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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 04.11.2008
Aktenzeichen: 9 K 2206/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Buchst. d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

9 K 2206/07

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob Beteiligungsverluste der in einer Anlegergemeinschaft auftretenden Kläger auf der Ertragsebene abzugsfähig oder auf der Vermögensebene nicht abzugsfähig sind.

Die Kläger erwarben einzeln seit 2001 nach und nach Teilschuldverschreibungen der kanadischen Fluggesellschaft B, die aufgrund eines Emissionsprospektes vom Februar 1988 zum Börsenhandel zugelassen worden waren. Im Rahmen der Anlagegemeinschaft sollten den Klägern die in der Klageschrift aufgelisteten Anteile zustehen. Nach dem Emissionsprospekt hatten die Teilschuldverschreibungen kein im vorhinein bestimmtes Endfälligkeitsdatum. Dieses war aber gemäß § 3 der Anleihebedingungen bestimmbar. Danach sollten die Teilschuldverschreibungen im Falle einer Liquidation der Anleiheschuldnerin zum Nennbetrag zuzüglich Stückzinsen zurückgezahlt werden. Die Anleiheschuldnerin besaß ferner das Recht, die Teilschuldverschreibungen 1994 und nach weiteren drei Jahresperioden nach vorheriger Kündigung zum Nennbetrag zurückzuzahlen. Die Teilschuldverschreibungen sollten in bestimmten Zeiträumen zu bestimmbaren Zinssätzen verzinst werden. Die Zahlung von Zinsen und Kapital auf die Teilschuldverschreibungen und Zinsscheine waren in den Anleihebedingungen festgelegt.

Die Fluggesellschaft B und einige ihrer Tochtergesellschaften stellten am 1. April 2003 bei einem kanadischen Gericht einen Antrag auf Gläubigerschutz und strukturierten ihr Unternehmen neu. Am 23. September 2003 wurden sämtliche Gläubiger aufgefordert, ihre Ansprüche anzumelden. Aufgrund eines Gerichtsbeschlusses wurde den Treuhändern und Agenten der begebenen Anleihen gestattet, ihre Forderungen rechtswahrend mit Wirkung für die Anleihegläubiger vorzunehmen. Am 17. November 2003 haben Nachfolgebanken einer Schweizer Kreditanstalt die Forderungen der Inhaber der Teilschuldverschreibungen im Hinblick auf die zu leistende Zahlung angemeldet. Vor dem Obergericht des Bundesstaates Ontario in Toronto/Kanada wurde über den Rang der Ansprüche von Anleihegläubigern einschließlich der Gläubiger der nachrangigen DM-Anleihe verhandelt.

Im Rahmen einer Gläubigerversammlung am 17. August 2004 wurde ein Umschuldungsplan genehmigt. Danach sollten den Anleihegläubigern bis Mitte Oktober 2004 auf der Basis der Depot-Bestände Aktien der C Holdings Inc. in noch festzulegender Stückzahl geliefert werden. Die Anleihen sollten dann mit der Aktienlieferung als getilgt gelten. Der Börsenhandel der nachrangigen DM-Anleihe wurde am 28. September 2004 eingestellt. Die Übertragbarkeit auf den Depotkonten endete am 30. September 2004. Vom Insolvenzverwalter wurde das Umtauschverhältnis festgelegt, indem für jeweils 100.000 DM der nachrangigen DM-Anleihe 114,1755 Stück der C-Anteile auf die nächste volle Stückzahl abgerundet zugeteilt wurden.

Nach der Erträgnisaufstellung der Bank E, bei der das Depot der Kläger bestand, erlitten die Kläger die in der Klageschrift jeweils auflisteten Verluste, die sie in ihrer Feststellungserklärung für 2004 mit insgesamt 277.943,10 € geltend machten. Dieser Betrag ergibt sich aus den Verlusten aufgrund der Einlösung der Teilschuldverschreibungen in Höhe von 282.009,30 € bei Anrechnung hierauf entfallender Zinseinnahmen in Höhe von 4.066,20 €. In dem Feststellungsbescheid für 2004 vom 4. Januar 2007 berücksichtigte der Kläger den geltend gemachten Verlust nicht. Der Einspruch hiergegen wurde durch Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 8. Mai 2007 zurückgewiesen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Mit ihrer Klagebegründung vom 25. Juli 2007, auf deren Inhalt nebst Anlagen ebenfalls Bezug genommen wird, machen die Kläger geltend, die steuermindernde Berücksichtigung des Kapitalverlustes bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gründe sich auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1, 2 und 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 2001. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. d Satz 1 EStG gehörten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von Schuldverschreibungen und sonstigen Kapitalforderungen, bei denen Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden (Buchstabe d, 1. Alternative), soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprächen. Weise der Steuerpflichtige die Emissionsrendite nicht nach, gelte gemäß Satz 2 der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung der Wertpapiere und Kapitalforderungen als Kapitalertrag. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG gälten die Bestimmungen in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1 bis 3 EStG für die Einlösung der Wertpapiere und Kapitalforderungen bei deren Endfälligkeit entsprechend. Die nachrangigen DM-Anleihen seien hier bei Endfälligkeit eingelöst worden und stellten keine vorzeitige Kapitalrückzahlung dar. Da die nachrangige DM-Anleihe keine Emissionsrendite habe, sei die Besteuerung der Erträge nach Maßgabe der Differenzmethode des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG eröffnet. Somit gelte der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag, wonach sich die vorgenannten Verluste ergäben.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid für 2004 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 4. Januar 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2007 zu ändern und die Erträge aus Kapitalvermögen in Form von ausländischen Zinsen und anderen Erträgen ohne Dividende der Kläger für 2004 mit - 277.943,10 € festzustellen und gemäß der Verteilungsquote entsprechend auf die Beteiligten aufzuteilen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, die im Zusammenhang mit der Einlösung der fraglichen Wertpapiere entstandenen Verluste seien keine Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Es handele sich vielmehr um Verluste auf der Vermögensebene. Wegen der Einzelheiten der Klageerwiderung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 31. August 2007 verwiesen.

Der Rechtsstreit ist am 16. Oktober 2008 erörtert worden. Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Kläger werden durch den angefochtenen Bescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung nicht im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtswidrig in ihren Rechten verletzt. Der Beklagte hat die geltend gemachten Verluste zu Recht nicht als negative Einkünfte berücksichtigt.

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. d EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von Schuldverschreibungen, Schuldbuchforderungen und sonstigen Kapitalforderungen mit Zinsscheinen oder Zinsforderungen, bei denen Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe oder für unterschiedlich lange Zeiträume gezahlt werden, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben Wertpapiere und Kapitalforderungen keine Emissionsrendite oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag (Satz 2, Halbsatz 1). Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG gelten die Bestimmungen in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1 bis 3 EStG für die Einlösung der Wertpapiere und Kapitalforderungen bei deren Endfälligkeit entsprechend.

Die Kläger können sich hierauf nicht berufen, weil die im Zusammenhang mit der Einlösung der fraglichen Wertpapiere entstandenen Verluste nicht der dadurch beschriebenen Ebene der Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind. Die Teilschuldverschreibungen stellen nämlich nach den Emissionsbedingungen keine Kapitalanlage mit verdeckter Zinszahlung dar. Denn nach den Emissionsbedingungen waren grundsätzlich Rückzahlungen zum Nennbetrag vorgesehen. Abgesehen davon ist die mögliche Verzinsung nicht als ungewöhnlich hoch im Hinblick auf eine etwaige Abdeckung von Risiken bei der Rückzahlung anzusehen. Sie ist auch nicht als besonders niedrig anzusehen im Hinblick auf einen etwaigen hohen Gewinn aus der Rückzahlung.

Es handelt sich vielmehr, was der Beklagte in seiner Klageerwiderung zutreffend ausgeführt hat, um Verluste auf der Vermögensebene. Im Bereich der Kapitaleinkünfte ist zwischen dem Vermögen als solchem und dem Ertrag als Frucht des Kapitals zu unterscheiden. Vorgänge auf der Vermögensebene sind hierbei nicht den Einkünften zuzurechnen. Dies betrifft auch die Wertveränderungen der Kapitalanlage, die sich - wie hier - aus einer Insolvenzsituation des Emittenten und einem entsprechenden Verfahren ergeben. Die eingetretene Wertminderung war hier durch die Neustrukturierung und Umschuldung des Emittenten eingetreten.

Dass sich Wertveränderungen der Kapitalanlage als solcher auf die Besteuerung der erzielten Erträge im Rahmen des § 20 EStG nicht auswirken, entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Oktober 2000 VIII R 28/99, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2001, 97; zu Verlusten aus der Veräußerung von sogenannten Argentinien-Anleihen: BFH, Urteil vom 13. Dezember 2006 VIII R 62/04, BStBl II 2007, 568; siehe hierzu auch die Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 14. Juli 2004, BStBl I 2005, 611 und vom 18. Juli 2007, BStBl I 2007, 548).

Im Streitfalle kommt § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auch nicht deshalb in Betracht, weil bei den fraglichen Vermögensanlagen eine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene bestünde (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 2006 VIII R 97/02, BStBl II 2007, 555). Denn die Emissionsbedingungen bei den Wertpapieren im Streitfall waren insofern eindeutig und ließen die Bestimmung des möglichen Kapitalertrags ohne weiteres zu. Dass es im Streitfall aufgrund der Zahlungsschwierigkeiten des Emittenten und des Insolvenzverfahrens letztlich zu einem Wertpapierumtausch mit entsprechend eintretenden Vermögensverlusten gekommen ist, hat keine Auswirkung auf die Einkünfteebene.

Demgemäß bleibt die Klage ohne Erfolg. Die Kläger haben als unterlegene Beteiligte nach § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Soweit ersichtlich, ist zu der ertragsteuerlichen Behandlung bei Zahlungseinstellung des Emittenten (vgl. dazu das zitierte BMF-Schreiben vom 14. Juli 2004) noch keine höchstrichterliche Entscheidung getroffen worden.

Ende der Entscheidung

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