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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 28.08.2007
Aktenzeichen: 8 K 3104/05
Rechtsgebiete: UStG, Umsatzsteuerrichtlinie, SGB V


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 14
UStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Umsatzsteuerrichtlinie Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.
SGB V § 20 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

8 K 3104/05

Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27.6.2002 und Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 1992 vom 9.12.1999, für 1993 vom 14.11.2000, für 1994 vom 15.11.2001, für 1996, 1997 und 1998 vom 27.6.2000 und für 2000 vom 5.11.2001 wird

die Umsatzsteuer 1992 auf 2.128 DM

die Umsatzsteuer 1993 auf 2.487 DM

die Umsatzsteuer 1994 auf 94 DM

die Umsatzsteuer 1996 auf 1.367 DM

die Umsatzsteuer 1997 auf 2.123 DM

die Umsatzsteuer 1998 auf 2.648 DM

die Umsatzsteuer 2000 auf 1.528 DM

festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens werden zu 23 v.H. dem Kläger und zu 77 v.H. dem Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger ist Diplom-Oecotrophologe (Diplom-Ernährungsberater) und als solcher seit ... unternehmerisch tätig. Seit 1997 erzielt er außerdem geringfügige steuerpflichtige Vermietungsumsätze. Streitig ist im zweiten Rechtsgang, in welchem Umfang (ganz oder teilweise) seine Umsätze aus der Ernährungsberatung gem. § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei sind.

Der Kläger übte seine ernährungsberatende Tätigkeit in den Streitjahren zunächst als freier Mitarbeiter bei Krankenkassen auf Honorarbasis aus. Ausweislich eines Ernährungsberatungsvertrages vom 15.11.1991 mit der ...krankenkasse (KK) B führte der Kläger für die KK Beratungen in der Diät- und Ernährungsberatung durch, die in Gruppen- und Einzelberatungen unterteilt waren (§ 1 Ziff. 1 des Vertrags). Außerdem stellte er nach ärztlicher Verordnung Diätpläne auf.

Lt. § 1 Ziff. 2.2 und 2.3 des Vertrags wurden die Gruppenberatungen (Gruppenkurse) nach Absprache mit der KK mit maximal 15 Teilnehmern durchgeführt und hatte der Kläger zu Beginn eines Kurses Name, Anschrift, Geburtsdatum und Kassenzugehörigkeit der Teilnehmer in einer Teilnehmerliste aufzuzeichnen und der KK zur Verfügung zu stellen.

Lt. § 1 Ziff. 3.1 fanden die Einzelberatungen im Hause der KK für deren Versicherte nach Vorlage eines ärztlichen Attestes statt. Auch über die Einzelberatungen hatte der Kläger eine Teilnehmerliste mit Name, Anschrift, Geburtsdatum und Kassenzugehörigkeit der Patienten zu fertigen.

Gem. § 2 Ziff. 1 des Vertrags hatte die KK ihre Mitglieder über die Möglichkeit der Diät- und Ernährungsberatung zu informieren.

Daneben war eine zusätzliche vergütete Teilnahme des Klägers als Ernährungsberater auf Messen, Gesundheitstagen und Tagen der offenen Tür vereinbart, anlässlich deren der Kläger auch Cholesterin- und Blutzuckerbestimmungen - unter gesonderter Vergütung der dabei verwendeten Verbrauchsmaterialien - vornahm (§ 3 Ziff. 4 des Vertrags).

Der Vertrag mit der KK währte bis einschließlich 1996.

Ab dem Inkrafttreten der Gesundheitsstrukturreform zum 1.1.1997 vereinnahmte der Kläger seine Honorare unmittelbar von den von ihm beratenen Personen, die insoweit im Rahmen sozial-rechtlicher Regelungen teilweise einen Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber den Krankenkassen geltend machen konnten.

Nachdem der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 07.11.1985 unter Hinweis auf § 4 Nr. 14 UStG in Verb. mit § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG um Freistellung von der Umsatzsteuer gebeten und hierauf keine Antwort erhalten hatte, deklarierte er, wie bereits für 1984 und 1985 geschehen, seine Honorare auch ab 1986 lediglich im Rahmen der Einkommensteuer-Erklärungen als solche aus selbständiger beratender Tätigkeit. Dementsprechend stellte er in seinen Ausgangsrechnungen keine Umsatzsteuer in Rechnung. Erstmals für die Jahre 1997, 1998 und 2000 reichte der Kläger mit Rücksicht auf seine Vermietungsumsätze Umsatzsteuererklärungen ein. Die Umsätze und die damit zusammen hängenden Vorsteuern gab er wie folgt an:

 1997DM1998DM2000DM
Umsätze 15 %4.800,002.100,00 
Umsätze 16 % 6.245,006.345,00
Umsatzsteuer720,001.314,201.015,20
Vorsteuerbeträge656,370,001.367,31
Zahllast63,631.314,20- 352,11

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Jahre 1996 bis 1998 (Bericht vom 9.7.1999) vertrat der Beklagte die Auffassung, die Umsätze des Klägers aus der Ernährungsberatung unterlägen insgesamt der Umsatzsteuer, weil die Ernährungsberatung keine im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnliche heilberufliche Tätigkeit sei. Er rechnete demgemäß die Umsatzsteuer aus den Ausgangsrechnungen heraus und erfasste die Nettoeinnahmen, unter Einbeziehung der Vermietungsumsätze und unter Berücksichtigung geltend gemachter Vorsteuerbeträge, in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 1996, 1997 (beide vom 4.8.1999, nochmals geändert am 27.6.2000) und 1998 (vom 9.8.1999, nochmals geändert am 27.6.2000) und in den erstmaligen Umsatzsteuerbescheiden 1992 (vom 9.12.1999), 1993 (vom 14.11.2000), 1994 (vom 15.11.2001) und 2000 (vom 5.11.2001) als regelbesteuerte Umsätze.

Der hiergegen nach erfolglosen Einsprüchen (Einspruchsentscheidung vom 27.6.2002) erhobenen Klage, mit der der Kläger die Steuerfreiheit der Umsätze aus seiner Tätigkeit als Ernährungsberater geltend machte, gab der Senat im ersten Rechtsgang statt (Urteil vom 7.9.2004 8 K 3895/02, EFG 2005, 71). Er vertrat darin die Auffassung, der Beruf des Klägers als Diplom-Oecotrophologe entspreche in wesentlichen Punkten dem eines praktischen Arztes und eines Heilpraktikers.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil vom 7.9.2004 Bezug genommen.

Die vom Beklagten hiergegen eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.3.2005 V R 54/04, BStBl II 2005, 669).

Der BFH hielt zwar, ebenso wie der Senat im Urteil vom 7.9.2004, den Kläger für beruflich befähigt, Heilbehandlungen in Form der Ernährungsberatung durchzuführen und damit gem. § 4 Abs. 14 Satz 1 UStG eine "ähnliche heilberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG" - in der für die Streitjahre geltenden Fassung - auszuüben.

Die Tätigkeit des Klägers als Ernährungsberater sei jedoch nicht generell von der Umsatzsteuer befreit. Vielmehr erstrecke sich die Steuerbefreiung bei richtlinienkonformer Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Umsatzsteuern vom 17.5.1977 - sog. Umsatzsteuerrichtlinie - (jetzt gleichlautend: Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem) nur auf Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche (oder zahnärztliche) Leistungen.

Heilbehandlungen in diesem Sinne seien nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) aber nur Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und , soweit möglich, Heilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen (bei Menschen) vorgenommen würden.

Medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestünden, fielen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Umsatzsteuerrichtlinie. Diese Regelung umfasse dementsprechend

Leistungen, die außerhalb eines Krankenhauses im Rahmen einer auf Vertrauen gegründeten Beziehung zwischen Patient und Behandelndem erbracht werden, wobei diese Beziehung normalerweise in dessen Praxisräumen zum Tragen komme.

Sie umfasse dagegen nicht Tätigkeiten, die nicht Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzepts seien.

Die Ernährungsberatung erfülle die Voraussetzungen einer Heilbehandlung in dem oben genannten Sinne (und diene nicht nur der Befriedigung alltäglicher Lebensbedürfnisse), soweit der Bereich der Krankenbehandlung betroffen sei. Die Steuerbefreiung komme deshalb nur für Ernährungsberatungen in Betracht, welche der Kläger aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt habe.

Diese Maßstäbe seien auch an die Beurteilung der Leistungen des Klägers im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung anzulegen. Ob ein Gutachten des Klägers im Auftrag des Medizinischen Dienstes und auf Kosten eines Sozialversicherungsträgers als heilberufliche Tätigkeit qualifiziert werden könne, richte sich nach dem Gegenstand des Gutachtens, also danach, ob es im unmittelbaren Zusammenhang mit einer heilberuflichen Behandlung stehe. Dies sei beispielsweise bei den dem Medizinischen Dienst nach § 275 SGB V obliegenden Prüfungen dann der Fall, wenn sie im Zusammenhang mit der Durchführung von Behandlungs- oder Rehabilitationsmaßnahmen oder der Durchführung medizinischer Vorsorgeleistungen stünden.

Nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit seien demgegenüber Leistungen, die nicht aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsbehandlung durchgeführt worden seien, wie möglicherweise die Leistungen des Klägers als Ernährungsberater auf Messen, Gesundheitstagen und Tagen der offenen Tür.

Da die Feststellungen des Finanzgerichts keine abschließende Beurteilung der Tätigkeiten des Klägers erlaube, werde die Sache zurückverwiesen.

Nachdem die Beteiligten auch im zweiten Rechtsgang zunächst schriftsätzlich über die Umsatzsteuerfreiheit der vom Kläger in den Streitjahren im Einzelnen ausgeführten Ernährungsberatungen und seiner sonstigen in diesem Zusammenhang erbrachten und abgerechneten Leistungen gestritten hatten, namentlich darüber, ob (auch) die Ernährungsberatungen in Gruppen als Heilbehandlungsmaßnahmen zu bewerten seien, hat der Senat mit Beweisbeschluss vom 15.2.2006 ein Gutachten des Prüfungsbeamten des Gerichts darüber eingeholt, inwieweit die Umsätze des Klägers in den Streitjahren

a. aus der Durchführung von Ernährungsberatungen

aa. aufgrund ärztlicher Anordnungen (Überweisungen), ab.

aufgrund anderweitiger ärztlicher Maßnahmen (Ratschläge, Empfehlungen o.ä.)

ac. im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme aufgrund eines Versorgungsvertrages gem. §§ 11 Abs. 2, 23 Abs. 4, 40, 111 SGB V

ad. im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme, die unter § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB V fällt (= Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe ohne unmittelbaren Krankheitsbezug, die lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen sollen)

b. aus der Erstattung von Einzel-Gutachten auf Anforderung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung(Medizinischer Dienst), die der Medizinische Dienst im unmittelbaren Zusammenhang mit der heilberuflichen Behandlung eines Patienten (Diagnose, Behandlung, Vorbeugung, Heilung) eingeholt hat, insbesondere aus der Erstattung von Gutachten im Zusammenhang mit den gem. § 275 SGB V dem Medizinischen Dienst obliegenden Prüfungen

c. aus der Durchführung von Veranstaltungen zur Ernährungsberatung, denen keine Zuweisungen nach a) oder b) zugrunde liegen (z.B. allgemeine Kurse, Messeveranstaltungen u.ä.),

resultieren, wobei die Umsätze aus den Tätigkeiten nach a) jeweils getrennt nach Einzelberatungen/-behandlungen und nach Gruppentherapien darzustellen waren.

Wegen des Ergebnisses der Beweiserhebung wird auf die gutachtliche Stellungnahme des Prüfungsbeamten des Gerichts vom 29.6.2006 Bezug genommen.

Aufgrund der vom gerichtlichen Prüfer darin für die Streitjahre 1992, 1993, 1994 und 1996 vorgenommenen Aufgliederung aller aus der Ernährungsberatung des Klägers resultierenden Umsätze (für die Streitjahre 1997, 1998 und 2000 war eine Aufgliederung mangels Rechnungsdurchschriften nicht möglich, Hinweis auf VI. 1. der gutachtlichen Stellungnahme) schlüsselte der Beklagte die (Brutto-)Umsätze des Klägers in die - seiner Ansicht nach - steuerbefreiten Umsätze aus Einzelbehandlungen und in die - seiner Ansicht nach - steuerpflichtigen Umsätze aus Gruppenbehandlungen und anderen Leistungen wie folgt auf (Schriftsatz des Beklagten vom 13.7.2006):

1992

 steuerpflichtig § 4 Abs. 14 UStG
 DM DM
diätetische Einzelberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Hause der KK 17.941,35
diätetische Einzelberatungen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge (ohne unmittelbaren Krankheitsbezug)1.800,00 
diätetische Gruppenberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Hause der KK5.200,00 
ErnährungskursE und Ernährungsseminare im Rahmen der Gesundheitsvorsorge19.814,00 
KK B: ärztlich verordnete Diätpläne 1.249,50
Summen26.814,0019.190,85
Gesamt-Bruttoumsätze 46.004,85

1993

 steuerpflichtig § 4 Abs. 14 UStG
 DM DM
diätetische Einzelberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Hause der KK 20.886,00
diätetische Gruppenberatungen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge im Hause der KK15.194,00 
diätetische Gruppenberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Hause der KK16.720,50 
5 Kurse ohne Leistungsangabe (nur Ersatzbeleg)5.025,00 
Dozententätigkeit 6.000,00 
Veranstaltung "Ballastreiche Ernährung", Verbrauchsmaterialien für Aktionen Cholesterinbestimmung1.574,60 
KK B und E1: ärztlich verordnete Diätpläne 3.272,50
Summen44.514,1024.158,50
Gesamt-Bruttoumsätze 68.672,60

1994

 steuerpflichtig § 4 Abs. 14 UStG
 DM DM
diätetische Einzelberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Hause der KK 25.577,62
diätetische Gruppenberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Hause der KK59.706,80 
Veranstaltung "Ballaststoffe und Cholesterin in der Gesundheitsvorsorge"1.110,00 
Summen60.816,8025.577,62
Gesamt-Bruttoumsätze 86.394,42

1996

 steuerpflichtig § 4 Abs. 14 UStG
 DM DM
diätetische Einzelberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Hause der KK 25.698,80
diätetische Gruppenberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Hause der KK115.787,86 
Kölner Gesundheitstage, Cholesterin- und Blutzuckerbestimmungen, Lungenfunktionstestate7.764,50 
Fachmesse ...6.832,50 
Summen130.384,8625.698,80
Gesamt-Bruttoumsätze 156.083,66

Der Kläger hielt dem zunächst entgegen, das vom Senat eingeholte Gutachten des Prüfungsbeamten bestätige nach seinem Gesamtbild in allen Punkten, dass er, der Kläger, einen umsatzsteuerbefreiten Beruf ausgeübt habe und ausübe.

Dass er dem Prüfer nur die Durchschriften von Ausgangsrechnungen für die Streitjahre 1992 bis 1994 und 1996 habe präsentieren können, sei dadurch bedingt, dass er bis 1996 seine Leistungen direkt gegenüber den Krankenkassen abgerechnet habe, dass er aber ab 1997, dem Jahr des Inkrafttretens der Gesundheitsreform, die Patienten jeweils unmittelbar "in die Vorauszahlungspflicht genommen" habe. Der Patient habe von ihm eine Zahlungsquittung über den Gesamtbetrag und eine separate Aufstellung für den Sachbearbeiter der Krankenkasse über die durchgeführte Leistung erhalten, die dieser nach Beendigung der Beratung der Krankenkasse vorgelegt und somit 80 % bis 100 % der Beratungskosten erstattet bekommen habe. Bei den Patienten habe es sich ausschließlich um Personen mit einer krankhaften Gewichtsanomalie gehandelt. Seit 1997 habe er keine Rechnungen mehr geschrieben, sondern lediglich "das Gesamteinkommen zur Vorversteuerung" festgehalten.

Nach Erörterung aller streitbefangenen Umsätze in der mündlichen Verhandlung begehrt der Kläger für die Streitjahre 1992 bis 1994 und 1996 nicht mehr die Steuerfreiheit aller Umsätze. Vielmehr macht er, über die vom Beklagten als steuerfrei konzedierten Umsätze (diätetische Einzelberatungen, Aufstellung von Diätplänen) hinaus, nur noch die Steuerfreiheit für die Umsätze aus den diätetischen Gruppenberatungen, soweit es sich dabei um ernährungstherapeutische Maßnahmen gehandelt hat, und die Umsätze aus der Dozententätigkeit an der ... E (nur 1993) geltend. Dazu trägt er vor:

1. Ernährungstherapeutische Gruppenberatungen seien ebenso als als Heilbehandlungen einzustufen wie ernährungstherapeutischen Einzelberatungen.

Die Ansicht des Beklagten, aus dem BFH-Urteil vom 7.7.2005 V R 23/04 (BStBl. II 2005, 904) sei abzuleiten, dass eine Gruppenberatung das Kriterium eines konkreten individuellen Leistungskonzepts, welches der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung diene, nicht erfülle, sei unrichtig. Richtig sei, dass vor einer Gruppentherapie zunächst von jedem Patienten verschiedene Daten erfragt und festgehalten würden (Krankheitsgeschichte, krankheitsbedingende Faktoren, Essgewohnheiten, Medikamentenaufnahme u.a.m.). Der Patient werde individuell auf Gefahren (des Abnehmens) und auf Kontrollerfordernisse (Blutzucker) hingewiesen. In regelmäßigen Abständen werde innerhalb der Gruppe der Blutdruck gemessen sowie Blutzucker und Cholesterinspiegel bestimmt. Auch in der Gruppenberatung bleibe hiernach die Arbeit am Patienten individuell. Es werde darüber hinaus lediglich der Vorteil der Gruppendynamik genutzt, um die individuelle Therapie zu bestimmen. Eine andere Behandlung würden die Patienten auch bei einer Einzelberatung nicht erfahren.

2. Er, der Kläger, habe keine anderen Leistungen als solche, die durch die Krankenkassen bezahlt worden seien, erbracht. Alle von ihm erbrachten Leistungen seien Teil einer konkreten individuellen Diagnose oder Behandlung oder Vorbeugung gewesen. Andernfalls wären sie von den Kassen nicht bezahlt worden. Die Leistungen seien ausschließlich aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme erbracht worden. Er sei stets nur tätig geworden, wenn der unmittelbare Krankheitsbezug durch einen Arzt bestätigt gewesen sei und die Kasse die Kostenübernahme zugesagt habe.

3. Er habe nur solche Leistungen erbracht, die aufgrund ärztlicher Anordnung notwendig gewesen seien oder die zu den Präventionsmaßnahmen gehört hätten (§ 20 SGB V).

In Hinsicht auf die Streitjahre 1997, 1998 und 2000, für die er, der Kläger, dem Prüfer keine Ausgangsrechnungen oder sonstigen Belege habe präsentieren können, sei er, dem Vorschlag des Senats in der mündlichen Verhandlung folgend, damit einverstanden, dass für die Aufteilung seiner Umsätze aus der Ernährungsberatung in steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze der prozentuale Maßstab angelegt werde, der sich aus der Aufteilung der Umsätze der vorhergehenden Streitjahre (1992 bis 1994 und 1996) ergebe (steuerpflichtig 17 %, steuerfrei 83 %). Wegen der Einzelheiten dazu wird auf Seite 9 des Protokolls über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

In Hinsicht auf die Abzugsfähigkeit der bisher vom Beklagten berücksichtigten (der Höhe nach unstreitigen) Vorsteuern seien die in den Bescheiden der Streitjahre 1992 bis 1994 und 1996 ausgewiesenen Vorsteuern nach dem Verhältnis der jeweils steuerfreien zu den steuerpflichtigen Umsätzen und für die Folgestreitjahre nach dem vom Senat angewandten Maßstab für die Aufteilung der steuerpflichtigen und der steuerfreien Umsätze zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27.6.2002 und Änderung der Umsatzsteuerbescheide

für 1992 vom 9.12.1999,

für 1993 vom 14.11.2000,

für 1994 vom 15.11.2001,

für 1996, 1997 und 1998 vom 27.6.2000 und

für 2000 vom 5.11.2001

die Umsatzsteuer 1992 auf 2.128 DM

die Umsatzsteuer 1993 auf 2.487 DM

die Umsatzsteuer 1994 auf 94 DM

die Umsatzsteuer 1996 auf 1.367 DM

die Umsatzsteuer 1997 auf 2.123 DM

die Umsatzsteuer 1998 auf 2.648 DM

die Umsatzsteuer 2000 auf 1.528 DM

festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Umsatzsteuer der Streitjahre 1992 bis 1994 und 1996 neu festzusetzen und dabei folgende Umsätze steuerfrei zu belassen:

 1992 1993 1994 1996
 DM DM DM DM
diätetische Einzelberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Hause der KK17.941,3520.886,0025.577,6225.698,80
KK: ärztlich verordnete Diätpläne1.249,503.272,50  
Dozententätigkeit an der ... E, Erwachsenenbildung 6.000,00 

die Umsatzsteuer der Streitjahre 1997, 1998 und 2000 neu festzusetzen und dabei Umsätze in Höhe von 20 vom Hundert der nachfolgenden Gesamt-Bruttoumsätze des Klägers aus seiner Ernährungsberatung steuerfrei zu belassen:

 1997 1998 1998 2000
 bis 31.3. ab 1.4.  
DM DM DM DM
102.48433.02551.02541.591

die Vorsteuern für alle Streitjahre entsprechend dem Verhältnis der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Umsätzen zu berücksichtigen die Klage im Übrigen abzuweisen

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte trägt in Hinsicht auf die Streitjahre 1992 bis 1994 und 1996 folgendes vor:

Nachdem er - dem Antrag des Klägers folgend - in der mündlichen Verhandlung die Umsatzsteuerfreiheit der Honorare für die diätetischen Einzelberatungen, für die Erstellung von Diätplänen und für die Dozententätigkeit anerkannt habe, konzentriere sich der Streit jetzt auf den einzigen verbliebenen Streitpunkt, nämlich die Frage, ob die vom Kläger für "diätetische Gruppenberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Hause der KK" in Rechnung gestellten Honorare ebenfalls umsatzsteuerfrei seien oder nicht.

Soweit der Kläger meine, diese Leistungen seien schon deshalb umsatzsteuerbefreit, weil sie (direkt oder indirekt) von den Krankenkassen bezahlt worden seien, stehe dies nicht im Einklang mit den vom BFH aufgestellten Grundsätzen. Sowohl in seinem Revisionsurteil im ersten Rechtsgang als auch im Urteil V R 23/04 (a.a.O.) habe der BFH nur Tätigkeiten, die Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzeptes seien, als steuerbefreit anerkannt. Gruppenberatungen erfüllten diese Voraussetzungen nicht, da es sich dabei gerade nicht um ein konkretes und individuelles, auf den einzelnen Patienten zugeschnittenes Leistungskonzept handle.

Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe im Sinne von § 20 SGB V würden zwar ebenfalls von den Kassen als erstattungsfähig eingestuft, hätten aber keinen unmittelbaren Krankheitsbezug (weil sie lediglich den "allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen" sollen - § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB V - ) und stellten daher sich grundsätzlich nicht als nach § 4 Nr. 14 UStG befreite Heilbehandlungen dar.

Für die Streitjahre 1997, 1998 und 2000 sei eine Aufgliederung der Umsätze des Klägers aus der Ernährungsberatung in steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze nur im Schätzungswege möglich. Wie der sachverständige Prüfer festgestellt habe, gebe es ab 1997 keine Rechnungsdurchschriften (Durchschriften der Ausgangsrechnungen) mehr, sondern nur noch Aufzeichnungen über die Gesamthöhe der Einnahmen. Damit aber sei der Kläger ab 1997 seinen umsatzsteuerlichen Aufzeichnungspflichten nicht nachgekommen. Eine Abgrenzung der steuerfreien von den steuerpflichtigen Honoraren sei daher nur in Anlehnung an die Entwicklung der Vorjahre möglich, wie er, Beklagter, sie im Schriftsatz vom 13.7.2006 aufgezeigt habe:

 steuerfreisteuerpflichtig
 in %in %
199241,7158,29
199335,1264,82
199429,670,4
199616,4683,54

Danach könnten 20 % der (Brutto-)Umsätze steuerfrei belassen werden, 80 % seien der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im Umfang des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags begründet.

1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG (in der für die Streitjahre geltenden Fassung) sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerfrei.

Die Steuerbefreiung setzt freilich bei richtlinienkonformer Auslegung ( Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Umsatzsteuerrichtlinie) voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür die erforderlichen Befähigungsnachweise besitzt (vgl. die Ausführungen des BFH auf Seite 6 des Revisionsurteilsvom 10.3.2005 V R 54/04, BStBl II 2005, 669, unter Bezugnahme auf entsprechende EuGH-Rechtsprechung).

Nach der rechtlichen Beurteilung des BFH im Revisionsurteil, an die der Senat gebunden ist (§ 126 Abs. 5 FGO) , fehlt dem Kläger in seiner Eigenschaft als Diplom-Oecotrophologe nicht die berufliche Qualifikation (Befähigung) für die Ausführung von Umsätzen aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne von § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG.

Von der Umsatzsteuer freigestellt sind jedoch nur die Umsätze, die der Kläger aus Heilbehandlungen im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Umsatzsteuerichtlinie erzielt hat. Dazu gehören ausschließlich Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, Heilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen (bei Menschen) vorgenommen werden. Dagegen fallen medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Umsatzsteuerrichtlinie. Diese Regelung umfasst dementsprechend Leistungen, die außerhalb eines Krankenhauses im Rahmen einer auf Vertrauen gegründeten Beziehung zwischen Patient und Behandelndem erbracht werden, wobei diese Beziehung normalerweise in dessen Praxisräumen zum Tragen kommt. Sie umfasst dagegen nicht Tätigkeiten, die nicht Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzepts sind. (vgl. die Ausführungen des BFH auf Seite 7 des Revisionsurteils).

Die Ernährungsberatung (Diättherapie) erfüllt, wie der BFH in seiner Revisionsentscheidung unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.6.2000 B 6 KA 26/99 R ausgeführt hat, die Voraussetzungen einer Heilbehandlung und dient nicht nur der Befriedigung alltäglicher Lebensbedürfnisse, soweit der Bereich der Krankenbehandlung betroffen ist.

Dies ist der Fall, soweit der Kläger aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt hat. Die Steuerbefreiung kommt deshalb für Ernährungsberatungen in Betracht, die der Kläger entweder aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt hat. Grundsätzlich keine nach § 4 Nr. 14 UStG befreiten Heilbehandlungen sind dagegen Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe, weil sie, was sich aus § 20 Abs. 1 Satz SGB V (in der ab dem 1.1.2000 geltenden Fassung) ergibt, keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, sondern lediglich den "allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen" sollen (vgl. BFH-Urteil vom 7.7.2005, V R 23/04, BStBl II 2005, 904).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze stellen, was nach der Überzeugung des Senats uneingeschränkt zutreffend und zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitbefangen ist, nicht nur die vom Kläger so bezeichneten "diätetischen Einzelbehandlungen als ernährungstherapeutische Maßnahme" Heilbehandlungen dar. Gleiches gilt in Hinsicht auf die am Schluss der mündlichen Verhandlung einzig und allein strittig gebliebenen "diätetischen Gruppenbehandlungen als ernährungstherapeutische Maßnahmen".

Auch insoweit hat der Kläger Heilbehandlungen im vorbeschriebenen Sinne ausgeführt. Er hat diese Leistungen im Kernpunkt als ernährungstherapeutische Maßnahmen beschrieben, womit allein schon dem Wortsinn nach nur die an eine vorhergehende Diagnose anknüpfende Behandlung (Therapie) einer Erkrankung, hier eines auf Fehlernährung zurückzuführenden Gebrechens (Über- oder Untergewichtigkeit), gemeint war.

Nach der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung des Senats hat der Kläger, soweit er in seinen Rechnungen aus den Streitjahren bis 1996 seine Leistungen mit "...ernährungstherapeutische Maßnahmen" bezeichnet hat, insoweit auch tatsächlich therapeutische Beratungen aufgrund von ärztlichen Attesten sowie von Zuweisungen durch den Medizinischen Dienst und durch die KK selbst durchgeführt. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht nur glaubhaft geschildert, indem er zu den Gruppenberatungen lt. § 1 Nr. 2 des Vertrags mit der KK vom 15.11.1991 (in seinen Honorarrechnungen mit "diätetische Gruppenberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Haus der KK" bezeichnet) ausgeführt hat, stets habe es sich um eine therapeutische Maßnahme gehandelt, gleichgültig, ob er - was seine, des Klägers, Entscheidung gewesen sei - einen ihm zugewiesenen Patienten in der Gruppe oder einzeln behandelt habe.

Seine Aussage, dass den hier noch streitigen Umsätzen ernährungstherapeutische Maßnahmen zugrunde gelegen haben, erweist sich auch bei einem Vergleich mit den Leistungsbeschreibungen, die der Kläger in anderen Honorarrechnungen verwendet hat, als richtig. Denn er hat in diesen anderen Rechnungen aus den Jahren bis 1996, namentlich in den Rechnungen, die der gerichtseigene Prüfer in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 29.6.2006 aufgeführt und deren Steuerfreiheit der Kläger als Ergebnis der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung nicht weiter geltend gemacht hat, seine Leistungen mit "Ernährungskurse im Rahmen der Gesundheitsvorsorge" bzw. mit "Ernährungsseminare im Rahmen der Gesundheitsvorsorge" oder auch als "diätetische Gruppenberatungen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge im Hause der KK" beschrieben und damit zugleich deutlich gemacht, dass es sich bei diesen Leistungen nicht um therapeutische Maßnahmen, sondern um solche gruppenweisen Ernährungsberatungen gehandelt hat, die als Beiträge zur allgemeinen Unterweisung der Bevölkerung (auch gesunder Personen) über eine gesunde Ernährung zu verstehen sind und die damit in die vom BFH so bezeichnete Kategorie der "Befriedigung alltäglicher Lebensbedürfnisse" fallen. Wenn aber der Kläger zu einer Zeit, als er seine Leistungen insgesamt für umsatzsteuerfrei wähnte und dies auch annehmen durfte (nachdem nämlich der Beklagte weder auf die diesbezügliche Anfrage des Klägers vom 7.11.1985 geantwortet, noch in den folgenden mehr als zehn Jahren jemals seine im Rahmen der Einkommensteuererklärungen deklarierten Umsätze als nicht umsatzsteuerfrei in Frage gestellt hätte), seine Leistungen nach "therapeutischen" und nach allgemein ernährungsberatenden Leistungen (Ernährungskurse, Gesundheitsvorsorge) differenziert und abgerechnet hat, spricht dies mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich bei den als "ernährungstherapeutische Maßnahmen" bezeichneten Leistungen auch tatsächlich um Heilbehandlungen gehandelt hat.

Deren Steuerfreiheit steht auch nicht entgegen, dass sie als diätetische Gruppen- und nicht als diätetische Einzelberatungen stattgefunden haben.

Zwar leitet der Beklagte aus den Rechtsausführungen des BFH in seinem Revisionsurteil, wonach nur solche ähnlichen heilberuflichen Tätigkeiten unter § 4 Nr. 14 UStG fallen, die Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzepts sind, ab, Gruppenberatungen erfüllten diese Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil es sich bei ihnen nicht um ein konkretes und individuelles, auf den einzelnen Patienten zugeschnittenes Leistungskonzept handle. Dem ist indessen nicht zu folgen.

Es bedarf keiner Ausführungen, dass bei seelischen (psychischen) Erkrankungen die Gruppentherapie als Maßnahme der psychotherapeutischen Heilbehandlung anerkannt ist. Dementsprechend sieht der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung herausgegebene Einheitsbewertungsmaßstab (EBM) für "analytische Psychotherapie als Gruppenbehandlung (5 bis 9 Teilnehmer)" unter EBM-Ziff. 878 450 einen Gebührentatbestand vor.

Auch im Bereich der Ernährungsberatung ist die Gruppenberatung neben der Einzelberatung als geeignete Therapieform anerkannt. So bietet etwa die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. lt. ihrem Internet-Portal spezielle Schulungen für Diätassistenten und Diplom-Oecotrophologen an, in denen diese die Durchführung von Gruppenberatungen trainieren.

Der Kläger selbst hat dazu im Schriftsatz vom 28.12.2005 vorgetragen, die Gruppenberatung sei als Therapieform in bestimmten Fällen, z.B. bei Adipositas (krankhaftem Übergewicht), der Einzeltherapie vorzuziehen. In der mündlichen Verhandlung hat er dazu ausgeführt, es sei seine Entscheidung gewesen, ob er einen ihm zugewiesenen Patienten in der Gruppe oder einzeln behandelt habe. An den Gruppentherapiekursen hätten zwischen 5 und 10 Personen teilgenommen, die Maximalstärke von 15 Teilnehmern (so § 1 Nr. 2.2 des Vertrag mit der KK) sei dagegen nie erreicht worden.

Angesichts der besonderen Therapieform der Gruppenbehandlung im Bereich der Psychotherapie und (auch) der therapeutischen Ernährungsberatung vermag der Senat dem Einwand des Beklagten, einer Gruppenbehandlung fehle ein konkretes und individuelles, auf den einzelnen Patienten zugeschnittenes Leistungskonzept (weshalb es an den vom BFH postulierten Merkmalen einer Heilbehandlung mangele), nicht beizupflichten. Der Senat geht nach dem Gesamtbild vielmehr davon aus, dass der Kläger, soweit er Leistungen für "diätetische Gruppenberatungen als therapeutische Maßnahme" in Rechnung gestellt hat, entsprechend seinem vom Beklagten nicht widersprochenen Vortrag, zunächst von jedem Patienten die behandlungsspezifischen Daten (Krankheitsgeschichte, krankheitsbedingende Faktoren Essgewohnheiten u.s.w.) aufgenommen und anschließend, wie von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, über die Behandlungsform (Einzel- oder Gruppentherapie) entschieden hat. Damit lag auch diesen Behandlungsfällen ein konkretes und individuelles Leistungskonzept zugrunde, innerhalb dessen sich die Behandlung abgespielt hat. Der BFH hat im Übrigen die Merkmale, die für die Annahme einer Heilbehandlung vorliegen müssen, nicht auf die Fälle der Einzeltherapie beschränkt.

Etwas anderes würde allenfalls dann gelten, wenn die einzelne Gruppe, in die der jeweilige Patient eingebunden war, so teilnehmerstark gewesen wäre, dass die Durchführung des konkreten und individuellen Leistungskonzepts durch die Vielzahl der Patienten gefährdet gewesen wäre. Hiervon kann indessen angesichts einer Gruppenstärke von zwischen 5 und 10 Personen nicht gesprochen werden (nach dem KK-Vertrag hätte die Gruppe aus maximal 15 Teilnehmern bestehen können, was u.U. zu einer die Einhaltung des individuellen Behandlungskonzepts nicht mehr gewährleistenden Überbesetzung geführt hätte). Eine Gruppenstärke von 5 bis 9 Teilnehmern ist dagegen, wie oben ausgeführt, nach dem EBW der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die Gruppentherapie in psychotherapeutischen Fällen als normale Teilnehmerbesetzung beschrieben. Hiervon kann nach der Einschätzung des Senats auch in ernährungstherapeutischen Behandlungsfällen ausgegangen werden.

Soweit der Beklagte dem in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten hat, die vom Kläger beschriebene Gruppenstärke sei heute nicht mehr nachweisbar, was zu Lasten des Klägers gehe, folgt ihm der Senat nicht. Es kann dahinstehen, zu wessen Lasten ein Beweisnotstand in diesem Punkte ginge. Denn der Senat ist von der Zuverlässigkeit der Aussage des Klägers, der in der mündlichen Verhandlung einen in hohem Maße glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat, überzeugt.

3. a) Sind hiernach die in den Streitjahren 1992 bis 1994 und 1996 als "diätetische Gruppenberatungen als ernährungstherapeutische Maßnahme im Hause der KK" in Rechnung gestellten Umsätze des Klägers ebenso wie (unstreitig) die nämlichen Umsätze aus diätetischen Einzelberatungen umsatzsteuerfrei, so ergeben sich für diese Streitjahre nachfolgende Umsatzsteuerberechnungen (wobei die in den angefochtenen Bescheiden berücksichtigten Vorsteuerbeträge entsprechend dem insoweit übereinstimmenden Antrag der Beteiligten nur mit dem auf die steuerpflichtigen Umsätze entfallenden Prozentsatz zu berücksichtigen sind):

1992

 DM
diätetische Einzelberatungen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge (ohne unmittelbaren Krankheitsbezug)1.800,00
Ernährungskurs und Ernährungsseminare im Rahmen der Gesundheitsvorsorge19.814,00
Gesamt-Bruttoumsätze21.614,00
steuerpflichtiger Nettoumsatz18.959,65
Umsatzsteuer2.654,35
auf die steuerpflichtigen Umsätze anteilig entfallende Vorsteuer525,79
Zahllast lt. Urteil (abgerundet)2.128,00

1993

 DM
diätetische Gruppenberatungen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge im Hause der KK15.194,00
5 Kurse ohne Leistungsangabe (nur Ersatzbeleg)5.025,00
Veranstaltung Ballastreiche Ernährung, Verbrauchsmaterialien für Aktionen Cholesterinbestimmung1.574,60
Gesamt-Bruttoumsatz21.793,60
steuerpflichtiger Nettoumsatz18.950,96
Umsatzsteuer2.842,64
auf die steuerpflichtigen Umsätze anteilig entfallende Vorsteuer355,21
Zahllast lt. Urteil (abgerundet)2.487,00

1994

 DM
Veranstaltung "Ballaststoffe und Cholesterin in der Gesundheitvorsorge"1.110,00
Gesamt-Bruttoumsatz1.110,00
steuerpflichtiger Nettoumsatz965,22
Umsatzsteuer144,78
auf die steuerpflichtigen Umsätze entfallende Vorsteuer50,02
Zahllast lt. Urteil (abgerundet)94,00

1996

 DM
Kölner Gesundheitstage, Cholesterin- und Blutzuckerbestimmungen, Lungenfunktionstestate7.764,50
Fachmese ...6.832,50
Gesamt-Bruttoumsatz14.597,00
steuerpflichtiger Nettoumsatz12.693,04
Umsatzsteuer1.903,96
auf die steuerpflichtigen Umsätze entfallende Vorsteuer536,04
Zahllast lt. Urteil (abgerundet)1.367,00

b) Für die Streitjahre 1997, 1998 und 2000, für die eine Differenzierung der Umsätze des Klägers anhand von Ausgangsrechnungen oder sonstigen Belegen nicht mehr möglich ist, ist das Verhältnis der steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätze aus der Tätigkeit des Klägers als Ernährungsberater zu schätzen (§ 96 Abs. 1 FGO i.V.m. § 162 AO).

Der Senat folgt dabei im Grundsatz den Beteiligten darin, dass dies nur anhand der Umsatzentwicklung der Vorjahre (bis 1996) möglich ist. Allerdings hält er die vom Beklagten vorgeschlagene Schätzungsmethode, die den Aufteilungsmaßstab an der prozentualen Entwicklung der alljährlichen steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätze orientieren will, für weniger geeignet, als das Zurückgreifen auf die in den Streitjahren bis 1996 (lt. Urteil) kumulativ erzielten steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätze und die daraus abzuleitenden Prozentsätze. Nachdem der Senat die streitbefangenen Umsätze aus ernährungstherapeutischen Gruppenbehandlungen ebenfalls für steuerfrei erklärt hat, summieren sich die steuerpflichtigen Brutto-Umsätze der Streitjahre 1992 bis 1994 und 1996 auf 17% der gesamten in diesen Jahren erzielten Brutto-Umsätze (Hinweis auf Seite 7 des Protokolls über die mündliche Verhandlung). Diesen Prozentsatz wendet der Senat auf die jeweiligen (in den angefochtenen Bescheiden erfassten) Gesamtumsätze aus Ernährungsberatungen in den Streitjahren 1997, 1998 und 2000 an, so dass sich (einschließlich der nicht streitbefangenen Vermietungsumsätze) folgende Umsatzsteuerberechnungen ergeben:

1997

 bruttodavon 17 % steuerpflichtignetto
 DMDMDM
Umsätze aus Vermietung  4.800
Umsätze aus Ernährungsberatung102.48417.42215.150
   19.950
Umsatzsteuer  2.992
Vorsteuern (17 % von 5.116 DM)  870
Zahllast lt. Urteil  2.123

1998

 bruttobruttonettonetto
 bis 31.3.ab 1.4.15 v.H.16 v.H.
   bis 31.3.ab 1.4.
 DMDMDMDM
Umsätze aus Vermietung  2.1006.245
Umsätze aus Ernährungsberatung33.02551.025  
davon 17 %5.6148.6744.8827.478
Nwetto-Umsätze gesamt  6.98213.723
Umsatzsteuer  1.0472.196
Umsatzsteuer gesamt   3.243
Vorsteuern (17% von 3.500 DM)   595
Zahllast lt. Urteil   2.648

2000

 nettonetto
 DMDM
Umsätze aus Vermietung 6.345
Umsätze aus Ernährungsberatung41.591 
davon 17% 7.070
Netto-Umsätze gesamt 13.415
Umsatzsteuer 16 % 2.146
Vorsteuern (17 % von 3.640 DM) 619
Zahllast lt. Urteil 1.528

Entsprechend den vorstehenden Berechnungen war die jeweilige Umsatzsteuer (Zahllast) für die Streitjahre neu festzusetzen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar mit seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag voll obsiegt hat, dass er jedoch ursprünglich die volle Steuerfreiheit seiner Umsätze aus der Ernährungsberatung begehrt hat, woraus ein (zugrunde zu legender) höherer Streitwert resultiert. Gemessen an diesem Streitwert ist der Kläger zum Teil unterlegen.

Soweit der BFH dem Senat gem. § 143 Abs. 2 FGO die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen hat, waren diese im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung ebenfalls nach dem endgültigen Maß des Obsiegens und Unterliegens zu bemessen (vgl. Gräber/Ruban, FGO, § 143 Rz. 23).

4. Die Revision war nicht zuzulassen.

Der Rechtssache fehlt die grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), nachdem der BFH im Revisionsurteil des ersten Rechtsgangs die Kriterien dafür festgelegt hat, in welchen Fällen die Umsätze eines Diplom-Oecotrophologen aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit stammen und damit nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei sind. Der Senat hat diese Grundsätze auf den Sachverhalt, wie er sich im Ergebnis der mündlichen Verhandlung dargestellt hat, angewendet.

Auch ist eine (erneute) Entscheidung des BFH weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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