeamten). Derartige Formvorschriften der Bekanntgabe kennt das Steuerrecht nicht. Ein Feststellungsbescheid bedarf nach §§ 181 Abs. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 AO weder einer Unterschrift, noch einer Beglaubigung. Daher ist auch eine Kopie, die - wie vorliegend - den Bescheid vollständig wiedergibt, von der selben Qualität wie dessen Original. Folglich verschafft sie dem Empfänger zuverlässig Kenntnis über die Entscheidung des Finanzamts. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, da der Beklagte selbst die Bescheidkopie gefertigt und übersandt hat.

Daneben ist es bei der auf den tatsächlichen Zugang des Dokuments abstellenden Heilung nach § 9 VwZG a.F. entgegen der Ansicht des Klägers auch ohne Bedeutung, dass der Absendende, der von einer wirksamen öffentlichen Zustellung ausgeht, mit der Übersendung einer Ausfertigung an den Bevollmächtigten nicht die Vorstellung verbunden hat, dass dadurch eine Bekanntgabe nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO bewirkt wird. Vielmehr ist ausreichend, dass die Behörde zu einem früheren Zeitpunkt ihren Bekanntgabewillen dokumentiert hat. Es ist nicht erforderlich, dass auch die nachträgliche Kenntniserlangung durch den Adressaten vom Willen der Behörde erfasst wird. Solange der durch die fehlerhafte Zustellung dokumentierte Bekanntgabewille nicht durch ausdrückliche Erklärung oder konkludentes Verhalten zurückgenommen ist, wirkt er fort und umfasst daher auch die spätere Übersendung einer vollständigen Fotokopie des Bescheides (BFH-Urteil vom 06.06.2000 VII R 55/99, BFHE 192, 200, BStBl II 2000, 560). Dass der Absendende von einer bereits erfolgten wirksamen Zustellung ausging - an der er festhält - wird gerade durch den auf dem Bescheid angebrachten Vermerk "Kopie", die ein Original voraussetzt, zum Ausdruck gebracht.

Schließlich war auch der Empfänger der Bescheidskopie, Herr Steuerberater K, Empfangsbevollmächtigter des Klägers, so dass ihm der Bescheid gemäß § 122 Abs. 1 Satz 3 AO wirksam bekanntgegeben werden konnte.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 FGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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