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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: 7 K 5969/03
Rechtsgebiete: UStG, UStDV


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 1b
UStG § 6a Abs. 1
UStG § 6a Abs. 3
UStDV § 17a Abs. 2 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

7 K 5969/03

Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 08.10.2003 wird der Umsatz-steuerbescheid 2001 vom 28.02.2003 dergestalt abgeändert, dass die Lieferung des PKW Mercedes in Höhe von 52.600 DM umsatzsteuerfrei bleibt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches des Klägers, soweit dieser nicht zuvor Si-cherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen und die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung.

Der Kläger ist als Handelsvertreter unternehmerisch tätig. Für das Streitjahr erklärte er - im Anschluss an die Umsatzsteuervoranmeldung für August 2001 - die Veräußerung eines PKW Mercedes nach Belgien in Höhe von 52.600 DM als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Zugrunde lag eine Veräußerung an die Firma BH. Diese Firma hatte sich nach einer Anzeige des Klägers im Internet per Telefax bei ihm gemeldet. Dieses Telefax enthielt neben der Anschrift der BH auch deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Ferner wurde ein Ansprechpartner (Herr J) benannt. Außerdem wurde dem Kläger per Telefax vom 17.08.2001 ein belgischer Handelsregisterauszug übersandt, der neben den üblichen Angaben wie Sitz und Geschäftsführer ebenfalls die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auswies. Am 18.08.2001 übersandte der Kläger eine Vorab-Rechnung an die Abnehmerin und wies ausdrücklich auf die geforderte Barzahlung hin. Auf der endgültigen Rechnung vom 22.08.2001 hat der Kläger hinter der Rubrik "Zahlung: in bar bei Abholung" den Erhalt des Kaufpreises quittiert; wegen Einzelheiten wird auf die ohne Umsatzsteuerausweis erstellte Rechnung verwiesen (Bl. 28 FG-Akte).

Im Mai 2002 wurde eine entsprechende Zusammenfassende Meldung an das damalige Bundesamt für Finanzen abgegeben, in welcher die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Erwerberin eingetragen war.

Der Beklagte versagte im Zusammenhang mit der Voranmeldung für August 2001 die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung und erließ eine abweichende Festsetzung. Grund hierfür war, dass der Kläger einen schriftlichen Verbringungsnachweis der Erwerberin nicht vorlegen konnte. Während des dagegen geführten Einspruchsverfahrens erging am 28.02.2003 ein entsprechender Umsatzsteuerjahresbescheid, der zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens ging beim Beklagten ein Auskunftsersuchen der belgischen Steuerverwaltung ein, in dem diese Auskünfte über die Abwicklung des Erwerbsvorgangs durch die Firma BH sowie um Vorlage der vorhandenen Unterlagen bat. Grund für das Auskunftsersuchen war, dass die Erwerberin in Belgien nicht mehr auffindbar war. Der Kläger seinerseits stellte über die deutsche Polizei ebenfalls Nachforschungen an; dabei ergab sich, dass der veräußerte PKW mit der zugehörigen Fahrgestellnummer nicht mehr in Deutschland zugelassen worden war. Ebenso haben das zuständige Straßenverkehrsamt sowie das Kraftfahrtbundesamt bestätigt, dass der veräußerte PKW in Deutschland nicht mehr zugelassen worden ist (Bl. 25, 26 FG-Akte).

Nachdem der Beklagte den Einspruch mit Entscheidung vom 28.10.2003 zurückgewiesen hatte, legte der Kläger die vorliegende Klage ein. Er ist der Ansicht, dass er die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfülle. Die Erwerberin habe eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet; damit habe sie zu erkennen gegeben, dass sie den PKW steuerfrei habe erwerben wollen. Die Abnehmerin habe in ihrem ersten Schreiben alle erforderlichen Angaben gemacht.

Während des Klageverfahrens ist der Kläger von der Steuerfahndung T-Stadt in einem Ermittlungsverfahren der belgischen Strafverfolgungsbehörden als Auskunftsperson angehört worden. Aus dem Anschreiben (Bl. 31 FG-Akte) und einer Stellungnahme der Steuerfahndung T-Stadt gegenüber dem FG Köln (Bl. 55 FG-Akte) ist ersichtlich, dass der PKW nach Belgien verbracht worden ist. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen.

Der Kläger beantragt,

die Lieferung des PKW Mercedes in Höhe von 52.600 DM steuerfrei zu belassen und die Umsatzsteuer 2001 entsprechend herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe den schriftlichen Verbringungsnachweis nach § 17a UStDV nicht vorlegen können. Aus dem Auskunftsersuchen der belgischen Steuerverwaltung sei ersichtlich, dass der PKW in Belgien nicht ordnungsgemäß angemeldet worden sei; ferner sei dort keine ordnungsgemäße Erwerbsbesteuerung durchgeführt worden. Auf den gesetzlich geforderten Belegnachweis könne nicht verzichtet werden, wenn - wie im Streitfall - die Erhebung der Steuer nicht sichergestellt sei.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2001 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht die Lieferung des PKW Mercedes an den belgischen Abnehmer nicht als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt.

Die Lieferung des PKW Mercedes an die belgische Abnehmerfirma ist eine innergemeinschaftliche Lieferung, die nach § 4 Nr. 1b UStG i.V. mit § 6a UStG steuerfrei ist.

Nach § 4 Nr. 1b UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung sind innergemeinschaftliche Lieferungen i.S. des § 6a UStG steuerfrei. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung u.a. dann vor, wenn der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, der Abnehmer ein Unternehmer ist, den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat und der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. Gemäß § 6a Abs. 3 UStG müssen die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung vom Unternehmer nachgewiesen werden. Hierzu bestimmt § 17a Abs. 1 UStDV in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung, dass der inländische Unternehmer durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben. Nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV soll der Nachweis u.a. dadurch geführt werden, dass in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer dieser oder sein Beauftragter eine Versicherung darüber abgibt, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert wird.

I. Die Fa. HB hat als ausländische Unternehmerin den PKW Mercedes nach Belgien befördert. Der Nachweis der Ausfuhr ist aufgrund der objektiven Rechtslage erbracht.

Nach § 17a Abs. 2 UStDV soll der Nachweis u.a. dadurch geführt werden, dass in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer dieser oder sein Beauftragter eine Versicherung darüber abgibt, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert wird. Indessen führt das Fehlen einer der in § 17a Abs. 2 UStDV genannten Voraussetzungen nicht zwangsläufig dazu, dass der Belegnachweis als nicht geführt zu beurteilen ist. Denn § 17a Abs. 2 UStDV ist eine Sollvorschrift über die an den Nachweis nach § 17a Abs. 1 UStDV zu stellenden Anforderungen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch die Vorlage der Fahrzeugrechnung für den Belegnachweis ausreichend sein kann (BFH-Urteil vom 07.12.2006 V R 52/03, BStBl II 2007, 420). Vorliegend ergibt sich aus der Fahrzeugrechnung die Anschrift des Abholers. Daraus wird ersichtlich, dass der Bestimmungsort Belgien ist. Ferner ergibt sich aus dem gesamten dem Senat vorliegenden Schriftverkehr zwischen dem Kläger und der BH, dass das Fahrzeug nur gegen Barzahlung abgegeben werden sollte. So hat der Kläger in seiner sog. Vorab-Rechnung ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Barzahlung hingewiesen. Wenn er im Anschluss daran den Erhalt des Betrages auf der endgültigen Rechnung quittiert hat, kann dies nicht anders verstanden werden, als dass der PKW abgeholt worden ist. Zugleich hat er damit kundgetan, dass er die Verfügungsmacht über den PKW an seine Abnehmerin verschafft hat.

Der strenge Belegnachweis i.S. des § 17a Abs. 2 UStDV ist dadurch ersetzt. Denn die Nachweispflichten sind keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung (BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03, BFH-homepage). Im Streitfall ist die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1b UStG zu gewähren, weil das zwingende Erfordernis eines schriftlichen Verbringungsnachweises - der vorliegend unstreitig nicht beigebracht werden kann - nicht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben genügt. Zwar bestimmt Art. 22 Abs. 8 der seinerzeit gültigen 6. EG-Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten unter Beachtung der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen im Inland und zwischen Mitgliedstaaten bewirkten Umsätze weitere Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen. Dies führt grundsätzlich dazu, dass die Mitgliedstaaten Formvorschriften zu der vorliegenden Problematik erlassen dürfen. Gleichwohl ist der Senat im Hinblick auf die neueste Rechsprechung des EuGH zum Nachweis der Verbringung des Liefergegenstandes in das Gemeinschaftsgebiet im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung der Überzeugung, dass es letztlich auf die bloße schriftliche Erklärung des Abnehmers, den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, nicht ankommt. Denn eigentlich handelt es sich herbei um eine bloße Absichtserklärung, der keinerlei Beweiswert zukommt. Vielmehr ist von Bedeutung, dass durch die Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung, wie sie vom Kläger abgegeben worden ist, die Möglichkeit eröffnet wird, die Erwerbsbesteuerung im übrigen Gemeinschaftsgebiet zu überwachen. Denn unter gemeinschaftsrechtlichen Aspekten ist zu beachten, dass die nationalen Formvorschriften nicht so eingesetzt werden dürfen, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist (EuGH-Urteil vom 27.09.2007 C-146/05, BFH/NV Beilage 2008, 34 <Collee>). Daraus folgt, dass eine nationale Maßnahme, die das Recht auf Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Wesentlichen von der Einhaltung formeller Pflichten abhängig macht, ohne die materiellen Anforderungen zu berücksichtigen und insbesondere ohne in Betracht zu ziehen, ob diese erfüllt sind, über das hinausgeht, was erforderlich ist, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen, weil die Umsätze unter Berücksichtigung ihrer objektiven Merkmale zu besteuern sind (EuGH-Urteil vom 12.01.2006 C-354/03, C-355/03, C-484/03, BFH/NV Beilage 2006, 144). Maßgeblich ist damit, dass für eine Lieferung keine Mehrwertsteuer geschuldet wird, wenn sie die Voraussetzungen des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie erfüllt (EuGH-Beschluss vom 03.03.2004 C-395/02, UR 2005, 107). Hieraus hat der EuGH abgeleitet, dass die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat (EuGH in BFH/NV Beilage 2008, 34; so auch BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03, BFH-homepage). Anders verhielte es sich nur, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhinderte, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden. Dies ist vorliegend indessen nicht der Fall. Denn es steht aufgrund des Schreibens der Steuerfahndung T-Stadt (Bl. 55 FG-Akte) fest, dass der fragliche PKW Mercedes nach Belgien verbracht worden ist. Auch wenn dieser Beweis letztlich von dritter Seite erbracht worden ist, steht aufgrund dessen fest, dass die materiellen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dies ist für das Eingreifen der Steuerbefreiung hinreichend. Denn die Einstufung einer innergemeinschaftlichen Lieferung hat anhand objektiver Kriterien wie dem Vorliegen einer physischen Bewegung der betreffenden Gegenstände zwischen Mitgliedstaaten zu erfolgen (EuGH-Urteil vom 27.09.2007 C-409/04, BFH/NV Beilage 2008, 25 <Teleos>).

Soweit der Beklagte darauf abstellt, dass eine Erwerbsbesteuerung in Belgien nicht stattgefunden hat, ist dies vorliegend ohne Bedeutung (hierzu BFH-Urteil vom 07.12.2006 V R 52/03, BStBl II 2007, 420). Denn entscheidend ist allein, dass der Erwerbsvorgang in Belgien der Umsatzbesteuerung unterliegt. Dies steht aufgrund des harmonisierten Umsatzsteuersystems außer Zweifel; anders wäre auch das Auskunftsersuchen des belgischen Fiskus nicht verständlich. Aus dem gleichen Grund kann sich der Beklagte auch nicht auf eine Gefährdung des nationalen Steueraufkommens berufen. Denn die endgültige Besteuerung des Verbrauchs erfolgt in Belgien, so dass auch diesem Mitgliedsstaat das entsprechende Steueraufkommen zusteht.

Schließlich bestehen auch nicht ansatzweise Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bewusst das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung hat verschleiern wollen. Denn abgesehen davon, dass gerade der Kläger den Vorteil der Steuerfreiheit für sich erstrebt, hat er im Gegenteil seinerseits durch Anfragen an die einschlägigen Behörden Ermittlungen über den Verbleib des veräußerten PKW angestellt und seine diesbezüglichen Erkenntnisse dem Beklagten, der Steuerfahndung Trier und dem Gericht mitgeteilt. Von einer Verschleierung des Vorgangs kann deshalb keine Rede sein.

II. Da somit der Kläger schon bei gemeinschaftsrechtlichem Verständnis der Regelungen der § 6a UStG i.V. mit § 17a UStDV die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung verlangen kann, kommt es auf die Frage des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 UStG nicht mehr an.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 S.1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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