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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 11.11.2008
Aktenzeichen: 15 K 1114/99 F,EW
Rechtsgebiete: AStG, AO


Vorschriften:

AStG § 20 Abs. 2
AStG § 20 Abs. 3
AO § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

15 K 1114/99 F,EW

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung für 1996 sowie der Festsetzung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 01.01.1996 gemäß § 20 Abs. 2 und Abs. 3 des Außensteuergesetzes (AStG) in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21.12.1993 (BGBl 1993 I, S. 2310).

Die Klägerin (Klin.) wurde am 28.04.1989 laut Art. 1 des Gesellschaftsvertrages in Form einer Kommanditgesellschaft unter der Firma "E B.V.B.A. & Co Comm.V." gegründet und als "Commanditaire Vennootschap" (nachfolgend Comm.V.) ins Handelsregister B eingetragen und 1991 in "D B.V.B.A. & Co Comm.V." umbenannt. Beteiligte der laut Art. 5 des Gesellschaftsvertrages mit einem Kapital von 3 Milliarden 150 Millionen Belgische Franken ausgestatteten Klin. waren in 1996 als Komplementärin die in B ansässige I B.V.B.A. mit einem Kapitalanteil von 0 % und als Kommanditisten die im Inland ansässige J KG mit einem Anteil von 20 % sowie jeweils mit einem Anteil von 10 % Frau E , Frau T , Herr BP, Herr DP , Herr SP , Herr CP , Herr EP und Frau KP. Laut Art. 3 des Gesellschaftsvertrages ist Geschäftszweck der Klin. die Koordination der Aktivitäten der P-Gruppe und umfasst die Zentralisierung der finanziellen Transaktionen und die Finanzierung der Liquidität der Tochtergesellschaften oder der Zweigniederlassungen, die Zentralisierung und Koordination der Buchführung sowie von Verwaltungsaufgaben und der elektronischen Datenverarbeitung, das Sammeln und Verteilen der Informationen, den Kontakt mit nationalen und internationalen Organisationen und die Zentralisierung sowie Koordination der Werbe- und Marketingaktivitäten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag verwiesen. Ab Gründung unterhielt die Klin. in B Geschäftsräume von rund 200 qm, in denen 1996 mindestens zehn Vollzeitmitarbeiter die der Klin. in Art. 3 ihres Gesellschaftsvertrages zugewiesenen Aufgaben ausführten.

Die belgische Steuerverwaltung behandelte die Klin. für ertragsteuerliche Zwecke als Kapitalgesellschaft im Sinne des belgischen Rechts und darüber hinaus als "Coordination Centre" im Sinne des Königlichen Erlasses Nr. 187 vom 30.12.1982 (Arrete Royal 187, veröffentlicht in Moniteur Belge vom 13.01.1983). Nach diesem Erlass bildete für die Ertragsbesteuerung in Belgien nicht der vom "Coordination Centre" tatsächlich erwirtschaftete Gewinn im Sinne des deutschen Steuerrechts, sondern ein nach der Kostenaufschlagmethode ermittelter Gewinn die steuerliche Bemessungsgrundlage, so dass die Klin. im Streitjahr 1996 in Belgien mit weniger als 30 % des tatsächlich erzielten Gewinns besteuert wurde. Das beklagte Finanzamt (FA) behandelte die Klin. als Personengesellschaft. Unter Bezug auf § 20 Abs. 2 AStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes stellte es für die Gesellschafter der Klin. in einem nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden, gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1996 vom 08.06.1998 von der Klin. in Belgien erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und sonstige Einkünfte fest. Darin qualifizierte es letztere als steuerfrei, aber dem Progressionsvorbehalt unterliegend. Dagegen besteuerte es den Gewinn aus Gewerbebetrieb voll, allerdings unter Anrechnung der darauf in Belgien entfallenden Steuer. Durch ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 16.06.1998 stellte das FA nach § 20 Abs. 3 AStG den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klin. auf den 01.01.1996 fest. In den Vorjahren hatte das FA die von der Klin. in Belgien erzielten Einkünfte nach dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vom 11.04.1967 (BGBl 1969 II, S. 18) (im folgenden DBA-Belgien) unter Progressionsvorbehalt in vollem Umfang von der inländischen Besteuerung freigestellt.

Die gegen beide Bescheide eingelegten Einsprüche wies das FA durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 03.02.1999 als unbegründet zurück: Der deutsche Gesetzgeber habe die in Belgien für "Coordination Centre" geltenden Steuervergünstigungen bezüglich der Besteuerung in Deutschland relativieren können, in dem er die im DBA-Belgien festgelegte Freistellungs- durch die Anrechnungsmethode ersetzt habe. Um ein missbräuchliches Unterlaufen der inländischen Steuerpflicht durch eine Berufung auf das jeweils einschlägige DBA, im Streitfall das DBA-Belgien, zu verhindern, habe er durch das Steueränderungsgesetz 1992 vom 25.02.1992 (BGBl 1992 I, S. 297) § 10 AStG um einen Absatz 6 ergänzt und § 20 AStG für die Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter neu gefasst.

Gegen beide Bescheide in der Fassung der EE vom 03.02.1999 erhob die Klin. die vorliegende Klage mit folgender Begründung: Die Regelungen in § 20 Abs. 1 und Abs. 2 AStG konkretisierten keinen allgemeinen völkerrechtlichen Umgehungsvorbehalt unter dem Gesichtspunkt eines innerhalb des DBA-Belgien durchgeführten "rule shopping". Der Gesetzgeber des § 20 Abs. 1 und 2 AStG sehe nicht die vom Steuerpflichtigen gewählte Gestaltung, sondern die Anwendung der im DBA-Belgien festgelegten Freistellungsmethode als unangemessen an. § 20 AStG stelle einen Eingriff in die als allgemeines Beschränkungsverbot verstandene Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 52 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (BGBl 1957 II, S. 766) - EGV -, jetzt Art. 43 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (BGBl 1992 II, S. 1251) - EG - dar, in dem der deutsche Gesetzgeber die grenzüberschreitende wirtschaftliche Betätigung der in seinem Geltungsbereich ansässigen Personen und Gesellschaften zum Anlass einer hierauf bezogenen unilateralen Steuerverschärfung nehme.

Ohne im Streitpunkt seinen Standpunkt zu ändern, erließ das FA am 22.01.2002 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1996. Darin stellte es von der Klin. in Belgien erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb von ... DM und sonstige Einkünfte von ... DM fest. Nur letztere behandelte es als steuerfrei, aber dem Progressionsvorbehalt unterliegend. Die Einkünfte von ... DM besteuerte es hingegen voll, allerdings unter Anrechnung der darauf in Belgien entfallenden Steuer. Durch ebenfalls nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid vom 31.01.2002 stellte das FA außerdem nach § 20 Abs. 3 AStG für vermögenssteuerliche Zwecke den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klin. auf den 01.01.1996 neu fest. Beiden Bescheiden war eine im Dezember 1999 begonnene Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Konzernbetriebsprüfung N für die Jahre 1994 bis 1997 vorangegangen. In seinem Bericht vom 14.09.2001 (Tz. 8) hatte der Prüfer u.a. festgestellt, dass es sich bei der Klin. um ein belgisches Koordinierungszentrum handelte, das neben Serviceleistungen für Konzernfirmen insbesondere Konzernfinanzierungen durchgeführt und im Prüfungszeitraum mit seinen Aktivitäten jährliche Gewinne in Höhe von circa ... DM erzielt hatte, für die in Belgien nur durchschnittlich 2 % an Steuern zu entrichten gewesen waren. Laut Prüfung hatte die Klin. 1996 Einkünfte aus Kapitalanlagecharakter im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG von 10.182.464 DM erzielt, deren Doppelbesteuerung nach § 20 Abs. 2 AStG nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung vermieden werde (Bericht vom 14.09.2001, Tz. 9 in Verbindung mit Anlage 2 sowie Anlage 5).

Mit Beschluss vom 05.07.2005 (in EFG 2005, 1512) legte der erkennende Senat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob es den Bestimmungen in Art. 52 EGV, jetzt Art. 43 EG, und in Art. 73 b bis 73 d EGV, jetzt Art. 56 bis 58 EG widerspreche, wenn die Regelungen in § 20 Abs. 2 und Abs. 3 AStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes die Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter in der ausländischen Betriebsstätte eines im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen, die als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, falls die Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft wäre, entgegen dem DBA-Belgien nicht durch Freistellung der Einkünfte von der inländischen Besteuerung, sondern durch Anrechnung der auf die Einkünfte erhobenen ausländischen Ertragsteuer von der Doppelbesteuerung befreien. Durch Urteil vom 06.12.2007 (C-298/05 "Columbus", in Sgl. 2007, I-10451, BFH/NV 2008, Beilage 2, S. 100) entschied der EuGH auf dieses Ersuchen: "Art. 43 EG und 56 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, wonach die Einkünfte einer im Inland ansässigen Person aus Kapitalanlagen in einer Niederlassung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ungeachtet eines Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Mitgliedsstaat des Sitzes dieser Niederlassung nicht von der inländischen Einkommensteuer freigestellt sind, sondern unter Anrechnung der im anderen Mitgliedstaat erhobenen Steuer der inländischen Besteuerung unterliegen."

Nach Erlass dieser Entscheidung trägt die Klin. zur Begründung ihrer Klage nunmehr vor: Das EuGH-Urteil vom 06.12.2007 (C-298/05, a.a.O.) enthalte keine Aussage zu der Frage, ob die vom deutschen Gesetzgeber in § 20 Abs. 2 AStG gewählte hypothetische Betrachtung, wonach die Vorschriften der §§ 7 bis 14 AStG fiktiv für den Fall einer ausländischen Gesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG anstelle einer ausländischen Betriebsstätte zu prüfen seien, die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 12.09.2006 (C-196/04 "Cadbury Schweppes", in EuGHE I 2006, 7995, BFH/NV 2007, Beilage 4, S. 365) zur britischen Hinzurechnungsbesteuerung inkorporiere. Unter Beachtung des EuGH-Urteils vom 12.09.2006 (C-196/04, a.a.O.) ergebe sich aus der Regelungstechnik des § 20 Abs. 2 AStG, dass die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt seien. Das Gesetz verlange eine hypothetische Prüfung, dass die fraglichen Einkünfte nicht in einer ausländischen Betriebsstätte anfielen, sondern von einer ausländischen Gesellschaft erzielt würden, die fiktiv an die Stelle der ausländischen Betriebsstätte trete. Wäre die Klin. keine ausländische Betriebsstätte, sondern eine Gesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG, könne sie sich nach Maßgabe der EuGH-Entscheidung vom 12.09.2006 (C-196/04, a.a.O.) auf den Schutz von Art. 43 EG berufen. Mit ihrer konzerninternen Finanzierungstätigkeit habe sie nicht nur eine von der Niederlassungsfreiheit umfasste selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt, sondern sei darüber hinaus auch nicht mit dem Makel einer rein künstlichen Konstruktion im Sinne des EuGH-Urteils vom 12.09.2006 (C-196/04, a.a.O.) behaftet. Der von Art. 43 EG vermittelte Schutz stehe der Anwendung der §§ 7 bis 14 AStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes entgegen, so dass die Einkünfte der Klin. nach EG-Recht nicht als Zwischeneinkünfte im Inland steuerpflichtig seien. Für diese Auslegung des Gesetzes spreche auch dessen Zweck und der historische Wille des Gesetzgebers. Es käme zu widersprüchlichen Ergebnissen, wenn bezüglich des in den §§ 7 bis 14 AStG geregelten Grundsachverhalts der Gegenbeweis einer steuerlich beachtlichen Betätigung zugelassen werde, während man dem in § 20 Abs. 2 AStG geregelten Umgehungstatbestand den typisierten Missbrauch ohne Widerlegungsmöglichkeit vorhielte, so dass der Umgehungssachverhalt steuerlich strengeren Anforderungen unterliege als der vor der Umgehung zu schützende Grundsachverhalt. Hätte der Gesetzgeber eine vom AStG losgelöste "Treaty Override" bewirken wollen, hätte er diese im Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt. Auch der Gesetzgeber des Art. 24 des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20.12.2007 (BGBl 2007 I, 3150 [3185 ff.]) bestätige die Auslegung, dass die Regelungstechnik in § 20 Abs. 2 AStG in der im Streitjahr geltenden Fassung zu einer inzidenten Prüfung der nunmehr in § 8 Abs. 2 AStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 in Gesetzesform gebrachten Grundsätze der EuGH-Entscheidung vom 12.09.2006 (C-196/04, a.a.O.) zwinge. Anders lasse es sich nicht erklären, warum der Gesetzgeber des Jahressteuergesetzes 2008 die Anwendung von § 8 Abs. 2 AStG in § 20 Abs. 2 AStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 ausgeschlossen habe. Eine die gesetzlichen Wertungen des § 8 Abs. 2 AStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 mit der Folge missachtende Auslegung, dass im Rahmen der fiktiven Prüfung des § 20 Abs. 2 AStG der Gegenbeweis einer steuerlich beachtlichen Betätigung nicht zugelassen werde, verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Der Klin. sei nicht vermittelbar, warum ein vergleichbares, aber als Kapitalgesellschaft geführtes Koordinierungszentrum mit seinen Zwischeneinkünften nicht der Hinzurechnungsbesteuerung unterliege. Das "Treaty Override" in § 20 Abs. 2 AStG verstoße darüber hinaus gegen das Rechtsstaatsprinzip.

Soweit das FA im Schriftsatz vom 24.07.2008 es (erstmalig) in Zweifel gezogen habe, dass die Klin. im Hinblick auf die von ihr erzielten Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter in Belgien tatsächlich eine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet habe, widerspreche dies dem Vortrag im Schriftsatz des FA vom 08.04.2008: "Das Finanzamt geht davon aus, dass es sich bei der Firma im Streitjahr 1996 um ein aktiv tätiges Unternehmen gehandelt hat." Die Klin. habe ab Gründung - auch in 1996 - von ihr in B angemietete Büroflächen mit mehr als 10 voll ausgestattete Arbeitsplätze unterhalten. 1996 habe sie durchgängig zwischen 13 und 14 Mitarbeiter beschäftigt. Der Gründung der Klin. liege die Entscheidung der auf einem der drei Haupttätigkeitsfelder der P-Gruppe tätigen J KG zugrunde, aus Kostengründen die zuvor von drei in B ansässigen selbständigen Schiffsmaklern auf Provisionsbasis betriebene Tätigkeit zukünftig selber in Form einer eigenen Reedereiagentur für die logistische Verwaltung des in 1989 vorhandenen Bestandes von ca. 90.000 Containern zu übernehmen. Zudem hätten weitere Aufgaben wie das Marketing im Benelux-Raum für die im Lebensmittelbereich tätigen Unternehmen der P-Gruppe und das internationale Factoring, d.h. die entgeltliche Abtretung von Forderungen aus gruppeninternen Warenlieferungen, der zu gründenden Gesellschaft übertragen werden können. Die Übertragung von Finanzierungsaktivitäten auf die Klin. habe mit den seinerzeitigen Verhältnissen am Wirtschaftsstandort Belgien zusammen gehangen. Kreditschuldner hätten 1989 in Belgien günstigere Zinskonditionen als in anderen europäischen Ländern erzielen können. Durch die Auslagerung von internen Finanzierungsaufgaben auf die in Belgien angesiedelte Zentraleinheit habe die P-Gruppe bestmögliche Zinskonditionen am Markt erzielen können. 1996 habe die Klin. in Belgien bei Banken eine Kreditlinie von ca. ... € bei einem Eigenkapital von ca. ... € nutzen können. Die in Belgien vereinbarten Zinskonditionen hätten 1996 in Deutschland nicht ohne Abtretung von Sicherheiten und nicht ohne Garantie der Muttergesellschaft sowie nicht ohne das Rating einer großen Ratingagentur vereinbart werden können.

Die Klin. beantragt,

den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für 1996 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.01.2002 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus der belgischen Betriebsstätte von ... DM (... DM Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ... DM sonstige Einkünfte) lediglich dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden, und den Einheitswertbescheid auf den 01.01.1996 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31.01.2002 ersatzlos aufzuheben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen,

weiter hilfsweise,

das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob § 20 AStG aufgrund der Verletzung von Art. 20 Abs. 3 GG GG bzw. Art. 25 GG verfassungswidrig ist.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Ergänzend zu seiner EE trägt es vor: Bisher habe die Finanzverwaltung nicht geprüft, inwieweit die Klin. mit ihren Einkünften mit Kapitalanlagecharakter wirklich eine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet habe, weil diese Frage bisher entscheidungsunerheblich gewesen sei. Dazu sei eine weitere Sachverhaltsaufklärung geboten. Die Grundsätze der EuGH-Entscheidung vom 12.09.2006 (C-196/04, a.a.O.) seien nur für die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 bis 14 AStG von Bedeutung. Sie könnten aber nicht auf die Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG übertragen werden, weil diese Vorschrift lediglich eine Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung festlege. Art. 20 Abs. 2 AStG sei mit Art. 25 GG und mit Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar. Selbst wenn die Regelung des § 20 Abs. 2 AStG im Widerspruch zu einer völkervertragsrechtlichen Verpflichtung Deutschlands aus dem DBA-Belgien stände, wäre sie jedoch als "Treaty Override" innerstaatlich wirksam. Für die innerstaatliche Geltung völkerrechtlicher Verträge bestimme Art. 59 Abs. 2 GG, dass völkerrechtliche Verträge in der Fassung ihres Zustimmungsgesetzes "nur" den Rang eines einfachen Bundesgesetzes bekleideten. § 20 Abs. 2 AStG diene der Durchsetzung des Grundsatzes der Besteuerungsgleichheit. Nichts sei dafür ersichtlich, dass eine Regelung dem Rechtsstaatsprinzip widerspreche, die nach der Vorabentscheidung des EuGH vom 06.12.2007 (C-298/05, a.a.O.) gegenüber vergleichbaren inländischen Unternehmen nicht als diskriminierend bewertet worden sei, und dem Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung von Gesellschaften Geltung verschaffe.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung für 1996 vom 22.01.2002 und der Einheitswertbescheid auf den 01.01.1996 vom 31.01.2002 sind rechtmäßig und verletzen die Klin. nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Nach § 20 Abs. 2 AStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21.12.1993 findet die Vermeidung der Doppelbesteuerung für Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter durch die Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen Steuer statt.

Die im Gewinnfeststellungsbescheid vom 22.01.2002 erfassten Einkünfte sind in einer ausländischen Betriebsstätte im Sinne des § 20 Abs. 2 AStG angefallen. Der Begriff der ausländischen Betriebsstätte bestimmt sich nach § 12 AO, weil die Vorschriften des nationalen deutschen Gewinnermittlungsrechts und nicht die Vorschriften des jeweils anwendbaren DBA maßgeblich sind (vgl. Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Kommentar zum AStG, § 20 Rdn. 175). Bei Personengesellschaften ist für die Prüfung der Betriebsstättenvoraussetzungen auf die Mitunternehmerschaft als solche abzustellen, wobei es bezüglich der Verfügungsmacht über die Betriebsstätte unerheblich ist, ob diese bei der Personengesellschaft oder einem ihrer Gesellschafter liegt (BFH-Urteil vom 26.02.1992, I R 85/91, in BFHE 168, 52, BStBl II 1992, 937, Ziffer II 2). Die Klin. erfüllte den Betriebsstättenbegriff im Sinne des § 12 AO, da sie 1996 im Ausland - im belgischen B - über eine feste Geschäftseinrichtung verfügte. Eine Betriebsstätte liegt dann vor, wenn ein oder mehrere körperliche Gegenstände wie die im Streitfall von der Klin. eingerichteten und unterhaltenen Büroräume vorhanden sind und für betriebliche Zwecke genutzt werden (vgl. BFH Urteil vom 30.10.1996, III R 12/92, in BFHE 181, 356 , BStBl II 1997, 12). Laut Gesellschaftsvertrag diente die Klin. als Koordinierungsstelle der wirtschaftlichen Betätigung ihrer deutschen Muttergesellschaft bzw. deren Gesellschafter, mithin verfügten im Sinne des § 12 AO die inländischen Gesellschafter der Klin. über die in Belgien belegene Betriebsstätte (vgl. dazu Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO, § 12 Rdn. 19). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG in der 1996 geltenden Fassung sind im Inland ansässige, unbeschränkt steuerpflichtige Personen Mitunternehmer der nach belgischem Recht gegründeten, ihrem Typus nach einer Kommanditgesellschaft deutschen Rechts entsprechenden Comm.V. (vgl. dazu Debatin/Wassermeyer, Kommentar zur Doppelbesteuerung, DBA-Belgien, Art. 3 Rdn. 46; Froesch in IStR 1996, 366, Tz. 2.1.2.), so dass dahinstehen kann, ob im Streitfall deren Mitunternehmerschaft unmittelbar aufgrund der Beteiligung an der Klin. oder über ihre Beteiligung an der Muttergesellschaft der Klin. begründet wurde.

Die Betriebsstätte in B ist im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen zuzurechnen, wobei es unerheblich ist, ob es sich bei den unbeschränkt Steuerpflichtigen um natürliche Personen oder eine Personengesellschaft handelt. Soweit die ausländische Betriebsstätte einer Personengesellschaft zuzurechnen ist, ist darauf abzustellen, ob an dieser unbeschränkt Steuerpflichtige beteiligt sind (vgl. Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 20 Rdn 130). Ist die ausländische Betriebsstätte einer Personengesellschaft zuzurechnen, so ist § 20 Abs. 2 AStG auf den Teil des Gewinns im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG des unbeschränkt Steuerpflichtigen anzuwenden, der seinen anteiligen Einkünften mit Kapitalanlagecharakter entspricht, d.h. die von der Personengesellschaft erzielten Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 3 AStG sind den an der Personengesellschaft beteiligten Gesellschaftern entsprechend der gesellschaftsrechtlich vereinbarten Gewinnverteilungsquote zuzurechnen (vgl. Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 20 Rdn. 178). Da sie ihren Wohnsitz im Inland unterhielten, waren die 1996 an der Klin. beteiligten natürlichen Personen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte geht der Senat auch davon aus, dass auch die Gesellschafter der als Kommanditistin an der Klin. beteiligten J KG unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen waren, weil sie als natürliche Personen ihren Wohnsitz im Inland unterhielten bzw. als Körperschaften im Sinne deutschen Körperschaftssteuerrechts ihren Firmensitz im Inland unterhielten bzw., soweit Personengesellschaften beteiligt waren, deren Gesellschafter ihrerseits unbeschränkt steuerpflichtige Personen waren.

Die von der Klin. erzielten Einkünfte sind Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes. Als Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter definiert diese Vorschrift Einkünfte, die aus dem Halten, der Verwaltung, der Werterhaltung oder der Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen oder ähnlichen Vermögenswerten stammen. Einkünfte im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG liegen vor, wenn es sich um Einkünfte aus dem Halten und Verwalten von Vermögenswerten handelt, die geeignet sind, Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG abzuwerfen. Als Zwischeneinkünfte werden nur die passiven Einkünfte zugerechnet, die nicht unter den in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG normierten Katalog aktiver Einkünfte der ausländischen Gesellschaft fallen. Von der Hinzurechnungsbesteuerung nimmt § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG die Einkünfte aus Finanzierungsleistungen (Aufnahme und darlehensweise Vergabe von Kapital) dann aus, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die ausländische Gesellschaft das Kapital ausschließlich auf ausländischen Kapitalmärkten und nicht bei ihm oder der ausländischen Gesellschaft nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG aufgenommen hat, so dass konzerninterne Finanzierungen steuerschädlich sind. Zusätzlich zu der konzernexternen Kapitalaufnahme muss der Steuerpflichtige nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG nachweisen, dass die ausländische Gesellschaft das Kapital entweder inländischen oder nur solchen im Ausland belegenen Betrieben zur Verfügung stellt, die ihre Bruttoerträge fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 - 6 AStG beziehen. Wird eine Darlehensvergabe durch die ausländische Gesellschaft konzernintern finanziert, haben die daraus erzielten Einkünfte zwar grundsätzlich Kapitalanlagecharakter im Sinne des § 10 Abs. 6 AStG. Ausnahmsweise haben die Einkünfte keinen Kapitalanlagecharakter im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 AStG, wenn dem unbeschränkt Steuerpflichtigen für diese Einkünfte der sog. Dienstleistungsnachweis gelingt. Darunter sind aber nicht aktive Dienstleistungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG zu verstehen, weil diese von vorneherein nicht unter den Tatbestand des § 10 Abs. 6 AStG fallen. Vielmehr betrifft § 10 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 AStG nur die "passiven" Dienstleistungen, die als Teil der Kapitalverwaltung erbracht werden. Wie die Formulierung "insoweit" und "angemessener Teil" belegt, ist damit nur der eigentliche Dienstleistungsertrag, nicht aber der auf das zur Verfügung gestellte Kapital entfallende Ertrag gemeint. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten erzielte die Klin. die im Feststellungsbescheid vom 22.01.2002 festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb von ... DM. In Übereinstimmung mit den zeitnah im Bericht vom 14.09.2001 (Tz. 8, 9 in Verbindung mit den Anlagen 2 und 5) niedergelegten Feststellungen des Außenprüfers ist der Senat davon überzeugt, dass die Klin. die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in 1996 am Standort B unter Einsatz der dort beschäftigten Arbeitskräfte erzielt hat. So hat auch die ortsansässige belgische Steuerverwaltung die Klin. nicht als einen steuerlich irrelevanten "Briefkasten" angesehen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Klin. unrichtige Steuererklärungen eingereicht und darin nicht erzielte Einkünfte erklärt hat. Nach den Feststellungen des Außenprüfers handelt es sich bei den Einkünften der Klin. aus Gewerbebetrieb um Einkünfte aus Kapitalanlagecharakter. Gegen die Richtigkeit dieser Feststellungen sprechende Gesichtspunkte hat der Senat nicht festgestellt. Der Beklagte ist der Richtigkeit dieser Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten, so dass der Senat davon absehen konnte, eine weitere Sachaufklärung, etwa durch Anhörung des Geschäftsführers der Klin., vorzunehmen. Die erstmalig nach Erlass der Vorabentscheidung des EuGH vom 06.12.2007 (C-298/05, a.a.O.) vom FA abgegebene Erklärung, die Frage nach Art und Umfang der wirtschaftlichen Betätigung der Klin. bedürfe weiterer Sachverhaltsaufklärung, ist angesichts der bis dahin erfolgten umfangreichen eigenen Feststellungen des FA einschließlich der Feststellungen der Außenprüfungen als bloße, unsubstantiierte Schutzbehauptung anzusehen. Der Beklagte hat schließlich in der mündlichen Verhandlung am 11.11.2008 auch keine Beweisanträge mehr gestellt.

Die festgestellten Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter hat die Klin. als ausländische Gesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes erzielt. Eine Gesellschaft im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die unbeschränkt Steuerpflichtigen an einer Körperschaft bzw. Personenvereinigung, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Geltungsbereich des AStG hat und zudem nicht nach § 3 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen ist, zu mehr als der Hälfte beteiligt sind. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG liegt eine Beteiligung zu mehr als der Hälfte vor, wenn den unbeschränkt Steuerpflichtigen allein oder zusammen mehr als 50 vom Hundert der Anteile oder Stimmanteile an der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind. Im Streitfall ist diese Voraussetzung erfüllt, da sämtliche Geschäftsanteile an der Klin. von im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen gehalten wurden und die Klin. in 1996 nicht im Geltungsbereich des AStG, sondern in Belgien ansässig und auch nicht von der Körperschaftsteuerpflicht nach § 3 Abs. 1 KStG befreit war.

Die in der ausländischen, in Belgien gelegenen Betriebsstätte erzielten Einkünfte hat die belgische Steuerverwaltung im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG nicht hoch, sondern niedrig besteuert. Nach § 8 Abs. 3 AStG liegt eine niedrige Besteuerung im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG vor, wenn die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft einer Belastung durch Ertragsteuern von weniger als 30 vom Hundert unterliegen. Abzustellen ist auf die Steuern, die der ausländische Betriebsstättenstaat erhebt (vgl. BFH Urteil vom 03.05.2006, I R 124/04, in BFHE 214, 80, BFH/NV 2006, 1451). Die Klin. unterlag im Streitjahr 1996 in Belgien nach ihrem eigenen Vortrag einer Besteuerung mit weniger als 30 % des von ihr erzielten Gewinns.

Der von der Klin. vertretenen und auch auf Meinungen in der Literatur gestützten Auffassung (Blümich, Kommentar zur EStG, § 20 AStG Rdn. 26; Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 20 Rdn. 151.5 ff; Scheipers/Maywald, IStR 2006, 472, 472 Ziffer 4; Lieber, in [...] PR-SteuerR 10/2008 Anm. 5), die §§ 7 ff AStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21.12.1993 verstießen gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit im Sinne des Art. 43 EG, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Auffassung der Klin. und der genannten Literatur stützt sich auf das Urteil des EuGH vom 12.09.2006 (C-196/04, a.a.O.). Die in dieser Entscheidung vom EuGH als europarechtswidrig eingestuften, maßgeblich gewesenen englischen Hinzurechnungsvorschriften sind mit den Hinzurechnungsvorschriften nach dem AStG nicht als vergleichbar anzusehen. Während die Entscheidung vom 12.09.2006 (C-196/04, a.a.O.) die Frage betrifft, ob in die steuerliche Bemessungsgrundlage des im Inland ansässigen Unternehmens der von einem, von ihm beherrschten Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedsstaat mit niedrigem Steuerniveau ansässig ist, erzielte Gewinn einzustellen ist, geht es vorliegend um die Frage, ob die von einer ausländischen Betriebsstätte eines im Inland ansässigen Unternehmens erzielten Gewinne in die steuerliche Bemessungsgrundlage des inländischen Unternehmens einzubeziehen sind. Nach dem gegenwärtigem Stand der gemeinschaftlichen Harmonisierung auf dem Gebiet der direkten Steuern erkennt der EuGH die Befugnis der Mitgliedsstaaten an, die Kriterien für die Aufteilung der Steuerhoheiten vertraglich oder einseitig festzulegen, so dass die aus den Regelungen der §§ 7 ff AStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes sich ergebende tatsächliche juristische Doppelbesteuerung jedenfalls dann keinen Gemeinschaftsrechtsverstoß darstellt, wenn sichergestellt ist, dass die Doppelbesteuerung etwa durch Anrechnung der im Ausland angefallenen Steuer vermieden wird (zum Parallelfall des § 6 Abs. 1 AStG in der Fassung bis zur Änderung durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 07.12.2006 [BGBl 2006 I, 2782, ber. BGBl 2007 I, 68] vgl. BFH Beschluss vom 23.09.2008, I B 92/08 Ziffer II 2 c vorletzter Absatz, [...]). Die unter Hinweis auf die EuGH-Entscheidung vom 28.01.1986 (C-270/83, "Avoir Fiscal", in EuGHE 1986, 273) vertretene Auffassung (vgl. Blümich, a.a.O., § 20 AStG Rdn. 37), die Niederlassungsfreiheit umfasse generell auch ausländische Betriebsstätten, teilt der Senat nicht. In seiner Entscheidung vom 28.01.1986 (C-270/83, a.a.O.) hat der EuGH die Frage behandelt, ob der Staat, in dem ein ausländisches Unternehmen eine Betriebsstätte unterhält, das ausländische Unternehmen steuerlich anders behandeln darf als ein Unternehmen, das in dem Staat seinen Hauptsitz unterhält. Nach dieser Entscheidung will Art. 52 EWG die Vergünstigung der Inländerbehandlung jedem Staatsangehörigen und somit auch einem Unternehmer garantieren, der sich mit einer Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedsstaat niederlässt, um dort eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Der mit einer Betriebsstätte im Inland tätige, mit seinem Hauptsitz aber in einem anderen Mitgliedsstaat ansässige Unternehmer darf nach Meinung des EuGH im Inland nicht schlechter als ein Unternehmer gestellt werden, der im Inland seinen Unternehmenssitz unterhält. Gewendet auf den Streitfall stellt sich nach Maßgabe dieser Entscheidung höchstens - die vorliegend aber entscheidungsunerhebliche - Frage, ob Belgien die Klin. steuerlich besser oder schlechter als andere in Belgien ansässige Unternehmer behandeln durfte. Nach Maßgabe des EuGH-Urteils vom 06.12.2007 (C-298/05, Rdn. 39, 40, 44, 51, a.a.O.) geht der Senat im Gegenteil davon aus, dass im Rahmen der deutschen inländischen Besteuerung gemeinschaftsrechtlich erst die Anrechnung der auf die im Ausland erzielten Einkünfte gezahlten ausländischen Steuern eine uneingeschränkte Gleichbehandlung der Inlands- mit der Auslandsbetriebsstätte eines im Inland ansässigen Unternehmers schafft, so dass es unerheblich ist, ob die konkrete Auslandsinvestition im Inland unterschiedlich besteuert wird, weil in einem Niedrig- oder in einem Hochsteuerland investiert wurde.

Ungeachtet des Umstandes, dass Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Belgien in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 a 2. Halbsatz DBA-Belgien für die auf das in eine belgische Comm.V. investierte Kapital entfallende Einkünfte die Doppelbesteuerung durch Freistellung der Ausschüttung von der deutschen Steuerpflicht vermeidet (vgl. dazu auch den Vorlagebeschluss des erkennenden Senats vom 05.07.2005, a.a.O.), statuiert § 20 Abs. 2 AStG als Rechtsfolge für die von der Vorschrift erfassten Einkünfte die Vermeidung der Doppelbesteuerung allein durch die Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen Steuer. Zur unilateralen Durchbrechung der in Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Belgien vorgesehenen Freistellung kommt es im Streitfall jedoch nur deshalb und insoweit, als dergestalt ein Ausweichverhalten vorliegt, dass an Stelle von Kapitalgesellschaften Personengesellschaften oder rechtlich unselbständige Betriebsstätten als Konzernfinanzierungs- und Koordinierungsstellen im Ausland gegründet werden (vgl. dazu den Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 01.11.1991, BT-Drucksache 12/1506), so dass im Rahmen der Besteuerung unter Anrechnung nach § 20 Abs. 2 AStG auch die Zwischeneinkünfte mit Konzernfinanzierungscharakter im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 3 AStG 1993 zu erfassen sind. Zwar blieben bei Einführung der §§ 10 Abs. 6 und 20 Abs. 2 AStG durch das Steueränderungsgesetz 1992 Einkünfte aus der Finanzierung innerhalb eines Konzerns gemäß § 10 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 AStG 1992 ausgeklammert und gehörten damit nicht zu den Einkünften mit Kapitalanlagecharakter im Sinne des § 20 Abs. 2 AStG. Erst das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21.12.1993 ersetzte den Rückausnahmetatbestand des § 10 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 AStG 1992 in § 10 Abs. 6 Satz 3 AStG 1993 dahingehend, dass auch erzielte Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter erfasst werden.

Die dargelegte Rechtsfolge verstößt nach der Vorabentscheidung des EuGH vom 06.12.2007 (C-298/05, a.a.O.) nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Sie verstößt aber auch nicht gegen Abkommensrecht in Form des Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Belgien, weil die Regelung des § 20 Abs. 2 AStG dem Abkommensrecht vorgeht. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 14.10.2002, 2 BvR 1481/04, in BVerfGE 111, 307, Ziffer C I 1 a 1. Absatz) und des BFH (Urteile vom 13.07.1994, I R 120/93, in BFHE 175, 351 , BStBl II 1995, 129 betreffend DBA Deutschland-Polen; vom 20.03.2002, I R 38/00, in BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819 betreffend DBA Deutschland-Niederlande) wird ein DBA nicht unmittelbar, sondern nur in der Form des Zustimmungsgesetzes, im Streitfall in Form des Zustimmungsgesetzes vom 06.01.1969 (BGBl 1969 II, 17) zum DBA-Belgien, angewendet. Das Zustimmungsgesetz ist ein einseitiger Akt des deutschen Gesetzgebers, der mit Vorbehalten versehen, aufgehoben oder geändert werden kann. Ob durch eine spätere Änderung des Zustimmungsgesetzes Völkerrecht verletzt wird, ist eine andere Frage, die aber die Wirksamkeit der Änderung nicht berührt. Aus § 2 AO ergibt sich nichts anderes, weil die Vorschrift nicht den Fall betrifft, dass der deutsche Gesetzgeber - wie in § 20 Abs. 2 AStG geschehen - ausdrücklich eine von einem Zustimmungsgesetz vom 06.01.1969 (a.a.O.) abweichende Regelung trifft. Ausweislich der Regelungen in Art. 25 Satz 2 GG wollte der Verfassungsgesetzgeber ausschließlich den allgemeinen Regelungen des Völkerrechts Priorität gegenüber dem innerstaatlichen Recht einräumen. Völkervertragsrecht auch in der Form eines DBA hat er gerade nicht mit dem Rang des Verfassungsrechts ausgestattet. Es bekleidet vielmehr nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes, weil es innerstaatlich nur mittelbar, d.h. auf der Grundlage eines zuvor ergangenen Zustimmungsgesetzes nach Art. 59 Abs. 2 GG als geltendes Bundesrecht zu behandeln ist (BVerfG Beschluss vom 14.10.2002, 2 BvR 1481/04, a.a.O., Ziffer C I 1 a 1. Absatz). Dem GG liegt die klassische Vorstellung zu Grunde, dass es sich bei dem Verhältnis des Völkerrechts zum nationalen Recht um ein Verhältnis zweier unterschiedlicher Rechtskreise handelt, und die Natur dieses Verhältnisses nur aus der Sicht des nationalen Rechts und nur durch das nationale Recht selbst bestimmt werden kann (BVerfG Beschluss vom 14.10.2002, 2 BvR 1481/04, a.a.O., Ziffer C I 1 b 2. Absatz). Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts beziehen sich nur auf das völkerrechtliche Außenverhältnis, begründen aber keine Vorrangstellung nach innen. Zwar ist angesichts seines Rangs als einfaches Bundesrecht auch ein völkerrechtlicher Vertrag von den Gerichten im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG Beschluss vom 14.10.2002, 2 BvR 1481/04, a.a.O., Ziffer C I 1 b 2. Absatz) und dieser Grundsatz gilt auch für DBA. Er findet aber seine Grenze dort, wo eine abändernde bundesgesetzliche Regelung die Wirkung des DBA beschränkt oder außer Kraft setzt. Es gelten insoweit dieselben Maßstäbe wie in anderen Fällen, in denen der Bundesgesetzgeber von ihm zuvor erlassene Bundesgesetze durch eine nachfolgende Gesetzesregelung abändert.

Die vom erkennenden Senat vertretene Auslegung verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG, wobei der Senat offen lässt, ob die Völkervertragsrecht abändernde bundesgesetzliche Regelung in Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip einer besonderen Rechtfertigung bedarf (vgl. dazu Gosch in IStR 2008, 413, 419). Wie der EuGH in der Vorabentscheidung vom 06.12.2007 (C-298/05, a.a.O., Rdn. 39, 40, 44, 51) betont hat, besteht vorliegend die besondere Rechtfertigung darin, dass nicht die Freistellung der mittels einer ausländischen Betriebsstätte erzielten Einkünfte eines im Inland ansässigen und hier steuerpflichtigen Unternehmers von der inländischen Besteuerung, sondern erst die Anrechnung der auf die mit der ausländischen Betriebsstätte erzielten Einkünfte gezahlten ausländischen Steuern eine uneingeschränkte steuerliche Gleichbehandlung der im Ausland und im Inland erzielten Einkünfte des im Inland steuerpflichtigen Unternehmers schafft.

Die Regelung des § 20 Abs. 2 AStG verstößt auch nicht gegen andere Vorschriften des deutschen Verfassungsrechts. Art. 25 GG ist im Streitfall nicht berührt, weil das DBA-Belgien nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehört. Das DBA-Belgien fällt auch nicht unter Art. 79 Abs. 1 GG, so dass die Einführung des § 20 Abs. 2 AStG kein den Art. 25 GG im Einzelfall mit qualifizierender Mehrheit des Art. 79 Abs. 2 GG änderndes Gesetz erforderte. Im Bereich des Art. 59 Abs. 2 GG ist der innerstaatliche Gesetzgeber frei, gesetzlich Vorbehalte gegen die Anwendung bestimmter Abkommensvorschriften zu verankern. Die Regelung des § 20 Abs. 2 AStG verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar gebietet nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 21.06.2006, 2 BvL 2/99, in BGBl 2006 I, 1857, BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, S. 481) der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen folgen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber. Im Steuerrecht wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und dem Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt. Unter diesem Gesichtspunkt hält der Senat - auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23.04.2008, X R 32/06, in BFH/NV 2008, 1581, Ziffer II 2 b bb bbb 1 = [...] Rdn. 29) - die von der Klin. gerügte Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG im Vergleich zur steuerlichen Belastung einer Kapitalgesellschaft nicht für gegeben. In seinem Beschluss vom 21.06.2006 (2 Bvl 2/99, a.a.O. Ziffer C III 1 c = [...] Rdn. 118 - 119) hat das BVerfG ausgeführt, dass es bisher lediglich hinsichtlich des Umsatzsteuerrechtes angenommen hat, dass die Rechtsform, in der die Leistung vom Unternehmer erbracht wird, allein kein hinreichender Differenzierungsgrund für eine Steuerbefreiung ist (BVerfG Beschluss vom 10.11.1999, 2 BvR 2861/93, in BVerfGE 101, 151 [155 ff], BStBl II 2000, 160). Diese Rechtsprechung berührt die Ausgestaltung der direkten Steuern auf das Einkommen aber nur insoweit, als auch hier entsprechende Anforderungen an die folgerichtige Umsetzung der Belastungsgrundentscheidungen zu beachten sind. Die das deutsche Steuerrecht traditionell prägende Annahme, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft eine eigenständige, objektive Leistungsfähigkeit entsteht, jedoch nicht bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften, bildet ein hinreichendes mögliches Differenzierungskriterium, das mit dem Belastungsgrund wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit vereinbar ist und das den Gesetzgeber zwar nicht dazu zwingt, bei Ertrags- bzw. Einkommensbesteuerung an Hand der Rechtsform zu unterscheiden, es ihm aber eine solche Differenzierung auch nicht verbietet.

Dem Hilfsantrag der Klin., das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG zu der Frage einzuholen, ob § 20 AStG aufgrund der Verletzung von Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 25 GG verfassungswidrig ist, konnte der Senat angesichts der dargelegten Rechtslage nicht entsprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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