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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 19.10.2006
Aktenzeichen: 3 K 6151/03 F
Rechtsgebiete: AO, BewG


Vorschriften:

AO § 15
AO § 162
BewG § 146
BewG § 147
BewG § 148
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

3 K 6151/03 F

Tenor:

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 27.09.2001 für Zwecke der Schenkungsteuer vom 24.07.2003 in Gestalt der EE vom 11.11.2003 und in Gestalt des Ergänzungsbescheides vom 27.04.2005 wird dahingehend geändert, dass der Grundbesitzwert auf 719.000 DM (367.618 Euro) festgesetzt wird.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Streitig ist, ob der Bedarfswert eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden nach §§ 146, 148 BewG oder §§ 147, 148 Bewertungsgesetz (BewG) zu ermitteln ist.

Der Kläger (Kl.) betreibt seit 1984 auf dem Grundstück X-Str. 14 in T einen Restaurationsbetrieb in Form eines Ausfluglokals mit elf Fremdenzimmern. Diesen Gewerbebetrieb hatte der Kl. zunächst im Ganzen von seinem Vater gepachtet. Wirtschaftlicher Eigentümer des zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Gebäudes mit einer gewerblichen Nutzfläche von 1.801 qm und einer privaten Wohnfläche von 106 qm war der Vater des Kl., zivilrechtliche Eigentümerin des 8.893 qm großen Grundstücks war die Mutter des Kl.

Gem. notariellem Vertrag vom 27.09.2001 übereigneten der Vater den Gewerbebetrieb mit allen Aktiva und Passiva und die Mutter das Grundstück X-Str. 14 jeweils im Wege der Schenkung auf den Kl. Zu den Einzelheiten wird auf die Kopie der notariellen Vertragsurkunde in der Grundbesitzwertakte verwiesen.

In der Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwertes für das vom Vater übereignete Gebäude auf fremdem Grund und Boden gab der Kl. an, dass er an seinen Vater monatlich 17.500 DM Pacht gezahlt habe. Hiervon seien 3.500 DM auf das Inventar entfallen und 1.000 DM hätten seiner Mutter im Innenverhältnis für den Grund und Boden zugestanden. Eine übliche Miete lasse sich auf dem regionalen Grundstücksmarkt nicht ermitteln, da es dort kein vergleichbares Objekt gebe. Daher sei die Bewertung nach § 147 BewG durchzuführen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichte Erklärung nebst Anlagen in der Grundbesitzwertakte verwiesen.

Mit Bescheid vom 24.07.2003 setzte der Beklagte (Bekl.) den gem. §§ 146, 148 BewG ermittelten Grundbesitzwert für das Gebäude auf fremdem Grund und Boden auf 1.962.000 DM (1.003.154 Euro) fest. Die dabei berücksichtigte übliche Miete von 9,58 DM/qm Nutzfläche hatte der Bausachverständige des Bekl. auf der Grundlage der in den Vorjahren erzielten Umsätze des Restaurationsbetriebes und der Daten anderer vergleichbarer Betriebe ermittelt. Als Miete für die Wohnfläche wurden 8,00 DM/qm berücksichtigt. Zu den Einzelheiten wird auf die Stellungnahme des Bausachverständigen vom 24.04.2003 und auf die Berechnungen im Bescheid vom 24.07.2003 Bezug genommen.

Gegen den Bescheid wandte sich der Kl. mit seinem Einspruch vom 14.08.2003. Er beantragte, den Grundbesitzwert nach § 147 BewG zu ermitteln und festzustellen, dass es sich um ein Betriebsgrundstück handele. Eine Bewertung nach § 146 BewG scheide aus, da eine Vermietung und Verpachtung an nahe Angehörige vorgelegen habe und sich eine übliche Miete nicht feststellen lasse. Es könne weder auf einen Mietspiegel noch auf ein Vergleichsobjekt in räumlicher Nähe noch auf eine Mietdatenbank zur Ermittlung der üblichen Miete zurückgegriffen werden. Der Bekl. könne die übliche Miete auch nicht durch ein Mietgutachten seines Bausachverständigen nachweisen. Diese Möglichkeit sei nach R 172 Abs. 4 der Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR) nur für Steuerpflichtige vorgesehen, um sich gegen eine vom Finanzamt (FA) auf der Basis einer Vergleichsmiete oder eines Mietspiegels ermittelten üblichen Miete wehren zu können. Aus R 178 Abs. 1 Satz 4 ErbStR ergebe sich, dass Hotelgebäude, Hotelpensionen und vergleichbare Gebäude nach § 147 BewG zu bewerten seien, wenn sie nicht vermietet oder an Angehörige oder Arbeitnehmer des Eigentümers vermietet seien und sich auf dem regionalen Grundstücksmarkt für sie keine übliche Miete ermitteln lasse. Die übliche Miete auf dem regionalen Grundstücksmarkt könne das Finanzamt dabei nur anhand von Vergleichsmieten, Mietspiegeln oder Mietdatenbanken nicht aber durch Mietgutachten ermitteln, da es ansonsten überhaupt keine Anwendungsfälle für § 147 BewG gäbe. Denn eine übliche Miete auf der Basis eines Mietgutachtens lasse sich für jedes der in R 187 Abs. 1 ErbStR aufgezählten Objekte ermitteln. Das hier streitige Objekt sei entweder als Hotelgebäude bzw. als Hotelpension oder zumindest als ein vergleichbares Gebäude anzusehen und daher gem. § 147 BewG zu bewerten.

Der Kl. beantragte, den Bedarfswert gem. §§ 147, 148 BewG wie folgt zu ermitteln, wobei die Berechnungsgrundlagen zwischen den Beteiligten unstreitig sind:

 Wert Grund und Boden:8.893 qm x 45 DM/qm x 70 %280.129 DM
Wert Gebäude (Steuerbilanzwerte) 560.239 DM
Wohnung:106 qm x 8 DM/qm x 12 x 12,5 x 80,5 %102.396 DM
Wert des Grundstücks (§ 147 BewG) 942.764 DM
abzüglich Grund und Boden:1.000 DM/mtl. x 12 x 18,6223.200 DM
Wert des Gebäudes auf fremden Grund u. Boden 719.564 DM
abgerundet (§ 139 BewG) 719.000 DM

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 11.11.2003 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Zum streitigen Bewertungsverfahren führte der Bekl. aus, ein Sonderfall, der eine Bewertung nach § 147 BewG rechtfertige, liege nicht vor, da das Grundstück in den letzten drei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt tatsächlich verpachtet worden sei. Zwar könne gem. § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG nicht auf die tatsächliche Miete zurückgegriffen werden, da eine Vermietung an nahe Angehörige vorgelegen habe. Die übliche Miete könne jedoch im Wege der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO anhand der in den Vorjahren erzielten Umsätze und der Daten vergleichbarer Betriebe geschätzt werden. Bei verpachteten Restaurationsbetrieben sei es üblich, die Pacht anhand des erzielten Umsatzes zu bemessen. Für die Anwendbarkeit des § 146 BewG spreche zudem, dass der Einheitswert des streitigen Objekts anhand des Ertragswertverfahrens ermittelt worden sei. Lasse sich für Einheitswertzwecke eine übliche Miete finden, so sei dies auch bei der Ermittlung des Grundbesitzwertes denkbar und naheliegend.

Mit seiner Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt und vertieft er im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Einspruchsverfahren. Ergänzend führt er aus, die übliche Miete könne nicht nach § 162 AO geschätzt werden, da das BewG für den Fall, dass sich eine übliche Miete nach § 146 Abs. 3 Satz 2 BewG nicht ermitteln lasse, die Bewertung nach § 147 BewG vorschreibe. Für eine Schätzung der üblichen Miete nach § 162 AO bestehe daher keine Veranlassung. Der Bekl. übersehe zudem, dass es sich bei dem Grundbesitzwert um einen Wert für das Grundstück handele, der ganz unabhängig von den persönlichen Eigenschaften des Betriebsinhabers zu ermitteln sei. Der Umsatz eines Betriebes hänge aber ganz wesentlich von den persönlichen geschäftlichen Qualitäten des Betriebsinhabers ab.

Hinsichtlich des weiteren Streitpunktes der Eigenschaft des Grundstücks als Betriebsgrundstück hat der Bekl. am 27.04.2005 einen Ergänzungsbescheid mit der Feststellung erlassen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Bewertungsobjekt um ein Betriebsgrundstück handele. Auf Bl. 35 und 36 der Gerichtsakte wird insofern verwiesen.

Der Kl. beantragt sinngemäß,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 27.09.2001 für Zwecke der Schenkungsteuer vom 24.07.2003 in Gestalt der EE vom 11.11.2003 und in Gestalt des Ergänzungsbescheides vom 27.04.2005 dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert auf 719.000 DM festgesetzt wird,

und hilfsweise,

für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

und hilfsweise,

für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. räumt ein, dass sich die übliche Miete im Streitfall nicht aus einem Mietspiegel oder einer Mietdatenbank ableiten lasse. Ferner erkennt der Bekl. die vom Kl. vorgenommene Wertermittlung gem. §§ 147, 148 BewG für den Fall der Anwendbarkeit des § 147 BewG als richtig an, vertritt jedoch weiterhin die Auffassung, dass die Bewertung gem. §§ 146 Abs. 3 u. 4, 148 BewG zu erfolgen habe. Hierzu wiederholt und vertieft der Bekl. im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, er könne kein konkretes Vergleichsobjekt zur Bestimmung der üblichen Miete für das streitgegenständliche Bewertungsobjekt benennen. Dies stehe einer Bewertung nach § 146 BewG aber nicht entgegen. Eine übliche Miete i.S.d. § 146 Abs. 3 BewG könne für Hotel- und Restaurationsgrundstücke nicht nur anhand von Vergleichsobjekten ermittelt werden, sondern auch durch Ableitung aus den von diesen Betrieben erzielten Umsätzen. Der Gesetzgeber zähle zwar in § 146 Abs. 3 Satz 2 BewG die Eigenschaften auf, die ein Grundstück charakterisierten und die in aller Regel auch die dafür erzielbare Miete bestimmten. Bei einigen Grundstücksarten wie bei Hotel- und Gaststättengrundstücken hänge der Mietwert in erster Linie aber von anderen Merkmalen ab. Letztlich zu ermitteln sei allein, welcher Betrag für ein vergleichbares Objekt von einem fremden Pächter erzielt werden könne. Dass ein solches Vergleichsobjekt zwingend benannt werden oder überhaupt konkret vorhanden sein müsse, könne aus der Formulierung des Gesetzes nicht abgeleitet werden. Zwar sei der Vergleich mit im wesentlich identischen tatsächlichen Objekten die zunächst anzustrebende, weil einfachste Methode. Alternativ müssten aber auch andere Vorgehensweisen zugelassen werden. In der Hotel- und Gaststättenbranche sei die Ableitung der üblichen Miete aus den erzielten Umsätzen eine mögliche, praktikable und auch tatsächlich praktizierte Ermittlungsmethode. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise gebiete es, dass eine im Wirtschaftsverkehr übliche Methode zur Ermittlung einer Miete auch im Bewertungsrecht Anwendung finde, sofern dem eine gesetzliche Regelung nicht entgegenstehe.

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Parteien gem. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Klage ist begründet.

Da der Kl. ausdrücklich auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren verwiesen hat und dort beantragt hatte, den Grundbesitzwert gemäß § 147 BewG auf 719.000 DM festzusetzen, hat der Senat den Klageantrag dahingehend ausgelegt, dass der Kl. auch im Klageverfahren die Festsetzung dieses Grundbesitzwertes begehrt.

Der Bedarfswert des streitgegenständlichen Grundstücks ist nach §§ 147, 148 BewG und nicht nach §§ 146, 148 BewG zu ermitteln.

Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist der Wert von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden grundsätzlich anhand der im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten Jahresmieten abzüglich des Wertes des Grundstücks zu ermitteln (§§ 146 Abs. 2, 148 Abs. 1 Satz 1 BewG). Wird ein bebautes Grundstück an Angehörige im Sinne des § 15 AO vermietet, tritt gem. § 146 Abs. 3 Satz 1 u. 2 BewG an die Stelle der Jahresmiete die nach Art, Lage, Größe, Ausstattung und Alter für vergleichbare nicht preisgebundene Grundstücke von Fremden gezahlte Miete (übliche Miete). Lässt sich AO die übliche Miete nicht ermitteln, bestimmt sich der Wert nach §§ 147, 148 BewG.

Die übliche Miete kann durch Heranziehung von Vergleichsmieten, durch Rückgriff auf einen Mietspiegel, mit Hilfe einer Mietdatenbank oder durch ein Mietgutachten ermittelt werden (vergl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum BewG, § 146 Rdn. 232). Bezugsgrößen zur Ermittlung der üblichen Miete sind dabei entsprechend der Legaldefinition in § 146 Abs. 3 Satz 2 BewG die äußeren objektiven Kriterien Art, Lage, Größe, Ausstattung und Alter des Bewertungsobjekts. Hieran anknüpfend setzt die Ermittlung der üblichen Miete durch ein Mietgutachten voraus, dass das zu bewertende Grundstück zumindest in der betreffenden Gegend üblicherweise vermietet wird, dass also ein regionaler Markt zur Vermietung eines solchen Grundstücks vorhanden ist (vergl. Gürsching/Stenger, a.a.O., § 146 Rdn. 247).

Da sich die übliche Miete im Streitfall nicht aus einem Mietspiegel oder einer Mietdatenbank ableiten lässt, kein Vergleichsobjekt existiert und auch kein regionaler Markt zur Vermietung des Bewertungsobjekts vorhanden ist, kann die übliche Miete im Sinne des § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG nicht ermittelt werden.

Soweit der Bekl. die übliche Miete gleichwohl anhand der in den Vorjahren erzielten Umsätze des Betriebes des Kl. ermittelt hat, entspricht diese Vorgehensweise nicht dem eindeutigen Wortlaut des § 146 Abs. 3 Satz 2 BewG. Denn das Gesetz stellt zur Bestimmung der üblichen Miete ausdrücklich und ausschließlich auf die äußeren objektiven Kriterien Art, Lage, Größe, Ausstattung und Alter des Bewertungsobjekts ab. Die vom Bekl. angewandte Methode basiert demgegenüber maßgeblich auf den in den Vorjahren erzielten Umsätzen, also auf nicht unmittelbar mit dem Bewertungsobjekt zusammenhängenden Umständen.

Die übliche Miete ist entgegen der Auffassung des Bekl. auch nicht gem. § 162 AO zu schätzen. Denn das insofern vorrangig anzuwendende materielle Bewertungsrecht sieht für den Fall, dass sich die übliche Miete nicht nach den Kriterien in § 146 Abs. 3 BewG ermitteln lässt, die Bewertung nach § 147 BewG vor. Für eine Schätzung der üblichen Miete gem. § 162 AO besteht somit keine Veranlassung. Dementsprechend ist die Bewertung im Streitfall gem. §§ 147, 148 BewG durchzuführen.

Da die Wertermittlung des Kl. den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen gem. §§ 147, 148 BewG entspricht und die Berechnungsgrundlagen unstreitig sind, war der Bedarfswert, wie vom Kl. beantragt, auf 719.000 DM festzusetzen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Wertermittlung verweist der Senat auf die zutreffende Berechnung des Kl.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Die Revision wurde zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zugelassen.

Ende der Entscheidung

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