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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 10.12.2002
Aktenzeichen: 6 K 2975/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 34 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

wegen Einkommensteuer 1995

hat der 6. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...

des Richters am Finanzgericht ...

und des Richters am Finanzgericht ...

sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ...

ohne mündliche Verhandlung am 10. Dezember 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Veranlagungszeitraum 1995 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr u. a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, deren Höhe er in seiner am 7. Oktober 1996 bei dem Beklagten (das Finanzamt - FA -) eingegangenen Einkommensteuererklärung mit 187.031 DM ermittelt hatte. Von den erklärten Einkünften sollten 102.054 DM auf den in der Lohnsteuerkarte ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn sowie 84.977 DM auf einen "Zugewinn aus Optionsrechten" entfallen.

Dem Kläger waren unter dem 13. August 1992 und dem 13. Mai 1993 Optionen für den Erwerb von Stammaktien der amerikanischen Muttergesellschaft seines in der Bundesrepublik ansässigen Arbeitgebers zu einem bestimmten Übernahmepreis gewährt worden. Die zugrundeliegenden Aktienbezugsrechtsverträge sehen vor, dass die dem Kläger im jeweiligen Jahr zustehenden Optionen (Tranchen) in vierteljährlichen Optionspaketen zugeteilt werden. Jedes Optionspaket ist mit einer eigenen Wartezeit verbunden und kann einzeln ausgeübt werden.

Das Recht zur Optionsausübung stand dem Kläger frühestens nach Ablauf der festgelegten Wartezeit, spätestens nach Ablauf von zehn Jahren zu (s. §§ 1, 5 des Aktienbezugsrechtsvertrages vom 13. August 1992); ein Leistungsanreiz sollte mit dem Aktienbezugsrecht ausweislich der Präambel des Vertrages vom 13. August 1992 nicht verbunden sein. Im Streitjahr hat der Kläger die in folgender Übersicht enthaltenen Optionsrechte ausgeübt:

 Vertrag vomTrancheOptionspaketWartefristAusübungAnzahl
GewährungAnzahl
13.08.1992101.10.1993200001.07.199408.05.19952000
01.01.1994200001.07.199408.05.19952000
01.04.1994200001.07.199408.05.19952000
01.07.1994200001.07.199408.05.19952000
201.10.1994200001.07.199518.08.19952000
01.01.1995200001.07.199518.08.19952000
01.04.1995200001.07.199518.08.19952000
01.07.1995200001.07.199518.08.19952000
13.05.1993101.10.1994100001.07.199518.08.19951000
01.01.1995100001.07.199518.08.19951000
01.04.1995100001.07.199518.08.19951000
01.07.1995100001.07.199518.08.19951000

Daneben hat der Kläger in späteren Veranlagungszeiträumen weitere Optionsrechte aus den Verträgen vom 13. August 1992 und 13. Mai 1993 ausgeübt:

 Vertrag vomTrancheOptionspaketWartefristAusübungAnzahl
GewährungAnzahl
13.08.1992301.10.1995200001.07.199617.09.199619.11.199609.01.199727.05.199716.07.199721.01.19987000300010005005002000
01.01.1996200001.07.1996
01.04.1996200001.07.1996
01.07.1996200001.07.1996
401.10.1996200001.07.1997
01.01.1997200001.07.1997
01.04.1997200001.07.1997
01.07.1997200001.07.1997
13.05.1993201.10.1995100001.07.199619.11.199609.01.199721.01.199830005002000
01.01.1996100001.07.1996
01.04.1996100001.07.1996
01.07.1996100001.07.1996
301.10.1996100001.07.1997
01.01.1997100001.07.1997
01.04.1997100001.07.1997
01.07.1997100001.07.1997

In seiner Einkommensteuererklärung hatte der Kläger als geldwerten Vorteil bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit lediglich die Kursgewinne aus der Optionsausübung vom 8. Mai 1995 (insgesamt 8000 Bezugsrechte aus der ersten Tranche des Vertrages vom 13. August 1992) berücksichtigt. Das FA erfasste den vom Kläger ermittelten geldwerten Vorteil erklärungsgemäß in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) stehenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 28. November 1996. Eine Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung (§ 34 Abs. 3 EStG a. F.) wurde nicht gewährt.

Unter dem 24. Januar 1997 und dem 18. November 1997 erließ das FA aus Gründen, die nicht im Streit sind, nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide; im Bescheid vom 18. November 1997 wurde ferner der Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 Satz 1 AO aufgehoben.

Nachdem der Arbeitgeber des Klägers im Laufe des Jahres 2000 die im Streitjahr zusätzlich ausgeübten, jedoch noch nicht der Besteuerung unterworfenen Optionen (insgesamt 8000 Bezugsrechte aus der zweiten Tranche des Vertrages vom 13. August 1992 sowie insgesamt 4000 Bezugsrechte aus der ersten Tranche des Vertrages vom 13. Mai 1993) nachgemeldet hatte, änderte das FA unter dem 23. Februar 2000 den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid vom 18. November 1997 gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und erhöhte die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um den noch nicht erfassten geldwerten Vorteil in Höhe von 292.846 DM. Eine Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG a. F. wurde weder hinsichtlich der bereits in früheren Bescheiden erfassten noch hinsichtlich der nacherklärten geldwerten Vorteile gewährt.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch begehrten die Kläger die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 3 EStG a.F. Sie vertraten die Ansicht, es handele sich bei den dem Kläger gewährten geldwerten Vorteilen um Vergütungen für mehrere Jahre, die zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zugeflossen seien.

Das FA folgte dem nicht. Eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 3 EStG a.F. auf die bestandkräftig veranlagten nichtselbständigen Einkünfte komme nach § 351 Abs. 1 AO schon aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht in Betracht; darüber hinaus seien die gewährten geldwerten Vorteile auch materiell-rechtlich als nicht begünstigter Arbeitslohn anzusehen. Dementsprechend wies das FA den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren, § 34 Abs. 3 EStG a. F. auf den geldwerten Vorteil aus der Ausübung der Optionsrechte anzuwenden, hinsichtlich der nicht bestandkräftig veranlagten nichtselbständigen Einkünfte weiter. Nach Auffassung der Kläger sind die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 EStG a. F. erfüllt. Es handele sich um eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit, und zwar für den Zeitraum von der Gewährung der Option (in 1992 und 1993) bis zur Ausübung (im Jahr 1995). Eine Zusammenballung von Einkünften - wie vom FA gefordert - sei weder nach dem Wortlaut, noch nach dem Zweck des § 34 Abs. 3 EStG a. F. Tatbestandsvoraussetzung.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 23. Februar 2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2001 dahin zu ändern, dass die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG a. F. auf den geldwerten Vorteil aus Aktienoptionen in Höhe von 292.846 DM gewährt wird,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2001. Ferner weist er darauf hin, dass § 34 Abs. 3 EStG a.F. nach Sinn und Zweck der Norm eine Zusammenballung von Einkünften erfordere, welche im Streitfall nicht vorliege.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 FGO).

Gründe

II.

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat zu Recht im Streitjahr die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG a. F. auf den geldwerten Vorteil aus den am 18. August 1995 ausgeübten Aktienoptionen in Höhe von 292.846 DM nicht gewährt.

1. Der Kläger hat mit der Ausübung der Optionsrechte einen geldwerten Vorteil aus seinem Arbeitsverhältnis in Höhe der Differenz zwischen Börsenwert der Aktien bei Ausübung der Option und dem vom Kläger laut Optionsplan zu leistenden Basiskurs erlangt; der von der amerikanischen Muttergesellschaft eingeräumte geldwerte Vorteil stellt die Zahlung von Arbeitslohn durch einen Dritten dar. Die Zuwendung des Dritten (hier: der amerikanischen Muttergesellschaft seines in der Bundesrepublik ansässigen Arbeitgebers) stellt sich für den Kläger als Frucht seiner Arbeit für seinen Arbeitgeber dar und steht aus Sicht des Zuwendenden im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis. Auch wenn dieser mit seinem Aktienoptionsprogramm noch weitere, eigene Zwecke verfolgen sollte, ändert dies nichts daran, dass er die Option mit Blick auf das jeweilige konkrete Arbeitsverhältnis einräumt. Im Hinblick auf die fehlende Marktgängigkeit der Optionen ist der Arbeitslohn im Streitjahr mit Ausübung der Optionen zugeflossen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BStBl II 2001, 509, m.w.N.).

2. Der geldwerte Vorteil des Klägers unterliegt nicht nach § 34 Abs. 3 EStG a. F. der ermäßigten Besteuerung.

a) Ungeachtet dessen, dass es für den Zufluss des mit der Optionseinräumung verbundenen geldwerten Vorteils auf diejenigen Zeit punkte ankommt, in denen die Optionen realisiert werden, geht der Senat davon aus, dass sich die Frage, ob der aus den Aktienoptionen fließende geldwerte Vorteil Arbeitslohn für eine mehrjährige Tätigkeit darstellt, danach bemisst, für welchen Zeit raum die Option dem Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil gewähren soll.

Ein Optionsrecht wird regelmäßig nicht gewährt, um dadurch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen abzugelten. Sinn und Zweck der Option ist es, dem Arbeitnehmer zusätzlich zur normalen Vergütung eine besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft zu verschaffen. Eine besondere Arbeitsleistung muss, soweit dies nicht ausdrücklich vertraglich vorgesehen ist, hierfür nicht erbracht werden. Durch die Optionseinräumung sollen einerseits der Unternehmenswert erhöht und andererseits der Berechtigte für die Zukunft an den Arbeitgeber gebunden werden (vgl. BFH-Urteil irr BStBl II 2001, 509, m.w.N.).

So verhält es sich auch im Streitfall. Die dem Kläger eingeräumten Optionsrechte dienten nach Auffassung des Senats insbesondere dazu, die Bindung an den Arbeitgeber für die Zukunft zu stärken. Eine besondere Arbeitsleistung - etwa im Sinne einer durch Leistungsbeurteilung zu erfassenden und bewertbaren Anstrengung (vgl. hierzu Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 21. Dezember 2000 10 K 2270/00, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2001, 503) - war hierfür nach den zugrundeliegenden vertraglichen Bestimmungen nicht erforderlich. Das dem Kläger gewährte Optionsrecht setzte vielmehr lediglich ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Optionsausübung voraus; bei vorzeitigem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis wäre das Optionsrecht - außer bei Invalidität oder Tod des berechtigten Arbeitnehmers - verfallen, soweit nicht Optionsrechte schon während der Beschäftigungszeit erdient worden sind (vgl. § 5 des Aktienbezugsrechtsvertrages vom 13. August 1992).

Sind hiernach in der bei Ausübung der Optionsrechte in den beiden Streitjahren zugeflossenen Vergütung Leistungen zu sehen, mittels derer die - vom Zeitpunkt der Optionseinräumung aus gesehen - zukünftige Tätigkeit des Klägers bis zur Optionsausübung honoriert wurde, sind die betreffenden Bezüge dem Kläger zeitraumbezogen gewährt worden. Die mit Verträgen vom 13. August 1992 und 13. Mai 1993 gewährten Aktienoptionen stellen insoweit eine zusätzliche Entlohnung für den Zeitraum zwischen der Einräumung der Option und ihrer Ausübung dar, d. h. hinsichtlich der

Tranchen 1 und 2 aus dem Vertrag vom 13. August 1992 zwischen der Gewährung am 13. August 1992 und der Ausübung am 08. Mai 1995 und der

Tranche 1 aus dem Vertrag vom 13. Mai 1993 zwischen der Gewährung am 13. Mai 1993 und der Ausübung am 18. August 1995 dar,

und sind mithin Arbeitslohn für eine mehrjährige Tätigkeit.

b) Liegt in der Einräumung der Optionsrechte eine Vergütung für eine mehrjährige, zukünftige Tätigkeit, welche dem Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Ausübung der Option zufließt, rechtfertigt dies nur dann die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes des § 34 Abs. 3 EStG a.F., wenn es sich hierbei ihrer Natur nach um einmalige und für die jeweilige Einkunftsart ungewöhnliche Zuflüsse handelt, die das zusammengeballte Ergebnis mehrer Jahre darstellen (BHF-Urteil vom 17.02.1993 I R BFH/NV 1993, 593, m.w.N.; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, § 34 EStG Anm. 60).

Dies folgt schon aus der systematischen Einordnung der Regelungen des § 34 Abs. 3 EStG a. F. in die Besteuerung der "außerordentlichen Einkünfte"; sie macht es erforderlich, die Einkünfte, die § 34 Abs. 3 EStG a.F. erfassen will, von der Besteuerung der übrigen Einkünfte abzugrenzen.

Im Streitfall steht einer ermäßigten Besteuerung entgegen, dass die laufende jährliche Einräumung von Aktienoptionsrechten schon nach Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 EStG a. F. die Annahme einer Zusammenballung von Arbeitslohn in einem Veranlagungszeitraum verbiete (ebenso Urteil des Hessischen Finanzgerichts in EFG 2001, 503). Die Annahme einer Zusammenballung von Arbeitslohn scheidet ferner deshalb aus, weil der Kläger die ihm eingeräumten Optionsrechte in mehr als zwei Veranlagungszeiträumen, nämlich in den Jahren 1995 bis 1998, ausgeübt hat. Der Senat sieht es insoweit als sachgerecht an, die Optionsrechte entsprechend den zivilrechtlichen Verträgen, kraft derer sie gewährt wurden, getrennt zu beurteilen; denn diese Verträge stellen wirtschaftlich eine Einheit dar. Für eine weitere Aufsplittung der Optionsverträge in Tranchen oder gar in einzelne Optionspakete zum Zwecke der steuerlichen Beurteilung sieht der Senat indes keine wirtschaftliche Rechtfertigung.

Dementsprechend wurden dem Kläger aus den Verträgen vom 13. August 1992 und 13. Mai 1993 jeweils getrennte Chancen zur Erlangung eines geldwerten Vorteils eingeräumt. Diese hat der Kläger jeweils in den Jahren 1995 bis 1998, d. h. in mehr als zwei Veranlagungszeiträumen, wahrgenommen. Für mehrjährige Vergütungen, die in drei oder mehr Veranlagungszeiträumen zufließen, kann die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG a.F. indes nicht gewährt werden (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1975 VI R 55/73, BFHE 115, 366; Horn in Hermann/Heuer/Raupach, § 34 EStG Anm. 64).

3. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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