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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 29.03.2006
Aktenzeichen: 1 K 652/02
Rechtsgebiete: EStG, DMBilG, HGB


Vorschriften:

EStG § 5 Abs. 1
HGB § 243 Abs. 1
HGB § 246 Abs. 1
DMBilG § 16 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In der Rechtssache

hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Senat, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom29. März 2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ... als Vorsitzenden, der Richterin am Finanzgericht ... und des Richters am Amtsgericht ... sowie der ehrenamtlichen Richterin ... und des ehrenamtlichen Richters ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Hinsichtlich des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag 1991, des Bescheides über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1991, des Bescheides über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1991 und des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 1991 wird das Verfahren eingestellt.

Abweichend vom Körperschaftsteuerbescheid für 1992 vom 27. April 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2002 wird das zu versteuernde Einkommen um 428.718,00 DM niedriger festgestellt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens bis zum 30. Januar 2006 zu 13/50 und die Klägerin zu 37/50, danach werden sie dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt bis zum 30. Januar 2006 83.277,29 EUR und danach 21.919,59 EUR.

Tatbestand:

Streitig ist die steuerrechtliche Beurteilung des erklärten Ertrags aus der Auflösung der Zinsverbindlichkeiten für Altkredite im Jahr 1992.

Die Klägerin ist eine Genossenschaft, die sich mit der gemeinschaftlichen Erzeugung und dem Absatz von landwirtschaftlichen Erzeugnissen befasst.

Die Klägerin entstand durch Zusammenschluss gem. § 14 Landwirtschaftsanpassungsgesetz der LPG "...", M. und der LPG "...", J. zur LPG Agrargenossenschaft J. und anschließendem Formwechsel zur Agrargenossenschaft J. e. G.

Die Gründungsversammlung fand am 07.12.1991 statt, am selben Tag wurde die Satzung angenommen. Mit notarieller Urkunde vom 12.12.1991 wurde die Eintragung in das Genossenschaftsregister beantragt, die Eintragung erfolgte am 24.01.1992.

Der Vertrag über den Zusammenschluss der LPG "...", J. sowie der LPG "...", M. datiert von Oktober 1991. Darin vereinbaren die beiden LPG'n, dass sie unter Auflösung ohne Abwicklung im Wege der Bildung einer neuen LPG zusammengeschlossen werden, auf die das Vermögen jeder der vorgenannten LPG'n als Ganzes gegen Gewährung der Mitgliedschaft der übernehmenden LPG an die Mitglieder der übertragenden LPG'n übergeht.

Die Klägerin übernahm Altverbindlichkeiten aus der Zeit vor dem 01.07.1990 von der LPG "...", J. sowie der LPG "...", M.. Diese Verbindlichkeiten bestanden gegenüber der DG Bank und der Raiffeisen/Volksbank und betrugen am 01.07.1990 einschließlich bis dahin aufgelaufener Zinsen 4.686.735,80 DM (vgl. dazu Rangrücktrittsvereinbarungen, Bl. 122, Bl. 154 StrA.).

Mit diesen Banken schloss die Klägerin am 27.08.1992 bzw. am 05.08.1992 Rangrücktrittsvereinbarungen (RRV). Danach sollten die Altverbindlichkeiten nur aus Jahresüberschüssen, einem Liquidationsüberschuss sowie aus Verkaufserlösen betrieblich nicht benötigter Anlagegüter lt. Anlage 2 RRV bedient werden.

Desweiteren wurde die Klägerin durch die Treuhandanstalt i. H. v. 1.722.500,00 DM in zwei Raten entschuldet.

In Ergänzung zu den RRV vereinbarte die Klägerin mit den Banken im Jahre 1993, dass die abzuführenden Veräußerungserlöse unter bestimmten Umständen gemindert werden können, soweit Abfindungsansprüche ausgeschiedener Mitglieder bestehen.

In den RRV heißt es u.a wörtlich:

"1. Die Bank tritt mit der Gesamtheit der in der Anlage 1 Spalte 6 bezeichneten Altforderungen bzw. Altforderungsteilen nebst Zinsen - vorbehaltlich Abs. 5 - hinter die Forderungen aller anderen gegenwärtigen und künftigen Gläubiger in der Weise zurück, dass die Kapitalforderung nebst bestehenden und künftigen Zinsansprüchen nur aus sonst entstehenden Jahresüberschüssen, einem Liquidationsüberschuss sowie aus Erlösen aus dem Verkauf betrieblich nicht benötigter Anlagegüter, wozu sich der Kreditnehmer hiermit gleichzeitig verpflichtet, zu bedienen sind ...

3. Der unter Nr. 1 vereinbarte Rangrücktritt entfällt und die ursprüngliche Gesamtforderung nebst Zinsen ist von der Bank vorbehaltslos wieder geltend zu machen bzw. vom Kreditnehmer als Verpflichtung zu bilanzieren, wenn der Kreditnehmer gegen eine der unter Nr. 1 und 2 übernommenen Verpflichtungen verstößt ...

6. Mit Abschluss dieser Vereinbarung verlieren die den Altkreditforderungen zugrunde liegenden Zins- und Tilgungsvereinbarungen ihre Gültigkeit, ohne dass das Kreditverhältnis im Übrigen aufgehoben wird.

Die im Range zurückgetretene Altforderung ist aus Zahlungen nach Nr. 1 zu verzinsen. Zahlungen des Kreditnehmers auf Verpflichtungen nach Nr. 1 werden in einen Zins- und einen Tilgungsanteil aufgegliedert. Zu diesem Zweck wird die Kapitalforderung einschließlich aufgelaufener Zinsen per 01.07.1990 (Altforderung) zum vereinbarten Marktzins, ab dem auf das Wirksamwerden des Rangrücktritts folgenden Quartal abweichend vom vereinbarten Zins verzinst ..." .

In den Steuerbilanzen ab 31.12.1992 passivierte die Klägerin die Altverbindlichkeiten insoweit in einer Rückstellung, als sie aus Verkaufserlösen lt. Anlage 2 RRV zu bedienen waren. Die Rückstellung belief sich auf einen Betrag von 511.750,00 DM. Die übrigen Altverbindlichkeiten in Höhe von 3.648.261,90 DM stellte die Klägerin in eine Sonderrücklage ein, die als Sonderrücklage gem. "§ 16 Abs. 4 DMBilG" bezeichnet wurde.

Die auf die Altverbindlichkeiten zwischen dem 01.07.1990 und dem Abschluss der RRV entfallenden Zinsen beliefen sich auf 428.718,69 DM. Die Klägerin buchte zum 31.12.1992 diese Zinsverbindlichkeiten aus und behandelte den daraus resultierenden Ertrag als steuerfreien Sanierungsgewinn.

Für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1997 führte das Finanzamt bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Die Prüfungsanordnungen datierten vom 26.04.1999 und 09.06.1999.

Im Rahmen der Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens 1992 der Steuerbilanzgewinn der Klägerin nicht um die ausgebuchten Zinsverbindlichkeiten zu mindern sei. Die Altverbindlichkeiten bei Rangrücktritt seien entsprechend dem BMF-Schreiben vom 01.07.1997 IV B 2-S 1901-46/97 zu behandeln. Der Ansatz von Zinsverbindlichkeiten richte sich nach der bilanziellen Behandlung der Hauptschuld. Die fraglichen Zinsen würden Altkredite betreffen, welche nach der RRV nur aus zukünftigen Gewinnen oder Liquidationsüberschüssen getilgt werden könnten. Diese Zinsverbindlichkeiten dürften nicht angesetzt werden.

Der Beklagte schloss sich den Feststellungen der Außenprüfung an und erließ am 27.04.2000 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1992, in dem der Steuerbilanzgewinn nicht um die ausgebuchte Zinsverbindlichkeit gemindert wurde. Die festgesetzte Körperschaftsteuer 1992 beträgt Null DM.

Gegen diesen Bescheid richtet sich der am 05.05.2000 beim Finanzamt eingegangene Einspruch der Klägerin.

Mit Einspruchsentscheidung vom 30. September 2002 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Auf die Gründe der Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

Am 04. November 2002 hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung trägt sie vor,

entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten seien die Zinsverbindlichkeiten nicht gewinnerhöhend aufzulösen.

Eine RRV, nach der eine Darlehensverbindlichkeit nur zu Lasten von Gewinnen aus einem Liquidationsüberschuss oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten des Darlehensnehmers übersteigenden Vermögen bedient zu werden bräuchte, führe nicht zur gewinnerhöhenden Auflösung der Verbindlichkeit (BFH-Urteil vom 30.03.1993 IV R 57/91, BStBl II 1993, 502).

Die Grundsätze zur Passivierung von Verbindlichkeiten in der Handelsbilanz würden sich aus § 246 HGB ergeben. Der Ansatz in der Steuerbilanz folge zunächst dem Ansatz in der Handelsbilanz aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips der Handelsbilanz für die Steuerbilanz.

Weder aus dem DMBilG noch aus der RRV sei ersichtlich, warum die Zinsen, die vor dem 01.07.1990 bis zum Abschluss der RRV entstanden und nicht erlassen worden seien, nicht zu passivieren seien.

Für eine mit einem Rangrücktritt behaftete Schuld, hier die Zinsen ab dem 01.07.1990 gelte, dass sie so lange zu passivieren sei, bis die allgemeinen Erlöschungsgründe des BGB für Erfüllung, Aufrechnung, Erlass und befreiende Schuldübernahme erfüllt seien. Aus Gründen des Vorsichtsprinzips nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB dürfe selbst ein bedingter Verbindlichkeitserlass erst ertragswirksam ausgebucht werden, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit der Inanspruchnahme zu rechnen sei. Dies sei regelmäßig nur zum Zeitpunkt des Eintritts der Erlassbedingung der Fall. Zudem blieben die Sicherungsrechte des Gläubigers vom Rangrücktritt unberührt.

Es gebe nunmehr drei Varianten zur Behandlung der Zinsen für Altkredite:

1.) Die Auflösung der Zinsverbindlichkeit sei zutreffend, obwohl kein Erlass vorliege.

2.) Laut Urteil des Finanzgerichtes des Landes Brandenburg vom 10. März 2004 (EFG 2004, 1440) würden die Rückstellungen bestehen bleiben, weil kein Erlass vorliege.

3.) Nach Auffassung eines anderen Finanzamtes in Mecklenburg-Vorpommern seien Zinsverbindlichkeiten, die auf Altkredite entfallen würden, nur dann und insoweit zu passivieren, als sie aus dem voraussichtlichen Erlös aus der Veräußerung des nicht betriebsnotwendigen Anlagevermögens (Anlage 2 zu RRV) zu tilgen seien.

Im Streitfall würden die Rückstellungen für Altkredite zum 31.12.1992 834.866,00 DM betragen. Nach der Aufteilungsformel wäre bei einem unterstellten Verrechnungszinssatz von 8 % eine Zinsverbindlichkeit von 139.144,000 DM zu passivieren.

Die Klägerin beantragt,

abweichend vom Körperschaftsteuerbescheid für 1992 vom 27. April 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2002 das zu versteuernde Einkommen um 428.718,00 DM wegen Zinsverbindlichkeiten niedriger festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor,

hinsichtlich der Körperschaftsteuer für 1992 sei noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Art. 97 a § 3 EGAO verlängere die Festsetzungsfrist abweichend von § 169 Abs. 2 AO für die zwischen dem 30.06.1990 und 01.01.1993 entstandenen Steuern vom Einkommen bestimmter in § 1 DMBilG aufgezählter Steuerpflichtiger. Die Festsetzungsfrist für die zwischen dem 30.06.1990 und dem 01.01.1993 entstandenen Steuern vom Einkommen der betroffenen Steuerpflichtigen betrage 6 Jahre statt der in § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO vorgesehenen 4 Jahre. Die Klägerin zähle zu den Steuerpflichtigen, die in § 1 DMBilG aufgezählt worden seien und ihren Sitz in der DDR gehabt hätten. Die sechsjährige Verjährungsfrist gem. Art. 97 a § 3 EGAO sei im Zeitpunkt der Änderung des Körperschaftsteuerbescheides 1992 am 27.04.2000 noch nicht abgelaufen gewesen, da die Körperschaftsteuererklärung 1992 am 30.03.1994 beim Finanzamt eingereicht worden sei.

Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens 1992 sei der Steuerbilanzgewinn zu Recht nicht um die ausgebuchten Zinsverbindlichkeiten gemindert worden.

Die Altverbindlichkeiten bei Rangrücktritt seien entsprechend der OFD Verfügung R. am 14.03.2002, mit Bezug auf das BMF-Schreiben vom 01.07.1997 IV B 2-S 1901-46/97, zu behandeln. Hiernach richte sich der Ansatz von Zinsverbindlichkeiten nach der bilanziellen Behandlung der Hauptschuld. Die fraglichen Zinsen von 428.718,00 DM würden Altkredite betreffen, welche nach der RRV nur aus zukünftigen Gewinnen oder Liquidationsüberschüssen getilgt werden könnten. Die Passivierung dieser Zinsverbindlichkeiten komme insoweit nicht in Betracht.

Verbindlichkeiten, die nur aus zukünftigem Gewinn oder Liquidationsüberschüssen zu begleichen seien, würden das vorhandene Vermögen nicht belasten. Sie seien deshalb bereits nach allgemeinen bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen nicht zu passivieren. Die Regelung des § 16 Abs. 3 DMBilG trage lediglich diesem allgemeinen Grundsatz Rechnung.

Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 66 EStG i. d. Fassung des Streitjahres finde keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift sei allein ein Erlass im Sinne des § 397 BGB, der sich auf bereits bestehende Ansprüche des Gläubigers (Hauptschuld) beziehe, begünstigt. Ein bloßer Rangrücktritt bewirke keinen Schuldenerlass im Sinne von § 397 BGB.

Das von der Klägerin zitierte Urteil des Finanzgerichtes Brandenburg sei nicht einschlägig. Die Klägerin hätte von vornherein keinen Passivposten bilden dürfen. Nur dieser sei vom Finanzamt rückgängig gemacht worden.

Mit Schriftsatz vom 10.07.2003 hat die Klägerin die Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1991 und mit Schriftsatz vom 27.01.2006 die Klage gegen die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 1991, die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes, die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 KStG zum 31.12.1991 und die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1991 zurückgenommen.

Dem Gericht lagen zur Entscheidung ein Bd. Körperschaftsteuerakten, 1 Bd. VEK-Akten, 1 Bd. Umsatzsteuerakten, 1 Bd. Gewerbesteuerakten, 1 Bd. Bilanzakten, 1 Bd. Betriebsprüfungsakten, 1 Bd. Dauerbelegakten, 1 Bd. Einspruchsakten, sowie BP-Handakten (Bd. 1 bis 3) zur Entscheidung vor.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Dies gilt ungeachtet dessen, dass in dem angegriffenen Körperschaftsteuerbescheid vom 27.04.2000 die Körperschaftsteuer 1992 auf 0,00 DM festgesetzt wurde. Zwar ist grundsätzlich eine Anfechtungsklage gegen einen auf 0,00 DM lautenden Steuerbescheid unzulässig (vgl. Gräber/von Groll, 5. Aufl., § 40 Rz. 88 m. w. N.), etwas anderes gilt jedoch bei einem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid, wenn der Antrag der Klägerin auf den Ansatz eines anderweitigen Einkommens gerichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1988 I R 188/84, BStBl II 1988, 683). Denn der Körperschaftsteuerbescheid ist gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 1 und 3 KStG a. F. Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG a. F. und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, da der angegriffene Körperschaftsteuerbescheid das zu versteuernde Einkommen auf minus 2.250,00 DM feststellt und das zu versteuernde Einkommen lt. Klagantrag um 428.718,00 DM wegen Zinsverbindlichkeiten niedriger festzustellen ist (vgl. z. B. auch FG Köln, EFG 2005, 1623)

Die Klage ist auch begründet.

Der Körperschaftsteuerbescheid für 1992 vom 27. April 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte war nicht berechtigt, den Steuerbilanzgewinn zum 31.12.1992 um die ausgebuchte Zinsverbindlichkeit von 428.718,00 DM zu erhöhen.

Die Klägerin durfte die streitigen Zinsverbindlichkeiten in Höhe von 428.718,00 DM mangels Schulderlass zwar nicht als steuerfreien Sanierungsgewinn gemäß § 3 Nr. 66 EStG i. d. F. des Streitjahres behandeln. Dies ist im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens auch unstreitig geworden.

Die Klägerin war jedoch nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung verpflichtet, in ihrer Bilanz zum 31.12.1992 die betrieblich begründeten Zinsverbindlichkeiten auszuweisen (vgl. dazu Urteil des FG Brandenburg vom 10. März 2004, 4 K 2660/00, EFG 2004, 1440) .

Die Passivierung einer Verbindlichkeit setzt gemäß §§ 243 Abs. 1, 246 Abs. 1 Handelsgesetzbuch - HGB -, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG voraus, dass die Verbindlichkeit auf die Erbringung betrieblichen Aufwands gerichtet ist. Kreditzinsen sind betrieblich veranlasst, wenn sie für eine betriebliche Schuld geleistet werden. Für die Passivierung einer Verpflichtung zur Leistung von Zinsen ist daher Voraussetzung, dass die zugrundeliegende Hauptschuld am maßgeblichen Bilanzstichtag besteht und als Betriebsvermögen zu passivieren ist (BFH-Beschluss vom 30.01.2002 I R 48/00, BFH/NV 2002, 1132). Die der streitigen Zinsverpflichtung der Klägerin zugrunde liegenden Altkredite entsprechen diesen Voraussetzungen.

Die Klägerin hat zwar in der Steuerbilanz zum 31.12.1992 die Altverbindlichkeiten lediglich insoweit in einer Rückstellung passiviert als sie aus Verkaufserlösen lt. Anlage 2 RRV zu bedienen waren (hier: ein Betrag von 511.750,00 DM) und die übrigen Altverbindlichkeiten in Höhe von 3.648.261,90 DM in eine Sonderrücklage gem. § 16 Abs. 3 DMBilG (irrtümlich in der Bilanz als "§ 16 Abs. 4" D-Markbilanzgesetzes - DMBilG - bezeichnet) eingestellt.

Die - teilweise - Einstellung der Altkredite in eine Sonderrücklage gem. § 16 Abs. 3 DMBilG steht einer Passivierung der auf die Altschulden entfallenden Kreditzinsen nicht entgegen. Nach Auffassung des Senats sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 3 DMBilG nicht erfüllt.

Gem. § 16 Abs. 3 DMBilG sind Verbindlichkeiten nicht in die Eröffnungsbilanz aufzunehmen, wenn eine schriftliche Erklärung des Gläubigers vorliegt, dass er Zahlung nur verlangen wird, soweit die Erfüllung aus dem Jahresüberschuss möglich ist und im Falle der Auflösung, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens hinter alle Gläubiger zurücktritt, die eine solche Erklärung nicht abgegeben haben.

Im Streitfall liegt keine schriftliche Erklärung der Gläubiger der Altkredite vor, Zahlungen auf die Altkredite nur zu verlangen, soweit die Erfüllung aus dem Jahresüberschuss möglich ist. Denn sowohl die DG Bank als auch die Raiffeisenbank hatten mit der Klägerin einen Rangrücktritt in der Weise vereinbart, dass die Kapitalforderung sowohl aus den Jahresüberschüssen als auch aus einem Liquidationsüberschuss und auch aus den Erlösen aus dem Verkauf betrieblich nicht benötigter Anlagegüter zu bedienen seien. Es bestand somit eine Vermögensbelastung durch die Altkredite fort, der die Klägerin durch den Ansatz eines entsprechenden Passivpostens hätte Rechnung tragen müssen.

Die im Streitjahr 1992 abgeschlossenen Rangrücktrittsvereinbarungen mit der Raiffeisenbank sowie der DG-Bank führen auch nicht teilweise zur gewinnerhöhenden Auflösung der streitigen Zinsverbindlichkeit.

Eine betrieblich begründete Verbindlichkeit muss in der Handelsbilanz und Steuerbilanz ausgewiesen werden, solange nicht der Gläubiger dem Schuldner aus betrieblicher Veranlassung die Schuld gemäß § 397 BGB erlässt oder sich ergibt, dass die Verbindlichkeit aus sonstigen Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt zu werden braucht (BFH-Urteil vom 30. März 1993 IV R 57/91, BStBl II 1993, 502). Danach steht dem Ausweis der von der Klägerin in die Sonderrücklage gem. § 16 Abs. 3 DMBilG eingestellten Altkredite als Verbindlichkeit nicht entgegen, dass zwischen der Klägerin und den Banken eine Rangrücktrittsvereinbarung abgeschlossen worden ist, wonach die Banken mit der Gesamtheit der in der RRV bezeichneten Altforderungen bzw. Altforderungsteilen nebst Zinsen hinter die Forderungen aller anderen gegenwärtigen und künftigen Gläubiger in der Weise zurücktreten, dass die Kapitalforderung nebst bestehenden und künftigen Zinsansprüchen nur aus sonst entstehenden Jahresüberschüssen, einem Liquidationsüberschuss sowie aus Erlösen aus dem Verkauf betrieblich nicht benötigter Anlagegüter zu bedienen sind.

Ein so vereinbarter Rangrücktritt führt nach der Rechtsprechung des BFH nicht zum Erlöschen der Schuld (vgl. dazu BFH-Urteil v. 20.10.2004 I R 11/03, BStBl II 2005, 581).

Die Klägerin blieb vielmehr unverändert verpflichtet, auch weiterhin die Schuld aus künftig von ihr erwirtschafteten Gewinnen, einem Liquidationsüberschuss sowie aus Erlösen aus dem Verkauf betrieblich nicht benötigter Anlagegüter zu bedienen. Damit stellt sich die Rangrücktrittsvereinbarung aus der Sicht der Klägerin als Vereinbarung dar, die lediglich zu einer veränderten Rangordnung, nicht hingegen zu einer Minderung ihrer Verbindlichkeiten insgesamt führte. Diese sind daher weiterhin bilanziell auszuweisen (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 5 Rn. 550, Stichwort "Gesellschafterfinanzierung, (3) Rangrücktritt", m. w. N.; Schreiber in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 2005, § 5 EStG Rn. 920, Stichwort "Rangrücktritt", m. w. N.).

Der vereinbarte Rangrücktritt rechtfertigt auch nicht die Annahme, die Verbindlichkeit müsse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden. Zweck einer Rangrücktrittsvereinbarung wie vorliegend ist regelmäßig, den Ausweis einer Überschuldung im handels- und konkursrechtlichen Sinne zu vermeiden (BFH-Urteil v. 30. März 1993 IV R 57/91, BStBl II 1993, 502). Damit ist die Möglichkeit einer späteren Geltendmachung der Forderung jedenfalls nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.

Durch den Rangrücktritt haben die Raiffeisenbank sowie die deutsche Genossenschaftsbank nämlich gerade nicht auf ihre Forderungen verzichtet, sondern in der Erwartung der Behebung der Krise ihrer Schuldnerin mit dieser Vereinbarungen getroffen, die eine spätere Geltendmachung der Forderungen (der Altkredite einschließlich der Zinsen) ermöglichen. Die Prognose, dass die Voraussetzungen für eine spätere Geltendmachung der Forderung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eintreten werden, ist im Streitfall nicht möglich.

Zwar betrug der Buchwert des nicht betriebsnotwendigen Anlagevermögens, aus dessen Verkauferlösen die Altkredite zu tilgen waren, lt. Anlage 2 zur RRV lediglich 516.556,00 DM. Aus der Tatsache, dass die Buchwerte des in der Anlage 2 zur RRV verzeichneten nicht betriebsnotwendigen Anlagevermögens niedriger waren als die Altkredite (ohne darauf entfallende Zinsverbindlichkeiten) ist jedoch nicht zu schließen, dass die auf die Altkredite entfallenden Zinsen ganz oder teilweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht getilgt werden konnten. Denn die Klägerin war gem. Ziffer 1 der RRV nicht nur verpflichtet, die Altkredite aus dem Verkauferlös der in der Anlage 2 der RRV aufgeführten nicht betriebsnotwendigen Wirtschaftsgüter zu bedienen, sondern sie war ebenfalls verpflichtet, weitere Wirtschaftsgüter, die nach Abschluss der RRV betrieblich nicht mehr benötigt werden, zur Tilgung der Altverbindlichkeiten zu verwenden. Desweiteren bestand auch die Möglichkeit, dass die ursprüngliche Gesamtforderung nebst Zinsen von den Banken wieder geltend gemacht wird, wenn die Klägerin gegen eine der unter Nr. 1 und 2 der RRV übernommenen Verpflichtungen verstößt (vgl. dazu Ziffer 3 RRV).

Soweit das Bundesministerium der Finanzen in seinem Schreiben vom 01.07.1997 den Ansatz der Zinsverbindlichkeiten einschränkt für den Fall, dass der voraussichtliche Veräußerungserlös zur Bedienung der Zinsen nicht ausreicht und die Zinsen daher nur aus künftigen Gewinnen oder Liquidationsüberschüssen gezahlt werden können (vgl. BMF-Schreiben vom 01.07.1997 IV B2-S-1901-46/97, DStR 1997, 1574), führt diese Rechtsauffassung nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des Streitfalls. Eine - teilweise - gewinnerhöhende Auflösung der Zinsverbindlichkeiten kommt nach Auffassung des Senats nach dem BMF-Schreiben vom 1.07.1997 nicht in Betracht. Denn eine lt. BMF-Schreiben erforderliche Prognose, dass die Zinsverbindlichkeiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aus den Verkaufserlösen des nicht betriebsnotwendigen Anlagevermögens getilgt werden konnten, konnte zum Bilanzstichtag 31.12.1992 aus den oben dargestellten Gründen nicht abgegeben werden.

Folglich war die streitige Zinsverbindlichkeit weiterhin zu passivieren und der Steuerbilanzgewinn zum 31.12.1992 nicht um die ausgebuchte Zinsverbindlichkeit von 428.718,00 DM zu erhöhen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 136 Abs. 2, 135 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit der entsprechenden Anwendung von §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Die Streitwertfestsetzung bestimmt sich nach den §§ 25, 13 Abs. 1 Gerichtskostengesetz a. F. - GKG -. Dabei ist der Senat für die Körperschaftsteuer 1992 von 21.919,59 EUR (= 10 v. H. von 428.718 DM), beim Gewerbesteuermessbescheid 1991 sowie der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 KStG zum 31.12.1991 jeweils von 4.000,00 EUR, bei der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1991 von 20.412,10 EUR (= 10 v. H. von 399.226,00 DM) und bei der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1991 von 32.945,86 EUR (= 10 v. H. von 644.365,00 DM) ausgegangen.

Ende der Entscheidung

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