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Gericht: Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 11.11.2004
Aktenzeichen: 2 K 419/02
Rechtsgebiete: UStG 1991


Vorschriften:

UStG 1991 § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG 1991 § 10 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In der Rechtssache

wegenUmsatzsteuer 1992

hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 2. Senat, aufgrund der mündlichen Verhandlung am 11. November 2004 unter Mitwirkung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt 608.432,00 EUR.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, inwieweit die Klägerin Investitionskostenzuschüsse, die sie von den Kommunen für Investitionen im Abwasserbereich erhalten hat, der Umsatzbesteuerung unterwerfen muss.

Die Klägerin ist aus dem ehemaligen VEB hervorgegangen und betrieb im Streitjahr 1992 in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ein Unternehmen, das u. a. die Entsorgung von Abwasser auf dem Gebiet des ehemaligen Bezirkes zum Gegenstand hatte.

Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war bis zum 21.10.1992 die Treuhandanstalt. Mit notariellem Vertrag vom 22.10.1992 trat die Treuhandanstalt sämtliche Geschäftsanteile an die Vereinigung der kommunalen Anteilseigner der unentgeltlich ab. Dieser Verein wurde am 01.03.1991 gegründet und hatte zum Ziel, die Klägerin zu entflechten. Mitglieder des Vereins waren die Kommunen auf dem Gebiet des ehemaligen Bezirkes, auf die das Vermögen der Klägerin in Form von notariellen Teilbetriebsübertragungsvorgängen übertragen werden sollte.

Die Klägerin wurde gemäß Beschluss der Hauptversammlung vom 03.12.1992 mit Wirkung zum 01.01.1993 aufgelöst und befindet sich seitdem in Liquidation.

In den Jahren 1990 bis 1993 erhielten die Kommunen für Investitionen im Abwasserbereich u. a. vom Umweltministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern Fördermittel auf Grund von Zuwendungsbescheiden (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 17.11.2003).

Unter ausdrücklichem Hinweis auf die Zuwendungsbescheide schlossen die Kommunen mit der Klägerin sog. Projektträgervereinbarungen ab, in denen die Klägerin als Projektträgerin für die in Aussicht genommene Investition eingesetzt wurde. Die Klägerin hatte die Baumaßnahme danach zwar im Einvernehmen mit den Kommunen, aber ansonsten selbständig im eigenen Namen durchzuführen. Hierfür erhielt sie von den Kommunen die in den Zuwendungsbescheiden bewilligten Fördermittel; die restlichen Kosten (ca. 50 - 70% der Gesamtkosten) hatte die Klägerin selbst zu tragen.

Ausweislich der Projektträgervereinbarungen mit der Klägerin wollten die - nicht vorsteuerabzugsberechtigten - Kommunen durch die Beauftragung der Klägerin eine "kostengünstigere Abwicklung" der abwasserwirtschaftlichen Investitionen erreichen. Dies sollte dadurch geschehen, dass die als Projektträgerin eingesetzte Klägerin "berechtigt (war), die Mehrwertsteuer gegenüber dem Finanzamt als Vorsteuer geltend zu machen." Damit sollten sich "die zuwendungsfähigen Kosten und der Eigenanteil der Stadtverwaltung in Höhe der Mehrwertsteuer ... verringern".

Im Streitjahr 1992 erhielt die Klägerin von den Kommunen ihres Versorgungsgebietes Zuschüsse für den Ausbau der Abwasserkanalisation und den Bau von Kläranlagen. Soweit die Fördermittel 1992 bewilligt und den Anlagen im Bau 1992 gutgeschrieben worden waren, behandelte die Klägerin die weitergeleiteten Zuschüsse als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig. Soweit es sich jedoch um Zuschüsse handelte, die bereits 1991 bewilligt und den Anlagen im Bau erst 1992 gutgeschrieben worden waren, unterblieb eine Umsatzversteuerung.

Der am 10.08.1994 eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 1992, die ein Guthaben in Höhe von ./. 6.512.325,03 DM ergab, stimmte der Beklagte mit Schreiben vom 12.02.1996 zu.

Das Finanzamt -FA- führte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, in deren Verlauf es u. a. feststellte, dass auch die im Jahre 1991 bewilligten und im Jahre 1992 an die Klägerin weitergeleiteten Zuschüsse als Entgelt der Kommunen für die Durchführung der Abwasserbeseitigung zu qualifizieren und insoweit der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien.

In seinem geänderten Bescheid für 1992 über Umsatzsteuer vom 28.07.1998 folgte der Beklagte den Feststellungen der Außenprüfung.

In seiner Einspruchsentscheidung vom 12.06.2002 hat der Beklagte dem Einspruchsbegehren teilweise entsprochen und setzte nunmehr die Umsatzsteuer auf ./. 2.582.545,01 EUR (./. 5.051.019,00 DM) fest. Wegen der Einzelheiten der Gründe wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit der Klage macht die Klägerin weiterhin geltend, die 1991 bewilligten und von den Kommunen an die Klägerin 1992 weitergeleiteten Zuschüsse seien nicht umsatzsteuerbar. Denn es bestehe keine Leistungsaustauschbeziehung zwischen den Kommunen und der Klägerin, sondern nur zwischen der Klägerin und den Abwassereinleitern.

Zwar könne eine Leistungsaustauschbeziehung zwischen der öffentlichen Hand und dem Zuschussempfänger vorliegen, wenn der Zuschussempfänger im Auftrag der öffentlichen Hand eine Aufgabe aus deren Kompetenzbereich übernommen habe und die Zahlung des Zuschusses damit zusammenhänge.

Die Klägerin sei aber vor dem Inkrafttreten des Wassergesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern -LWaG- vom 30.11.1992 (GVOBL M-V S. 669) am 01.12.1992 entgegen der Auffassung des Beklagten nicht im Aufgabenbereich der Kommunen tätig geworden. Denn bis zu diesem Zeitpunkt sei die Abwasserbeseitigung in Mecklenburg-Vorpommern (M-V) nicht Aufgabe der Kommune, sondern der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin der früheren VEB gewesen. Die hier streitigen Zuschüsse seien alle vor dem Inkrafttreten des LWaG an die Klägerin weitergeleitet worden.

Der "Einschalterlass" vom 27.12.1990 (BMF-Schreiben vom 27.12.1990 - IV A 2 - S 7300 - 66/90, BStBl I 1991, 81), der eine Leistungsbeziehung zwischen dem Abwasserunternehmen und den Kommunen fingiere, komme hier - anders als in den alten Bundesländern - nicht zum Tragen, da die Abwasserbeseitigung auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bereits seit der Abschaffung der Reste kommunaler Selbstverwaltung im Jahre 1952 nicht mehr von den Kommunen, sondern von den - von den Kommunen unabhängigen - Volkseigenen Betrieben, den sog. wahrgenommen worden sei.

Leistungsbeziehungen hätten nur zwischen den und deren Rechtsnachfolgerinnen einerseits und den Anschlussnehmern (Abwassereinleitern) andererseits bestanden. Die und ihre Rechtsnachfolger hätten die Abwasserentgelte deshalb auch im eigenen Namen, und nicht etwa im Namen der Kommunen, unmittelbar bei den Anschlussnehmern in Rechnung gestellt.

Die Klägerin beantragt,

abweichend von dem geänderten Bescheid für 1992 über Umsatzsteuer vom 28.07.1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.06.2002 die Umsatzsteuer für 1992 auf ./. 3.190.977,72 e (./. 6.241.009,96 DM) festzusetzen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er hält an seinem Standpunkt fest, dass die Abwasserbeseitigung im gesamten Streitjahr 1992 eine ausschließlich den Kommunen obliegende hoheitliche Aufgabe gewesen sei. Insoweit sei die Klägerin durch den Bau von Kläranlagen und durch die anderen abwasserwirtschaftlichen Baumaßnahmen im Aufgabenbereich der Kommunen tätig geworden.

Dem Senat haben eine Betriebsprüfungsakte, zwei Betriebsprüfungshandakten, zwei Umsatzsteuerakten und je ein Band Bilanzakten 1992 und Vertragsakten vorgelegen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht auch diejenigen gemeindlichen Zuschüsse der Umsatzbesteuerung unterworfen, die die Klägerin für Investitionen im Abwasserbereich vor dem 01.12.1992 erhalten hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin wurden die Investitionskostenzuschüsse der Gemeinden auf Grund eines Leistungsaustauschverhältnisses zwischen der Klägerin und den Gemeinden entrichtet und stellten insoweit Entgelt für eine von der Klägerin erbrachte sonstige Leistung an die Gemeinden dar (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den strittigen Zuwendungen nicht um sog. echte (nicht umsatzsteuerbare) Zuschüsse.

Die sog. echten Zuschüsse sollen nicht eine Leistung des Unternehmers an den Zuschussgeber oder einen Dritten abgelten (dann jedoch sog. unechte - umsatzsteuerbare - Zuschüsse), sondern werden ohne Zusammenhang mit einer konkreten Lieferung oder sonstigen Leistung des Zuwendungsempfängers an den Zuschussgeber (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG) oder an Dritte (sog. Preisauffüllung, vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) erbracht. Kein Entgelt im umsatzsteuerrechtlichen Sinn sind daher insbesondere Zuschüsse, die lediglich der Subventionierung des Zuschussempfängers aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen dienen, ohne eine Leistung des Zuschussempfängers an den Zuwendenden oder an einen Dritten abzugelten.

Nach der Rechtsprechung (vgl. insbesondere BFH, Urteil vom 20.12.2001 - V R 81/99, BFHE 197, 352, BStBl II 2003, 213 - Zuschuss für Kläranlage) können Zuschusszahlungen der öffentlichen Hand dann umsatzsteuerbares Entgelt für eine Lieferung und sonstige Leistung sein, wenn der Zahlungsempfänger im Auftrag der öffentlichen Hand eine Aufgabe aus deren Kompetenzbereich übernimmt und die Zuschusszahlung damit zusammenhängt.

Ein umsatzsteuerrechtlich relevanter Zusammenhang zwischen Entgelt (Zuschuss) und Leistung (Bau von Kläranlagen u. dgl.) im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ergibt sich schon aus den Projektträgervereinbarungen zwischen den Gemeinden und der Klägerin in Verbindung mit den Zuwendungsbescheiden.

Den - inhaltlich im wesentlichen identischen - Projektträgervereinbarungen zwischen den Stadtverwaltungen und der Klägerin in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen Zuwendungsbescheiden des Landes M-V und der Bundesrepublik Deutschland ist zu entnehmen, dass die Fördermittel, die der Stadt vom Land oder vom Bund für ganz konkret beschriebene abwasserwirtschaftliche Baumaßnahmen gewährt worden waren, von der Gemeinde an die Klägerin nur zu dem Zwecke weitergeleitet wurden, um ebendiese abwasserwirtschaftliche Baumaßnahme zu finanzieren. Dementsprechend hatte die Klägerin einen genauen Verwendungsnachweis der Fördermittel zu führen und diesen mit der Schlussrechnung der Stadtverwaltung zuzuleiten. Insoweit stellten die von den Gemeinden weitergeleiteten Fördermittel ein (Teil-)Entgelt für eine konkrete Leistung der Kägerin, nämlich den Bau einer bestimmten Kläranlage, die Errichtung einer bestimmten Abwasserkanalisation usw. dar. Die umsatzsteuerrechtlich relevante Konnexität zwischen Fördermittelvergabe und Baumaßnahme wird auch daraus ersichtlich, dass die Klägerin bei verständiger Vertragsauslegung (aus ungerechtfertigter Bereicherung) die Fördermittel der Gemeinde hätte zurückzahlen müssen, wenn sie nicht die in der Projektträgervereinbarung vereinbarte Baumaßnahme durchgeführt hätte.

Für die Annahme einer Leistungsaustauschbeziehung zwischen der Klägerin und den Städten ist es unerheblich, ob die Klägerin auch umsatzsteuerrechtlich relevante Leistungsaustauschbeziehungen zu den Anschlussnehmern (Kunden) im Streitjahr 1992 eingegangen ist. Wie das BMF-Schreiben vom 10.12.2003 - IV B 7 - S 7106 - 100/03 (BStBl I 2003, 785) in Ergänzung des sog. Einschalterlasses vom 27.12.1990 zu Recht ausführt, entfällt alleine durch das Auftreten des leistenden Unternehmens gegenüber dem Kunden im eigenen Namen nicht das bestehende Leistungsverhältnis zwischen dem leistenden Unternehmen und dem Hoheitsträger.

Da bereits aus den Projektträgervereinbarungen zwischen den Gemeinden und der Klägerin in bezug auf die Fördermittel ein echter steuerbarer Leistungsaustausch i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu folgern ist, kommt es auch nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, dass die Abwasserbeseitigung auch schon vor dem 01.12.1992 eine den Gebietskörperschaften zugewiesene Hoheitsaufgabe war.

Der Senat weist dennoch darauf hin, dass er an seiner ständigen Rechtsprechung festhält, wonach den Gebietskörperschaften des Landes-Mecklenburg-Vorpommern auch schon vor dem Inkrafttreten des LWaG am 01.12.1992 das öffentlichrechtliche Abwasserbeseitigungsmonopol zustand.

Insoweit verweist der Senat auf seine rechtskräftig gewordenen Urteile vom 22.07.1997 - 2 K 151/96, bestätigt durch Beschluss des BFH vom 03.02.1999 - I B 122/97 (BFH/NV 1999, 974) und vom 29.05.2001 - 2 K 139/97, ebenfalls bestätigt durch Beschluss des BFH vom 10.01.2002 - V B 127/01 (BFH/NV 2002, 683).

Soweit dem Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 23.06.1993 - 2 K 74/92 (EFG 1993, 813) und dem von der Klägerin vorgelegten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 29.10.1993 (Gerichtsakten Bl. 116 ff) eine gegenteilige Auffassung entnommen werden kann, wird verkannt, dass schon vor Inkrafttreten der Landeswassergesetze bundesrechtlich anerkannt war, dass die Körperschaften des öffentlichen Rechts bundesrechtlich zur Abwasserbeseitigung verpflichtet waren und sie sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung Dritter lediglich als sog. Verwaltungshelfer bedienen konnten (vgl. § 18a Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision hat der Senat nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO (Fortbildung des Rechts) zugelassen, weil die Frage der Umsatzsteuerbarkeit von Zahlungen, die Kommunen aus ihnen gewährten Zuschüssen an Dritte leisten, nach Ansicht des Senats weiterer Durchdringung durch den BFH bedarf. Die Frage der Abwasserbeseitigungsverpflichtung der Gebietskörperschaften im Lande Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 1992 rechtfertigt nach Ansicht des Senat die Zulassung der Revision dagegen nicht. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 GKG a. F.

Ende der Entscheidung

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