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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 02.07.2008
Aktenzeichen: 1 K 1133/08
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 257
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 1133/08

In der Streitsache

...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ...

sowie

der ehrenamtlichen Richter ...

und

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02. Juli 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sowie die Frage, ob der Kläger die Auszahlung von eingezogenen Geldbeträgen verlangen kann.

Gegen den Kläger vollstreckt der Beklagte - das Zentralfinanzamt München (ZFA) - seit mehreren Jahren wegen Steuerforderungen. Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 25. Oktober 2006, 12. Dezember 2006, 23. Juli 2007 und 31. Juli 2007 pfändete das ZFA Forderungen des Klägers gegen mehrere Drittschuldner (vgl. die Aufstellung in der Einspruchsentscheidung - EE - vom 19. März 2007). Die Drittschuldner erkannten die Pfändungen an und zahlten auf die Einziehungsverfügung einen Gesamtbetrag von 25.758,47 EUR, den das ZFA mit Steuerschulden des Klägers verrechnete. Diesen Zahlungsbetrag und dessen Verbuchung auf einzelne Steuerforderungen erläuterte das ZFA mit Schreiben vom 30. August 2007 (VollstrA Bd. 2, Seite 237).

In der Folge wandte sich der Kläger gegen die aus seiner Sicht "widerrechtliche Aneignung" seines Eigentums und forderte die Auszahlung dieses Betrages an ihn. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2007 erläuterte das ZFA seine Rechtsauffassung zu den wesentlichen Vorwürfen des Klägers und erklärte, dass seinem Antrag auf Erstattung nicht entsprochen werden könne. Dem Schreiben beigefügt war eine aktuelle Rückstandsaufstellung, jedoch keine Rechtsbehelfsbelehrung. Gegen dieses Schreiben erhob der Kläger unter dem 31. Dezember 2007 "Einspruch", in dem er Aufhebung sämtlicher gegen ihn laufender Vollstreckungsmaßnahmen beantragt sowie die Rückzahlung des eingezogenen Betrages von 25.758,47 EUR.

Das ZFA legte das Begehren des Klägers als Einsprüche gegen die o.g. Pfändungsverfügungen und die Ablehnung der Rückzahlung des eingezogenen Betrages aus und verwarf sie mit EE vom 19. März 2007 zum Teil als unzulässig, im Wesentlichen wies es sie als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die gesetzlichen Vollstreckungsvoraussetzungen lägen nicht vor. Die EE basiere nicht auf rechtsstaatlichen Normen oder tragfähigen Tatsachengrundlagen. Eine Vollstreckung sei unzulässig, wenn die Säumniszuschläge 10% der festgesetzten Steuer überstiegen. Die Festsetzungen des Finanzamts München III bestünden jedoch zu 69,7% als Säumniszuschlägen und Zinsen. Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 28. April 2008 und die Begründung des Prozessvertreters vom 28. April 2008 verwiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1) die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 25. Oktober 2006, 12. Dezember 2006, 23. Juli 2007 und 31. Juli 2007 und die hierzu ergangene EE vom 19. März 2007 aufzuheben,

und

2) einen Auszahlungsbetrag in Höhe von 25.758,47 EUR festzustellen bzw. zu erstatten.

Das ZFA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die EE. Darüber hinaus setzt es sich mit den im Klageverfahren vorgetragenen Argumenten im Schriftsatz vom 20. Mai 2008 auseinander, auf den verwiesen wird.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 2. Juli 2008, zu der für den Kläger unentschuldigt niemand erschienen ist, wird verwiesen.

II. 1. Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1), als Anfechtungsklage gegen die Pfändungs- wie gegen die Einziehungsverfügungen gerichtet, unzulässig.

Mit der Zahlung der gepfändeten Forderung durch den Drittschuldner an das ZFA als Pfändungsgläubiger ist die gepfändete Forderung eingezogen (§ 314 der Abgabenordnung [AO]), der Pfandgegenstand mithin verwertet und die Vollstreckung beendet. Eingelegte Rechtsbehelfe werden unzulässig, weil sich die Pfändungs- und Einziehungsverfügung mit ihrer Verwirklichung erledigt hat; aus demselben Grund kann eine Anfechtungsklage gegen die Pfändung nicht mehr zulässigerweise erhoben werden (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs [BFH]vom 11. April 2001 VII B 304/00, BStBl II 2001, 525, m.w.N.)

Der Kläger wendet sich - wie sich aus der Betragsangabe ergibt - im Wesentlichen gegen die bereits erfolgten Einziehungen. Daher ist die Klage insoweit als unzulässig zurückzuweisen. Das gilt ebenso, würde die Klage insoweit als Verpflichtungsantrag auf Einstellung oder Beschränkung der Pfändung nach § 257 AO ausgelegt.

Unzulässig ist die Klage auch bei einer etwaigen Auslegung oder Umdeutung als Fortsetzungsfeststellungsklage. Wie aus der vorstehend zitierten Entscheidung des BFH ersichtlich, erforderte das besondere Feststellungsinteresse die Geltendmachung eines Vollstreckungsverbots (BFH-Beschluss vom 11. April 2001 VII B 304/00, BStBl II 2001, 525). Ein solcher Vortrag ist nicht ersichtlich. Vielmehr wendet sich der Kläger allgemein - und wenig substantiiert - gegen die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung im Allgemeinen. Selbst wenn man ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bejahte, so wäre die Klage unbegründet.

Soweit ersichtlich betrifft lediglich die Pfändung der Forderungen gegen die Drittschuldnerin "Y GmbH und Co.KG" noch möglicherweise künftig entstehende Ansprüche. Insoweit solche zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung noch bestehen, ist die Klage zwar nicht als Anfechtungsklage (auch wegen des verfristeten Einspruchs), wohl aber als Verpflichtungsklage zulässig, weil das Pfändungspfandrecht bei der Pfändung künftiger Forderungen erst in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die betroffene Forderung entsteht (BFH-Urteil vom 12. April 2005 VII R 7/03, BStBl II 2005, 543) und daher ein Verpflichtungsantrag auf Aufhebung der Pfändung nach § 257 AO noch statthaft erscheint.

Soweit die Klage nach dem Vorstehenden zulässig ist, ist sie unbegründet. Insbesondere sind die Pfändungsvoraussetzungen nach § 249 Abs. 1 AO i.V.m. § 254 AO gegeben.

Das behauptete Nichtvorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Insbesondere ist kein Rechtssatz ersichtlich, dass verwirklichte Säumniszuschläge ab einem Größenverhältnis von über 10% der festgesetzten Steuern zu einer Nichtigkeit der zugrundeliegenden Steuerfestsetzungen oder von Vollstreckungshandlungen führten. Gleiches gilt für den Fall, dass Zinsen und Säumniszuschläge zusammen ein bestimmtes Größenverhältnis zur festgesetzten Steuer übersteigen. Die weiteren Vorwürfe wie etwa der Willkür oder der Ausländerdiskriminierung entbehren jeder Substanz.

Auch die übrigen Einwände des Klägers sind rechtlich ohne Bedeutung oder verkennen die Rechtslage. So etwa das Vorbringen einer rechtsunwirksamen EE der Sachbearbeiterin. Zum einen ist die EE vom zeichnungsberechtigten Sachgebietsleiter gezeichnet, zum anderen kommt dieser Frage für die zur Entscheidung stehenden Anträge keine rechtliche Bedeutung zu. Im Übrigen schließt sich das Gericht der Begründung der EE an, auf die gem. § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung [FGO] verwiesen wird.

2. Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 2) unbegründet.

Die Leistungsklage auf Auszahlung der gepfändeten Beträge ist unbegründet, weil der Kläger keinen vorherigen Abrechnungsbescheid erwirkt hat. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch die Erstattungsansprüche gehören (§ 37 Abs. 1 und 2 AO), d.h. für ihre Erfüllung im Steuererhebungsverfahren, ist nach § 218 Abs. 1 AO ein entsprechender im Steuerfestsetzungsverfahren ergangener Bescheid. Daraus folgt, dass eine auf Steuererstattung gerichtete Leistungsklage nur dann begründet sein kann, wenn der Erstattungsanspruch durch Bescheid i.S. des § 218 Abs. 1 AO festgesetzt worden ist (BFH-Urteil vom 12. Juni 1986 VII R 103/83, BStBl II 1986, 702).

Auch hat der Kläger keine Anspruchsgrundlage substantiiert vorgetragen, aus der sich ein Rückzahlungsanspruch gegen das ZFA ergäbe, so dass auch ein Verpflichtungsantrag auf Erlass eines entsprechenden Abrechnungsbescheides wenn nicht unzulässig, so jedenfalls unbegründet wäre. Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Finanzamts ist die bestandskräftige Steuerfestsetzung. Auf die Rechtmäßigkeit der Bescheide kommt es insoweit nicht an, solange diese nicht aufgrund Nichtigkeit überhaupt keine Wirkung entfalten. Gründe für eine Nichtigkeit hat der Kläger jedoch nicht substantiiert vorgetragen. Die wiederholt in Abwandlungen vorgetragene Ansicht des Klägers, das ZFA dürfe - behauptet - rechtswidrige Steuerfestsetzungen nicht vollstrecken, ist jedenfalls irrig. Für die massiven Vorwürfe der Unverhältnismäßigkeit, Rechtsstaatswidrigkeit und sinngemäß willkürlicher Ausländerdiskriminierung finden sich keinerlei Anhaltspunkte in den vorliegenden Steuerakten. Im Übrigen kann der Kläger Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung im - allein die Erhebung betreffenden Verfahren der Abrechnung - nicht mit Erfolg vorbringen (BFH-Urteil vom 15. Juni 1999 VII R 3/97, BStBl II 2000, 46).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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