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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 20.07.2007
Aktenzeichen: 1 K 1376/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 41b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 1376/07

Abschluss des Lohnsteuerabzugs gemäß § 41 b des Einkommensteuergesetzes (EStG)

In der Streitsache

...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung

am 20. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Der Finanzrechtsweg ist mangels sachlicher Zuständigkeit unzulässig.

2. Die Streitsache wird an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht Passau verwiesen.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Der Kläger hat zunächst vor dem Arbeitsgericht gegen seinen früheren Arbeitgeber (den Beklagten) geklagt. Das unter dem dortigen Aktenzeichen geführte Verfahren wurde am 2. Oktober 2006 durch einen Vergleich beendet. Der Beklagte verpflichtete sich darin, an den Kläger einen größeren Geldbetrag zu bezahlen, Lohnabrechnungen zu erstellen und dem Kläger die ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitspapiere auszuhändigen. Nach Angabe der Klägerseite im vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahren ist der Beklagte diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Er habe lediglich die "leere" Lohnsteuerkarte an den Kläger herausgegeben. Gemäß § 41 b EStG sei der Beklagte aber verpflichtet, das Lohnkonto des Klägers ordnungsgemäß abzuschließen, ihm eine Lohnsteuerbescheinigung zu erteilen und diese dem Kläger auszuhändigen.

Am 2. Mai 2007 erging eine gerichtliche Aufklärungsanordnung. Darin wurden die Beteiligten unter Benennung verschiedener finanzgerichtlicher Entscheidungen darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Streitsache an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht zu verweisen. Hierauf hat die Klägerseite mitgeteilt, dass sie der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts [BAG](Urteil vom 11. Juni 2003 5 AZB 1/03, Neue Juristische Wochenzeitung -NJW -2003, 2629) folge, wonach in Fällen wie dem vorliegenden der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet sei.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, dass er sein (des Klägers) Lohnkonto für 2006 ordnungsgemäß abschließt sowie ihm (dem Kläger) eine Lohnsteuerbescheinigung für den Beschäftigungszeitraum 10. April 2006 bis 23. Juni 2006 erteilt und aushändigt.

Der Beklagte hat sich im vorliegenden Verfahren nicht geäußert.

II. Für die streitgegenständliche Klage ist nicht der Finanzrechtsweg gemäß § 33 der Finanzgerichtsordnung (FGO), sondern nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 insbesondere Buchst. e des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) i.V.m. § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) der Weg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG wird deshalb nach Anhörung der Beteiligten die Unzulässigkeit des Finanzrechtswegs festgestellt und der Rechtsstreit an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht Passau verwiesen.

a) Nach § 1 FGO wird die Finanzgerichtsbarkeit durch unabhängige, von den Verwaltungsbehörden getrennte, besondere Verwaltungsgerichte ausgeübt. Der sachliche Aufgabenbereich wird durch § 33 FGO konkretisiert. Danach ist der Finanzgerichtsbarkeit der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) garantierte gerichtliche Schutz des Einzelnen gegen Eingriffe der (deutschen) öffentlichen Gewalt für den Bereich der Abgabenangelegenheiten (mit Ausnahme der Straf- und Bußgeldverfahren) zugewiesen. Der Begriff der Abgabenangelegenheiten in § 33 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO umfasst die Verwaltungstätigkeit der Finanzbehörden des Bundes und der Länder gegenüber gewaltunterworfenen Bürgern (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH -vom13. Februar 1990 VIII R 188/85, BFHE 160, 115, BStBl II 1990, 582). Solche Abgabenangelegenheiten sind nur die mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten im Spannungsfeld der Eingriffsverwaltung zwischen Bürger und Staat. An dem im Finanzrechtsweg zu entscheidenden Streit muss eine Finanzbehörde beteiligt sein (vgl. Birkenfeld in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung (AO)/FGO, § 33 FGO, Rn 156; von Beckerath in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 33 FGO Rn 29; vgl. auch § 63 Abs. 1 FGO, wonach die finanzgerichtliche Klage gegen eine "Behörde" zu richten ist).

b) Rechtsstreitigkeiten, die das bürgerlich-rechtliche Verhältnis zwischen Rechtspersonen des Privatrechts betreffen und in denen es um bloße Reflexwirkungen von Abgabenvorschriften in den Bereich des Privatrechts geht, gehören vor die ordentlichen Gerichte, soweit nicht besondere Gerichtsbarkeiten (z.B. Arbeitsgerichte) eingerichtet sind (vgl. Gräber/Koch, FGO, 6. Aufl., § 33 Rn 1). Entscheidend dafür, welche Gerichtsbarkeit zuständig ist, ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4. Juni 1974 GmS- OGB 2/73, NJW 1974, 2087). Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen etwa des Arbeitsrechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (vgl. BAG-Beschluss in NJW 2003, 2629). Wenn an dem Rechtsstreit ausschließlich Privatrechtssubjekte beteiligt sind, scheidet eine Zuordnung des Rechtsstreits zum öffentlichen Recht grundsätzlich aus (vgl. Birkenfeld, a.a.O., § 33 Rdnr. 162). Dementsprechend weist § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG den Arbeitsgerichten z.B. die ausschließliche Zuständigkeit für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über Arbeitspapiere zu.

c) Der 5. Senat des BAG geht im Beschluss in NJW 2003, 2629 davon aus, dass der Arbeitgeber nach § 41 b EStG öffentlich-rechtlich verpflichtet sei, auf der Lohnsteuerkarte u.a. die Dauer des Dienstverhältnisses zu bescheinigen und die Lohnsteuerbescheinigung dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Prägend für die inhaltliche Ausgestaltung der Lohnsteuerbescheinigung sei damit nicht die auf § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beruhende Nebenpflicht des Arbeitgebers, sondern die lohnsteuerrechtliche Verpflichtung. Die arbeitsrechtliche Nebenpflicht werde inhaltlich durch Regelungen des EStG ausgestaltet. Folglich liege in diesen Fällen keine bürgerlich-rechtliche, sondern eine steuerrechtliche Streitigkeit vor. Hierfür seien nicht die Gerichte für Arbeitssachen, sondern die Finanzgerichte zuständig.

2. Der beschließende Senat hat sich abweichend von diesem BAG-Urteil, aber in Übereinstimmung mit der einhelligen Finanzrechtsprechung (vgl. zuletzt Beschlüsse des Finanzgerichts -FG -Münster vom 4. Juli 2005 10 K 640/05 S, Entscheidungen der Finanzgerichte EFG -2006, 283, m.w.N.; und des FG Hamburg vom 31. Januar 2006 II 202/05, EFG 2006, 992 ), in einem vergleichbaren Fall, in dem es -wie im Streitfall -um die Beurteilung bürgerlich-rechtlicher Pflichten aus einem Arbeitsvertrag ging, für unzuständig erklärt und die dortige Streitsache an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht verwiesen (vgl. Beschluss vom 9. Juni 2004 1 K 1234/04, EFG 2004, 1704). Wegen der Begründung im Einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Entscheidung verwiesen. Der beschließende Senat hält an dieser Rechtsprechung fest, weil nur sie gewährleistet, dass der Rechtsschutz suchende Bürger in Fällen wie dem vorliegenden, in dem es bei verständiger Würdigung des klägerischen Vorbringens im Kernbereich um im Arbeitsrecht (§ 242 BGB) gründende bürgerlich-rechtliche Ansprüche geht, seinen durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich und durch § 16 Satz 2 GVG gesetzlich verbürgten Rechtsanspruch auf den gesetzlichen (im Streitfall Arbeits-)Richter verwirklichen kann. 3. Der Senat ist als sachlich unzuständiges Gericht nicht befugt, darüber zu befinden, ob die vorliegende Klage unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten unzulässig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juni 1993 VI B 108/92, BFHE 171, 409, BStBl II 1993, 760). 4. Die Beschwerde wird gemäß § 155 FGO i.V.m. § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG zugelassen, weil die Frage des zulässigen Rechtswegs für Fälle wie den vorliegenden im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes dringend einer höchstrichterlichen Klärung bedarf und der erkennende Senat von einer Entscheidung eines obersten Gerichtshofs des Bundes (BAG- Beschluss in NJW 2003, 2629) abweicht.

Ende der Entscheidung

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