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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 06.12.2005
Aktenzeichen: 9 K 1935/03
Rechtsgebiete: ErbStG, AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 157 Abs 1 Satz 2
AO 1977 § 162
ErbStG § 7 Abs 1 Nr 1
AO 1977 § 119 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Zahlungen von Vereinsvorsitzenden bzw. Managern des Vereins an die Spieler der 1. Fußballmannschaft des Vereins freigebige Zuwendungen an den Verein darstellen.

Bei dem Kläger, einem eingetragenen Sportverein, fand ein Betriebsprüfung statt. Die Prüferin stellte u.a. fest, dass mehrere Personen aus der Vereinsführung bzw. aus dem Management der 1. Fußballmannschaft des Vereins in den Jahren 1992 bis 1998 unentgeltliche Zuwendungen getätigt hatten. Die Zuwendungen hätten der Finanzierung von Ablösesummen sowie von Spieler- und Trainergehältern gedient. Sie seien in den Etatplanungen des Klägers, nicht aber in den Steuererklärungen aufgeführt worden. Der Kläger habe in den Jahren 1992 bis 1998 u.a. die folgenden Zuwendungen erhalten:

von Herrn U, 2. Vorsitzender des Klägers:

 *1992:2.000 DM
*1993:3.000 DM
*1994:5.000 DM
*1995:5.500 DM

von Herrn M, Ehrenvorsitzender des Klägers:

 *1992:5.000 DM
*1993:15.000 DM

von Herrn A, Manager der 1. Mannschaft:

 *1992:7.250 DM
*1993:13.090 DM
*1994:23.525 DM
*1995:30.000 DM
*1996:20.693 DM
*1997:18.506 DM
*1998:16.665 DM

Aufgrund dieser und weiterer Prüfungsfeststellungen wurde dem Kläger rückwirkend für die Jahre 1992 bis 1998 die Gemeinnützigkeit aberkannt.

Nach entsprechenden Kontrollmitteilungen der Prüferin forderte der Beklagte den Kläger erfolglos zur Abgabe von Schenkungsteuererklärungen auf. Der Beklagte erließ gegenüber dem Kläger u.a. die folgenden Schenkungsteuerbescheide:

Bescheide vom 27.2.2002 über den Erwerb aus der Schenkung des Herrn U

 *vom 01.01.1993 bis 31.12.1993 
 Wert des Erwerbs einschließlich Vorerwerbe:5.000,00 DM
 festgesetzte Schenkungsteuer:204,52 EUR
*vom 01.01.1994 bis 31.12.1994 
 Wert des Erwerbs einschließlich Vorerwerbe:10.000,00 DM
 festgesetzte Schenkungsteuer:511,29 EUR
   
*vom 01.01.1995 bis 31.12.1995 
 Wert des Erwerbs einschließlich Vorerwerbe:15.500,00 DM
 festgesetzte Schenkungsteuer:562,42 EUR

Bescheide vom 12.3.2002 über den Erwerb aus der Schenkung des Herrn M

* vom 01.01.1992 bis 31.12.1993

 Wert des Erwerbs einschließlich Vorerwerbe:20.000,00 DM
festgesetzte Schenkungsteuer:1.738,39 EUR

Bescheide vom 27.2.2002 über den Erwerb aus der Schenkung des Herrn A

* vom 01.01.1992 bis 31.12.1992

 Wert des Erwerbs:7.250,00 DM
festgesetzte Schenkungsteuer:429,49 EUR

* vom 01.01.1993 bis 31.12.1993

 Wert des Erwerbs einschließlich Vorerwerbe:20.340,00 DM
festgesetzte Schenkungsteuer:1.339,58 EUR

* vom 01.01.1994 bis 31.12.1994

 Wert des Erwerbs einschließlich Vorerwerbe:43.865,00 DM
festgesetzte Schenkungsteuer:2.403,07 EUR

* vom 01.01.1995 bis 31.12.1995

 Wert des Erwerbs einschließlich Vorerwerbe:73.865,00 DM
festgesetzte Schenkungsteuer:3.791,74 EUR

* vom 01.01.1997 bis 31.12.1997

 Wert des Erwerbs einschließlich Vorerwerbe:113.064,00 DM
festgesetzte Schenkungsteuer:1.495,02 EUR

* vom 01.01.1998 bis 31.12.1998

 Wert des Erwerbs einschließlich Vorerwerbe:129.729,00 DM
festgesetzte Schenkungsteuer:4.269,29 EUR

Gegen diese Schenkungsteuerbescheide legte der Kläger Einsprüche ein. Die Einspruchsverfahren verliefen erfolglos.

Mit den hinsichtlich der Zuwendungen der Herren U, M und A getrennt erhobenen Klagen verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, dass es den Geldgebern ausschließlich um die Finanzierung einer konkurrenzfähigen Fußballmannschaft gegangen sei. Sie hätten daher die für die Ablösesummen bzw. Spielergehälter erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt. Dies sei unter der Bedingung geschehen, dass mit den Geldern die gewünschten Spieler bezahlt würden. Er - der Kläger - habe in keiner Phase über die Mittel frei verfügen können. Die Gelder seien direkt von den Gebern an die Spieler gezahlt worden. Damit seien die Spieler, nicht aber der Kläger, auf Kosten der Zuwendenden bereichert worden. Im Übrigen sei der Kläger aufgrund der Auflage zur Weitergabe der Gelder als reine Durchgangs- oder Mittelsperson anzusehen. Es handele sich daher um mittelbare freigebige Zuwendungen der Geldgeber (der drei Schenker) an Dritte (die Spieler). Die Weitergabe der Gelder verwirkliche daher den Steuertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG), da zu den Abreden über die Weitergabe echte Verträge zu Gunsten Dritter i.S. des § 328 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorlägen. Die Dritten (Spieler) hätten ein Forderungsrecht in Form von Gehaltsansprüchen. Es sei somit unzweifelhaft, dass schenkungsteuerliche Tatbestände nach § 7 Abs. 1 ErbStG erfüllt seien. Allerdings handele es sich nicht um drei Schenkungen der Herren U, M und A an den Kläger, sondern um eine Vielzahl von freigebigen Zuwendungen - unmittelbar oder mittelbar - an die Spieler. Gerade bei den "kleineren" Zuwendungen der Herren U und M sei jedoch objektiv betrachtet der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG in keinem Sachverhalt erreicht. Hinsichtlich der Zuwendungen von Herrn A sei zu berücksichtigen, dass die Gelder auf eine Vielzahl von Spielern verteilt worden seien. Da die bezahlten Spieler im Regelfall nach kurzer Zeit den Verein wieder verlassen hätten, sei davon auszugehen, dass bei keiner Zuwendung der Freibetrag von 10.000 DM überschritten worden sei.

Der Kläger beantragt,

die Schenkungsteuerbescheide vom 27. 2. 2002 und 12. 3. 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 12. 3. 2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Nach Ansicht des Beklagte ist entscheidend, dass die maßgeblichen Vertragsbeziehungen nur zwischen dem Kläger und den Spielern, nicht aber zwischen den Geldgebern und den Spielern bestanden hätten. Die Spieler seien nur verpflichtet gewesen, eine Leistung für den Kläger zu erbringen. Als Gegenleistung hätten sie von diesem die entsprechenden vertraglichen Prämien erhalten. Der Kläger habe die von den Geldgebern zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel auch nicht an diese zurückzahlen müssen. Insoweit liege eine endgültige Bereicherung des Klägers vor. Dass der Kläger die zur Verfügung gestellten Mittel für die Gehaltszahlungen an die Spieler habe verwenden müssen, sei unerheblich, da es sich insoweit um die Hauptausgaben des Klägers gehandelt habe. Entgegen dem in der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung enthaltenen Hinweis des Gerichts seien die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide auch nicht mangels inhaltlich hinreichender Bestimmtheit nichtig. Die in den angefochtenen Schenkungsteuerbescheiden vorgenommene unaufgegliederte Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle sei durch die Schätzungsbefugnis des § 162 Abgabenordnung (AO) gerechtfertigt gewesen.

Durch in der mündlichen Verhandlung am 00.00.0000 verkündeten Beschluss wurden die Verfahren 9 K 1935/03, 9 K 1936/03 und 9 K 1938/03 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Gründe

I. Die Klage ist begründet.

Die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide vom 27. 2. 2002 und 12. 3. 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 12. 3. 2003 sind mangels inhaltlicher Bestimmtheit (§§ 119, 157 Abs. 1 AO) nichtig (§ 125 Abs. 1 AO) und damit unwirksam (§ 124 Abs. 3 AO).

1. Schriftliche Steuerbescheide müssen nach § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Danach muss der Regelungsinhalt dem Verwaltungsakt eindeutig entnommen werden können. Hierzu gehört nicht nur, dass der Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lässt (§ 119 Abs. 3 AO), sondern auch die Angabe, wer die Steuer schuldet, sowie die Bezeichnung der festgesetzten Steuer nach Art und Betrag (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Das Erfordernis, die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag zu bezeichnen, verlangt die Angabe der einzelnen, durch die Verwirklichung eines bestimmten Steuertatbestandes (vgl. § 38 AO) jeweils ausgelösten Steuerschuld (BFH-Urteile vom 30. Januar 1980 II R 90/75, BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316; vom 15. Oktober 1980 II R 127/77, BFHE 131, 448, BStBl II 1981, 84, und vom 9. Dezember 1998 II R 6/97, BFH/NV 1999, 1091). Diesen zur Bestimmtheit eines Steuerbescheids notwendigen Angaben genügt auch eine Bezugnahme auf Anlagen oder Unterlagen (etwa einen Betriebsprüfungs- oder Steuerfahndungsbericht), die sich bereits in Händen des Steuerpflichtigen befinden (BFH-Urteile vom 20. Dezember 1985 VI R 146/80, BFH/NV 1986, 517; vom 12. März 1991 IX R 282/87, BFH/NV 1991, 506; vom 9. August 1991 III R 41/88, BFHE 166, 1, BStBl II 1992, 219, und vom 22. September 2004 II R 50/03, BFH/NV 2005, 993).

Die vorstehenden Anforderungen gelten grundsätzlich auch in den Fällen, in denen das Finanzamt - wie im Streitfall - von der verfahrensrechtlichen Möglichkeit Gebrauch macht, mehrere Erwerbe (Steuerfälle) in einem Bescheid zu besteuern. Es ist deshalb unzulässig, dabei die verschiedenen Steuerschulden desselben Steuerschuldners in einem Betrag unaufgegliedert zusammenzufassen. Vielmehr erfordern mehrere (getrennte) Steuerfälle entweder eine Festsetzung in getrennten Steuerbescheiden oder - bei körperlicher Zusammenfassung in einem Schriftstück - neben der genauen Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände, -zeiträume) besteuert werden sollen, für jeden Steuerfall eine gesonderte Festsetzung der Steuer (BFH-Urteile vom 9. Dezember 1998 II R 6/97, a.a.O., m.w.N. und vom 22. September 2004 II R 50/03, a.a.O.).

Hierauf kann im Einzelfall ausnahmsweise nur dann verzichtet werden, wenn trotz unaufgegliederter Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle eindeutig feststeht, welche Steuerfälle von dem Bescheid erfasst werden und dass auch aus anderweitigen rechtlichen Gründen keine Notwendigkeit zu einer Differenzierung besteht. Erforderlich ist eine Differenzierung insbesondere dann, wenn das rechtliche Schicksal der verschiedenen Steueransprüche nach Anspruchsgrund bzw. dessen Wegfall, hinsichtlich möglicher Befreiungstatbestände und des Eintritts der Verjährung einen unterschiedlichen Verlauf nehmen sowie der für den Einzelfall festgesetzten Steuer eine weitere rechtliche Bedeutung für weitere Steuerfälle (z. B. im Rahmen des § 14 ErbStG) zukommen kann (BFH-Urteile vom 9. Dezember 1998 II R 6/97, a.a.O., m.w.N., und vom 22. September 2004 II R 50/03, a.a.O.).

2. Diesen Anforderungen genügen die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide nicht. Der Beklagte hat die Schenkungsteuer für zahlreiche schenkungsteuerlich relevante Lebenssachverhalte, bei denen es sich um jeweils getrennt zu beurteilende Steuerfälle handelt, unaufgegliedert zusammengefasst. Es liegt kein Fall vor, in dem ausnahmsweise der getrennte Steuerausweis für jeden Steuerfall entbehrlich ist. Die unaufgegliederte Zusammenfassung lässt sich im Streitfall auch nicht durch § 162 AO rechtfertigen.

a) Der Beklagte hat in den angefochtenen Schenkungsteuerbescheiden die in den jeweiligen Jahren erfolgten Zuwendungen der Herren U, M und A an den Kläger unaufgegliedert zusammengefasst. In den Schenkungsteuerbescheiden wurden insoweit die in den Kontrollmitteilungen der Betriebsprüferin vom 7.7.2000 mitgeteilten Gesamtsummen der in den einzelnen Jahreszeiträumen von den Herren U und A zugewendeten Beträge jeweils als "Wert des Erwerbs" der jeweiligen Jahre berücksichtigt. In dem die Zuwendungen des Herrn M betreffenden Schenkungsteuerbescheid wurden darüber hinausgehend die von der Betriebsprüferin für die Jahre 1992 und 1993 getrennt ermittelten und mitgeteilten Jahresbeträge der Zuwendungen i.H.v. 5.000 DM im Jahr 1992 und i.H.v. 15.000 DM im Jahr 1993 zu einem "Wert des Erwerbs" i.H.v. 20.000 DM zusammengefasst.

b) Die in den angefochtenen Schenkungsteuerbescheiden als Gesamtsummen der einzelnen Jahres- bzw. Zweijahreszeiträume erfassten Zuwendungen der Herren U, M und A sind rechtlich jeweils selbständig als steuerpflichtige Erwerbe i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu beurteilen. Diese Zuwendungen beruhten nicht auf einem einheitlichen Schenkungsversprechen; ein wirksames notariell beurkundetes Schenkungsversprechen (§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB) liegt nicht vor. Die in den angefochtenen Bescheiden erfassten Zuwendungen der Herren U, M und A, die jeweils ohne Eingehung einer rechtlichen Verpflichtung freiwillig erfolgten, sind daher als einzelne selbständige Zuwendungsvorgänge getrennt zu besteuern (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 2004 II R 50/03, a.a.O.).

c) Im Streitfall war eine differenzierte Festsetzung der Schenkungsteuer für jede einzelne Zuwendung auch nicht ausnahmsweise verzichtbar.

aa) Aufgrund der vom Beklagten vorgenommenen unaufgegliederten Zusammenfassung der Zuwendungen der Herren U, M und A in den einzelnen Jahres- bzw. Zweijahreszeiträumen steht bereits nicht eindeutig fest, welche konkreten Steuerfälle von den angefochtenen Bescheiden erfasst werden. Die Betriebsprüferin hat in ihren Kontrollmitteilungen vom 7. 7. 2000, die der Beklagte zur Grundlage der Schenkungsteuerfestsetzungen gemacht hat, lediglich die Summe der in den einzelnen Jahren von ihr anhand der Etatplanungen des Klägers ermittelten Zuwendungen der Herren U, M und A angegeben. In der Spalte "Bezeichnung des Geschäftsvorfalls" hat sie jeweils nur vermerkt, dass es sich um Zuwendungen an den Kläger handele und ein genaues Datum nicht nachvollziehbar sei. Andere individualisierende Angaben, etwa zur Anzahl und Höhe der einzelnen Zuwendungen, die in die angegebenen Jahresbeträge eingeflossen sind, hat die Betriebsprüferin nicht gemacht. Ohne diese näheren Angaben kann aber aufgrund des Inhalts der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide auch unter Berücksichtigung der in Bezug genommenen Kontrollmitteilungen der Betriebsprüferin nicht festgestellt werden, ob eine ganz bestimmte Zuwendung in einem angegebenen Gesamtbetrag enthalten und somit der konkrete Steuerfall von dem betreffenden Schenkungsteuerbescheid umfasst ist oder nicht.

bb) Außerdem bestand auch aus anderweitigen rechtlichen Gründen eine Notwendigkeit zur Differenzierung. Die Herrn U, M und A haben mit ihren Zuwendungen dem Kläger über mehrere Jahre hinweg die finanziellen Mittel zum Betrieb einer konkurrenzfähigen Fußballmannschaft zur Verfügung gestellt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie dies auch nach den von der Betriebsprüfung betroffenen Jahren getan haben bzw. dies in der Zukunft wieder tun werden. Den in den streitigen Jahren mit jeder einzelnen Zuwendung verwirklichten Steuertatbeständen kann daher zumindest im Rahmen des § 14 ErbStG eine rechtliche Bedeutung für weitere Steuerfälle zukommen.

d) Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten war eine gesonderte Festsetzung der Steuer für jede einzelne Zuwendung auch nicht nach § 162 AO entbehrlich.

aa) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zu schätzen. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides Statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Das gleiche gilt gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden.

bb) Im Streitfall war der Beklagte zwar im Grundsatz zu einer Schätzung befugt. Denn der Kläger hat die ihm obliegende Auskunfts- und Mitwirkungspflicht verweigert. Aufgrund der Aufforderungen des Beklagten war der Kläger nach § 149 Abs. 1 AO, § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zur Abgabe von Schenkungsteuererklärungen für die Zuwendungen der Herren U, M und A verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist der Kläger nicht nachgekommen.

cc) Dennoch rechtfertigt die grundsätzliche Schätzungsbefugnis nach § 162 AO die unaufgegliederte Zusammenfassung der einzelnen Zuwendungen der Herren U, M und A im Streitfall nicht.

(1) Die Schätzung ist ein Verfahren, Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Feststellung trotz Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für ein solches Verfahren von Bedeutung sein können. Auszugehen ist von dem aufgeklärten Sachverhalt. Es bedarf weiterhin der Feststellung, dass eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Erst in diesem Stadium setzen die Schätzungsüberlegungen ein, die aus dem festgestellten Sachverhalt folgern, dass die Besteuerungsgrundlagen in einer wahrscheinlichen Höhe verwirklicht worden sind (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1993 III R 59/91, BFH/NV 1994, 176 m.w.N.).

(2) Im Streitfall hat der Beklagte diese Grundsätze nicht beachtet.

Zum einen sind aus den Etatplanungen des Klägers (Beweismittelordner des Beklagten) für einen größeren Teil der Zuwendungen nähere Einzelheiten zu erkennen. So enthalten die Etatplanungen des Klägers u.a. folgende, die Zuwendungen individualisierende Angaben:

Etatplanung 1992/93

 -Herr U, 8/92:2.000 DM
-Herr U, 10.3.:500 DM
-Herr M, per Dezember 1992:5.000 DM
-Herr A:7.250 DM
-Herr A:2.500 DM

Etatplanung 1993/1994

 -Herr U, 8/93:2.500 DM
-Herr M, 8/93:5.000 DM

Etatplanung 1994/1995

 -Herr U, 08.08.:3.000 DM
-Herr U, 10.12.:2.000 DM
-Herr U, 07.02.:500 DM

Etatplanung 1995/1996

- Herr U:|5.000 DM

Zumindest diese aus den Etatplanungen des Klägers ohne Probleme ersichtlichen Angaben hätte der Beklagte nutzen können und müssen, um die auf diese Zuwendungen entfallenden Steuerbeträge im Rahmen einer Schätzung näher aufzugliedern.

Darüber hinaus war es dem Beklagten auch möglich und zumutbar, die Herren U, M und A hinsichtlich der konkreten Höhe und des genauen Zeitpunkts der einzelnen Zuwendungen zu befragen. Es war nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Schenker noch konkretere, die einzelnen Zuwendungen näher individualisierende Angaben hätten machen können.

Schließlich hätte der Beklagte auch in zeitlicher Hinsicht die konkreten Besteuerungsgrundlagen schätzen müssen. Dabei hätte er berücksichtigen müssen, dass Gegenstand der Schenkungssteuer gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede einzelne freigebige Zuwendung unter Lebenden ist und dass die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung jeder einzelnen Zuwendung entsteht. Der Beklagte hätte damit beachten müssen, dass die Schenkungsteuer eine auf einen bestimmten Stichtag und nicht eine auf einen ganzen Veranlagungszeitraum bezogene Steuer ist. Er hätte somit für die einzelnen geschätzten Zuwendungen auch ganz bestimmte Zuwendungszeitpunkte schätzen müssen. Die von ihm stattdessen vorgenommenen Schätzungen der Schenkungsteuer für die gesamten Zuwendungen eines Jahres- bzw. eines Zweijahreszeitraums waren somit nicht durch § 162 AO gerechtfertigt

3. Im Ergebnis leiden die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide daher an einem besonders schwerwiegenden und bei verständiger Würdigung aller im Einzelfall beachtlichen Umstände offenkundigen Mangel i.S. des § 125 Abs. 1 AO. Dieser Mangel hat die Nichtigkeit und mithin Unwirksamkeit (§ 124 Abs. 3 AO) der Steuerfestsetzungen zur Folge.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO).

III. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Ende der Entscheidung

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