Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 04.10.2006
Aktenzeichen: 1 K 3885/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 12
EStG § 12 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 3885/05

In der Streitsache

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

ohne mündliche Verhandlung

am 4. Oktober 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob der Kläger die Aufwendungen für ein Motorrad als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Führerscheinprüfer abziehen kann.

Der Kläger wird für das Streitjahr 2003 beim Beklagten - dem Finanzamt (FA) - zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Er erzielte im Streitjahr nach eigener Erklärung im wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Fahrerlaubnisprüfer [...] Darüber hinaus erklärte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit "Ausbildung von TÜV-Mitarbeitern" mit 0,-- EUR. Das FA ließ bei der Veranlagung Aufwendungen in Höhe von x.xxx,-- EUR im Zusammenhang mit einem Motorrad, die als Werbungskosten bei der Tätigkeit als Fahrerlaubnisprüfer beantragt waren, außer Ansatz. Auf die detaillierte Aufstellung der Einzelposten in der abweisenden Einspruchsentscheidung (EE) wird verwiesen.

Der Kläger trägt vor,

er sei Fahrlehrer unter anderem für sämtliche Motorradklassen. Für den Erhalt dieser Lehrerlaubnis müsse er alle vier Jahre an einem dreitägigen Fortbildungslehrgang teilnehmen. Er müsse seine Fahrpraxis trainieren und seine Fahrlehrertätigkeit optimieren, wozu er auch selbst Motorrad fahren müsse. Nur so könne er als Prüfer beurteilen, ob ein Prüfling Fehler mache oder ob z.B. der Fahrbahnbelag Ausweichmanöver veranlasst habe. Bis Mitte 2001 habe er bei [...] die dortigen Motorräder unentgeltlich für die Weiterbildung bzw. seine Fahrpraxis nutzen können. Mit seinem Wechsel zum [...] hätten ihm keine unentgeltlichen Motorräder mehr zur Verfügung gestanden. Daher habe er im Jahr 2000 eine Kawasaki [...] angeschafft, die vom damals zuständigen Finanzamt [...] als beruflich veranlasste Ausgabe anerkannt worden sei. Diese Maschine habe sich für die Körpergröße des Klägers als zu klein herausgestellt, weshalb er im Oktober 2002 ein anderes Motorrad, eine Kawasaki [...] angeschafft habe, womit die alte Maschine ersetzt worden sei. Er benutze "diese Maschine ausschließlich, um seine Fahrpraxis zu erhalten bzw. auch zu trainieren und um seine Fahrlehrertätigkeit zu optimieren".

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den ESt-Bescheid für 2003 vom 23. Juni 2004 in Gestalt der EE vom 30. September 2005 dahingehend zu ändern, dass zusätzliche Werbungskosten in Höhe von x.xxx,-- EUR bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden und die ESt entsprechend niedriger festgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die EE. Eine leichte und einwandfreie Trennung zwischen beruflicher und privater Veranlassung sei im Streitfall nicht gegeben, weshalb das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) den Abzug zur Gänze verbiete.

II. Die Klage ist nicht begründet.

Ein Abzug der Motorradaufwendungen als Werbungskosten ist nach § 12 Nr. 1 EStG nicht zulässig.

Nach § 12 Nr. 1 EStG dürfen bei den einzelnen Einkunftsarten solche Beträge nicht abgezogen werden, die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendet werden. Andererseits sind Aufwendungen für die berufliche Fortbildung Werbungskosten im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, wenn es sich um Ausgaben handelt, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um im ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden. Berühren Aufwendungen den Bereich der beruflichen Tätigkeit und den der privaten Lebensführung und ist eine Trennung nach objektiven Merkmalen und Unterlagen nicht möglich, so greift nach den Beschluss des Großen Senates des BFH vom 19.10.1970 GrS 2/70, BStBl II 1971, 17 das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG durch, es sei denn, es überwiegt bei den streitigen Aufwendungen die Förderung des Berufes in einem solchen Ausmaß, dass die Lebensführung ganz in den Hintergrund tritt. Diese Auslegung des § 12 Nr. 1 EStG wird gerechtfertigt mit der Absicht des Gesetzgebers zu verhüten, dass Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung von beruflichen und privaten Erwägungen Aufwendungen für ihre Lebensführung nur deshalb zum Teil in einem einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen entsprechenden Beruf haben, was anderen nicht möglich ist.

Eine Trennung der streitigen Aufwendungen in einen beruflich veranlassten Teil und in einen solchen, der die Lebensführung des Klägers betrifft, ist nicht möglich.

Unstreitig (und auch nach Auffassung des erkennenden Senats) ist es dem Beruf des Fahrlehrers dienlich, wenn er eigene Fahrpraxis auf den von ihm unterrichteten Fahrzeugen besitzt.

Solche Fahrpraxis ist sogar eine Voraussetzung, um den Beruf des Fahrlehrers und Prüfers sinnvoll ausüben zu können. Andererseits ist der Motorsport, das Ausfahren auf dem Motorrad, bei dem die Freude am Fahren im Vordergrund steht, eine beliebte Freizeitbeschäftigung eines nicht geringen Teils der Bevölkerung. Oft werden von Motorradbegeisterten deshalb Wegstrecken im Rahmen von privaten Ausflügen oder zur Erreichung von Urlaubszielen mit dem Motorrad zurückgelegt. Besitzer eines Motorrades benutzen es darüber hinaus nach der Lebenserfahrung auch bei Vorhandensein eines PKW nicht nur gelegentlich für Wegstrecken, die sie aus privatem oder beruflichem Anlass zurücklegen müssen. Dabei spielt auch die größere Wendigkeit von Motorrädern gerade im Stadtverkehr eine Rolle, aber auch die Möglichkeit, das Zurücklegen der Wegstrecke mit dem Genuss einer Ausfahrt zu verbinden.

Wenn der Kläger vorträgt, er nutze das Motorrad ausschließlich, um seine Fahrpraxis zu erhalten, so schließt dies sämtliche Fahrten ein - unabhängig davon, ob das Fahrtziel privat oder beruflich veranlasst ist. Fahrtpraxis kann auch auf einer Ausfahrt z.B. zum Baden oder auf einer Fahrt zu einem südlichen Urlaubsziel, aber auch z.B. auf dem Weg zu privaten Einkäufen erworben werden, auf Fahrten also, deren Aufwand bei nahezu allen anderen Steuerpflichtigen steuerlich nicht zu berücksichtigende Kosten der Lebensführung sind. Eine Aufteilung danach, ob die Erreichung des Fahrtziels beruflich oder privat veranlasst ist, kommt bei einer reinen Nutzung zum Zwecke, die "Fahrpraxis" zu erhalten, nicht in Betracht. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass er Fahrten unternehme, um berufliche Ziele anzusteuern.

Es ist andererseits nach der Lebenserfahrung auszuschließen, dass der Kläger ausschließlich Rundfahrten vornimmt, ohne zumindest anlässlich der Fahrten auf dem Weg liegende Ziele bei Bedarf anzusteuern und die Fahrt dort zu unterbrechen. Andere objektive Kriterien, die für ein Überwiegen der beruflichen Nutzung in dem Maße sprächen, dass die private Nutzung ganz in den Hintergrund träte, sind im Streitfall nicht ersichtlich. Den privaten Erlebniswert, um dessen Willen Motorradbegeisterte sich den Aufwand privat leisten, bietet auch eine Fahrt "zum Zwecke der Fahrpraxis". Explizite Testfahrten, etwa in physikalischen Grenzbereichen, auf Teststrecken, mit Testgeräten etc. sind vom Kläger weder vorgetragen noch nachgewiesen.

Während bei Kraftfahrzeugen, bei denen das Zurücklegen der Fahrtstrecke zu einem konkreten Ziel schon nach dessen Bauart oder nach der tatsächlichen Nutzung im Vordergrund steht, eine Aufteilung der Aufwendungen nach beruflich oder privat veranlassten Fahrten - will heißen: Fahrtzielen - vorgenommen werden kann, ist dies bei der vom Kläger vorgetragenen Nutzung nicht möglich. Vielmehr überlagern sich der Zweck des "Fahrens als solchem" und das Erreichen eines - privat oder beruflich veranlassten - Fahrtziels. Diese Überlagerung, die Nichttrennbarkeit von privater und beruflicher Veranlassung, muss nach Überzeugung des erkennenden Senats zur Anwendung des § 12 Nr. 1 EStG führen, mit dem Ergebnis, dass die Aufwendungen des Klägers zur Gänze nicht abzugsfähig sind.

Der Senat verkennt nicht, dass damit ein gewisser Nachteil für den Kläger verbunden ist, weil er somit auch nicht einen Teil der Aufwendungen Steuer mindernd absetzen kann, obschon er für seinen Beruf zwingend Fahrpraxis auf einem Motorrad braucht. Andererseits ist er in der glücklichen Lage, Fahrten, die bei jedem anderen aufgrund des Fahrtziels privat veranlasst wären, gleichzeitig dazu zu nutzen, um die für seinen Beruf erforderliche Fahrübung zu erlangen. Letzteres rechtfertigt es, unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks, den begehrten Abzug zu versagen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

Zurück