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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 09.11.2007
Aktenzeichen: 9 K 2912/04 K, G
Rechtsgebiete: KStG 2002


Vorschriften:

KStG 2002 § 8b Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

9 K 2912/04 K, G

Tenor:

I.

Der Körperschaftsteuerbescheid für 2002 vom 10. November 2003 und die Gewerbesteuermessbescheide für 2001 und 2002, jeweils vom 21. November 2003, werden unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2004 in der Weise geändert, dass

1. statt der Pauschalbeträge von 443.509 DM (2001) bzw. 201.292 EUR (2002) lediglich die tatsächlichen Aufwendungen i.H.v. 624,67 DM (2001) bzw. 285,20 EUR (2002) als nichtabziehbare Betriebsausgaben behandelt werden;

2. die sich aus der Entscheidung zu 1. ergebende Minderung des Gewerbesteuer-Aufwands gegenläufig berücksichtigt wird.

II.

Das FA wird verpflichtet, den Körperschaftsteuerbescheid 2001 vom 18. November 2002 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2004 in der Weise zu ändern, dass

1. statt des Pauschalbetrags von 443.509 DM lediglich die tatsächlichen Aufwendungen i.H.v. 624,67 DM als nichtabziehbare Betriebsausgaben behandelt werden;

2. die sich aus der Entscheidung zu 1. ergebende Minderung des Gewerbesteuer-Aufwands gegenläufig berücksichtigt wird.

Die Neuberechnung wird dem Beklagten übertragen, der das Ergebnis der Klägerin unverzüglich formlos mitzuteilen und nach Rechtskraft der Entscheidung die Verwaltungsakte mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben hat.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die für Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften geltende Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 5% der Einnahmen (§ 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren 2001 und 2002 geltenden Fassung - KStG 2002 -) auch insoweit gegen die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der in den Streitjahren noch maßgebenden Fassung des Vertrags von Amsterdam vom 2. Oktober 1997, BGBl. II 1998, 386 - EGV 1997 -) verstößt, als es um Mehrheitsbeteiligungen an Gesellschaften aus solchen Staaten geht, die nicht der EU angehören (Drittstaaten).

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Gegenstand im Wesentlichen im Halten von Beteiligungen besteht. In den Streitjahren fielen bei ihr Dividendenerträge bzw. Beteiligungsaufwendungen wie folgt an:

 Erträge 2001Erträge 2002Aufwand 2001Aufwand 2002
XXX Procesa SA(Spanien)Beteiligung 92,55%555.300 EUR 277.650 EUR39,11 EUR 19,67 EUR
XXX (UK) Ltd.(Großbritannien)95%1.943.563,29 EUR1.013.732,77 EUR136,87 EUR 71,82 EUR
XXX S.p.A.(Italien)95%285.000 EUR 190.000 EUR 20,07 EUR 13,46 EUR
XXX USA Corp.(USA)100%1.751.390,72 EUR2.508.270,58 EUR123,34 EUR 177,69 EUR
XXX Electric Corp.(Taiwan)94,5%0 EUR 36.196,53 EUR0 EUR 2,56 EUR
Summe 4.535.254,01 EUR4.025.849,88 EUR319,39 EUR 285,20 EUR

Die Höhe und die Aufteilung der Beteiligungsaufwendungen ist zwischen den Beteiligten im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung unstreitig geworden.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) setzte die Körperschaftsteuer (KSt) für 2001 mit Bescheid vom 18. November 2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 465.985 DM fest. Dabei beließ es die Beteiligungserträge steuerfrei (§ 8b Abs. 2 KStG 2002), behandelte im Gegenzug aber 5% dieser Erträge (226.762,70 EUR / 443.509 DM) als nicht abziehbare Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 5 KStG 2002). Entsprechend setzte das FA den Gewerbesteuer-(GewSt-)Messbetrag für 2001 mit Bescheid vom 27. November 2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 4.285 DM fest.

Die Klägerin beantragte am 17. November 2003,

die Festsetzungen für 2001 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ändern.

Zur Begründung führte sie aus, die Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben verstoße gegen Europa- und Verfassungsrecht. Das FA erhöhte den GewSt-Messbetrag 2001 mit Bescheid vom 21. November 2003 aus Gründen, die zwischen den Beteiligten nicht im Streit sind, auf 4.675 DM. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 1. Dezember 2003 Einspruch ein. Das FA lehnte den Änderungsantrag am 8. Dezember 2003 ab. Hiergegen legte die Klägerin am 18. Dezember 2003 Einspruch ein.

Die KSt für das Streitjahr 2002 setzte das FA mit Bescheid vom 10. November 2003 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 241.606 EUR fest. Dabei ließ es Betriebsausgaben i.H.v. 201.292,49 EUR nicht zum Abzug zu. Am 21. November 2003 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ein entsprechender GewSt-Messbescheid für 2002 über 8.355 EUR. Gegen diese Festsetzungen legte die Klägerin am 17. November 2003 (KSt) bzw. 1. Dezember 2003 (GewSt-Messbetrag) Einspruch ein.

Am 3. Mai 2004 wies das FA die Einsprüche gegen die KSt-Festsetzung 2002 und die Festsetzungen der GewSt-Messbeträge für 2001 und 2002 sowie den Einspruch gegen die Ablehnung des Änderungsantrags zur KSt-Festsetzung 2001 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies es auf seine Bindung an das geltende Recht.

Im Klageverfahren verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beruft sich insbesondere auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. August 2006 I R 95/05 (BFHE 214, 504, BStBl. II 2007, 279), in dem der BFH in der Anwendung des § 8b Abs. 5 KStG 2002 auf (Mehrheits-)Beteiligungen aus EU-Mitgliedstaaten einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV 1997) und in der Anwendung auf Beteiligungen aus Drittstaaten einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gesehen hat.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

jeweils unter entsprechender Minderung des Gewerbesteuer-Aufwands

1. den KSt-Bescheid für 2002 vom 10. November 2003 und die GewSt-Messbescheide für 2001 und 2002 vom 21. November 2003 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2004 dahingehend zu ändern, dass statt der Pauschalbeträge von 443.509 DM (2001) bzw. 201.292 EUR (2002) lediglich die tatsächlichen Aufwendungen i.H.v. 624,67 DM (2001) bzw. 285,20 EUR (2002) als nichtabziehbare Betriebsausgaben behandelt werden,

2. das FA zu verpflichten, den KSt-Bescheid 2001 vom 18. November 2002 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2004 dahingehend zu ändern, dass statt des Pauschalbetrags von 443.509 DM lediglich die tatsächlichen Aufwendungen i.H.v. 624,67 DM als nichtabziehbare Betriebsausgaben behandelt werden,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA hat angekündigt, dem Klagebegehren - unter Gegenrechnung der tatsächlichen Beteiligungsaufwendungen - abhelfen zu wollen, soweit es um Beteiligungen an Gesellschaften in anderen EU-Mitgliedstaaten (hier: Spanien, Großbritannien, Italien) geht. Hinsichtlich der Aufwendungen aus Drittstaaten (hier: USA, Taiwan) beantragt es weiterhin,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung beruft es sich auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 21. März 2007 (BStBl. I 2007, 302). Danach sei das BFH-Urteil vom 9. August 2006 I R 95/05 (BFHE 214, 504, BStBl. II 2007, 279) zwar anzuwenden, soweit darin in der Anwendung des § 8b Abs. 5 KStG 2002 auf Beteiligungen an Gesellschaften in anderen EU-Mitgliedstaaten ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gesehen werde. Jedoch könne die Finanzverwaltung dem BFH insoweit nicht folgen, als dieser bei Beteiligungen an Gesellschaften aus Drittstaaten einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit angenommen habe. Denn nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) werde die Kapitalverkehrsfreiheit durch die - auf Drittstaaten nicht anwendbare - Niederlassungsfreiheit verdrängt, wenn die beschränkenden Wirkungen einer nationalen Norm auf die Kapitalverkehrsfreiheit nur eine zwangsläufige Folge der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit seien. Dies sei bei § 8b Abs. 5 KStG 2002 der Fall.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der KSt-Bescheid 2002 und die GewSt-Messbescheide 2001 und 2002 sind im Umfang ihrer Anfechtung rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Hinsichtlich der KSt-Festsetzung für 2001 hat das FA den Erlass des von der Klägerin begehrten Änderungsbescheids zu Unrecht abgelehnt (§ 101 Satz 1 FGO).

1. Soweit es um Aufwendungen im Zusammenhang mit den Beteiligungen in anderen Mitgliedstaaten der EU (Spanien, Großbritannien und Italien) geht, darf das pauschale Abzugsverbot des § 8b Abs. 5 KStG 2002 wegen eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit nicht angewendet werden. Zur Begründung verweist der Senat auf die BFH-Urteile vom 9. August 2006 I R 95/05 (BFHE 214, 504, BStBl. II 2007, 279, unter II.3.c) und vom 9. August 2006 I R 50/05 (BFHE 215, 93, unter III.3.), denen er sich insoweit in vollem Umfang anschließt. Diese rechtliche Beurteilung ist zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig.

2. Hinsichtlich der Aufwendungen im Zusammenhang mit den Beteiligungen in Drittstaaten (USA und Taiwan) darf § 8b Abs. 5 KStG 2002 wegen eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nicht angewendet werden (ebenso BFH-Urteil vom 9. August 2006 I R 95/05, BFHE 214, 504, BStBl. II 2007, 279, unter II.3.c bb bbb, betr. 50,01%-Beteiligung an einer Gesellschaft aus Südafrika).

a) Der sachliche Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ist eröffnet. Mit dem Erwerb von Anteilen an ausländischen Gesellschaften nimmt die Klägerin die Freiheit des Kapitalverkehrs in Anspruch.

Der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit wird hinsichtlich der Vorschrift des § 8b Abs. 5 KStG 2002 auch nicht durch den sachlichen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit - auf die sich die Klägerin hinsichtlich ihrer Beteiligungen in Drittstaaten nicht berufen könnte - verdrängt.

aa) Allerdings hat der EuGH - zeitlich nach Ergehen des BFH-Urteils vom 9. August 2006 I R 95/05 (BFHE 214, 504, BStBl. II 2007, 279) - seine Rechtsprechung zum Konkurrenzverhältnis zwischen der Kapitalverkehrsfreiheit einerseits und den anderen Grundfreiheiten andererseits erstmals auch auf Drittstaatenfälle angewendet, in denen die anderen Grundfreiheiten von vornherein nicht einschlägig waren (EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006 C-452/04, Slg. 2006, I-9521 - Fidium Finanz; EuGH-Beschluss vom 10. Mai 2007 C-492/04, DB 2007, 1283 - Lasertec).

Nach diesen Entscheidungen besteht kein genereller Vorrang der einen vor der anderen Grundfreiheit. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob unter den im Ausgangsverfahren gegebenen Umständen die eine Grundfreiheit hinter die andere zurück tritt (EuGH-Urteil in der Rs. Fidium Finanz, Rn. 34); dabei ist der Gegenstand der fraglichen nationalen Rechtsvorschrift zu berücksichtigen (EuGH-Beschluss in der Rs. Lasertec, Rn. 19).

In den von ihm bisher entschiedenen Einzelfällen hat der EuGH die Abgrenzung wie folgt vorgenommen:

Rs. Fidium Finanz: Hier ging es darum, ob die im deutschen Kreditwesengesetz (KWG) geregelte generelle Erlaubnispflicht für die Erbringung von Finanzdienstleistungen (insbesondere die Gewährung von Krediten an Konsumenten) gegen die Grundfreiheiten verstößt; Klägerin des Ausgangsverfahrens war ein schweizerisches Unternehmen. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass die einschlägigen Regelungen des KWG gerade dem Zweck dienen, die Erbringung von Dienstleistungen zu überwachen (Rn. 45). Daher sei hier ausschließlich die Dienstleistungsfreiheit, nicht aber die Kapitalverkehrsfreiheit anzuwenden, so dass sich die schweizerische Klägerin nicht auf den EG-Vertrag berufen konnte.

Rs. Lasertec: Hier ging es um § 8a KStG in der im Jahr 1995 geltenden Fassung. Diese Vorschrift war in ihrem Anwendungsbereich beschränkt auf wesentlich beteiligte Anteilseigner sowie solche Personen, die ein anderes Unternehmen beherrschen können. Dies ist zugleich aber der typische Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit, so dass der EuGH (Rn. 19, 22) hier einen Vorrang der Niederlassungsfreiheit vor der Kapitalverkehrsfreiheit annahm. Die ebenfalls schweizerische Klägerin konnte sich daher nicht auf den EG-Vertrag berufen.

Rs. Cadbury-Schweppes (EuGH-Urteil vom 12. September 2006 C-196/04, DB 2006, 2045): Diese Entscheidung ist zwar zu einem EU-internen Sachverhalt ergangen (Großbritannien / Irland); die darin enthaltenen Erwägungen können zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche der verschiedenen Grundfreiheiten aber gleichwohl herangezogen werden. Die im Ausgangsverfahren streitige Regelung betraf ausschließlich beherrschte Gesellschaften (Organgesellschaften), so dass der EuGH auch hier den typischen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit und damit das Zurücktreten der Kapitalverkehrsfreiheit annehmen konnte.

bb) Die im vorliegenden Streitfall einschlägige Regelung des § 8b Abs. 5 KStG 2002 ist hingegen nicht typischerweise oder hauptsächlich auf Sachverhalte anwendbar, die unter die Niederlassungsfreiheit fallen. Vielmehr greift sie - im Gegensatz zu den Regelungen über wesentliche Beteiligungen oder beherrschte Unternehmen - unabhängig vom Bestehen einer Mindestbeteiligungshöhe ein. Die Regelung ist - in Anknüpfung an § 8b Abs. 1 KStG 2002 - bereits dann anzuwenden, wenn der Inländer lediglich eine einzige Aktie an der ausländischen Gesellschaft besitzt oder nur mit einem Zwerganteil an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist.

Damit ist typischerweise nicht der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit, sondern der Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet. Denn "Dividenden aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft" (so § 8b Abs. 5 KStG 2002) fallen im Allgemeinen ausschließlich unter die Kapitalverkehrsfreiheit. Nur in dem Ausnahmefall, dass eine beherrschende Beteiligung gegeben ist, kann zusätzlich der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit gegeben sein. Dies führt aber nicht dazu, die Regelung des § 8b Abs. 5 KStG 2002 im Sinne der angeführten EuGH-Rechtsprechung dahingehend zu würdigen, dass sie hauptsächlich auf solche Sachverhalte zugeschnitten wäre, die unter die Niederlassungsfreiheit fallen (im Ergebnis ebenso Rehm/Nagler, GmbHR 2007, 776, 778, IStR 2007, 320, 322 und IStR 2007, 700, 702; Wellens, DStR 2007, 1852, 1856; Köhler/Tippelhofer, IStR 2007, 645, 649).

Der Senat vermag dem FA - das sich für seine Auffassung auf Hahn (DStR 2007, 201, 212) beruft, der letztlich zu dieser Frage aber nicht eindeutig Stellung bezieht - auch nicht darin zu folgen, dass bei der Abgrenzung zwischen den einzelnen Grundfreiheiten nicht (abstrakt) auf die typischen Wirkungen der diskriminierenden Vorschrift des nationalen Rechts abzustellen ist, sondern ausschließlich auf die Wirkungen im konkreten Sachverhalt. Denn nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH ist bei der Prüfung der Gegenstand der fraglichen nationalen Rechtsvorschrift zu berücksichtigen (EuGH-Beschluss in der Rs. Lasertec, Rn. 19). Dieser "Gegenstand" kann aber nur abstrakt - bezogen auf den typischen Anwendungsbereich der einschlägigen Rechtsvorschrift, nicht hingegen bezogen auf die (ggf. zufallsabhängigen) Auswirkungen im konkreten Streitfall - ermittelt werden (ebenso Dölker/Ribbrock, BB 2007, 1928, 1932; Prinz, FR 2007, 694; Rehm/Nagler, IStR 2007, 320, 321 und IStR 2007, 700, 702; Köhler/Tippelhofer, IStR 2007, 645, 646).

Zwar erwähnt der EuGH in seinem Urteil in der Rs. Fidium Finanz (Rn. 34) als Prüfungsmaßstab für die Abgrenzung zunächst die "im Ausgangsverfahren gegebenen Umstände" und die "Umstände des Einzelfalls". Aus dem weiteren Verlauf der Prüfung durch den EuGH (Rn. 44 ff.) wird aber deutlich, dass er dabei auf die allgemeinen Auswirkungen der im Einzelfall streitigen Regelung des nationalen Rechts abstellen will, es letztlich also auf den "Gegenstand der nationalen Rechtsvorschrift" ankommt.

Das gegenteilige Ergebnis würde zudem zu Wertungswidersprüchen führen. Denn danach könnte sich die Klägerin zwar auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen, wenn sie lediglich zu 49,99% an der Drittstaats-Gesellschaft beteiligt wäre (weil dann die Niederlassungsfreiheit von vornherein nicht einschlägig sein kann). Sie wäre jedoch europarechtlich nicht geschützt, wenn sie - unter sonst gleichen Umständen - zu 50,01% beteiligt wäre. Für ein solches Ergebnis wäre nach Auffassung des Senats keine Rechtfertigung ersichtlich (ebenso Rehm/Nagler, IStR 2007, 320, 321; Wellens, DStR 2007, 1852, 1855). Für das Argument des FA, derjenige, der in erster Linie von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch mache, dürfe europarechtlich größeren Beschränkungen unterworfen werden als derjenige, der sich nur auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen könne, ist in der bisherigen Rechtsprechung des EuGH kein Beleg ersichtlich. Zwar wäre der Gesetzgeber europarechtlich möglicherweise nicht daran gehindert, Sondervorschriften zu schaffen, deren Anwendungsbereich sich auf beherrschende Beteiligungen in Drittstaaten beschränkt. Im Regelungsbereich des § 8b Abs. 5 KStG 2002 existiert eine solche Sondervorschrift aber nicht; eine solche kann daher von der Rechtsprechung nicht zugrunde gelegt werden.

Dem FA ist allerdings zuzugeben, dass der EuGH im Urteil vom 24. Mai 2007 C-157/05 (IStR 2007, 441 - Holböck) die Abgrenzungsfrage im Ergebnis wohl nicht abschließend entschieden hat (a.A. - für eine Interpretation dahingehend, dass der EuGH die Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit hier tragend bejaht hat - Schönfeld, IStR 2007, 443; Köhler/Tippelhofer, IStR 2007, 645, 648). Ebenso wie im vorliegenden Fall war in der Rs. Holböck eine diskriminierende Norm zu beurteilen, die auf Dividendenerträge unabhängig von der Höhe der bestehenden Beteiligung anwendbar war. Der EuGH betonte zunächst nochmals, dass "auf den Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung abzustellen" ist (Rn. 22) und wies dann darauf hin, dass die Rs. Holböck im Unterschied zu den bisher entschiedenen Rechtssachen eine Regelung betreffe, deren Anwendungsbereich nicht allein auf solche Beteiligungen begrenzt sei, die einen sicheren Einfluss gewährten (Rn. 23). Anschließend nahm der EuGH eine umfangreiche Alternativprüfung sowohl der Niederlassungs- als auch der Kapitalverkehrsfreiheit vor (Rn. 24 - 43), die mit dem Ergebnis endete, dass keine dieser Grundfreiheiten im dort zu beurteilenden Fall einschlägig war. Danach lässt sich aber das Urteil in der Rs. Holböck im Ergebnis jedenfalls nicht als Beleg dafür heranziehen, dass der EuGH bei einer nationalen Regelung, die auf Dividendenerträge unabhängig von der Höhe der bestehenden Beteiligung anwendbar ist, nur deshalb auf eine Prüfung der Kapitalverkehrsfreiheit verzichten würde, weil im konkreten Einzelfall eine beherrschende Beteiligung besteht.

Anhaltspunkte, die gegen die vom Senat vertretene Auffassung sprechen könnten, lassen sich auch den EuGH-Urteilen vom 12. Dezember 2006 C-446/04 (Slg. 2006, I-11753 - Test Claimants in the FII Group Litigation, insbesondere Rn. 36 - 38, 80, 81) und vom 13. März 2007 C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, insbesondere Rn. 34) nicht entnehmen. Diesen Entscheidungen lagen jeweils Sammelklagen zahlreicher betroffener Unternehmen zugrunde, die Beteiligungen in sehr unterschiedlicher Höhe hielten. Schon wegen dieser "breit gestreuten" Sachverhalte konnte der EuGH seine Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit in diesen Entscheidungen nicht näher präzisieren.

Nach Auffassung des Senats kann sich die Klägerin im Streitfall daher trotz der Tatsache, dass sie auf ihre Beteiligungsgesellschaften in Drittstaaten einen beherrschenden Einfluss ausüben kann, auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen, weil § 8b Abs. 5 KStG 2002 nicht auf die Höhe der Beteiligung oder auf die Möglichkeit, einen beherrschenden Einfluss auszuüben, abstellt.

b) Im Streitfall liegt auch eine Beschränkung des Kapitalverkehrs vor. Wäre die Klägerin nicht an Gesellschaften aus Drittstaaten, sondern an inländischen Gesellschaften beteiligt, wären die Erträge aus diesen Beteiligungen zwar ebenfalls steuerfrei (§ 8b Abs. 2 KStG 2002); es würden aber keine nichtabziehbaren Betriebsausgaben in Höhe von 5% der steuerfreien Erträge fingiert. Denn im Inlandsfall wären nur die tatsächlichen Beteiligungsaufwendungen - die bei der Klägerin weit unterhalb der gesetzlichen 5%-Fiktion liegen - gemäß § 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom Abzug ausgeschlossen.

c) Der Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt steht auch die Vorschrift des Art. 57 Abs. 1 EGV 1997 nicht entgegen. Danach sind im Verhältnis zu Drittstaaten Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit, die am 31. Dezember 1993 bereits bestanden haben, auch weiterhin zulässig. Indes hat am 31. Dezember 1993 im deutschen Steuerrecht keine dem § 8b Abs. 5 KStG 2002 vergleichbare Regelung bestanden.

d) Die Diskriminierung kann nicht auf europarechtlich tragfähige Rechtfertigungsgründe gestützt werden. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses für eine unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen mit unterschiedlichem Kapitalanlageort (vgl. Art. 58 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 EGV 1997) sind nicht gegeben (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 2006 I R 95/05, BFHE 214, 504, BStBl. II 2007, 279, unter II.3.c bb bbb). Sonstige Rechtfertigungsgründe greifen ebenfalls nicht durch.

e) Die europarechtlich gebotene Nichtanwendung des § 8b Abs. 5 KStG 2002 wirkt sich über § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes entsprechend auf die Ermittlung des Gewerbeertrags aus.

3. Ob anstelle des pauschalen Abzugsverbots des § 8b Abs. 5 KStG 2002 das an die tatsächlichen Beteiligungsaufwendungen anknüpfende allgemeine Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG anzuwenden ist (offen gelassen in den BFH-Urteilen vom 9. August 2006 I R 95/05, BFHE 214, 504, BStBl. II 2007, 279, unter II.4., und vom 9. August 2006 I R 50/05, BFHE 215, 93, unter III.5.b), braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden. Denn der von der Klägerin gestellte Antrag sieht vor, die tatsächlichen Beteiligungsaufwendungen nach § 3c Abs. 1 EStG gegenzurechnen.

Ebensowenig braucht der Senat zu entscheiden, ob sich die pauschale Fiktion und Nichtabzugsfähigkeit von Betriebsausgaben auch auf Dividenden aus solchen Beteiligungen erstreckt, auf die zugleich ein abkommensrechtliches Schachtelprivileg Anwendung finden würde (vgl. auch dazu BFH-Urteil vom 9. August 2006 I R 50/05, BFHE 215, 93, unter II.5.b, mit weiteren Nachweisen).

Die Entscheidung des Senats führt zu einer Minderung des Gewerbesteueraufwands der Klägerin. Dies ist bei der Ermittlung der geänderten Festsetzungen der KSt und der GewSt-Messbeträge gegenläufig zu berücksichtigen. Die Berechnung der Höhe der Steuer- und Messbetragsfestsetzungen wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

4. Hinsichtlich des GewSt-Messbetrags 2001 handelt es sich vorliegend um eine Anfechtungsklage. Zwar hatte die Klägerin ursprünglich auch insoweit lediglich einen Antrag auf Änderung der formell bereits bestandskräftigen Festsetzung gestellt. Während des Verfahrens über den Änderungsantrag hat das FA aber einen Änderungsbescheid erlassen, den die Klägerin mit dem Einspruch angefochten hat. Dieser Einspruch hat eine Änderungsbefugnis in vollem Umfang eröffnet, weil die Festsetzung noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand (vgl. § 351 Abs. 1 Halbsatz 2 AO 1977).

5. Der Senat übt sein ihm durch Art. 234 Abs. 2 EGV eingeräumtes Ermessen dahingehend aus, keine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Denn der EuGH hat bereits in der Rs. Lasertec (Rn. 15) ohne Schlussanträge des Generalanwalts durch Beschluss entschieden, weil er der Auffassung war, die Antwort auf die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage (Abgrenzung zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit) klar aus seiner bisherigen Rechtsprechung ableiten zu können.

Hingegen hatte der BFH noch keine Gelegenheit, sich zu den Auswirkungen der neueren EuGH-Rechtsprechung auf seine bisherige Rechtsprechung zu § 8b Abs. 5 KStG 2002 zu äußern. Aus diesem Grunde wird die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.

6. Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beruht auf § 90 Abs. 2 FGO, die Kostenentscheidung auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.



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