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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 26.01.2007
Aktenzeichen: 7 K 3527/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 3
EStG § 4 Abs. 4a
EStG § 11 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

7 K 3527/04

Einkommensteuer

In der Streitsache

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ...

ohne mündliche Verhandlung

am 26. Januar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die Kläger wurden in den Veranlagungszeiträumen 1999 bis 2001 (Streitjahre) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt als Arzt für Allgemeinmedizin Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Er ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Beklagte (Finanzamt) führte im Zeitraum von September bis November 2003 bei dem Kläger eine sich auf die Streitjahre beziehende Außenprüfung durch. Hierbei wurde u.a. festgestellt, dass der Kläger in den Streitjahren durch Untreuehandlungen einer Angestellten erhebliche Einnahmeausfälle hinnehmen musste. Der Prüfer ging in seinem Prüfungsbericht vom 20. November 2003 davon aus, dass dem Kläger die veruntreuten Gelder nicht i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen waren; diese Beträge wurden vom Prüfer daher weder bei der Ermittlung des Gewinns aus selbständiger Tätigkeit als Betriebseinnahmen berücksichtigt, noch im Zuge der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG als Entnahmen gewertet.

Das Finanzamt folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und erließ unter dem 23. Februar 2004 gemäß §§ 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 165 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch vom 27. Februar 2004 machten die Kläger u.a. geltend, die in den Streitjahren angefallenen hohen Kontokorrentzinsen seien zum Teil durch die wegen der Untreuehandlungen entstandenen Einnahmeausfälle verursacht worden und daher nicht als betrieblich veranlasst anzusehen. Die veruntreuten Gelder seien bei der Gewinnermittlung des Klägers als "fiktive Privateinlagen" anzusetzen, da ansonsten durch die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs gemäß § 4 Abs. 4a EStG eine zu den Untreuehandlungen hinzutretende zusätzliche fiskalische Bestrafung eintrete.

Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel, die veruntreuten Gelder im Rahmen der Berechnung nach § 4 Abs. 4a EStG als "fiktive Privateinlagen" anzusetzen, weiter. Sie vertreten die Auffassung, dass durch die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs im vorliegenden Einzelfall der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verletzt werde.

Die (ehemalige) Angestellte des Klägers wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 2. Januar 2003 wegen Untreue in 184 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Die Kläger haben nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet; dem Senat erscheint es sachgerecht, durch Gerichtsbescheid (§ 90 a der Finanzgerichtsordnung -FGO--) zu entscheiden.

II. Die Klage ist nicht begründet.

1. Nach § 4 Abs. 4a EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert ermittelt mit 6 v. H. der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zzgl. der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen).

Nach § 4 Abs. 4 a Satz 7 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung (nunmehr § 4 Abs. 4 a Satz 6 EStG) sind die Sätze 1 bis 6 der Vorschrift bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (Einnahmenüberschussrechnung) sinngemäß anzuwenden. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Gewinnermittlungstechniken bei § 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG kann dies im Einzelfall zu Abweichungen führen; unbeschadet derartiger Abweichungen hinsichtlich der zu berücksichtigenden Bestandteile der Bemessungsgrundlage (Gewinn, Entnahmen, Einlagen) verbleibt es bei den Grundsätzen des § 4 Abs. 3 EStG. Insbesondere sind in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 4 a Satz 2 EStG bei der Einnahmenüberschussrechnung Über- und Unterentnahmen als der "Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen", zu ermitteln: Dabei sind die Bemessungsgrößen Gewinn bzw. Verlust nach den Grundsätzen des § 4 Abs. 3 EStG zu bestimmen: Geldeinlagen und -entnahmen bleiben unberücksichtigt, während Sach- und Leistungseinlagen wie betrieblich veranlasste Geldabflüsse und Sach- und Leistungsentnahmen wie Betriebseinnahmen behandelt werden. Forderungen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen sind nicht zu berücksichtigen; sie beeinflussen den Gewinn i.S. des § 4 Abs. 3 EStG grundsätzlich nicht (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 4 EStG Anm. 1083 sowie Anm. 536, 559, 584 ff.; zu Ausnahmen s. Anm. 586). Im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4 a Satz 4 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind die nichtabziehbaren Schuldzinsen i.H.v. 6 v.H. der Überentnahmen dem Gewinn hinzuzurechnen.

2. Das Finanzamt hat nach den maßgeblichen Regelungen des § 4 Abs. 4a EStG die nicht abziehbaren Schuldzinsen in den Streitjahren zutreffend berechnet. Bedenken gegen die in Anlage 4 zum Betriebsprüfungsbericht vom 20. November 2003 aufgeführten Berechnungsgrundlagen sind nicht ersichtlich und von den Beteiligten auch nicht vorgetragen.

Entgegen der Auffassung der Kläger sind die im Betrieb des Klägers veruntreuten Gelder nicht im Rahmen der Ermittlung des Überentnahmebetrages als "fiktive Einlagen" in den Streitjahren zu berücksichtigen. Der Begriff der "Einlage" in § 4 Abs. 4a EStG ist mangels einer besonderen Bestimmung in dieser Vorschrift im Sinne des legal definierten Einlagenbegriffs in § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG zu verstehen; danach sind Einlagen alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat (Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 4 EStG Anm. 1060). Dem Wortlaut des § 4 Abs. 4a EStG lässt sich nicht entnehmen, dass die Vorschrift bei der Berechnung des Über- oder Unterentnahmevolumens von einem, das Klagebegehren stützenden modifizierten Einlagebegriff ausgehen würde.

Der Gesetzgeber wollte mit § 4 Abs. 4a EStG der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Mehrkontenmodell (vgl. insb. den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH--vom 8. Dezember 1997 -GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) entgegentreten und den Grundsatz der Finanzierungsfreiheit einschränken. Der Unternehmer soll nicht mehr --ohne nachteilige Folgen für den betrieblichen Schuldzinsenabzug in Kauf nehmen zu müssen--die vollständigen Betriebseinnahmen, sondern nur noch den im Unternehmen erwirtschafteten Gewinn sowie geleistete Einlagen entnehmen können. Der Gesetzgeber hat mit § 4 Abs. 4a EStG eine Regelung geschaffen, aufgrund derer die nicht als Betriebsausgaben abziehbaren Zinsaufwendungen in pauschalierter Art und Weise ermittelt werden. Dies ergibt sich insbesondere aus Satz 4 der Vorschrift in der im Streitjahr geltenden Fassung (jetzt Satz 3), wonach die nicht abziehbaren Schuldzinsen typisiert mit 6 v.H. der Überentnahmen des Wirtschaftsjahres zu beziffern sind (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 2006 -X R 44/04, BFH/NV 212, 501, BStBl II 2006, 588). Nach Auffassung des Senats gebietet es diese gesetzgeberische Konzeption, den Einlagebegriff des § 4 Abs. 4a EStG nicht abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG zu definieren.

Für die Annahme einer Einlage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG fehlt es im Streitfall sowohl an einem unternehmerischen Einlagewillen als auch an einer nach außen hinreichend dokumentierten Einlagehandlung. Für die Annahme eines unternehmerischen Einlagewillens reicht es im Streitfall insbesondere nicht aus, dass nach allgemeinem Verständnis Unternehmer stets den Gegenwert fakturierter Forderungen vereinnahmen wollen. Denn die Rechtsauffassung der Kläger würde dazu führen, dass eine beim Einnahmeüberschussrechner nicht erfolgswirksam zu behandelnde betriebliche Forderung zwar im Rahmen der Gewinnermittlung nicht als Betriebseinnahme angesetzt, jedoch bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen "wie eine Betriebseinnahme" behandelt würde. Dies ist weder mit dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschrift, noch mit der Systematik der im Streitfall anzuwendenden Gewinnermittlungsmethode zu vereinbaren.

Der Kläger kann auch nicht über ein --gesetzlich nicht vorgesehenes--Rechtsinstitut der "fiktiven Einlage" sein Entnahmepotential im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG erhöhen. Der Ansatz einer "fiktiven Einlage" scheitert nach Auffassung des Senats schon daran, dass eine Einlage --soweit diese beim Einnahmenüberschussrechner zu berücksichtigen wäre (s. hierzu Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 4 EStG Anm. 584ff.)--zu einer Erhöhung des Betriebsvermögens führt. Die zum Nachteil des Klägers begangene Unterschlagung hat im Streitfall aber gerade dies nicht bewirkt, da die veruntreuten Gelder nicht i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG als zugeflossen behandelt und daher bei der Ermittlung des Gewinns aus selbständiger Tätigkeit nicht als Betriebseinnahmen berücksichtigt wurden. Die Nichtbeachtung der Unterschlagungen bei der Ermittlung der Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG ist daher auch mit Blick auf Sinn und Zweck der anzuwendenden Regelung konsequent. Denn § 4 Abs. 4a EStG soll ja gerade gewährleisten, dass der Unternehmer nur noch den im Unternehmen erwirtschafteten Gewinn sowie geleistete Einlagen entnehmen kann. Soweit der Kläger in den Streitjahren durch Untreuehandlungen Einnahmeausfälle hinnehmen musste, hat er gerade keinen Gewinn erzielt und kann ihn folglich auch nicht entnehmen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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