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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 7 K 1155/04
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1
AO 1977 § 164 Abs. 2
AO 1977 § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
FGO § 47 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

7 K 1155/04

Einkommensteuer

In der Streitsache

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ...

ohne mündliche Verhandlung

am 25. Januar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erzielt als EDV-Berater Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.

Der Beklagte (Finanzamt) führte bei den Klägern im Kalenderjahr 2002 eine Außenprüfung betreffend die Veranlagungszeiträume (Streitjahre) durch. Einzelne Feststellungen, die der Außenprüfer im Zuge der Prüfung getroffen und die das Finanzamt in den unter dem gemäß §§ 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Steuerbescheiden für die Streitjahre übernommen hatte, sind im vorliegenden Verfahren streitig.

Ein gegen die Änderungsbescheide vom 4. November 2002 eingelegter Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg. Die Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2004 wurde vom Finanzamt am 30. Januar 2004 mit einfachem Brief zur Post gegeben. Die hiergegen gerichtete Klage ging beim Finanzgericht München per Telefax am 11. März 2004 ein.

Mit Erhebung der Klage beantragten die Kläger zugleich hinsichtlich der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die sie wie folgt begründeten: Die Einspruchsentscheidung sei dem Bevollmächtigten der Kläger am 2. Februar 2004 zugestellt worden.

Zur Wahrung der Klagefrist werde bei dem Bevollmächtigen ein Fristenkontrollbuch geführt.

Hierbei werde der Fristablauf jeder einzelnen Rechtsbehelfsfrist eingetragen. Eine notierte Frist werde erst dann gelöscht, wenn ein Schriftstück unter Wahrung der Frist zur Post gegeben werde. Dies werde dann auch im Postausgangsbuch vermerkt. Die Fristenberechnung und ihre Eintragung erfolgten unmittelbar nach Posteingang. Die Führung des Fristenkontrollbuchs sei einer fachlich ausgebildeten und äußerst zuverlässigen Bürokraft anvertraut.

Anträge auf Wiedereinsetzung und andere Anträge auf Fristverlängerungen hätten daher bis dato nicht gestellt müssen. Die Überwachung der Tätigkeiten der mit der Fristenkontrolle beauftragten Mitarbeiter habe seitens der steuerlichen Berater nie zu irgendwelchen Beanstandungen geführt. Im Streitfall sei jedoch als Fristende anstatt dem 2. März 2004 der 12. März 2004 eingetragen worden. Mit Wiedervorlage der Akte am 11. März 2004 sei diese Fehler entdeckt worden. Sodann sei unverzüglich Klage erhoben und Wiedereinsetzung beantragt worden. Diese sei auch zu gewähren, da das Steuerbüro ordnungsgemäß organisiert sei und die Tätigkeit der mit Fristsachen beauftragten Mitarbeiter überwacht werde, diese Mitarbeiter gut ausgebildet seien und im vorliegenden Fall lediglich ein Tippfehler --d.h. ein Büroversehen-- vorgelegen habe.

In einem weiteren, nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist bei Gericht eingegangenen Schreiben vom 29. April 2004 trägt der Prozessbevollmächtigte mit Blick auf seinen Wiedereinsetzungsantrag ergänzend wie folgt vor: Sowohl der Postausgang als auch der Posteingang würden in der Kanzlei täglich mit Hilfe des Datev-Programms "Post und Dokumente" erfasst. Dabei würden vorab Fristen durch die zuständige Mitarbeiterin eingetragen und in das Programm "Fristen und Termine" übertragen. Dem zuständigen Sachbearbeiter werde die notierte Frist zusammen mit der Handakte, in welcher der Posteingang abgelegt werde, in seinem Postfach vorgelegt. Mit Bearbeitung der Akte würde die notierte Frist überprüft und dem Mitarbeiter bestätigt oder geändert. Eilige Fristen würden sofort vorgelegt. Die fristgebundenen Akten würden dann dem Sachbearbeiter vor Fristablauf wieder vorgelegt. Hierzu werde über das Programm "Fristen und Termine" täglich eine Sofortauskunft abgefragt, nach der die fristgebundenen Akten herausgesucht würden. Die für den Streitfall tätige Mitarbeiterin verfüge über langjährige Büroerfahrung und werde speziell im Bereich der Büroverwaltung und Organisation ständig zu Fortbildungsmaßnahmen entsandt. Die Mitarbeiterin sei seit dem Jahr 2000 in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten beschäftigt und erledige alle Aufgaben äußerst zuverlässig und ohne jegliche Beanstandungen. In den regelmäßig durchgeführten Kanzleibesprechungen werde immer wieder auf das Erfordernis der Fristenkontrolle hingewiesen. Sämtliche Neuerungen im Bereich der EDV-Erfassung würden in der Kanzlei aufgenommen und die Anwendung durch die regelmäßigen Fortbildungsmaßnahmen gesichert.

Im Streitfall sei als Frist fälschlicherweise der 12. März 2004 und nicht --wie zutreffend-- der 2. März 2004 eingetragen worden. Die handschriftliche Notiz des eingetragenen Termins laute richtig auf den 2. März 2004 und sei daher auch nicht beanstandet worden.

Auch die Tatsache, dass der handschriftliche Termin richtig notiert worden sei, belege, dass es sich um ein Büroversehen und nicht um einen Organisationsfehler handele. Zwischen dem 4. Februar 2004 und dem 11. März 2004 sei die den Streitfall betreffende Akte der zuständigen Sachbearbeiterin nicht wieder vorgelegt worden, da hierzu kein Anlass bestanden habe. Dem Schreiben der Kläger vom 29. April 2004 war ein Ausdruck aus dem Fristenbuch beigefügt, aus dem ersichtlich ist, dass als Termin für die Einreichung einer Klage im Streitfall der 12. März 2004 vermerkt wurde. Ferner wurde eine von Frau B... unter dem 12. Mai 2004 unterzeichnete Erklärung vorgelegt, in der diese bestätigt, dass sie regelmäßig über die Fristeneintragung und Fristenkontrolle belehrt werde, eine regelmäßige Überwachung der Fristenbücher stattfinde und sie laufend Fortbildungsseminare besuche, mit denen sie in diesem Bereich geschult werde.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2004 legte der Prozessbevollmächtigte zusätzlich die Kopie des Deckblattes der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2004 vor, auf dem im oberen rechten Rand vermerkt ist: "WV 02.03 (Handzeichen)".

In der Sache vertreten die Kläger die Auffassung, dass die geltend gemachten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers im Streitjahr 2000 zu Unrecht nur in Höhe von 2.004 DM berücksichtigt worden seien. Entsprechend dem Antrag der Kläger seien die gesamten Aufwendungen in Höhe von 3.179,87 DM zu berücksichtigen, da das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Klägers darstelle. Zu Unrecht habe das Finanzamt ferner die Fahrtkosten in den Streitjahren nach der Entfernungspauschale und nicht nach Reisekostengrundsätzen anerkannt. Überdies seien die im Streitjahr 2000 erzielten Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht anzusetzen, da die maßgebliche Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999 verfassungswidrig sei. Dies habe das Bundesverfassungsgericht zur Vorgängervorschrift (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d EStG 1977) ausdrücklich festgestellt.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die angefochtenen Bescheide über Einkommensteuer vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom nach Maßgabe der Angaben in ihren Einkommensteuererklärungen zu ändern.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, dass die Klage bereits unzulässig sei, da Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne des § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtfertigten, nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist schlüssig dargelegt worden seien.

Die Kläger haben nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet; dem Senat erscheint es sachgerecht, im Streitfall durch Gerichtsbescheid (§ 90a FGO) zu entscheiden.

II. Die Klage ist unzulässig.

1. Nach § 47 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf.

Wird die Monatsfrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO versäumt, ist die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit dem Rechtsmittelführer nicht nach § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Im Streitfall haben die Kläger ihre Klage nicht fristgemäß erhoben.

Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt die vom Finanzamt am 30. Januar 2004 mit einfachem Brief zur Post gegebene Einspruchsentscheidung am 2. Februar 2004 als bekannt gegeben.

Die Klagefrist endete danach mit Ablauf des 2. März 2004. Die per Telefax am 11. März 2004 bei Gericht eingegangene Klage ist somit verspätet.

2. Die von den Klägern beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeten Versäumens der Klagefrist kann nicht gewährt werden.

Nach § 56 Abs. 1 und Abs. 2 FGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren; der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu begründen. Das erfordert eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Umstände innerhalb dieser Zwei-Wochen-Frist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. nur Urteil vom 27. September 2001 X R 66/99, BFH/NV 2002, 358, m.w.N., und Beschluss vom 15. Mai 2003 VII B 246/02, BFH/NV 2003, 1206). Nach Ablauf dieser Frist können wesentliche Lücken in der Darstellung nicht mehr geschlossen, Widersprüche nicht mehr beseitigt, nachträglich vielmehr allenfalls Erläuterungen gegeben werden. An einer solchen ausreichenden Begründung fehlt es im Streitfall.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss jeder Prozessbevollmächtigte durch seine Büroorganisation dafür Sorge tragen, dass die rechtzeitige Erledigung fristgebundener Sachen gewährleistet und insbesondere am Abend jedes Arbeitstages anhand eines Fristenkalenders überprüft wird (z.B. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1988 X R 80/87, BFHE 155, 275 , BStBl II 1989, 266 und vom 10. Dezember 1997 X B 148/97, BFH/NV 1998, 719, m.w.N.). Zu den Fragen, wie das Fristenkontrollbuch geführt wird und ob die rechtlich geforderte Ausgangskontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten besteht, enthält das Wiedereinsetzungsvorbringen im Schriftsatz vom 11. März 2004 zwar verschiedene Angaben.

Nicht klar wird daraus jedoch, ob nur ein(e) Mitarbeiter(in) für die Fristenberechnung und -überwachung zuständig ist oder aber mehrere Mitarbeiter (d.h. für jeden Sachbearbeiter ein Mitarbeiterin) hierzu beauftragt sind; vielmehr lässt das Wiedereinsetzungsgesuch beide Deutungen zu. Auch ist im Streitfall die Person, der der Fehler unterlaufen ist, nicht namentlich benannt (zu diesem Erfordernis s. BFH-Beschlüsse vom 20. August 2004 -IV R 6/04, n.v. [juris] und vom 28. Juni 2002 -IV R 40/01, BFH/NV 2002, 1597); der Prozessbevollmächtigte hat lediglich vorgetragen, es handle sich um einen Fehler einer "äußerst zuverlässigen Bürokraft". Damit ist die Person, der der Fehler unterlaufen ist, nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist benannt. Weiter fehlt eine Begründung, aus der sich die behauptete Erfahrenheit und Zuverlässigkeit der namentlich nicht benannten "Bürokraft" ergeben könnte (zu diesem Erfordernis s. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2002 -IV R 40/01, a.a.O.).

Die aufgezeigten Lücken in der Begründung des Wiedereinsetzungsbegehrens können durch die nach Ablauf der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO eingereichten Schriftsätze vom 29. April und 25 Oktober 2004 nicht mehr geschlossen werden; lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 der Zivilprozessordnung (ZPO) geboten war, dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden. Bei dem weiteren Vorbringen der Kläger handelt es sich nicht um die bloße Ergänzung oder Erläuterung der ursprünglich geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründe, sondern um neuen Vortrag, nachdem das Finanzamt in seinen Erwiderungen vom 30. März und 10. August 2004 auf das Fehlen diesbezüglicher Ausführungen hingewiesen hat.

Im Streitfall kann und muss daher offen bleiben, ob ein schlüssiger Sachvortrag innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist in der Sache eine Wiedereinsetzung gerechtfertigt hätte. Nicht zu entscheiden braucht der Senat ferner, ob es den Grundsätzen ordnungsgemäßer Büroorganisation entspricht, wenn die Fristberechnung durch Angestellte vor (anstatt nach) Eintragung in das Fristenbuch überprüft wird, und ob im Streitfall der zuständige Sachbearbeiter erkennbar die von der Mitarbeiterin errechnete Frist überprüft hat.

Zudem fehlt es an der in § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO geforderten Glaubhaftmachung des vorgetragenen Sachverhalts; die (einfache) Bestätigung der betreffenden Mitarbeiterin, dass sie regelmäßig über die Fristeneintragung und Fristenkontrolle belehrt werde, eine regelmäßige Überwachung der Fristenbücher stattfinde und sie laufend Fortbildungsseminare besuche, mit denen sie in diesem Bereich geschult werde, reicht hierfür nicht aus. Die Bestätigung lässt im Übrigen nicht einmal hinreichend deutlich werden, ob es sich bei Frau B...... um diejenige "Bürokraft" handelt, der das behauptete Büroversehen unterlaufen ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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